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D
Da beißt die Maus keinen Faden ab...erklären wir überzeugt, wenn an einer Erkenntnis nicht zu rütteln ist, etwas unabänderlich feststeht. Die Redewendung, die wohl schon vor 1400 gebräuchlich war, steht möglicherweise mit der heiligen Gertrud von Nivelles (626-659) in Zusammenhang, die im Mittelalter vor allem zur Abwehr von Ratten- und Mäuseplagen angerufen wurde. Sie wurde oft mit Mäusen abgebildet, die an ihrer Spindel hinaufklettern. Der 17. März (ihr Namenstag) ist ein wichtiger Tag im bäuerlichen Kalender - der Beginn des Frühlings. An diesem Tag werden die Winterarbeiten eingestellt, man beginnt mit Feldbestellung und Gartenarbeit. So am Gertrudentag noch gesponnen wird, meinte man, werde der Flachs von den Mäusen zerfressen, oder der Faden abgebissen.
Nach anderen Deutungen rührt die Wendung von der Æesop-Fabel »Der Löwe und das Mäuschen« her, in der die kleine Maus den »König der Tiere« rettet, indem sie ein Netz zernagt, in welchem jener gefangen ist. Eine weitere Möglichkeit wäre, daß früher ein Schneider mit dieser Floskel erklärte, daß von geliefertem Stoff nichts unterschlagen wird, die »Schneidermaus« keinen Faden abbeißt. Und noch eine vierte Erklärung: Bei einer einst recht verbreiteten Mausefalle mußte der Nager einen Faden abbeißen, um an den Köder zu gelangen. Dadurch schnellte mittels einer vorgespannten Feder eine Drahtschlinge nach oben und machte dem Schädling den Garaus. Eine schlaue Maus beißt diesen Faden natürlich nicht ab...
Da beißt sich die Katze in den Schwanz...sagen wir zu gegenseitigen Widersprüchen oder paradoxen Situationen: Oft sieht man besonders junge Stubentiger, die eifrig ihrem eigenen ständig »fliehenden« Schwanz nachjagen - ohne diesen jemals »fangen« zu können. Die Wendung zeigt bildlich einen »Circulus vitiosus«, den Teufelskreis, in dem sich Ursache und Wirkung wechselseitig bedingen, der bei näherer Betrachtung eigentlich überhaupt kein Kreis ist, sondern eine Abwärtsspirale. Zumindest geht es mit demjenigen bergab, der hineingerät, denn das Teuflische daran ist gerade, daß es kein Entkommen gibt. Der Klassiker: Wenn wir einen Kredit von der Bank haben wollen, müssen wir zuerst Sicherheiten nachweisen - haben wir diese, bräuchten wir eigentlich das Geld nicht...
Da bleibt einem der Bissen im Halse stecken...wenn wir unangenehm überrascht werden, über etwas erschrocken oder entsetzt sind. Diese Wendung geht zurück auf ein Gottesurteil, das bis ins späte Mittelalter gebräuchlich war: Das »Broturteil« oder die »Probe des geweihten Bissens« (Iudicium offæ, panis adiurati, casibrodeum) bestand darin, daß man dem Angeschuldigten einen unter Verwünschungsformeln zubereiteten Bissen trockenen Brotes oder geweihten Käses in den Mund steckte, das er ohne Flüssigkeit herunterschlucken mußte. Gelang ihm dies, war er frei und seine Unschuld bewiesen - wenn nicht, blieb ihm im wahrsten Sinne »der Bissen im Halse stecken«. Dieses Ordal wurde insbesondere für Geistliche anno 868 als »purgatio per sanctam Eucharistiam« eingeführt, wobei der Beschuldigte die Worte »corpus Domini ist mihi ad probationem hodie« sprach. Nach Grimm, Rechtsaltertümer, S. 936, war aber diese Sitte bei den Indern und anderen indogermanischen Völkern nicht minder ausgebildet als bei den Germanen, so beweisen z.B. die Verse 266 und 267 in Sophokles' Antigone, daß die Ordalien auch dem klassischen Altertum bekannt gewesen sein müssen. Gottesurteile dieser Art sind bis ins 14. Jahrhundert belegt.
Da bleibt kein Auge trocken...wenn alle Tränen lachen oder gerührt sind - keiner bleibt verschont: Der Danziger Theologe und Schriftsteller Johannes Daniel Falk (1768-1826), von dem auch das wohlbekannte Weihnachtslied »O du Fröhliche« stammt, schrieb in seinem Gedicht »Paul. Eine Handzeichnung«, das 1799 im »Taschenbuch für Freunde des Scherzes und der Satire« veröffentlicht wurde, die Verse:
»In schwarzen Trauerflören wallt
Beim Grabgeläut der Glocken
Zu unserm Kirchhof Jung und Alt
Da bleibt kein Auge trocken.«
Da bleibt kein Stein auf dem andern...kommt aus der Bibel: »Ipse autem respondens dixit eis videtis hæc omnia amen dico vobis non relinquetur hic lapis super lapidem qui non destruatur« - »Jhesus aber sprach zu jnen, Sehet jr nicht das alles? Warlich ich sage euch, Es wird hie nicht ein Stein auff dem andern bleiben, der nicht zubrochen werde«. (Matthäus 24.2)
Da bleibt mir glatt die Spucke weg...sagen wir, wenn wir aufgeregt, verwundert, überrascht oder sprachlos sind. Und das passiert tatsächlich: Psychische und körperliche Vorgänge hängen oft eng zusammen. Die Absonderung von wäßrigem Speichel wird durch den Parasympathikus, einen Teil des vegetativen Nervensystems vermittelt, die des zähflüssigen, enzymreichen Speichels vom entgegenwirkenden Sympathikus, die beide beim Essen angeregt werden. Neben zu geringer Flüssigkeitsaufnahme oder schlicht zu wenig kauen kann auch Angst oder Schreck zur sympathischen Erregung und Kontraktion der Blutgefäße in der Speicheldrüse führen, was den Speichelfluß unterbricht.
Da brat mir einer 'nen Storch...und die Beine recht knusprig!
Dieser Spruch geht auf die abergläubische Verehrung dieser Tiere zurück: Nisten Störche auf dem Hof, gilt dies als glückbringendes Zeichen. Auch als Symbol der Fruchtbarkeit gilt der langbeinige Stelzvogel, der - wie wir ja alle wissen - unsere Kinder bringt.
Darüber hinaus verbietet eine biblische Speisevorschrift (Levitikus 11.13-19) es strikt, bestimmte Tiere zu essen: »Hæc sunt quæ de avibus comedere non debetis et vitanda sunt vobis aquilam et grypem et alietum milvum ac vulturem iuxta genus suum et omne corvini generis in similitudinem suam strutionem et noctuam et larum et accipitrem iuxta genus suum bubonem et mergulum et ibin cycnum et onocrotalum et porphirionem erodionem et charadrion iuxta genus suum opupam quoque et vespertilionem«. - »Vnd dis solt jr schewen vnter den Vogeln, das jrs nicht esset: Den Adeler, den Habicht, den Fischar, den Geyer, den Weihe vnd was seiner art ist. Vnd alle Raben mit jrer art, den Straus, die Nachteule, den Kuckuc, den Sperber mit seiner art. Das Kützlin, den Schwan, den Huhu, die Fleddermaus, die Rordomel, den Storck, den Reiger, den Heher mit seiner art, die Widhop vnd die Schwalbe«.
Da das Fleisch des »Ciconia ciconia« als ungenießbar gilt, wird der Storch daher in der Literatur der Renaissance gelegentlich nur scherzhaft als Leckerbissen genannt. Der gebratene Storch ist somit das Sinnbild des nie Geschehenen und unerhört Neuen. Bevor man solch wundersamen Vogel ißt, muß schon etwas ganz Besonderes geschehen sein.
Da fliegen gebratene Tauben ins Maul...wenn jemand gut lebt, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen. Diese Redewendung geht auf die märchenhafte Vorstellung vom Schlaraffenland zurück - das Land des Überflusses, in dem Milch und Honig fließen und einem gebratene Tauben in den Mund fliegen sollen. In dem gleichnamigen Schwank von Meistersinger Hans Sachs (1494-1576) heißt es anno 1530:
»Auch fliegen um, das mögt ihr glauben,
gebratene Hühner, Gäns' und Tauben;
wer sie nicht fängt und ist so faul,
dem fliegen sie selbst in das Maul«.
Da gefriert das Blut in den Adern...behaupten wir oft, wenn jemand starr vor Schreck, vor Entsetzen wie gelähmt ist. Was diese gebräuchliche Redewendung ursprünglich nur bildlich ausdrücken wollte, ist durchaus wörtlich zu nehmen: Panische Angst lähmt nicht nur den Körper, sie kann tatsächlich das Blut zum Stocken bringen - manche besonders ängstlichen Menschen neigen zu erhöhter Blutgerinnung mit dem Risiko einer Thrombose oder Herzerkrankung. Grund für dieses Phänomen könnte der evolutionäre Vorteil sein, daß etwas »dickeres« Blut bei einer echten Verletzung die Überlebenschancen erhöht.
Da geht er hin und singt nicht mehr...kommentieren wir scherzhaft, wenn jemand von seinem »Pöstchen« zurücktritt oder nach sonst einem Mißerfolg niedergeschlagen aufgibt. Die Redensart ist ein Zitat aus dem Liederspiel »Die Kunst, geliebt zu werden« des Berliner Volkskomponisten Ferdinand Gumbert (1818-96). Hier heiß es: »Da geht er hin und singt nicht mehr! So isses und so war's«.
Da geht's zu wie im Taubenschlag...vergleicht der Volksmund treffend, wenn irgendwo ein ständiges Kommen und Gehen, viel Unruhe herrscht.
Da hängt der Himmel voller GeigenWir sind frisch verliebt, euphorisch, schwärmerisch und glücklich: Die Wendung geht von der Vorstellung aus, daß der Himmel bei der Geburt Christi durch singende und geigende Engel voller Harmonie war - solche Himmelschöre wurden jedenfalls auf zahllosen Bildern der Gotik und Renaissance dargestellt. Auch der Schriftsteller Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen (1622-76) beschrieb seine Hochzeit in seinem »Simplicissimus« (1669) mit den Worten: »Ich ließ trefflich zur Hochzeit zurüsten, denn der Himmel hing mir voller Geigen«.
Da hat der Bäcker drin geschlafen...hat man uns als Kindern erklärt, wenn Höhlungen oder Löcher im Brötchen waren. Die Höhle ist natürlich ein Gärungsprodukt der Backhefe.
Da hat der Teufel seine Hand im Spiel...behaupten wir schnell, wenn etwas andauernd durch Schwierigkeiten und unerwartete Probleme gehemmt wird oder völlig schiefgeht. Ursprung ist das Kartenspiel, das nach altem Volksglauben des Teufels ist.
Da ist der Wurm drin...behaupten wir immer, wenn etwas nicht stimmt, nicht in Ordnung ist, aus unbekanntem Grund immer wieder schiefgeht, nicht so recht funktioniert und niemand weiß, warum. Diese Metapher spielt auf den Apfel an, der - äußerlich schön rot und rund - wie viele andere Früchte auch durchaus den einen oder anderen »Wurm« (eigentlich eine Fliegenmade) enthalten kann. Beißt man einmal kräftig rein, sieht man schnell, daß da »der Wurm drin« ist.
Da ist die Kacke am dampfen...stellen wir fest, wenn Unannehmlichkeiten, Ärger, Schwierigkeiten drohen - was einmal draußen ist, geht nie wieder zurück. So wie die Exkremente dampfend daliegen, sind auch andere Probleme nun nicht mehr rückgängig zu machen.
Da ist die Luft raus...wissen wir gelegentlich, wenn eine Sache ins Stocken kommt, weil irgendwann ganz einfach der Schwung, die Motivation weg ist: Wohl jeder hat als Kind einst Luftballons aufgeblasen und durch die Luft schwirren lassen - solange, bis »die Luft raus« war und die Blase schlaff zu Boden fiel. Auch ein Fahrzeug, das mit einer Reifenpanne liegenbleibt, ist ebensowenig zu »gebrauchen«, wie wir, wenn wir müde geworden sind oder keine Lust mehr haben.
Da ist etwas im Busch...vermuten wir, wenn wir einer Sache nicht recht trauen, etwas offensichtlich Bedrohliches sich ankündigt: In der natürlichen Deckung eines Gebüschs könnten sich Angreifer versteckt halten - wilde Tiere, Räuber oder andere Tunichtgute, die nicht frühzeitig gesehen werden wollen.
Da ist guter Rat teuer...sagen wir verzweifelt, wenn wir nicht mehr weiterwissen, selbst keine befriedigende Lösung für ein Problem finden. Wenn in unserer Ratlosigkeit so gar nichts mehr geht, nutzt uns allerdings kein hoffnungsloses Schulterzucken - irgendwo muß und wird es Hilfe, eine Lösung geben. Aber diese Hilfe wird sich der Fachmann zweifellos auch gut bezahlen lassen...
Bei dieser Redewendung ging es ursprünglich gar nicht um den schnöden Mammon: Mit »teuer« meinte man »selten, kostbar, wertvoll« - ein wirklich weiser Rat war eben schwer zu finden. Die Gebrüder Grimm zitieren in ihrem Deutschen Wörterbuch vor allem Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) mit diesem Ausspruch, so zum Beispiel in »Wilhelm Meisters Lehrjahre« oder »Reinecke Fuchs«.
Da jagt man keinen Hund vor die TürDas Wetter ist so schlecht, daß man das Haus partout nicht verlassen will. Hunde haben die Auswahl nicht. Sie müssen jeden Tag, egal bei welchem Wetter, mehrmals nach draußen.
Da kannst Du Gift drauf nehmen...beteuern wir, wenn etwas unumstößlich richtig ist, man sich voll und ganz darauf verlassen kann, keinerlei Zweifel besteht: Etwas ist einfach »todsicher«, weil Gift in der Regel tödlich wirkt. Manche leiten die Wendung von den sogenannten »Gottesurteilen« der mittelalterlichen Kirche ab, bei denen ein Delinquent, der ein zur Strafe vergiftetes Stück Brot überlebte, »von Gott freigesprochen« ward. Allerdings hat sich die Redensart erst im 19. Jahrhundert verbreitet, als allerlei wirksame Gegengifte greif- und damit eventuelle Risiken ziemlich überschaubar waren.
Da kocht das Blut in den Adern...sagen wir jemandem nach, der in einer Streßsituation nicht »kaltblütig« reagiert, unmöglich ruhig und »cool« bleiben kann: Ähnlich wie die Wellen des Meeres im Sturm meinen wir, daß gelegentlich das Blut in uns wallt und wogt, wenn wir sehr erregt, wütend oder zornig sind und umschreiben dies mit dem Bild kochenden Wassers. Schon die alten Griechen teilten die Menschen in den leicht erregbaren, ungeduldigen Choleriker, den ruhigen, schwerfälligen Phlegmatiker, den mißtrauischen, schwermütigen Melancholiker und den lebhaften, optimistischen Sanguiniker ein und verbanden diese Persönlichkeiten mit den Körpersäften gelber und schwarzer Galle, Schleim und Blut.
Da kräht kein Hahn danach...ist schlicht und einfach ein rustikaler Vergleich aus unserem Alltag: Eine Sache ist so unwichtig, daß nicht einmal ein Hahn es für nötig halten würde, deswegen zu krähen.
Da kriegt man die Pimpernellen...behauptet, wer die Geduld verliert, sich aufregt, wenn eine Sache nicht so läuft, wie sie soll. Die Pimpernelle ist eigentlich ein Heil- und Küchenkraut, das insbesondere zur Verfeinerung von Salaten benutzt wird. Durch Abkochen der Wurzeln gewann man früher eine Tinktur zur Linderung von Bluthochdruck und Kopfschmerzen. Die rheinische Mundart bezeichnet so auch das »Zittergras«, woraus sich die Bedeutung »zittrig vor Ärger« ableiten könnte.
Da lachen ja die Hühner...soll ausdrücken, daß etwas völlig lächerlich und unsinnig erscheint. Warum Hühner lachen, worüber genau und ob überhaupt, bleibt reine Spekulation, da diese Tiere in unserer Vorstellung sehr dumm sind. Wenn sogar die Hühner sich darüber amüsieren, dann muß etwas schon völlig absurd sein, so lächerlich, daß man es beim besten Willen nicht ernstnehmen kann. Immerhin erinnert diese Lautäußerung ein wenig an menschliches Lachen, im übertragenen Sinn meint gackern »reden und lachen«. Dieser kommunikative Phraseologismus geht darauf zurück, daß das Federvieh ja eigentlich nicht lachen kann - zwei vollkommen unmögliche Sachen werden also miteinander verglichen. In Wirklichkeit sind Hühner alles andere als dumm, doch das Vorurteil hält sich hartnäckig.
Da lacht die Koralle...war die Überschrift der Witzseite in der Illustrierten »Koralle«, die in den 30er Jahren erschien.
Da läuft einem das Wasser im Munde zusammen...wenn man etwas Leckeres sieht oder riecht und großen Appetit bekommt. Freut man sich auf eine bevorstehende Mahlzeit, regt schon die Erwartung den Speichelfluß an. Die wissenschaftliche Beschreibung dieses »konditionierten Reflexes« hat der sogenannte »Pawlowsche Hund« berühmt gemacht: Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936), ein russischer Mediziner und Physiologe zeigte an Hunden, daß die Speichelsekretion nicht erst beim fressen beginnt, sondern bereits beim Anblick der Nahrung und daß auch ein anderer Reiz - hier ein Klingelton - nach entsprechendem Training die Produktion von Speichel und anderen Verdauungssäften auslösen kann, wenn er regelmäßig der Fütterung vorausgeht.
Da liegt der Hase im Pfeffer...erkennen wir die Ursache des Problems, den eigentlichen Kern eines Sachverhaltes: Bei diesem Hasen dreht es sich aber nicht um einen lebendigen Hoppelmann, sondern um einen bereits lecker zubereiteten: In »Pfeffer«, eine beliebte Soße oder Brühe, mit Pfeffer und allerlei anderen Gewürzen abgeschmeckt, wird der Hase eingelegt. Wichtiger Bestandteil des »Hasenpfeffers« ist Hasenblut, das heute aber oft durch Rotwein ersetzt wird. Diese Deutung soll unter anderem durch einen Ausspruch des Satirikers Johann Michael Moscherosch (1601-69) belegt sein: »Keiner aber weis, wo der Haas im Pfeffer ligt, als der ihn angericht oder helfe essen«.
Da liegt der Hund begraben...weist entweder auf etwas Wichtiges hin, oder meint, daß es irgendwo besonders langweilig ist: Zerberus, in der griechischen Sage der schwarze Hund, der den Eingang zum Totenreich bewacht, wurde nur zweimal überwunden: Orpheus besänftigte ihn mit seiner Musik, Herakles bezwang ihn mit seiner Körperkraft, um ihn gefesselt seinem König vorzuführen. Darum sagt man »Da liegt der Hund begraben«, wenn ein Vorhaben partout nicht glücken will. Eine andere Erklärung kommt aus der deutschen Volkssage, in der der Zerberus mit glühenden Augen einen verborgenen Schatz hütet. Hinter dem »Hund« verbirgt sich hier der Geizige, der sein Geld mit ins Grab nimmt und zähnefletschend verteidigt. Sympathischer klingt eine Deutung, die Georg Büchmann (1822-84) in seinen »Geflügelten Worten« anführt: Er erinnert an Geschichten von treuen Hunden, die auf dem Grab ihres toten Herrn trauern, bis sie selbst verenden, und zitiert ein Hundegrabmal bei der Schloßruine Winterstein in Thüringen (bei Eisenach), auf dem es heißt: »Anno 1630 Jahr der 19. März ward ein Hund hierher begraben«. »Stutzel« war auf dem dortigen Friedhof begraben und später vom Pfarrer exhumiert und an einem anderen Ort verscharrt worden. «Dort ist der Hund begraben» wurde so in Winterstein zum geflügelten Wort. Noch eine andere Deutung meint, die »Hunde« sei aus dem Mittelhochdeutschen die Beute aus einem Raub oder ein Schatz, der irgendwo versteckt ist.
Bild: wikimedia.org
Da müßt' mein Herz ein Affe sein...sagen wir scherzhaft, wenn wir eine bestimmte Sache, die von uns erwartet oder verlangt wird, rundweg ablehnen, auf keinen Fall zu machen bereit sind, weil wir sie einfach als sinnlos und albern einschätzen. Diese Wendung spielt sicherlich auf unsere haarigen Verwandten an, deren drolliges Verhalten wir auch nur zu gern als absurd empfinden.
Da muß irgendwo ein Nest sein...heißt es immer, wenn etwas in großen Mengen auftaucht und sich jemand über das schier unerschöpfliche Reservoir wundert. Diese Wendung kommt von Tieren, die in einem Wurf sehr viele Junge haben, die fast gleichzeitig ihr Nest verlassen.
Da muß noch viel Wasser die Spree runterlaufen...drücken wir aus, daß noch viel Zeit vergehen wird, bis etwas bestimmtes passiert. Auch Rhein und Main, Elbe und andere Flüsse, sogar der Berg wird bemüht, an dem das Wasser herunterläuft - augenscheinlich fließt es relativ langsam, es wird also noch sehr lange dauern, bis sich all die Flüsse im Meer vereinen.
Da nicht für...sagt man in manchen norddeutschen Gegenden für »Keine Ursache, gern geschehen!« Die Formel ist wohl einfach nur eine verkürzte Form von »dafür mußt Du Dich doch nicht extra bedanken, das ist doch selbstverständlich«.
Da sehe ich schwarz...sagt jemand, der sehr pessimistisch ist, das Schlimmste befürchtet, oder dem der Erfolg eines Unternehmens fraglich erscheint. Im Aberglauben und in Sprichwörtern bedeutet Schwarz oft Unglück. Mißtrauen und Skepsis drücken wir mit der Farbe aus, die uns von altersher als böse und schlecht im Hinterkopf ist, der Farbe der Dunkelheit, für Trauriges und des Alters - dem Gegensatz zum reinen, strahlenden Weiß.
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich...sagten Jugendliche in den 1960/70er Jahren verdutzt, wenn etwas passierte oder funktionierte, was sie nicht für möglich gehalten hätten. Der Spruch stammt aus Erich Kästners (1899-1974) berühmtem Roman »Das fliegende Klassenzimmer« von 1933. Die fünf Protagonisten führen zur Weihnachtsfeier ihres Internats das gleichnamige Theaterstück auf, in dem der besagte Satz fällt.
Da stehste, wie die Kuh vorm Neuen TorIm alten Berlin hatten die Straßenbahnlinien Buchstaben. Das »Neue Tor« war eingleisig und die Linie Q mußte häufig warten...
Da vergehen mir die BegriffeDie »Breslauer Zeitung« schrieb 1870: »Als in der 23. Sitzung des norddeutschen Reichstages, am 28. März 1870, der Abgeordnete Eduard Lasker eine Schilderung des Polizeistaates gegeben hatte, nahm der mecklenburgische Abgeordnete Graf Bassewitz das Wort, um den Polizeistaat, den er eine staatliche Ordnung nannte, in Schutz zu nehmen. Er schloß mit der Versicherung: »da vergehen mir die Begriffe«.
Da vergeht einem Hören und Sehen...heißt nicht unbedingt, daß wir schnell einen Fernsehmonteur brauchen - vielmehr fühlen wir uns ohnmächtig, sind überfordert, überrascht, verwirrt, wissen nicht mehr, was jetzt mit uns geschieht. Augen und Ohren sind unsere wichtigste Verbindung zur Kommunikation mit der Außenwelt, mit ihnen erfassen wir fast alle Sachverhalte um uns herum. Passiert nun etwas, das uns in dieser Wahrnehmung stört, vergeht uns sprichwörtlich »Hören und Sehen«.
In Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) »Faust I.« beklagt sich ein Schüler bei Faust (Mephisto in dessen Kleidern) über die karge Ausstattung der damaligen Universitäten:
»Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum
Und in den Sälen, auf den Bänken
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken«
(Faust I., V. 1884 ff).
Da verließen sie ihn...sagen wir scherzhaft, wenn wir nicht mehr weiterwissen, den Faden verlieren, uns zu einem bestimmten Thema nichts mehr einfällt. Ursprung dieses Ausspruchs ist mal wieder das Neue Testament der Bibel: Als Jesus im Garten Gethsemane von den Gehilfen des Hohenpriesters gefaßt wird und sich diesen kampflos ergibt, heißt es in Matthäus 26:56 und Markus 14:50: »Tunc discipuli eius relinquentes eum omnes fugerunt« - »Vnd die Jünger verliessen jn alle vnd flohen«.
Da wächst kein Gras mehr...sagen wir, wenn jemand außerordentlich grob, radikal, eindrucksvoll, verheerend gehandelt hat. Hier wurde dermaßen gewütet, alles so gründlich zerstört, daß bildlich selbst für die vergleichsweise einfache und robuste Pflanze keine Grundlage für weiteres Wachsen und Gedeihen mehr da ist.
Da war der Wunsch der Vater des Gedanken...erklären wir, wenn ein Traum geplatzt, eine Hoffnung doch nicht in Erfüllung gegangen ist.
Beim Wunschdenken wird oft die Realität durch ein uns besser zusagendes Ergebnis verdrängt, ihr widersprechende Aspekte möglichst ignoriert und die die eigene Sicht mit scheinbar stützenden Argumenten belegt. Leider funktioniert das aber nur äußerst selten, wie dereinst schon Prinz Harry aus William Shakespeares (1564-1616) Drama »Heinrich IV.« erkennen mußte: »Thy wish was father, Harry, to that though« (Dein Wunsch war des Gedankens Vater, Heinrich [2. Teil, 4. Szene]) sagt der König im englischen Original zum Prinzen von Wales, als der den auf dem Krankenlager schlafenden Vater für tot gehalten und seine Krone an sich genommen hatte, um sie als legitimer Nachfolger zu tragen.
Da war's um ihn geschehn...kommentieren wir scherzhaft, wenn sich jemand hoffnungslos verliebt hat, eine aussichtslose Situation, in der kaum noch etwas zu retten ist: Das Zitat stammt aus Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Ballade »Der Fischer«, in der der Protagonist von den Verlockungen einer Nixe heimgesucht wird und ihr schließlich erliegt:
»Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn«.
Da werden Weiber zu Hyänen...schreibt Friedrich Schiller (1759-1805) anno 1799 in seiner Ballade »Die Glocke« und man spürt sein Entsetzen über die Auswüchse der Französischen Revolution:
»Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
Zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu,
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei«.
Mancher mag versucht sein, hier von einer Tatsachenbehauptung zu sprechen, sie selbst werden es selbstredend als Beleidigung auslegen. Wie auch immer - keiner Hyäne würde es einfallen, ihre eigene Spezies mit solch raffinierter Perversität zu foltern. Selbst das blutrünstigste Raubtier würde sich dafür bedanken, mit dem Menschen verglichen zu werden. Und auch Schiller muß schließlich eingestehen:
»Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn«.
Da wird der Hund in der Pfanne verrückt...sagen wir, wenn wir eine unglaubliche Geschichte hören, überrascht sind: Till Eulenspiegel, der 1350 in Mölln gestorbene Schelm, war nicht gerade als Hundefreund bekannt. Das Volksbuch von 1515 überliefert mehrere Geschichten des tierquälenden Narren. In der »46. Historie« erleben wir Till als Gesellen eines Bierbrauers in Einbeck: »Es begab sich, daß der Brauer zu einer Hochzeit gehn wollt und befahl Eulenspiegeln, er sollt (...) dieweil Bier brauen, so gut er könnt. (...) Vor allen Dingen sollt er Fleiß tun und den Hopfen wohl sieden, auf daß das Bier scharf davon schmecken würd, daß er es gut verkaufen könnt«. Eulenspiegel sagt: »Ja, gern, er wollt das gut tun«. Damit ging der Brauer mit seiner Hausfrauen zu den Türen aus. Eulenspiegel begann fest zu sieden. (...) Nun hätt der Brauer einen großen Hund, der hieß Hopf. Den nahm er, als das Wasser heiß ward, und warf ihn darein (in die Braupfanne) und ließ ihn wohl darin sieden, daß ihm Haut und Haar abging und das Fleisch überall von den Beinen fiel«. Nach seiner Rückkehr fand der Meister die Reste des »Hopfen«, des toten Haustieres, im Kessel, während Eulenspiegel einmal mehr mit Unschuldsmiene behauptete, er habe nur ausgeführt, was man ihm aufgetragen habe...
Dabeisein ist alles...sagen wir heute - übrigens ganz im Gegensatz zum klassischen olympischen Motto »Citius, altius, fortius« (Schneller, höher, stärker), das noch den unbedingten Siegeswillen in den Vordergrund stellte - wenn jemand »unter ferner liefen« an einem Wettbewerb teilnimmt und kaum Chancen auf einen Erfolg hat. Der Spruch geht im Original auf den Bischof Ethelbert Talbot (1848-1928) zurück, den im Jahre 1908 der Sportfunktionär Pierre de Coubertin (1863-1937) anläßlich eines Streits zwischen britischen und amerikanischen Sprintern über den Sieg im 400-Meter-Lauf zitierte und berühmt machte: »Das Wichtige an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, sondern daran teilzunehmen; ebenso wie es im Leben unerläßlich ist, nicht zu besiegen, sondern sein Bestes zu geben«.
Dachhase...nennen wir manchmal euphemistisch unsere Stubentiger: Der Ausdruck soll aus der Zeit der Belagerung Wiens 1683 stammen, als sich ärmere Bevölkerungsgruppen mangels Alternativen von Katzen ernährten. Eine ausgeweidete Katze hat durchaus Ähnlichkeiten mit einem Hasen und soll auch ähnlich schmecken. Den Braten kann man nur an der Rippenform »riechen« - bei Katzen sind sie sehr flach, bei Hasen und Kaninchen eher rundlich. In der 1893 erschienenen Komödie »Der Biberpelz« von Gerhart Hauptmann (1862-1946) vermutet Spitzel Motes einen Hasenbraten in der Pfanne. Die Waschfrau Wolff antwortet daraufhin: »Dachhase vielleicht! Das ist eher meeglich!«
Dachschaden...nennen wir es salopp, wenn jemand ein bißchen verrückt, scheinbar nicht recht bei Verstand ist oder sich sonstwie merkwürdig verhält. Den Kopf als höchsten Punkt des Körpers mag man ja bildlich mit dem Dach eines Hauses vergleichen können. Allerdings nutzt es in diesem Falle nicht wirklich weiter, den Dachdecker zu rufen...
DackelblickDer treuherzig-unwiderstehliche Gesichtsausdruck, der nur zu gerne von Frauen eingesetzt wird, denen man dann partout nichts abschlagen kann, strahlt Wärme, Zärtlichkeit und Liebe aus. Doch Vorsicht! Dieser metaphorische Ausdruck wurde wohl nicht ganz zufällig nach dem krummbeinigen Dachsjäger benannt: Auch der eigensinnige Dackel braucht konsequente Erziehung, sonst wird er mit instinktiver Sicherheit die Schwachstellen seines Menschen erkennen und seinen Sturkopf durchsetzen. Ein gesundes Mißtrauen ist also - nicht nur für Katzen - durchaus angebracht...
Dämlack...nennt der Volksmund einen unverbesserlichen Trottel mit extrem langsamer Auffassungsgabe, der sich dümmer anstellt, als er ohnehin schon ist.
Diese Abkürzung für »dämlicher Lackaffe« ist natürlich eine Verbalinjurie: Daß »dämlich« nicht wirklich von »Dame« abgeleitet wird, ist hinlänglich bekannt. Der Grad der Beleidigung wird deutlich höher durch den »Lackaffen«, abgekürzt auch »Laffe« oder »Lackel«, der volkstümlich für einen groben, ungehobelten Menschen steht und möglicherweise von »Lakai« abgeleitet ist.
DämlichKommt von »dumm«, mittelhochdeutsch »toum« (Qualm, Dunst) bezeichnet also jemanden, der etwas benebelt ist. Frühere sprachgeschichtliche Formen sind »dämelig« und »dämisch« in der Bedeutung von »dumm, albern, benebelt«. Also doch nicht das Adjektiv zu »Dame«...☺
Däumchen drehen...wir, wenn wir ganz einfach nichts tun: Mangels sinnvoller Beschäftigung falten wir die Hände und drehen einen Daumen um den anderen, um uns die Langeweile zu vertreiben.
Dagegen ist kein Kraut gewachsenGegen die Liebe, aber auch die Dummheit - so sagt man - gibt es kein Mittel. Diese uralte Erkenntnis finden wir beispielsweise schon bei dem antiken römischen Dichter Publius Ovidius Naso (43 a.C.-17): »Ei mihi, quod nullis amor est sanabilis herbis!«. (Weh mir, daß die Liebe durch keine Kräuter heilbar ist!) Das Wissen um die Wirkung der Heilpflanzen war damals immens, doch wenn der Heiler keine bestimmte Pflanze kannte, konnte er dem Menschen nicht helfen. Und bis zur Herstellung chemischer Arzneien sollte es noch viele Jahrhunderte dauern...
Daher weht der Wind...begreifen wir, wenn wir negativ überrascht von etwas Neuem und Aufschlußreichen erfahren und jemandem die Grundlage für seine Argumentationen nehmen wollen. Endlich durchschauen wir, um was es hier geht, jetzt wird alles klar!
Wilhelm Busch (1832-1908) hinterließ uns das Gedicht »Der Wetterhahn«:
»Wie hat sich sonst so schön der Hahn
auf unserm Turm gedreht.
Und damit jedem kundgetan,
woher der Wind geweht.
Doch seit dem letzten Sturme hat
er keinen rechten Lauf;
er hängt so schief, er ist so matt,
und keiner schaut mehr drauf.
Jetzt leckt man an den Finger halt
und hält ihn hoch geschwind.
die Seite, wo der Finger kalt,
von daher weht der Wind.«
DaimonionNach Platon die »innere Stimme« des Sokrates, die ihn warnte, etwas Unrechtes zu tun, ihn jedoch nie positiv zu bestimmten Handlungen aufrief. Das Hören auf dieses »Daimonion« (statt auf die Götter) führte unter anderem zu seiner Verurteilung.
Dalli, Dalli!...treibt allgemein zu schnellerem Arbeiten oder rascherer Gangart an: Die Wendung hat das »flink, flink« oder »schnell, schnell« nicht nur durch die klassische ZDF-Sendung mit Hänschen Rosenthal (1925-87), der zwischen dem 13. Mai 1971 und dem 11. September 1986 ganze 153 Sendungen produzierte, aus dem deutschen Wortschatz weitgehend verdrängt. Seinen Ursprung hat das seit Ende des 19. Jahrhunderts im deutschen Raum bekannte »dalli« im polnischen »dalej« (vorwärts).
Damit ist es EssigDas wurde zunichtegemacht, es ist mißglückt. Der Ursprung liegt im Weinbau: In vielen Ländern wird aus Weinreben Essig gewonnen. Wenn der Wein zulange gärt und in Essig umschlägt, wird er für den eigentlichen Zweck, den Genuß, unbrauchbar. Möglicherweise geht der Ausdruck aber auch auf das jiddische »hesek« (Verlust, Schaden) zurück. Kaufleute sprachen vom drohenden Hessik (der Pleite), was ganz ähnlich wie Essig klingt.
Damit lockt man keinen Hund hinter dem Ofen vorEin Angebot taugt nichts, ist äußerst langweilig: Hier ist natürlich nicht das Innere des Ofens, der Feuerraum, sondern der leere Raum darunter gemeint, wo Hunde gern in der Wärme liegen. Obgleich das Tier die Wärme liebt, bedarf es doch eigentlich nicht viel, ihn von dort hervorzulocken.
DamoklesschwertDer römische Staatsmann, Philosoph und Schriftsteller Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.) soll einst folgende Geschichte erzählt haben: Damokles, Hofschranze des Tyrannen Dionys maior von Syrakus (405-367 a.C.), umschmeichelte seinen Herrscher, er sei der glücklichste aller Sterblichen. Dieser will ihm eine Lehre erteilen, ihm zeigen, wie gefahrvoll das Leben eines Mächtigen wirklich ist: Er setzt ihn auf einen goldenen Stuhl an die königliche Tafel, stellt ihm alle Reichtümer und Genüsse in Hülle und Fülle zur Verfügung, läßt aber heimlich über dem Haupte des schwelgenden Damokles ein Schwert aufhängen. Als dieser das Schwert erblickt, das nur an einem Pferdehaar über ihm hängt, vergeht ihm vor lauter Angst die Sinnenfreude. Der deutsche Schriftsteller Christian Fürchtegott Gellert (1715-69) hat die Moral der Geschichte 1748 in seinen »Fabeln und Erzählungen« so gereimt: »Ach! Fängt er zitternd an zu schreien: Laß mich, o Dionys, nicht länger glücklich sein!«
Dampf ablassen...müssen wir gelegentlich, um uns auszutoben, unserem Ärger Luft zu machen, uns zu beruhigen, indem wir aussprechen, was uns ärgert: Wenn wir wütend sind, steigen die Hauttemperatur und Pulsfrequenz, weshalb uns heiß wird. Der bildliche Vergleich mit der Hitze eines Dampfkessels bietet sich an - bevor wir »explodieren« oder »platzen vor Zorn«, lassen wir »Dampf« entweichen, damit der innere Druck sich verringert und der »Kessel« nicht explodiert.
Dampf habenIn der Gaunersprache war »Dampf« ein unangenehmes Gefühl. In Anbetracht des indogerman. »dhem« (stieben, rauchen) und des engl. »damp« (Feuchtigkeit) sowie der Redensart »mir raucht der Kopf« könnte auch das Bild des benebelten oder verschwitzten Kopfes angenommen werden.
Dampfplauderer...sind ohne weiteres in der Lage, stundenlang zu reden, ohne wirklich etwas zu sagen - vor allem, wenn sie eigentlich gar nichts zu sagen haben. Sie halten ihre Sprüche für sehr lustig und hören von selber nicht auf zu reden. Aus der österreichischen Umgangssprache in den allgemeinen deutschen Wortschatz eingeflossen, drückt das Wort aus, daß jemand nur heiße Luft von sich gibt. Zurückzuführen ist es wohl auf das »Dampfradio«, ein altertümliches Röhrenradio aus der Urzeit der Radiotechnik kurz nach der Dampfmaschine, das während des Betriebs relativ warm wurde. Ein Moderator, der die Pausen zwischen den Musiktiteln besonders wortreich überbrückte, wurde so zum »Dampfplauderer«.
DanærgeschenkEine unheilbringende, hinterlistige Gabe, die zwar Vorteile, aber auch Gefahren in sich birgt, ist in Vergils (70-19 a.C.) »Æneis« zu finden: Im letzten Jahr des Trojanischen Krieges bauten die Griechen ein großes hölzernes Pferd und gaben vor, es sei eine geweihte Opfergabe an die Göttin Athene - in Wirklichkeit waren in ihm griechische Soldaten versteckt. Laokoon, in der Mythologie Priester des Sonnengottes Apollon, fürchtete eine List und warnte die trojanischen Anführer mit dem Ruf: »Quidquid id est timeo Danaos et dona ferentes!« - »Worum immer es geht, ich fürchte die Danær, auch wenn sie Geschenke bringen!« Aber er drängte vergeblich, das Geschenk zu zerstören und wurde schließlich samt seiner Söhne von Schlangen erwürgt. Die Trojaner hielten es für ein Zeichen des Himmels, Laokoons Ratschlag zu mißachten, zogen das Trojanische Pferd in ihre Stadt und trugen somit nachhaltig zu ihrer eigenen Vernichtung bei.
Danziger SchokoladeDie Redensart hat ihren Ursprung in der Einnahme Danzigs durch die Franzosen am 24. Mai 1807: Napoléon ließ den Marschall François-Joseph Lefebvre, der die Einnahme erreicht hatte, zu sich kommen und gab ihm eine Tafel Danziger Schokolade zum Andenken an den Sieg mit den Worten: »Kleine Geschenke unterhalten die Freundschaft«. Bei der Öffnung soll der Marschall 100.000 Krontaler in Banknoten darin gefunden haben...
Daran erkenn ich meine PappenheimerDie Fähigkeit, Menschen und ihre Defizite genau zu kennen und zu wissen, was von ihnen zu halten ist, stammt aus der Feder Johann Christoph Friedrich von Schillers (1759-1805). In der Dramentrilogie um »des Glückes abenteuerlichen Sohn« lobt Titelheld Wallenstein mit diesen Worten Treue und Mut der Kürassiere des Regiments von Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim (1594-1632) während des dreißigjährigen Krieges (Fünfzehnter Auftritt):
(Gefreiter:) Unsre Kameraden zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben bereits gehorcht, und ihrem Beispiel folgten die Regimenter Tiefenbach, Toskana. - Wir aber glauben's nicht, daß Du ein Feind und Landsverräter bist, wir halten's bloß für Lug und Trug und spanische Erfindung. Du selber sollst uns sagen, was Du vorhast, denn Du bist immer wahr mit uns gewesen, Das höchste Zutraun haben wir zu Dir, kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben, den guten Feldherrn und die guten Truppen.
(Wallenstein:) Daran erkenn' ich meine Pappenheimer.
Heute wird diese Wendung - anders als ursprünglich gedacht - eher abschätzig verwendet: Das mag daran liegen, daß die »Pappenheimer« - die Bewohner der Stadt im bayerischen Altmühltal - die Müllmänner des Mittelalters waren. Aufgabe des Reichsmarschalls, der über Jahrhunderte von den Pappenheimern gestellt wurde, war, für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit bei Hofe und im Umfeld des Kaisers zu sorgen. Knechte, die in Nürnberg Dreck und Fäkalien von den Straßen entfernten, wurden bald - unabhängig ihrer Herkunft - »Pappenheimer« genannt und wegen Ihres oft etwas herben Geruchs verachtet.
Darauf kannst Du Gift nehmen...bekräftigen wir manchmal eine Aussage: Das ist ganz sicher! Darauf kannst Du Dich verlassen! Der Ursprung dieser Wendung liegt vermutlich in mittelalterlichen Gottesurteilen: Der Verurteilte mußte z. B. ein vergiftetes Stück Brot essen und wurde freigesprochen, wenn er nach dem Verzehr noch am Leben blieb.
Darben...meint hungern, Mangel leiden. Den Begriff gab es schon im Althochdeutschen. Bei Heinrich Heine (1797-1856) heißt es in »Deutschland. Ein Traum«:
»O der Schande! jene darben,
Die das Vaterland befreit;
Ihrer Wunden heil'ge Narben
Deckt ein grobes Bettlerkleid!«
Darüber streiten die GelehrtenLäßt sich auf den römischen Dichter Quintus Horatius Flaccus (65-8 a.C.) zurückführen: In seiner »Ars poetica« (Die Dichtkunst), einer poetologischen Abhandlung in 476 Versen, kommentiert er den Streit darüber, wer als erster das elegische Versmaß der Distichen verwendet habe, mit den Worten: »Grammatici certant, adhuc sub iudice lis est«. (Die Grammatiker streiten, bisher ist der Streit vor dem Richter.)
Das also ist des Pudels Kern...meint heute den wahren Hintergrund oder die versteckte Problemlösung und stammt aus des Geheimrats Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) »Faust I«: Mephisto hat sich in einen schwarzen Pudel verwandelt und belauert im Studierzimmer den Protagonisten. Der beginnt seine Bibelübersetzung, was dem Höllengeist so gar nicht paßt. Der Pudel jault auf, Faust beschwört das Tier und Mephisto verwandelt sich flugs in einen Studenten. Faust sagt daraufhin: »Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Scholast? Der Kasus macht mich lachen«.
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbindenFindet sich bei einem Klassiker der römischen Dichtkunst, dem Dichter Quintus Horatius Flaccus (65-8 a.C.): In dessen Werk »Ars poetica« (Die Dichtkunst), einer poetologischen Abhandlung in 476 Versen heißt es, eigentlich bezogen auf die Dichtkunst: »Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci«. - »Alle Punkte erringt, der das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet«. Horaz meinte damit, daß ein literarisches Werk sowohl lehrreich als auch unterhaltsam sein sollte.
Das Auge des Gesetzes...bezeichnet als Metapher vom »Auge der (strafenden) Gerechtigkeit« schon bei antiken Autoren wie dem römischen Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus (300-395) und dem griechischen Tragiker Sophokles (um 496-406 a.C.) und im heute eher scherzhaften Sprachgebrauch die Polizei. Der wohl bedeutendste deutsche Dramatiker und Dichter Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) verwendet die Redewendung in seinem »Lied von der Glocke« in folgendem Kontext:
»Schwarz bedecket
Sich die Erde;
Doch den sichern Bürger schrecket
Nicht die Nacht,
Die den Bösen gräßlich wecket;
Denn das Auge des Gesetzes wacht«.
Das Auge ißt mit...sagt der Volksmund, wenn auch der optische Eindruck einer Sache wichtig ist. Essen muß nicht nur gut schmecken, sondern auch gut aussehen, denn das beeinflußt entscheidend mit, ob wir überhaupt Lust haben, es zu essen. Schon Dichterfürst Goethe wußte: »Das Essen soll zuerst das Auge erfreuen und dann den Magen«. Zu einem lecker zubereiteten Essen gehört aber nicht nur die passende Tischdekoration - wenn das Auge etwas sieht, was dem Körper nicht gut tut, werden wir es verweigern. Ein anderer Aspekt: Optische Eindrücke prägen das Sättigungsgefühl weit stärker als der Magen. Man ißt oft solange, bis sich der Teller sichtbar leert - unabhängig davon, wie viel man dabei tatsächlich zu sich nimmt. Wir können einen kleinen Teller leeressen und durchaus satt sein, andererseits aber auch problemlos eine Riesenportion aus einer großen Schüssel vertilgen.
Das begreife ein anderer...seufzen wir gelegentlich, wenn wir mit einer unfaßbaren Tatsache konfrontiert werden. Der Spruch geht auf die Oper »Zar und Zimmermann« von Albert Lortzing (1801-51) zurück: Zar Peter I. arbeitet inkognito als Zimmermann auf einer holländischen Schiffswerft, um sich die Techniken des Schiffbaus abzuschauen. Als Bürgermeister van Bett hört, daß der Zar in der Stadt sei, hält er den russischen Gesandten Lefort für einen Verräter. Als jener seine Identität enthüllt, sagt van Bett entgeistert: »Das begreife ein anderer als ich«.
Das Bessere ist der Feind des GutenAls der französische Philosoph Voltaire (1694-1778) das italienische Sprichwort »Il meglio è l'inimico del bene« aufgriff, erklärte er auch gleich den Sinn dieser Weisheit: »Mein liebes Kind, nichts ist gefährlicher, als das Gute zu verlassen, um es noch besser zu haben«, schreibt er in seinem Philosophischen Wörterbuch. Man kann also auf der Suche nach Perfektion das Gute letztlich verlieren. Heute meint man mit dem Zitat eher, daß etwas Besseres das bisher Gute in den Schatten stellt.
Das Blatt hat sich gewendetIrgendwas hat sich verändert - oft zum Schlechten: Nach einer Version bezieht sich die Redensart, die schon 1534 in der Vorrede von Sebastian Francks (1499-1542) »Weltbuch« auftaucht, auf das Kartenspiel: Hat man die ganze Zeit »gute Karten«, ein gutes Blatt gehabt, bekommt man plötzlich schlechte - und natürlich umgekehrt. Wahrscheinlicher ist indes eine ganz andere Deutung aus der Naturbeobachtung: Um den Johannistag (24. Juni) herum drehen sich die Blätter der Silberpappel (Populus alba) und einiger anderer Bäume, um den Regen besser durchzulassen. Das Wenden der Blätter zeigt an, daß nun die Tage wieder kürzer werden und das Jahr dem Ende entgegengeht.
Das Blaue vom Himmel...lügt jemand herunter, der einem anderen ohne Hemmungen Unmögliches verspricht. »Blau« bedeutete ursprünglich »hell, glänzend«, wie der wolkenfreie Himmel. Wer »das Blaue vom Himmel herunterlügt«, spricht dem Himmel eine unveränderliche Eigenschaft ab, es ist schlicht unmöglich. Damit lügt er ebenso offenkundig wie unverschämt.
Das blühende Leben...ist bildlich jemand, der sehr attraktiv und kerngesund aussieht: Hier spielt der Volksmund auf Pflanzen an, die natürlich blühend viel schöner aussehen, dies aber eben auch nur tun, wenn sie gesund und kräftig sind.
Das brennt wie Zunder...erklären wir, daß etwas besonders leicht brennt: Der »Zunderschwamm« (Fomes fomentarius) - ein Baumpilz, der getrocknet sehr leicht entzündlich ist - diente schon unseren Vorvätern in der Steinzeit zum Feuermachen. Man schlug mit einem Feuerstein Funken auf den Zunder und konnte damit Heu oder feine Holzspäne und in der Folge ein veritables Lagerfeuer anzünden.
Das dicke EndeWenn das »dicke Ende« kommt, steht das Schlimmste noch bevor: Möglicherweise steht diese Redewendung für den dicken Gewehrkolben, mit dem man im Nahkampf zuschlägt. Denkbar ist auch, daß man einen vorn dünneren Faden durch ein Nadelöhr zieht. Wahrscheinlich entstand die Wendung aber aus der Prügelstrafe: Gegen Ende der Prozedur wird die dazu verwendete Rute umgedreht, weil das dickere Ende schlagkräftiger ist.
Das Ei ist klüger als die Henne...wußte schon Martin Luther (1483-1546), als er in seinen »Sprichwörtern« (457) schrieb: »Ey ist kluger denn die henne«. Heute sagen wir so was neunmalklugen Kindern nach.
Das Ei unter'm Huhn verkaufen...müssen Leute, die in argen Geldnöten sind - so arm, daß sie wirklich alles verkaufen müssen und schon sehnsüchtig darauf warten, daß das Huhn das Ei endlich gelegt hat.
Das Eisen schmieden, solange es heiß istDiese Redensart geht auf das französische »Il faut battre le fer tant qu'il est chaud« zurück: Metall läßt sich nur formen, wenn es sehr heiß und dadurch weich ist. Es wird zunächst im Schmiedefeuer einer Esse bis zur Rotglut erhitzt und dann auf dem Amboß in die gewünschte Form gebracht. Bis es wieder abkühlt und erneut erhitzt werden muß, bleibt dem Schmied nur wenig Zeit. Für ein bestimmtes Vorhaben muß man also den richtigen Zeitpunkt finden, im richtigen Moment handeln.
Das Ende der Fahnenstange...ist erreicht, es ist Schluß, geht nicht mehr weiter, wir haben keine anderen Möglichkeiten mehr: Abgeleitet vom Flaggen-Zeremoniell, bei dem man eine Fahne niemals höher hissen kann, als der Mast lang ist, spielt die Wendung darauf an, daß man jemandem schon (zu) viele Zugeständnisse gemacht, irgendwann die oberste Stufe erreicht hat - jetzt kann es nur noch abwärts gehen, wenn es nicht so bleibt, wie es ist.
Das Ende vom LiedDer schlimme Ausgang einer Sache: Der Schluß von Volksliedern, besonders aber von sogenannten Moritaten (Küchenlieder) ist häufig sehr tragisch.
Das Faß zum Überlaufen bringen...die letzten Tropfen - die Kleinigkeit, die schlußendlich zur Katastrophe noch gefehlt hat. Das Ereignis, das eine Situation zum eskalieren bringt, geht wohl auf ein physikalisches Phänomen zurück: Füllt man ein Faß mit Wasser, bildet sich oben aufgrund der Oberflächenspannung ein kleiner »Wasserhügel«. Irgendwann ist es dann ein Tropfen zuviel, der Oberflächenfilm reißt und auf einen Schlag läuft das Faß über.
Das Fell über die Ohren ziehen...wir bildlich jemandem, dem wir Schaden zufügen, der von uns ausgenutzt, übervorteilt, betrogen wird. Die Wendung bezieht sich ursprünglich wohl auf Tiere, denen beim Schlachten das Fell von den Füßen her über Kopf und Ohren abgezogen wird. Aber auch manche Raubtiere fressen bevorzugt das Muskelfleisch an den Hinterschenkeln, arbeiten sich dann die Wirbelsäule entlang nach vorn und stülpen dabei oft den Balg der Beute über den Kopf, der am Ende verschmäht wird.
Das Fell versohlen/gerben...wir jemandem, den wir kräftig verprügeln. Diese Wendung bezieht sich auf das kneten, klopfen und walken beim Gerben, was die Häute geschmeidig macht. Und wenn's etwas schwieriger wird, gerben wir ihn wie dickes, hartes Sohlenleder.
Das fuchst michVom lateinischen »Vexare« - »quälen« zur Deutung aus »fucken«, »facken«, »ficken« im Sinne von »unruhig hin- und herbewegen«.
Das Füllhorn ausgießenDas Füllhorn kommt ursprünglich aus der römischen Mythologie: Die Glücks- und Schicksalsgöttin Fortuna trug stets ein mit Blumen, Korn und Früchten angefülltes »cornu copiæ« bei sich. Dieser trichter- oder tütenförmige Flechtkorb, der eigentlich zur Weinlese verwendet worden ist, steht für Fruchtbarkeit, Reichtum und Überfluß. War Fortuna jemandem besonders wohlgesonnen, schüttete sie all die guten Sachen symbolisch über diese Person aus.
Das gehört zum guten TonUrsprünglich wörtlich vom schönen Klang in der Musik übertrug sich dieser Ausdruck ab dem 17. Jahrhundert auf das gute Benehmen bei Hofe. Den Maßstab setzte später Adolf Freiherr von Knigge (1752-1796)‚ der mit seinem Regelwerk »Über den Umgang mit Menschen« eine Anleitung für den höflichen Umgang miteinander schuf. Das Bürgertum nahm seine Schrift begeistert auf, um die Gepflogenheiten des Adels zu kopieren.
Das geht auf keine Kuhhaut...es sprengt den Rahmen, ist nicht mehr zumutbar. Auch zu dieser Redensart gibt es mehrere, teils völlig verschiedene Deutungen:
Kuhhäute benutzte man einst gern, wenn man etwas transportieren wollte: Man legte einfach die Waren drauf, packte zu mehreren die Zipfel und trug die Sachen davon.
Pergament - der Vorläufer unseres heutigen Schreibpapiers - wurde normalerweise aus Schafs- oder Kalbshäuten gemacht. Wenn ein Text zu lang wurde, paßte er nicht einmal mehr auf eine (viel größere) Kuhhaut. In der christlichen Bevölkerung gab es im Mittelalter dazu gar die Vorstellung, daß der Teufel einem Sterbenden sein Sündenregister von so einem Pergament vorlas. Hatte es jemand in seinem Leben allzu toll getrieben, paßten all seine Sünden nicht mal mehr auf eine solch große Kuhhaut.
In der Antike saßen bei kultischen Handlungen die, die geopfert hatten, auf einer ausgebreiteten Kuhhaut - die dort nicht mehr unterkamen, durften am Opferschmaus nicht teilnehmen. Im Mittelalter wurden zeitweise Verbrecher auf einer Kuhhaut zur Hinrichtung geschleift, Ehebrecherinnen in eine Kuhhaut eingenäht, zum Fluß geschleift und ertränkt.
Erster Beleg für die Redewendung sind die »sermones vulgares« von Jacques de Vitry (vor 1240).
Das geht mir auf den Senkel...schimpfen wir, wenn uns jemand oder etwas ausgesprochen lästig ist. Die Herkunft bleibt unklar - um den »Schnürsenkel« geht's jedenfalls nicht. Möglicherweise meint der »Senkel« den Hosengürtel, weil die ganze darin steckende Person genervt ist; andere meinen hingegen, mit dem »Senkel« ist hier das Senkblei (Lot) gemeint, mit dem man feststellt, ob eine Mauer gerade steht.
Das geht seinen sozialistischen Gang...sagte der gelernte DDR-Bürger und wußte, daß nun ein Vorgang in seine bürokratischen Wege geleitet war und der Reihe nach abgearbeitet wurde. Die Dinge waren zwar in Arbeit - die Planwirtschaft sorgte jedoch dafür, daß alles sehr, sehr lange dauern würde. Fast so lange, wie heute in der verbeamteten Marktwirtschaft...
Das geht weg wie warme Semmeln...freuen wir uns, wenn etwas gut verkauft wird, reißenden Absatz findet: Knusprig-frische warme Semmeln versprechen höchsten Genuß, weil beim backen in der Kruste Aromastoffe entstehen, die chemisch mit Opiaten verwandt sind und so auf unsere Psyche wirken. Daher genügt schon der Duft von frischem Brot und Brötchen, daß uns selbst ohne jedes Hungergefühl das sprichwörtliche Wasser im Munde zusammenläuft und wir gar nicht anders können, als sie zu kaufen. Das Wort »Semmel« für Brötchen geht übrigens auf das lateinische »simila« für feinstes Weizenmehl zurück und stammt wiederum vom assyrischen »samidu« - weißes Mehl. In Italien und Südfrankreich behielt das Wort seine Bedeutung, während in Nordfrankreich und Deutschland ein Begriffswandel zu Backwaren aus Weizenmehl stattfand.
Das geht wie's Brezelbacken...freuen wir uns, wenn die Arbeit besonders locker von der Hand geht, es nur so flutscht - die Fingerfertigkeit der Bäcker steht für diese Redewendung: Der vorbereitete Teig wird zu einer langen Rolle geformt und in gleiche Teile zerschnitten. Der Bäcker formt nun in Windeseile die Brezeln. Das sieht ganz einfach und spielerisch aus und im Nu ist das Blech voll. Übrigens hat das beliebte Laugengebäck seinen Namen von der eigentümlichen Form, die die zum Gebet verschlungenen Arme der Gläubigen symbolisieren soll: Aller Wahrscheinlichkeit nach war das lateinische Wort »bracchium« - »Unterarm« Ursprung für die »Brezn«.
Das gibt Tinte auf den Füller...behauptet mancher über vermeintliche Aphrodisiaka wie Sellerie oder Austern, denen ebenso traditionell wie töricht eine potenzsteigernde Wirkung nachgesagt wird. Der Vergleich mit dem gelegentlich kräftig klecksenden und spritzenden länglich-runden Schreibgerät ist da einigermaßen selbsterklärend.
Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde...heißt es im Volksmund. Niemand kann sich erklären, warum so viele kleine Mädchen irgendwann ihre große Liebe zu Pferden entdecken, ihre Freizeit am liebsten im Stall verbringen, Pferdebücher lesen, Pferdebilder über's Bett hängen...
Die Redensart geht auf den deutschen Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt (1819-92) zurück, der in seinem Gedichtband »Die Lieder des Mirza-Schaffy« schreibt:
»Das Paradies der Erde
Liegt auf dem Rücken der Pferde,
In der Gesundheit des Leibes
Und am Herzen des Weibes«.
(Vermischte Gedichte und Sprüche, 34. Arabisches Sprichwort)
Das Glück ist eine Hure...denn es kommt und geht, wann immer es will und nur höchst selten zu dem, der nicht über das nötige Kleingeld verfügt. Die Erfüllung menschlichen Sehnens, vom kleinen momentanen Gefühl bis zur ewigen Seligkeit, hängt selbst für ausgesprochene Frohnaturen längst nicht von Gerechtigkeit, einem besonderen Talent noch auch nur eigenem Zutun ab, sondern bedarf in unserer Gesellschaft oft genug eines ordentlichen pekuniären Anstoßes - wie eben auch die Dame, die sich kaum aus purem Altruismus leichtbekleidet an den Bordstein stellen wird. Schon das mittelniederdeutsche »gelucke« bedeutete im 12. Jahrhundert die »Art, wie etwas gut ausgeht«.
Das Glück ist mit dem Tüchtigen...formulierte im 19. Jahrhundert der preußische Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke (1800-91) in seinem Buch »Über Strategie«: »An der unwiderstehlichen Gewalt der Verhältnisse scheitert selbst der beste Mann, und von ihr wird ebenso oft der mittelmäßige getragen. Aber Glück hat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tüchtige«. Er bezog sich dabei wohl auf das erheblich ältere lateinische »Fortes fortuna adiuvat« (Den Tüchtigen hilft das Glück) des Dichters Simonides von Keos (556-469 a.C.).
Das Gras wachsen hören...kann nur, wer auf übermenschliche Fähigkeiten zurückgreifen kann, wie man sie Heimdall, dem Lichtgott der nordischen Mythologie und Wächter der Asen, eines germanischen Göttergeschlechts, zuschrieb: In der Edda, dem skandinavischen Sagenepos, heißt es von ihm nicht nur, daß er Tags wie Nachts gleichgut sehen kann, er kann auch hören, »daß das Gras auf der Erde und die Wolle auf den Schafen wächst«. Die Redensart ist seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar und wird heute abschätzig auf überkluge Personen bezogen, die hinter normalen Vorkommnissen immer etwas anderes vermuten. Der Aspekt der Weisheit und der Informiertheit taucht erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf.
Das hätte ins Auge gehen können...atmen wir auf, wenn wir bewußt oder unbewußt ein hohes Risiko eingegangen und noch einmal halbwegs glimpflich davongekommen sind. Das hätte schiefgehen können, wir haben »ein Auge riskiert« wie ein mittelalterlicher Ritter, der sein Helmvisier hochklappt, um seinen Gegner besser anpeilen und genauer zielen zu können. Wir haben Glück gehabt - obwohl wir eine so verletzliche Stelle preisgaben und fast schon damit rechnen mußten, ein Auge ausgestochen zu bekommen, ist es grad nochmal gutgegangen, wir sind »mit einem blauen Auge davongekommen«.
Das Handtuch werfenDie Redewendung stammt aus dem Faustkampf: Wenn ein Boxer garzuviel einsteckt, sollte sein Sekundant das Handtuch werfen - und zwar rechtzeitig, um ihn zu schützen. So wurde diese Geste in den zwanziger Jahren zum offiziellen Zeichen zur sportlichen Aufgabe.
Das Handwerk legen...wir einem »Tunichtgut«, indem wir sein tadelnswertes Treiben, seine ruchlosen Taten beendigen. Im Mittelalter waren die Handwerker in Zünften organisiert und hatten sich dort an gewisse Vorschriften zu halten. Verstieß jemand gegen diese Gebote, konnte ihm durch die Innung für eine gewisse Zeit oder gar dauerhaft das Handwerk (still-)gelegt werden - man hat ihm schlicht und einfach ein Berufsverbot verpaßt.
Das hast Du Dir selbst eingebrocktDaran bist Du selbst Schuld! Eine Redewendung, die wir nicht gerne hören. Ihren Ursprung hat sie in einem kulinarischen Ritual: Einfache Leute aßen häufig Suppe - dazu Brot. Die Suppe teilte oft einer für alle aus - das Brot aber brockte sich direkt vor dem Essen jeder selbst in seine Suppe. Jeder richtete sich also selbst seine Suppe mit Brot an, die er dann auch aufaß. Heute wird der Spruch meist im Vergleich mit entsprechenden Situationen des täglichen Lebens gebraucht.
Das hat die Katze gefressen...kommentieren wir scherzhaft, wenn etwas plötzlich und unerklärlich verschwindet, partout nicht mehr aufzufinden ist. Diese Wendung geht mutmaßlich auf den Schwank »Das Gewicht der Katze« von Nasreddin Hodscha, einer Art türkischem »Till Eulenspiegel« des 13. Jahrhunderts zurück: Nasreddin Hodscha aß gern Fleisch und brachte eines Tages ein ganzes Kilo vom Markt nach Hause. Er überließ das Fleisch seiner Frau zur Zubereitung und verließ das Haus wieder, um noch einige Besorgungen zu machen. In der Zwischenzeit kamen einige Nachbarinnen zu seiner Frau, und sie lud sie ein, von dem köstlichen Fleisch zu probieren, von dem bald nichts mehr übrig war. Als der Hodscha zurückkam und zum Mittagessen nur Suppe serviert bekam, traute er seinen Augen nicht. »Wo ist das Fleisch«, fragte er seine Frau. »Das hat die Katze gefressen«, erwiderte sie. Der Hodscha sah die Katze an, die sehr klein und mager war. Er nahm die Katze und legte sie auf die Waage. Sie zeigte genau ein Kilo an. Da rief Nasreddin Hodscha sehr erstaunt aus: »Wenn dies das Fleisch ist, wo ist denn dann die Katze? Wenn aber dies die Katze ist, wo ist dann das Fleisch«?
Das hat mir ein Vögelchen gezwitschertNach altem Volksglauben machen Vögel den Menschen geheime Mitteilungen oder warnen sie vor Gefahren. Dies spiegelt sich in zahlreichen Sagen, Märchen und Volksliedern wider. So warnen etwa in der »Edda« Vögel Sigurd, Odin berichten seine beiden Raben alles, was sie gesehen und gehört haben. Auch beim Prediger Salomo »sagen«s die Vögel des Himmels weiter«. Jedenfalls war dies früher eine Erklärung, wie jemand etwas auf geheimnisvolle Weise erfahren konnte.
Das Heft in der Hand haben...bedeutet, die Situation im Griff zu haben. Auch diese Redewendung stammt aus dem Mittelalter: Das Heft war ursprünglich die Halterung oder der Griff eines Gerätes - besonders des Schwertes - woraus sich allgemein ein Begriff für Gewalt und Macht durchsetzte. Der Kämpfer, der gut mit seiner Waffe umgehen und sich so gegen seine Feinde durchsetzten konnte, galt als mächtig, hatte »das Heft in der Hand«. Im 18. Jahrhundert bildete sich die heute gebräuchliche Bedeutung gebundener Papierbögen aus, die mit der eigentlichen Redensart nichts mehr zu tun hat.
Das Hemd ist mir näher als der RockDie Redensart »Tunica propior pallio est« - das römische Untergewand ›Tunika‹ wird mit ›Hemd‹ übersetzt, das Obergewand ›Pallium‹ mit ›Rock‹ - wurde bereits durch den römischen Dichter Titus Maccius Plautus (254-184 a.C.) in der Komödie »Trinummus« (Der Dreigroschentag) populär und macht deutlich, daß jemandem der eigene Vorteil wichtiger ist, als die Interessen anderer.
Das Herz am rechten Fleck haben...gutmütige, hilfsbereite Menschen, die aufrichtig und selbstlos sind und sich nicht unterkriegen lassen. Das Herz steht oft in engem Zusammenhang mit Gefühlen und Empfindungen, der »rechte Fleck« für die »richtige« Lage der menschlichen Seele. Schon bei den alten Römern hieß »dexter« nicht nur »rechts«, sondern auch »günstig, glücklich«, das lateinische »sinistrum« für »links« übersetzte man mit »unglücklich, ungünstig, unheilverkündend, bedrohlich«. Wohl daher haben »gerechte« und »rechtschaffene« Menschen ihr »Herz am rechten Fleck«.
Das Herz auf der Zunge tragen...Menschen, die mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten, in ihrem großen Mitteilungsbedürfnis frei über alles reden, was sie bewegt und bedrückt, die äußerst mitteilsam, offenherzig, oftmals regelrecht geschwätzig sind, ihre Empfindungen partout nicht für sich behalten können. Schon das Alte Testament wußte im apokryphen Buch Jesus Sirach zu berichten: »Labia inprudentium stulta narrabunt verba autem prudentium statera ponderabuntur«. - »Dje Narren haben jr Hertz im maul; Aber die Weisen haben jren mund im hertzen« (Sirach 21.28). Auch Thomas Mann (1875-1955) schreibt in seinen »Buddenbrooks«: »...ich bin eine Frau von Takt, die (...) ihr Herz nicht an jedem Wochentage auf der Zunge trägt...«
Das Herz rutscht in die Hose...wenn jemand plötzlich große Angst oder einen fürchterlichen Schrecken bekommt: Unser Herz steht gemeinhin für unser Gefühlszentrum, wir »nehmen uns etwas zu Herzen«, »verlieren« es, sind warm- oder kaltherzig und manchmal, wenn wir sehr aufgeregt sind, einen ganz besonderen Nervenkitzel spüren, »rutscht es in die Hose« - unsere Furcht löst körperliche Übelkeit aus, ein Druckgefühl im Magen, das uns hurtig aufs nächste »stille Örtchen« treibt.
Das Hirn zermartern...wir uns umgangssprachlich, wenn wir sehr angestrengt nachdenken, uns über die Lösung eines schwierigen Problems den Kopf zerbrechen, ohne greifbares Ergebnis über etwas nachgrübeln:
Die »Marter«, eine große körperliche oder seelische Qual oder Folter, die aus dem mittellateinischen »marturiare« als »Martyrium« mit der christlichen Religion in die deutsche Sprache kam, stand zunächst für die körperlichen Qualen Jesu, mit welchen man einst die ersten Christen zum Abfall von ihrem Glauben zu bewegen suchte. Später wurde in den Gerichten der Inquisit »gemartert«, ihm körperliche Schmerzen, Kummer, Furcht und Sorgen bereitet, um ihn zum Geständnis der gewünschten »Wahrheit« zu bringen. Im weiteren Sinne wird die Marter allgemein für einen hohen Grad der Mühe, Arbeit, Unruhe etc. gebraucht.
Das höchste der Gefühle...besingt der Vogelfänger Papageno im Duett mit seiner Papagena in Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-91) berühmter Oper »Die Zauberflöte« die Freuden eines reichen Kindersegens:
»Es ist das höchste der Gefühle,
Wenn viele, viele, viele, viele,
Pa, pa, pa, pa, pa, pa, geno
Pa, pa, pa, pa, pa, pa, gena
Der Segen froher Ältern seyn;
Wenn dann die kleinen um sie spielen,
Die Ältern gleiche Freude fühlen,
Sich ihres Ebenbildes freun.
O welch ein Glück kann grösser seyn«?
Zweyter Aufzug, Neun und zwanzigster Auftritt, Text: Emmanuel Schikaneder
Heute drücken wir, die wir in einer Auseinandersetzung letztlich immer zu Zugeständnissen bereit sind, damit aus, daß es auch eine Obergrenze gibt, die wir nicht überschreiten werden.
Das ist die Crux an der Sache...sagen wir gelegentlich, wenn plötzlich ein Hindernis, ein Problem aufgetreten ist, das es zu lösen gilt. Das Wort aus dem Lateinischen bedeutet »Kreuz« und hat seit dem 13. Jahrhundert in der deutschen Sprache auch die Bedeutung von »Kummer« und »Leid« - jeder Christ hatte »sein Kreuz zu tragen«, mußte sein Schicksal annehmen, wie einst Jesus Christus während der Passion, als er sein eigenes Kreuz zum Kreuzigungsplatz trug.
Das ist ein dicker HundDas ist eine Unverschämtheit, ein böser Regelverstoß oder ein starkes Stück. Vielleicht daher, daß Hunde im Allgemeinen ständig herumrennen und selten dick werden. Etwas sehr unübliches also.
Das ist geritzt...sagen wir, wenn eine Sache perfekt gemacht, ein Geschäft besiegelt, alle Voraussetzungen für ein geplantes Vorhaben geschaffen wurden. »So wird es gemacht, Einverstanden, das ist geritzt!« Etwa vom 10. bis ins 18. Jahrhundert verwendeten Händler sogenannte »Kerbhölzer«: Kaufte jemand etwas und konnte er es nicht sofort bezahlen, wurden in diese Holzstäbe Kerben geritzt, welche die Höhe der Schulden angaben. Die Stäbe wurden der Länge nach gespalten, eine Hälfte bekam der Schuldner, die andere der Gläubiger und die Sache war »geritzt« - jeder wußte, wer noch wieviel »auf dem Kerbholz« hatte.
Das ist ja eine schöne Bescherung...rufen wir bisweilen verärgert aus, wenn ein unerquickliches Ereignis oder ein mittleres Unglück eingetreten ist: Die »Bescherung« - eigentlich die Verteilung von Weihnachtsgeschenken - wird hier ironisch ins Gegenteil verkehrt. Bereits in Friedrich Schillers (1759-1805) Drama »Kabale und Liebe« ärgert sich der Musikant Miller: »Gottlob! Gottlob! Da haben wir ja die Bescherung!«, als der Adlige Ferdinand von Walter in sein Haus kommt, um mit seiner Tochter Louise zu reden. Miller ist wie Ferdinands Vater gegen diese Verbindung.
Das ist ja zum Mäusemelken...rufen wir manchmal empört aus, wenn etwas partout nicht klappen will. Etwas ist völlig absurd, wahnwitzig, unglaublich, sehr ärgerlich. Zum Verrücktwerden halt. Diese sprichwörtliche Redensart drückt die Verzweiflung über eine sinnlose Anstrengung aus - das Melken von Mäusen ist natürlich etwas ebenso Unsinniges wie Unmögliches. Für einen einzigen Liter Mäusemilch müßte man über den Daumen etwa 4000 Mäuse melken. Daß das seine Zeit dauert und sicherlich nicht billig ist, kann man sich vorstellen. Man vermutet, daß der weitverbreitete Schädling und die Milchgewinnung verwendet werden, weil sie seit langer Zeit zum Alltag der Menschen gehören. Die Wiederholung der Anfangsbuchstaben verstärkt die komische Wirkung zusätzlich.
Das ist kein Beinbruch...behaupten wir, um jemanden aufzumuntern, ihm Mut zu machen: Das ist halb so schlimm! Als das Pferd einst noch unverzichtbares Reit- und Lasttier war, bedeutete ein Beinbruch, daß das Tier getötet werden mußte.
Das ist mir schnuppe.Die »Schnuppe« ist das verkohlte Ende eines Kerzendochtes. Wenn einem etwas »schnuppe« ist, dann ist es ihm soviel wert, wie das verkohlte Ende eines Dochtes - also nichts. In Berlin wurde der Begriff wohl ab 1850 verwendet. »Schnuppe«, vom mittelalterlichen »snuppen«, bedeutet so viel wie »putzen«. Der Docht einer Kerze mußte früher geputzt werden. »Sternschnuppe« heißt es, weil man dachte, es sei ein Stück Abfall vom Stern weggeputzt worden.
Das ist mir wurst...sagten schon um 1820 die damaligen Studenten und meinten: »Das ist mir egal«. Dahinter steckte zum einen der Gedanke, daß eine Wurst bekanntlich zwei Enden hat, es im Ergebnis also recht gleichgültig ist, von welcher Seite man sie anschneidet. Zum anderen wird alles, was man vom frischgeschlachteten Schwein oder Rind nicht wirklich verwerten kann, durch den Wolf gedreht und kommt in die Wurst - egal, was da verarbeitet wird. In einem alten Witz hieß es demzufolge: »Wenn das rauskommt, was da reinkommt, komm ich rein und nie mehr raus!«
Das ist mir zu hoch...gestehen wir freimütig, wenn ein Thema unsere Auffassungsgabe bei weitem übersteigt, wir bei der Lösung eines Problems völlig überfordert sind. Die Redensart geht auf das Alte Testament der Bibel zurück: Der fromme Hiob wird von Gott auf das Schwerste geprüft, doch egal, was er auch erleiden muß - sein Glaube an Gott ist ungebrochen und er sagt: »Quis est iste qui celat consilium absque scientia ideo insipienter locutus sum et quæ ultra modum excederent scientiam meam« - »Es ist ein vnbesonnen Man, der seinen rat meinet zu verbergen. Darumb bekenne ich, das ich hab vnweislich geredt, das mir zu hoch ist vnd nicht verstehe« (Hiob 42:3).
Das ist ne Wucht (in Tüten)...drückten wir in den 70ern unsere höchste Anerkennung aus, wenn jemand oder etwas ganz besonders, außerordentlich gut, hervorragend, einfach ganz wunderbar war. Die »Wucht«, im Ostmitteldeutschen noch für »Gewicht, Schwere«, sollte jugendsprachlich eine nicht näher verifizierte physikalische Größe bezeichnen, die man ob der schieren Menge gar nicht einzeln fassen konnte, sondern »in Tüten« verpacken mußte.
Das ist nicht auf seinem Mist gewachsen...werfen wir empört jemandem vor, der unmöglich der Urheber oder Erfinder einer Sache sein kann, ganz einfach, weil er nicht über die nötigen Voraussetzungen und Mittel dafür verfügt.
Dieser Redensart liegt das Bild zugrunde, daß bei einem fleißigen Bauern natürlich alles auf dessen eigenem Mist wächst, niemand anderes die Hand im Spiel hatte. Der Misthaufen war einst fast so etwas wie ein Standessymbol - je mehr Tiere der Bauer hatte, desto größer war der Haufen, und umso reicher war der Bauer. Nur wer genügend des wertvollen Naturdüngers hatte, brauchte keinen dazukaufen, konnte alles »auf dem eigenen Mist wachsen« lassen.
Schon Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schrieb anno 1827 in seine Gedichtsammlung »Sprichwörtlich«:
»Diese Worte sind nicht alle in Sachsen
Noch auf meinem eigenen Mist gewachsen.
Doch was für Samen die Fremde bringt,
Erzog ich im Lande gut gedüngt«.
Das ist nicht mein Bier...erklären wir jemandem, daß etwas sein eigenes Problem, seine Angelegenheit ist und wir uns ganz sicher nicht um diese Geschichte kümmern werden.
Und warum gerade Bier? Möglicherweise ist hier ursprünglich gar nicht das rein pflanzliche Beruhigungsgetränk gemeint, sondern die Birne: In vielen deutschen Mundarten steht diese Frucht häufig für eine Sache, sodaß aus mundartlichen Formen - zum Beispiel dem kölschen »Beär« - volksetymologisch Bier geworden sein könnte.
Andere meinen, daß der Volksmund das mittelhochdeutsche »bär«, was für »Last, Bürde« stand, zum Bier verwandelte: »Das ist nicht meine bär« - nicht mein Problem. Wahrscheinlicher ist indes, daß man einen Fremden ganz einfach nicht aus dem eigenen Glas trinken läßt - was er mit anderen tut, ist uns schlicht egal...
Das ist so UsusWir machen etwas immerwieder nach demselben Schema, es ist so üblich, Brauch: »Usus« bedeutet im Lateinischen »Gebrauch, Umgang, Nutzen, Praxis, Erfahrung, Anwendung, Bedarf«. Man beschreibt damit eine Gewohnheit, die über den erlernten Gebrauch hinausgeht und unbewußt übernommen wurde. Die Macht der Gewohnheit treibt uns voran, Zweifel gibt es nicht.
Das ist zum Teufel...trauern wir um etwas, das kaputt oder unwiederbringlich verloren ist. Was einmal beim Teufel in der Hölle ist, kehrt nicht wieder zurück.
Das jammert den Hund samt der Hütte...artikulieren wir gelegentlich Kritik, Entsetzen, Schauder oder Widerwille, wenn etwas besonders bedauernswert aussieht oder gelaufen ist. Viele Hunde jaulen, jammern, winseln gar kläglich, wenn sie nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, ihnen langweilig ist, oder wenn sie krank sind. Daß die die Hundehütte auch gleich noch »mitjammert«, soll die Aussage zusätzlich verstärken.
Das kann kein Schwein lesen...seufzt oft, wer einen handgeschriebenen Brief zu entziffern versucht. Das Wort hat jedoch nichts mit den borstigen Schnitzelproduzenten zu tun, sondern stammt der Legende nach aus dem Plattdeutschen und wird in Dithmarschen zwischen Eider und Elbe lokalisiert: Dort habe einst ein gewisser Peter Swyn (1480-1537), ein studierter Mann und einer der wichtigsten Anführer der Dithmarschen Bauernrepublik gelebt, der den des Schreibens und Lesens meist unkundigen Landbewohnern Urkunden und Schriftstücke erklären konnte. Jene taten sich mit komplizierten Schriften recht schwer. Für sie galt meist der Satz des Schweinezüchters Zsupan aus Johann Strauß' (1825-99) »Der Zigeunerbaron«: »Ja, das Schreiben und das Lesen ist nie mein Fach gewesen, denn schon von Kindesbeinen befaßt' ich mich mit Schweinen«. Manche der Papiere waren allerdings mit eigenwilliger Handschrift geschrieben oder bereits derart vergilbt, daß sie sogar ein erfahrener Swyn nicht mehr entziffern konnte. Wenn selbst ein Mitglied der schlauen Familie Schwein ein Schriftstück nicht entziffern konnte, sagten die Bauern: »Dat kann keen Swyn lesen!«
So weit die Sage - tatsächlich kommt die Wendung wohl daher, daß man im 18. Jahrhundert »kein Schwein« mit »nichts, niemand« auf dem Bauernhof gleichsetzte.
Das kann mir gestohlen bleiben...geht ursprünglich wohl auf Bräuche studentischer Verbindungen zurück, die bisweilen anderen Burschenschaften sogenannte »Couleurgegenstände« wie zum Beispiel die Verbindungsflagge entwendeten, um sie später gegen eine große Menge Bier auslösen zu lassen. War die Forderung zu hoch, hieß es: »Das kann uns gestohlen bleiben« - behaltet es.
Das kannst Du halten wie ein DachdeckerWir werden nach unserer Meinung gefragt. Dann kann sich unser Gegenüber verhalten, wie er will - es ist uns schlicht egal. Die Wendung geht auf das mittelalterliche Handwerk zurück: Genormte Schindeln gab es noch längst nicht, jeder Dachdecker arbeitete mit verschiedensten Materialien und Techniken. Hauptsache das Dach war dicht - wie, war völlig egal. Außerdem waren die Dachdecker damals nicht wirklich kontrollierbar, da kaum einer der Bauherren den Mut hatte, aufs Dach zu klettern, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.
Das Kind beim Namen nennen...wir, wenn wir etwas Negatives ganz ohne Beschönigung oder »political correctness« ganz klar als das bezeichnen, was es wirklich ist. Die Wendung gibt es seit dem 17. Jahrhundert, bekannt wurde sie wohl durch Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) »Faust. Der Tragödie erster Teil«. In der »Nacht« weist Faust seinen Famulus Wagner darauf hin, daß es gefährlich sein könnte, seine Erkenntnisse offen mitzuteilen:
»Ja, was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?
Die wenigen, die was davon erkannt,
Die töricht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.
Ich bitt' euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wir müssen's diesmal unterbrechen«.
Das Kind im ManneDer vermeintliche Spieltrieb erwachsener Männer läßt sich auf einen der einflußreichsten Denker des 19. Jahrhunderts, den Philosophen Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900) zurückführen. Die Wendung ist ein Zitat aus »Also sprach Zarathustra« (1885), Nietzsches literarischstem und populärstem Werk. Im Kapitel »Vom alten und jungen Weiblein« heißt es dort: »Im echten Manne ist ein Kind versteckt, das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne«.
Das Kind mit dem Bade ausschüttenDie Botschaft ist klar: Man soll nicht übereilt mit dem Schlechten auch das Gute verwerfen, nicht übereifrig über das Ziel hinausschießen. Diese Redensart findet sich erstmals in Thomas Murners (1475-1537) Verssatire »Narrenbeschwörung« aus dem Jahre 1512. Das 81. Kapitel, übertitelt mit: »Das kindt mit dem bad vß schitten«, ist eine Abhandlung über Leute, die versuchen, eine schlechte Sache loszuwerden, indem sie auch gute zerstören. Murner zitiert den Spruch noch in späteren Werken - ein Zeichen dafür, daß er wohl zu dieser Zeit schon im Volksmund verbreitet war. Martin Luther (1483-1546) hat dann 1526 mit einem angefügten »man soll ... nicht« ein Sprichwort daraus gemacht. Bei Sebastian Franck (1499-1543) heißt es anno 1541: »Wenn man den rechten Brauch und Mißbrauch miteinander aufhebt und ein Gespött daraus macht, das heißt Zaum und Sattel mit dem Pferd zum Schinder führen, das Kind mit dem Bade ausschütten«. Abwandlungen findet man u.a. in den »Aphorismen« des österreichischen Schriftstellers Karl Kraus (1874-1936) mit seiner Variante »Moral ist die Tendenz, das Bad mit dem Kinde auszuschütten«.
Das klappt wie am Schnürchen...stellen wir erleichtert fest, wenn etwas planmäßig, ohne Probleme, reibungslos funktioniert.
Hier gibt es mal wieder verschiedene Deutungen: Mancher meint, daß die Redewendung vom »Gängelband« - einer Art Geschirr, mit dem man kleine Kinder leiten, lenken und halten konnte, herkommt. Andere sehen einen Zusammenhang mit Hampelmännern oder Marionetten, die man an den Schnüren tanzen läßt, wieder andere vermuten den Ursprung von Pferdekutschen, bei denen der Kutscher im Freien saß und ein »Schnürchen« um den Arm gebunden hatte, durch welches die Passagiere im Inneren ihm das Kommando für »schneller« oder »langsamer« gaben. Auch der »Rosenkranz«, eine Schnur, an der zahllose Perlen, die jeweils für ein spezielles Gebet stehen, wie von selbst durch die Hand gleiten, könnte hier Pate gestanden haben.
Die Schnur steht seit uralter Zeit für die Reihenfolge überhaupt und im ganz wörtlichen Sinne: Schon Theseus fand der Sage nach mit Hilfe des Ariadne-Fadens aus dem Labyrinth heraus und bis heute assoziieren wir folgerichtiges Denken und Handeln mit einem »Leitfaden«, nach dem wir konsequent vorgehen, damit alles »klappt wie am Schnürchen«.
Das kleinere Übel...versuchen wir wohl bei jeder Gelegenheit zu wählen - wenn wir schon Nachteile in Kauf nehmen müssen, sollen sie nicht größer sein, als unbedingt nötig. Die Wendung geht auf den griechischen Philosophen Platon (um 428-347 a.C.) zurück, der in seinem Dialog »Protagoras« Sokrates sagen läßt: »Von zwei Übeln wird niemand das größere wählen, wenn er das kleinere wählen kann«.
Das kommt in den besten Familien vor...heucheln wir bisweilen Mitleid, obwohl uns die Situation unseres Gegenübers eigentlich gar nicht wirklich interessiert. Das ist nicht schlimm, nichts Besonderes, kann jedem mal passieren. Unangenehme, peinliche Dinge geschehen überall und immer wieder - aber doch bitte nicht in den sogenannten »besseren Kreisen«.
Das kommt mir nicht in die Tüte...lehnen wir empört ab, wenn uns jemand etwas andrehen will, das wir so bestimmt nicht haben wollen. Wir dulden, akzeptieren es nicht, es kommt nicht in Frage, ist völlig ausgeschlossen:
Im Berlin des 19. Jahrhunderts wurden Nahrungsmittel und andere Waren auf Märkten und im »Tante-Emma-Laden« nicht wie heute einzeln verpackt verkauft, sondern meist lose in großen Säcken, Truhen, Schränken, Schubläden, Gläsern, Fässern etc. feilgeboten. Erst wer etwas kaufte, bekam es in eine Papiertüte abgepackt. Dabei mußte man natürlich höllisch aufpassen, daß der Krämer einem nicht klammheimlich was Fauliges oder Vergammeltes mit einpackte - denn »das kommt mir nicht in die Tüte!«
Das kommt mir spanisch vor...bedeutet, daß etwas unheimlich oder einfach seltsam ist. Der Ursprung dieser Redensart liegt bei Kaiser Karl V. (1500-58), der anno 1519 trotz spanischer Herkunft den deutschen Kaiserthron bestieg. Er, der mit ganz Europa im Krieg lag, führte am Hof spanische Sitten und Gebräuche sowie Spanisch als Verkehrssprache ein - das ging bis hin zu Begriffen wie »spanischem Pfeffer«, der »spanischen Wand« oder dem »spanischen Reiter«. Der Einzug dieses Hofzeremoniells war seinen Untertanen fremdartig und unangenehm, es kam ihnen eben »spanisch« vor. Der Spanier sagt entsprechend übrigens: »esto me suena a chino« (es kommt mir chinesisch vor).
Das Kriegsbeil begraben...wollen wir, wenn nach längerem Streit einer der Kontrahenten den ersten Schritt zur Versöhnung macht: Das Kriegsbeil »Tomahawk« galt den nordamerikanischen Indianern sowohl als Waffe, als auch als Symbol. War ein Krieg beendet, vergruben sie es im Boden - bis zum nächsten Mal »das Kriegbeil ausgegraben«, der nächste Krieg begonnen wurde. Der amerikanische Schriftsteller James Fenimore Cooper (1789-1859) berichtet in seinen Lederstrumpf-Romanen (»The Leatherstocking Tales«) ausführlich über diesen Brauch.
Das Land, wo Milch und Honig fließen...ist das verheißene Land, wie es im Alten Testament, im zweiten Buch Mose, beschrieben steht: Vor dem Exodus aus Ägypten, bei der Berufung des Mose, spricht Gott im brennenden Dornbusch: »...et sciens dolorem eius descendi ut liberarem eum de manibus Ægyptiorum et educerem de terra illa in terram bonam et spatiosam in terram quæ fluit lacte et melle ad loca Chananei et Hetthei et Amorrei Ferezei et Evei et Iebusei« - »...vnd bin ernider gefahren, das ich sie errette von der Egypter hand vnd sie ausfüre aus diesem Lande in ein gut vnd weit Land. Jn ein land darinnen milch vnd honig fleusst nemlich an den ort der Cananiter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter, Heuiter vnd Jebusiter«. (Exodus 3.8). Milch und Honig als Symbole des Überflusses kommen in der Bibel an weiteren Stellen vor. Milch war ein Lebensmittel, das zu allen Jahreszeiten verfügbar war, Honig verdarb zudem nicht. Wer die kargen Landschaften Israels sieht, stellt freilich fest, daß die Vision recht vollmundig war. Heute wirkt die Redewendung eher wie die Beschreibung einer Utopie.
Das Leben ist kein Ponyhof...und wie man so hört, auch kein Wunschkonzert. Und erst recht kein Zuckerschlecken. Es ist hart, man kann nicht alles haben und es kann nicht alles so sein, wie man gerne möchte.
Ganz früher war das Leben wohl »kein Honigschlecken«: Da lag vermutlich die Kostbarkeit süßer - und einst fast unerschwinglicher - Zutaten zugrunde. Honig, in der Antike »Speise der Götter« als Mittel für Gesundheit und Unsterblichkeit wurde meist nur aus medizinischen Gründen verabreicht.
Die noch recht junge »tierische« Variante der Lebensweisheit basiert auf der Erkenntnis, daß es im menschlichen Dasein nicht immer so einfach und gemütlich zugeht, wie in manch pittoreskem Heimatfilm, in dem die kleinen Pferdchen keine Sorgen haben, ewig von Kindern weit vor der Mühsal des Erwachsenenlebens geknuddelt, gestriegelt und gefüttert werden und sich um nichts und niemand zu kümmern brauchen. Der Spruch soll auf ein Album der Punk-Band »Die Schröders« aus dem Jahre 2001 zurückgehen und wurde ab 2004 durch die TV-Serie »Stromberg« bekannter. Und die Komikerin Mirja Boes hat 2014 die verschiedenen Formen neu gemischt und ihr Programm »Das Leben ist kein Ponyschlecken« genannt...
Das Leben sauer machen...uns Zeitgenossen, die uns immer und immer wieder stören und belästigen oder einen sinnlosen Kleinkrieg gegen uns führen. Das Alte Testament beschreibt die Unterdrückung der Israeliten durch die Ägypter: »Atque ad amaritudinem perducebant vitam eorum operibus duris luti et lateris omnique famulatu quo in terrae operibus premebantur« - »Vnd machten jnen jr Leben saur mit schwerer erbeit im Thon vnd Zigeln vnd mit allerley frönen auff dem Felde vnd mit allerley erbeit die sie jnen aufflegten mit vnbarmhertzigkeit« (Exodus 1:14).
Das Lebenslicht ausblasenBereits die Israeliten betrachteten das Leben als Licht, Griechen stellten den Tod als erloschene Fackel dar. Diese Assoziationen spiegeln sich auch in Grimms Märchen »Gevatter Tod« wieder: In der Höhle des Todes brennen zigtausende Kerzen, deren Länge davon abhängig ist, wie lange der einzelne Mensch noch zu leben hat.
Das letzte Hemd hat keine Taschen...sagt der Volksmund unverblümt: Das »letzte« - das weiße Totenhemd - hat keine Taschen, um etwas mitzunehmen ins Grab. Alle weltlichen Güter nützen im Tode nichts mehr, denn wir können kein Geld, keine irdischen Güter mit ins Jenseits nehmen. Also macht es auch keinen Sinn, im Hier und Jetzt grenzenlos Besitz anzuhäufen. Dementsprechend kam der Schauspieler Peter Ustinov (1921-2004), als er über den Sinn des Lebens nachdachte, zu dem Schluß: »Jedenfalls hat es wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein«.
Der Spruch läßt sich indirekt schon auf die Bibel zurückführen: »Nolite thesaurizare vobis thesauros in terra ubi erugo et tinea demolitur ubi fures effodiunt et furantur« - »Jr solt euch nicht Schetze samlen auff Erden, da sie die Motten vnd der Rost fressen, vnd da die Diebe nach graben vnd stelen« heißt es in Matthäus 6.19. Der große Schauspieler und Sänger Hans Albers (1891-1960) trug im Jahre 1957 mit dem Film »Das Herz von St. Pauli« sehr zur Popularität dieses alten Sprichwortes bei, als er diesen Satz zur Grundlage des Refrains eines Walzerliedes von Kapitän Johnny machte:
»Das letzte Hemd
Hat leider keine Taschen
Man lebt nur einmal, einmal, einmal auf der Welt
Drum laßt uns schnell
Den kleinen Rest vernaschen
Im Himmel braucht der Mensch, bestimmt, bestimmt kein Geld«.
Das Licht der Welt erblicken...Kinder, die zur Welt kommen, geboren werden. In so feierlich-poetische Worte fassen wir - ganz egal, ob es dabei nun heller Tag oder finstere Nacht war - den Augenblick, an dem neues Leben die dunkle mütterliche Bauchhöhle verläßt, übertragen auch andere Ereignisse, an denen etwas völlig Neues entsteht.
Das macht den Kohl auch nicht fett...sagen wir, wenn etwas nicht entscheidend oder unbedeutend ist, man dadurch keine wesentliche Verbesserung erreicht. Die ursprüngliche Form »Das macht den Bock auch nicht mehr fett« könnte daher kommen, daß ein Ziegenbock, den man demnächst schlachten will, trotz »Henkersmahlzeit« de facto bleibt, wie er ist und durch einen letzten Korb Futter auch nicht signifikant zunehmen wird. Abgewandelt ist auch der eigentlich fettfreie Kohl verdaulicher und schmeckt besser, wenn etwas Schweineschmalz als Geschmacksträger mitgekocht wird. Außerdem mußte man früher oft noch körperlich schwer arbeiten, also mußte das typische Arme-Leute-Essen mit Kalorien angereichert werden. Eine auf die Person des gleichnamigen ehemaligen Kanzlers und seine üppige Leibesfülle anspielende Lesart ist übrigens nicht belegt.
Das Maß aller Dinge...soll - glaubt man unseren Politikern - angeblich der Mensch sein, der im Zentrum all ihres Handelns und Denkens stehe. Längst wissen wir es besser: Einzig und allein materieller Besitz ist das alles entscheidende Kriterium in unserer Gesellschaft. Schon der griechische Philosoph Protagoras (490-411 a.C.), dessen Schriften nur in Platons (um 428-347 a.C.) mündlicher Überlieferung erhalten sind, erkannte: »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«.
Das Maß ist voll...rufen wir empört aus, wenn jemand immer wieder etwas tut, das uns nicht behagt. Die Grenze des Erlaubten ist überschritten, es reicht, unsere Geduld ist am Ende!
Hier ist natürlich nicht »die Maß« in Bayern gemeint, die laut Augenzeugenberichten ja eher selten tatsächlich voll sein soll, sondern eine beliebige Maßeinheit, die erreicht wird.
Der Dichter und Schriftsteller Johann Christoph Friedrich Schiller (1759-1805) läßt seine »Jungfrau von Orléans« im Prolog (3. Auftritt), als ein Landmann ihr berichtet, wie schlecht es um die französischen Truppen bestellt ist, begeistert ausrufen:
»Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern,
Sein Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.«
Das Maul hängen lassen...Zeitgenossen, die recht mürrisch und mißvergnügt sind. Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) schrieb in seinem utopischen Roman »Lienhard und Gertrud«: »Er hängt die Oberlippe wie eine alte Stute«, doch dieser Übertragung aus dem Tierreich bedarf es gar nicht - Griesgrame ziehen oft tatsächlich eine »Fresse«, lassen den Mund hängen.
Schon in der »Namenlosen Sammlung« von 1532 heißt es unter №. 301: »Sihe wie henckt er das Maul. Mault sich«. Dazu die Erklärung: »Sihe wie ist der so zornig, die da zürnen, sehen sawr, vnd lassen das maul mit den lippen lang heraußhangen«. Die »Zimmerische Chronik« aus der Mitte des 16. Jahrhunderts vermerkt: »Damit macht er das meniglich ... das maul hanckte« (IV, 14), in August Wilhelm Ifflands (1759-1814) Bühnenstück »Die Jäger« heißt es 1785: »Hängt das Maul, so tief Ihr wollt - hier kann ich es nicht aushalten« (I,1).
Das Maul stopfen...wir - hoffentlich nur bildlich - jemandem, von dem wir endgültig genug haben, den wir zum Schweigen bringen wollen. Schon der römische Fabeldichter Gaius Iulius Phædrus (um 20 a.C.-51) erzählt von einem Dieb, der dem kläffenden Hofhund ein Stück Brotfladen anbietet, um ihm das Maul zu stopfen, damit er nicht mehr belle und den Dieb nicht verrate.
Martin Luther (1483-1546) gebrauchte die Wendung mehrfach in seiner Bibelübersetzung, so unter anderem in Psalm 107:42: »Videbunt recti et lætabuntur,et omnis iniquitas oppilabit os suum« - »Solchs werden die Fromen sehen vnd sich frewen. Vnd aller Bosheit wird das maul gestopfft werden«.
Auch Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510) sagt: »Wenn du jedermanndes maul wöltest stopfen, würdest du fürwar nirgendt lumpen und scher wollen gnug bekommen mögen«, Sebastian Brants (1458-1521) »Narrenschiff« berichtet über Schwätzer: »Der muß mäl han, vil me dann vil, wer yedems mul verstopfen will«. (41, 27f.)
Sebastian Franck (1499-1542) meint anno 1541 ganz ähnlich: »Der muß vil mel haben, der alle meuler wil verkleyben« (I, 85) und in Abraham a Sancta Claras (1644-1709) »Judas« (I,181) heißt es: »Es gibt wohl zu Zeiten einen schlechten Doctor, über den kein Patient thut klagen, denn er stopffet ihnen allen das Maul zu mit der Erden«.
Das Maul verbrennen...sich bildlich Leute, die unbedacht Dinge erzählen oder Worte sagen, die ihnen dann viel Ärger und Unannehmlichkeiten einbringen. Abgeleitet von zu heißem Essen, an dem man sich tatsächlich »die Zunge verbrennt«, finden wir schon 1526 bei Martin Luther (1483-1546) die Worte: »Wolan las den brey kochen, gott wyrdts geben, wer yn sol anrichten und wer das maul dran verbrennen muß« (WA XIX, 262,9).
Das Maul/den Mund zu voll nehmen...sprichwörtlich Maulhelden, die sich weit überschätzen, angeben, prahlen, viel zuviel versprechen und nichts davon halten. Es wäre oft auch schlicht unmöglich - genauso, als wenn jemand beim Essen wirklich »den Mund zu voll nehmen«, zuviel auf einmal hineinstopfen würde und schließlich nicht mehr ordentlich kauen könnte und sich verschluckte.
Das Oberste zuunterst kehren...heißt, das Haus auf den Kopf zu stellen und alles zu durchsuchen. Die Redensart stammt aus dem Drama »Die Räuber« von Friedrich Schiller (1759-1805). Pastor Moser spricht hier zu Franz von Moor, dessen Taten er mit denen von Kaiser Nero vergleicht: »Glaubt ihr wohl, Gott werde zugeben, daß ein einziger Mensch in seiner Welt wie ein Wüterich hause und das Oberste zuunterst kehre?«
Das pfeifen die Spatzen von den Dächern...stellen wir fest, wenn wir merken, daß ein angebliches Geheimnis schon längst keines mehr ist: Der Spatz oder Haussperling (Passer domesticus) ist dem Menschen, seit er seßhaft wurde und Ackerbau betreibt, in Städte und Dörfer in jedem Winkel der Erde gefolgt. Schon in der Bibel ist die Rede von Spatzen als Gottesgeschöpfe: »Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater« heißt es bei Matthäus (10:29). Auch im Alten Testament warnt der Prediger Salomo vor Neid und schlechten Gedanken, »denn die Vögel des Himmels tragen die Stimme fort, und die Fittiche haben, sagen weiter«. Da überrascht es kaum, daß der gesellige graubraune Opportunist sich mittlerweile an jeder Imbißbude um die Brotkrümel streitet. Diese diebische und freche Lebensweise und seine weite Verbreitung führte wohl auch zu der Redensart: Der Spatz ist überall, sieht alles und weiß demzufolge auch schon längst über jedes vermeintliche Geheimnis Bescheid.
Das Pferd frißt keinen GurkensalatDen ersten »Ferntonapparat« stellte der hessische Bäckersohn und Physiker Johann Philipp Reis (1834-74) am 26. Oktober 1861 im Frankfurter Physikalischen Verein vor. Der Legende nach begann der Siegeszug des Telephons mit Sätzen ohne Sinn: Reis' Schwager las am Telephon im Garten ein Buch vor, Reis wiederholte vor Publikum laut den Text, den er dem Empfänger abgelauscht hatte. Jemand konterte, er kenne vielleicht das Buch auswendig. Deshalb ging ein anderer selbst in den Raum, in dem das Telephon stand, und sprach einige Sätze wie »Die Sonne ist von Kupfer« oder »Das Pferd frißt keinen Gurkensalat«. Reis verstand zwar nicht genau, was das Pferd frißt und dachte, die Sonne sei aus Zucker, der Skeptiker war aber dennoch überzeugt.
Das Pferd vom Schwanz aufzäumen...heißt, etwas völlig verkehrt, in der falschen Reihenfolge anpacken, eine verkehrte Logik: Was kaum ein Schlaumeier glaubt - jeder Kutscher weiß, daß das Zaumzeug einem Pferd von vorne her angelegt wird. Hinten wäre es ebenso unnötig wie unnütz. Diese bildliche Vorstellung für eine falsche Vorgehensweise kannte schon der Reformator Martin Luther (1483-1546), der anno 1530 schrieb: »Denn die wellt und meister klüglin bleiben, und mus ymer das ros unter dem schwantz zeumen« (Denn die Welt will Meister Besserwisser bleiben und muß stets das Pferd beim Schwanz aufzäumen. Werke IV, 181, 16) oder »Meister klügel heist man die selbigen, die das Ros am schwantz konnen zeymen« (Meister Klügel nennt man sie, die das Pferd beim Schwanz aufzäumen. XXXI 1, 227, 7) oder ganz schlicht »Du bist ein rechter klugelin, zeümest das pferd ym arse« (Du bist ein rechter Besserwisser, zäumst das Pferd am Arsch auf. 423). Auch bei Sebastian Franck (1499-1542) heißt es: »Dass Rößlin beym hindern auffzeumen, wann eyn ding verkehrt zugehet, das der wag die roß sol ziehen« (Das Rößlein beim Hintern aufzäumen, wenn etas verkehrt zugeht, sodaß der Wagen die Pferde ziehen soll. 1.2).
Das Pulver nicht erfunden...hat jemand, der recht einfältig und nicht allzu intelligent daherkommt. Die Redensart geht auf Berthold Schwarz, einen Freiburger Franziskanermönch und Alchimisten zurück: Er soll um 1359 durch Zufall das Schwarzpulver (Schießpulver) entdeckt haben, als er in einem Mörser Salpeter, Schwefel und Kohle zerstampfte und das Ganze auf den Ofen stellte. Es kam, wie es kommen mußte - kurz darauf explodierte die Mischung und die herbeigeeilten Mönche stellten der Legende nach fest, daß der herausgeschleuderte Stößel so fest in einem Deckenbalken steckte, daß er nicht mal nach dem Berühren mit den Reliquien der heiligen Barbara herausgezogen werden konnte. Berthold Schwarz hatte das Pulver nicht erfunden - es hatte ihn gefunden. Auf dieses Ereignis soll die Bezeichnung für das Schwarzpulver, der Name »Mörser“ für kurzläufige Steilfeuergeschütze und die Tatsache, daß die heilige Barbara als Schutzpatronin der Artilleristen gilt, zurückgehen.
Das Runde muß in das Eckige...ist die wohl wichtigste Maxime im Fußball. Das runde Leder muß in das eckige Netz. Oft dem Fußballphilosophen Sepp Herberger (1897-1977) zugeschrieben, geht diese Weisheit tatsächlich aber auf den Ex-Bundesligatrainer Helmut Schulte (*1957) zurück, der einst sagte: »Ball rund muß ins Tor eckig«.
Das schlägt dem Faß den Boden aus...erklären wir, wenn es uns endgültig zu viel wird, jemand eine Sache auf die Spitze treibt, ein ungeheuerlicher Skandal, eine Unverschämtheit passiert:
Fässer sind ziemlich aufwendig herzustellen - die exakt gehobelten Dauben müssen unter Wasserdampf gebogen, zusammengefügt, abgedichtet und in Form gebracht werden. Schlägt der Böttcher den eisernen Reifen zu fest auf, springt der Boden wieder heraus und die ganze Arbeit muß mühselig wiederholt werden.
Eine andere Deutung dieser fünfhundert Jahre alten Redensart: In Bayern erließ Herzog Wilhelm IV. (1493-1550) am Georgitag (23. April) 1516 ein besonders strenges (bis heute gültiges) Reinheitsgebot für Bier, das drakonische Kontrollen bei den Brauern mit sich brachte: Wenn jemand schlechtes Bier feilbot, machte der Kontrolleur kurzen Prozeß und schlug dem betreffenden Faß den Boden aus und das nicht ganz so edle Gebräu ergoß sich über den Marktplatz. Benahm sich jemand sonstwie unbotmäßig, konnte man also empört auf diese Bestrafungspraxis verweisen.
Das schlägt dem Faß die Krone ins GesichtDiese Redensart ist eine Verballhornung, gebildet aus mehreren anderen: Das schlägt dem Faß den Boden aus, das setzt dem Ganzen die Krone auf, das ist ein Schlag ins Gesicht. Gemeint ist einerseits, daß der Böttcher die Faßreifen zu stark aufschlägt und so der Faßboden herausspringt. Andererseits wurden früher Weinverkäufern, die schlechten Wein anboten, die Böden ihrer Fässer zerschlagen, damit sie ihre Ware wirklich niemandem mehr anbieten konnten.
Das setzt der Sache die Krone aufWir sind über etwas zutiefst empört - der Höhepunkt der Gemeinheit ist erreicht. Viel weniger aufgeregt ist der Ursprung der Redensart: Hat der Häuslebauer den Rohbau fertig, bringen die Zimmermänner am höchsten Punkt des Hauses eine bunt geschmückte Richtkrone an und feiern ein Richtfest.
Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock...sagt man volkstümlich derb, wenn ein Sachverhalt ganz und gar eindeutig, etwas offensichtlich völlig klar ist. Blinde orientieren sich trotz ihrer eingeschränkten Sehfähigkeit recht gut mit einem weißen Langstock, der aus dem einstigen Krückstock hervorgegangen ist und »sehen« so zumindest größere und eindeutige Objekte.
Das steht in den Sternen...erklären wir, wenn etwas ungewiß ist, wir noch keine Vorstellung, keine Ahnung davon haben, es höchstens mit Wahrsagerei ergründen könnten.
Die Redensart geht auf Friedrich Schillers (1759-1805) »Geschichte des 30-jahrigen Krieges, Zweyter Theil« zurück: Hauptmann Deveroux erhält auf der Burg von Eger den Befehl, Wallenstein zu ermorden. Dessen Astrologe Seni sieht diese Gefahr voraus, doch Wallenstein glaubt ihm nicht und sagt: »Aber, daß Du mit nächstem wirst in den Kerker geworfen, das Freund Seni, steht in den Sternen geschrieben«.
Das Tageslicht scheuen...nicht nur Dracula und seine Vampirkumpels, sondern auch Zeitgenossen, die etwas zu verbergen haben. Allerlei zwielichtige Gestalten haben nur wenig Interesse daran, bei ihrem schändlichen Tun beobachtet zu werden und verlegen ihre Tätigkeit daher lieber in den Schutz der dunklen Nacht.
Das Tanzbein schwingen...wir umgangssprachlich, wenn wir in fröhlicher Runde mit Lust und Freude tanzen. Natürlich schwingen wir dabei nicht nur ein Bein, sondern alle beide - die Redensart stellt aber darauf ab, daß bei Standardtänzen wie Walzer, Tango oder Foxtrott zwischen Tanz- und Standbein unterschieden wird: Während das meist rechte »Tanzbein« die schwierigeren Anfangsbewegungen vollführt, wird das linke »Standbein« oft nur nachgezogen.
Das Tischtuch ist zerschnitten...wenn wir jemandem die Freundschaft aufkündigen, eine Beziehung endgültig beendet ist und man von nun an getrennte Wege geht. Der Redensart liegt ein mittelalterliches Brauchtum zugrunde, nach dem bei einer Ehescheidung die beiden ehemaligen Partner ein Tischtuch an den Enden faßten und es in der Mitte durchschnitten.
Auch Edelleute, denen »das Tischtuch zerschnitten« wurde, waren fortan aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Der schwäbische Jurist, Gelehrte, Dichter und Politiker Johann Ludwig Uhland (1787-1862) erzählt 1815 die Geschichte von Eberhard dem Greiner und dessen Sohn Ulrich, der anno 1377 »Die Schlacht bei Reutlingen« verlor:
»Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an dem Tisch,
Er schlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Fisch;
Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei
Und schneidet zwischen ihnen das Tafeltuch entzwei«.
In einem anderen Gedicht schreibt er:
»Das Tischtuch ist zerschnitten
Ihr wißt, wie das gemeint
Nach ritterlichen Sitten
Nun sind wir ewig feind«.
Das verflixte 7. Jahr...soll ja - glaubt man diversen Statistiken - besonders gefährlich für den Bestand einer Ehe sein. Allerdings gibt es auch mindestens genauso viele Untersuchungen, die genau dies widerlegen. Die Wendung geht auf den gleichnamigen Film von Billy Wilder (1906-2002) aus dem Jahr 1955 zurück: Der Protagonist Richard Sherman schickt Frau und Kind aufs Land, um die Hundstage ruhig und ohne große Abenteuer, Trinkgelage und Liebeleien zu verbringen. Doch dann zieht Marilyn Monroe (1926-62) in die Nachbarwohnung ein...
Das walte Hugo...bekräftigen wir eine Aussage, wenn wir uns einer Sache hundertprozentig sicher sind: Anfang der 1920er Jahre herrschte der Großindustrielle Hugo Stinnes jun. (1870-1924) mit 1664 selbständigen Betrieben und 2890 Anlagen und Teilbetrieben, zusammen 4554 Unternehmungen vom Überseehandel über Papierfabriken, Druckereien, Zeitungsverlage bis zur Braunkohle- und Erdölförderung und 600.000 Beschäftigten über das größte Wirtschaftsimperium der Welt. Von 1920 bis 1924 war Stinnes schließlich auch noch Abgeordneter der Deutschen Volkspartei. Was er sagte, wurde gemacht: Daraus folgte irgendwann der Spruch: »Das walte Hugo« - was so viel heißt wie: »Darüber entscheidet Gott und das steht fest!« Seine Allmacht als (nach dem Kaiser) zweitreichster Mann Deutschlands spiegelt sich in dieser Redensart wider.
Das Wandern ist des Müllers Lust...seufzt mancher, wenn er noch einen weiten Fußmarsch vor sich hat. Daß ausgerechnet Müllern ein so ausgeprägter Hang zum Wandern nachgesagt wird, mag möglicherweise an dem Dessauer Dichter Wilhelm Müller (1794-1827) liegen, der anno 1818 den Text zu dem berühmten deutschen Volkslied aus dem Gedichtzyklus »Die schöne Müllerin« verfaßte. Die Verse:
»Das Wandern ist des Müllers Lust
Das kann kein rechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein«
beziehen sich allerdings weniger auf die sportliche Freizeitbeschäftigung, als vielmehr auf die Walz - die Wanderjahre eines Müllergesellen und die dadurch unerfüllte Liebe zur schönen Müllerstochter.
Das Wasser abgraben...kann uns unser Gegenüber in einer Diskussion, indem er unsere Argumente widerlegt: Im Mittelalter boten mächtige Burgen, die zudem von einem Wassergraben umgeben waren, Schutz vor Feinden. Angreifer, die versuchten, die Burg mit Leitern zu erklimmen, schaufelten zunächst einen kleinen Graben, um das Wasser aus dem Burggraben abzuleiten. So wurde der Zugang vereinfacht, der Angriff konnte beginnen.
Das Weib sei dem Manne untertanAn diesem Spruch erkennen wir deutlich wie nie, daß die Bibel heute nicht mehr wirklich geachtet ist. An zahllosen Stellen des Alten und Neuen Testaments ist weiland von der göttlichen Rangfolge die Rede, so berichtet unser wohl wichtigstes Leitbild unter anderem: »Mulieres subditæ estote viris sicut oportet in Domino«. - »Jr Weiber, seid vnterthan ewern Mennern in dem Herrn, wie sichs gebuert«. (Kolosser 3.18) oder an anderer Stelle: »Mulieres viris suis subditæ sint sicut Domino. Quoniam vir caput est mulieris sicut Christus caput est ecclesiæ ipse salvator corporis. Sed ut ecclesia subiecta est Christo ita et mulieres viris suis in omnibus«. - »Dje Weiber seien vnterthan jren Mennern, als dem Herrn. Denn der man ist des weibs heubt, Gleich wie auch Christus das heubt ist der Gemeine, vnd er ist seines leibs Heiland. Aber wie nu die Gemeine ist Christo vnterthan, also auch die weiber jren mennern in allen dingen«. (Epheser 5.22ff). Weiter erfahren wir in 1 Korinther 14.34: »Mulieres in ecclesiis taceant non enim permittitur eis loqui sed subditas esse sicut et lex dicit«. - »Ewer Weiber lasset schweigen vnter der Gemeine, Denn es sol jnen nicht zugelassen werden, das sie predigen, sondern vnterthan sein, Wie auch das Gesetz sagt«. »In principio creavit Deus cælum et terram« - »Am anfang schuff Gott Himel vnd Erden«. heißt es in Genesis 1.1 und jeder weiß, daß dieser unser Himmel unbestreitbar hellblau ist und nicht rosa. Jahrtausendelang bestens bewährt, wurde diese göttliche Ordnung inzwischen mittels exorbitanter Scheidungsquoten zugunsten eines möglichst prallen Steuersäckels abgeschafft. Vielleicht hätte man ja alternativ auch auf das sogenannte »Ehegattensplitting« verzichten können, aber über epigonale politische Ideologien ließe sich - jedenfalls bis ihre wahren Hintergründe endlich erkannt sind - bekanntlich trefflich streiten...
Das Wort im Munde umdrehen...heißt, daß jemand ganz absichtlich etwas mißversteht, falsch interpretiert, was man gesagt hat oder eine Aussage so verändert, daß sie ihm ausschließlich zum eigenen Vorteil gereicht.
Das wußten schon die alten Griechen...erklären wir, daß eine Erkenntnis schon sehr alt ist und keiner weiteren Diskussion mehr bedarf. Zahllose kurz und knapp überlieferte Weisheiten und Sinnsprüche, die man auf antiken Säulen, in Tempeln oder den Schriften der großen alten Philosophen fand, gingen im Laufe der Jahrhunderte in den Volksmund ein.
Das Zeitliche segnen...werden wir früher oder später alle einmal. Von der vergänglichen Welt nimmt manch Sterbender Abschied, indem er Gottes Segen für sich herbeiwünscht. Der Evangelist Lukas berichtet im Neuen Testament (Lukas 2:26) von Simeon, der nicht sterben will, bevor er den Messias gesehen hat. Im Tempel trifft er auf Maria und Joseph und erkennt in ihrem Säugling Jesus den künftigen Heiland. Er segnet die Familie und ist nun bereit, zu sterben.
Aus solchen Episoden entstand ab dem 17. Jahrhundert der Brauch, alles zu segnen, was man im Diesseits zurückließ. Dieser letzte Wunsch des Sterbenden wurde für besonders wirkungsvoll gehalten,, da der Sterbende auf dem Weg zu Gott war, der ihn bestimmt erfüllen würde.
Ein solcher Segensspruch: »Nun sieht mich kein Mensch nimmermehr, Gott gesegn euch alle, wo ihr seyt! Gott gesegn mit alle Wollustbarkeit! Gott gesegn mein Herren und Gemahl! Gott gesegn euch, Berg und Tal!«
Das Zepter schwingen...möchte wohl jeder gern. Einmal das Sagen, das Kommando, die Leitung haben und die Sache in die Hand nehmen. Das Zepter (von griechisch »skeptron« - Stab, »skeptein« - stützen), ein reich mit Edelsteinen verzierter Stab aus wertvollem Metall, gehört neben Krone und Reichsapfel zu den Krönungsinsignien des Heiligen Römischen Reiches und wurde dem Kaiser zur Krönung überreicht. Im Mittelalter symbolisierte es die himmlische, der Reichsapfel die weltliche Macht des Herrschers.
Das Zeug zu etwas habenStammt aus dem mittelalterlichen Handwerk. Wer das richtige (Werk-)zeug hatte, konnte spezielle Aufgaben besser erfüllen.
Daß die Heide wackelt...tun wir etwas besonders exzessiv, wir lösen etwas aus, was sonst üblicherweise nicht passiert. Die Heide - ursprünglich ein »unbebautes Land« - ist ein Gebiet mit nährstoffarmem und saurem Boden, auf dem in der Regel nur Heidekraut, Wacholder und und ein paar Kiefern wachsen. Vom Landmann weitgehend verschmäht, ereignet sich in dieser kargen Gegend normalerweise nichts weltbewegendes - es ist also schon sehr außergewöhnlich, wenn einmal »die Heide wackelt«.
Dasselbe in grünErstmals belegt ist die Wendung um 1800 bei Johanna Schopenhauer (1766-1838), der Mutter des berühmten Philosophen. In »Im Wechsel der Zeiten« schrieb sie: »Dieselbe Couleur, aber in grün, forderte, wie eine bekannte Anekdote erzählt, ein Dienstmädchen einst in einem Laden und reichte ein rosarotes Band dem Kaufmann hin«. Bekannter wurde die Wendung ab 1924 durch das erste in Deutschland am Fließband produzierte Automobil. Der Opel 4/12 PS, in Lizenz des - immer gelben - französischen Citroen 5CV oder 5HP (1921), war ausschließlich in grüner Lackierung erhältlich, was ihm den Spitznamen »Laubfrosch« einbrachte. Das war also »dasselbe in grün«.
DatenzäpfchenDas Synonym für den USB-Stick dürfte selbsterklärend sein - schließlich werden beide zumeist von hinten eingeführt - einer allerdings in einen Computer...
DauerbrennerEin permanenter Erfolg, vor allem im Showbereich, wird gerne als »Dauerbrenner« bezeichnet. Eigentlich war ein »Dauerbrenner« ein Ofen, der mit lange brennendem Material (Briketts etc.) befeuert wurde und die Glut, ohne neues Brennmaterial nachzulegen, mindestens vier Stunden halten konnte. Mit der modernen Zentralheizung verschwand der Ofen, nicht aber die Redensart.
DaumenDaß der Daumen besondere Bedeutung hat, wußten schon die alten Germanen und nannten ihn deshalb »dume« (der Dicke).
Daumen drücken...wir jemandem, dem wir Glück und gutes Gelingen wünschen. Die Geste aus dem germanischen Brauchtum symbolisierte einen Kobold, den man festhielt, damit er keine Schwierigkeiten machen konnte. Der Daumen als besonders starker, wichtiger Finger taucht auch im 14. Jahrhundert bei dem mittelhochdeutschen Lyriker und Spruchdichter »Frauenlob« Heinrich von Meißen (um 1250-1318) auf. Der Grund dafür liegt in seiner Wichtigkeit für die funktionsfähige Hand: Ohne ihn kann kein Werkzeug und vor allem kein Schwert geführt werden. In der Rechtsprechung der Salier im 11. Jahrhundert galt der Daumen als Gottesfinger.
Eine andere mögliche Deutung: Im alten Rom entschied das Publikum per Daumen, ob ein besiegter Gladiator getötet werden sollte oder nicht. Man sagte: »Convertere pollicem« (den Daumen strecken, gegen die Brust richten) und streckte die Faust mit sichtbarem Daumen aus, ein Zeichen, daß das Volk einen besiegten Gladiator umgebracht wissen wollte. Sollte er verschont werden, versteckte man den Daumen in der Faust (Premere pollicem). Möglicherweise steht der Ausdruck auch pars pro toto für die ganze Hand, die zum Zeichen der Sympathie gedrückt wird.
Daumenschrauben anlegenDer Versuch, eine Person zu einer bestimmten Aussage oder Handlung zu bewegen, geht auf eine »milde« erste Stufe der mittelalterlichen Folter zurück: Eisernes Schraubzeug wurde dabei um die oberen Daumengelenke gelegt und solange zugeschraubt, bis der Folterknecht die gewünschte Information erhielt.
David gegen GoliathWenn der Kleine dem Großen eins auswischt, der Schwache den Starken besiegt, freut sich Otto Normalbürger - wohl jeder von uns würde gerne mal dem Mächtigen ein Schnippchen schlagen. Auch der mutige Hirtenjunge David erscheint im Kampf gegen Goliath von Gath, den gepanzerten, streitsüchtigen Landsknecht, laut 1. Samuel 17.4 »sechs ellen vnd einer handbreit hoch« (rund drei Meter groß) zunächst chancenlos und dennoch: Ohne Schwert und Rüstung, nur mit Verstand, Kieselstein und Schleuder legt er den Riesen flach: »Prævaluitque David adversus Philistheum in funda et in lapide percussumque Philistheum interfecit cumque gladium non haberet in manu David cucurrit et stetit super Philistheum et tulit gladium eius et eduxit de vagina sua et interfecit eum præciditque caput eius videntes autem Philisthim quod mortuus esset fortissimus eorum fugerunt«. - »Also vberwand Dauid den Philister mit der Schleuder vnd mit dem Stein vnd schlug jn vnd tödtet jn. Vnd da Dauid kein Schwert in seiner hand hatte, lieff er vnd trat zu dem Philister vnd nam sein Schwert vnd zogs aus der scheiden vnd töotet jn vnd hieb jm den Kopff damit abe. Da aber die Philister sahen, das jr Sterckster tod war, flohen sie«. (1 Samuel 17.50f) Trotz der anekdotenhaften Verklärung der Episode, kommt hier nicht die reine Schadenfreude auf.
Dazu hat Buchholtz kein GeldBezieht sich auf den preußischen Hofstaatsrentmeister und späteren Schatzmeister Friedrichs des Großen, August Buchholtz (1706-98). Vom Alten Fritz wird erzählt, daß er mit diesem Ausspruch Forderungen und Wünsche abzulehnen pflegte, die an ihn herangetragen wurden, besonders nach dem Siebenjährigen Krieg, als die Staatskassen erschöpft waren.
DeckmantelEinen anrüchigen Vorgang tarnen, damit die wahren Absichten nicht bekanntwerden: Herrscher wie auch Edelleute niederen Ranges hatten einst ein Begnadigungsrecht. Zum öffentlichen Zeichen der Begnadigung, des Schutzes legten sie dem Betroffenen ihren Mantel um - sie nahmen ihn unter ihren Deckmantel.
Dein Wort in Gottes Gehörgang...hören wir uns sagen, wenn jemand von großen Erwartungen spricht. Dein Wunsch möge erhört werden; was Du gesagt hast, möge sich bewahrheiten, hoffentlich hast du recht - aber ich habe da so meine Zweifel. Dieser metaphorische Ausdruck geht - wie so viele - sicher auf den Einfluß des Christentums zurück: Menschen haben sich jahrhundertelang mit ihren Gebeten an Gott gewandt und gehofft, daß »Gottes Ohr« sie hören und ihre Wünsche erfüllen möge.
Schon Augustinus von Hippo (354 - 430), einer der bekanntesten Kirchenlehrer der Antike, schrieb über den Vorgang des Betens: »Gottes Ohr zulassen an unser Herz, unser Herz zulassen an Gottes Ohr: darum geht es, das ist die Kunst des Gebets.«
Deine Zeit ist abgelaufen...sagen wir zu jemandem, wenn ein bestimmter Zeitpunkt gekommen oder eine vorbestimmte Frist verronnen ist. Diese Redewendung geht zurück auf die Pharaonen um 1500 a.C. und deren »Klepshydra«. Dieser »Wasserdieb« funktionierte ähnlich wie eine Sanduhr - aus einem Gefäß floß durch ein kleines Loch allerdings Wasser in ein anderes. Im antiken Griechenland wurden solche Wasseruhren unter anderem zur Begrenzung der Redezeit bei Gericht verwendet - fiel der letzte Tropfen in das untere Gefäß, war die Zeit des Redners eben »abgelaufen«.
Dem fehlt ein Pfennig an der Mark...sagen wir gelegentlich jemandem nach, der nicht allzu intelligent daherkommt, nicht der hellste Kopf ist: Scheinbar fehlen ihm einige graue Zellen für ein vollständiges Gehirn - so, wie erst 100 Pfennige eine Mark ergeben.
Dem Glück in die Hände spielenSagen wir, wenn uns etwas nicht nach Wunsch gelingt, ein anderer den beabsichtigten Vorteil erhält. Die Wendung ist dem Würfelspiel entlehnt, wenn man so (schlecht) wirft, daß man verliert und ein anderer gewinnt.
Dem Glücklichen schlägt keine StundeFür einen, der ungeduldig auf etwas wartet, dehnen sich die Minuten zu Stunden, oft gibt es Tage, Wochen oder Jahre, die man am liebsten aus seinem Leben streichen möchte, je älter man wird, desto schneller zieht scheinbar die Zeit vorbei. Wer glücklich ist, dem hingegen ist die Zeit egal, in dem Moment, wo wir sie vergessen, sind wir glücklich. Das Sprichwort stammt aus Friedrich von Schillers (1759-1805) »Die Piccolomini« (III.3), dem zweiten Teil seiner »Wallenstein«-Trilogie. Max Piccolomini, Oberst eines Regiments, sschwärmt hier ursprünglich gegenüber der Gräfin Terzky von seiner neuen Liebe zu Thekla, Wallensteins Tochter:
»Wo aber bleibt sie denn! - Oh! goldne Zeit
Der Reise, wo uns jede neue Sonne
Vereinigte, die späte Nacht nur trennte!
Da rann kein Sand, und keine Glocke schlug.
Es schien die Zeit dem Überseligen
In ihrem ew'gen Laufe stillzustehen.
Oh! der ist aus dem Himmel schon gefallen,
Der an der Stunden Wechsel denken muß!
Die Uhr schlägt keinem Glücklichen«.
Dem Ingenieur ist nichts zu schwör...deklamieren wir oft, wenn wir der Lösung eines Problems schon recht nahe zu sein scheinen und sind fest überzeugt, »Daniel Düsentrieb«, den genialen Erfinder aus dem Micky-Maus-Universum - oder jedenfalls seine deutsche Erfinderin Erika Fuchs (1906-2005) - zu zitieren. Ein Zitat bleibt es, allerdings stammt der Spruch aus dem »Loblied auf die Ingenieure«, das der »dichtende Ingenieur und konstruierende Schriftsteller« Heinrich Seidel (1842-1906) bereits anno 1871 veröffentlichte:
»Dem Ingenieur ist nichts zu schwer(e),
er lacht und spricht: ›Wenn dieses nicht, so geht doch das!‹
Er überbrückt die Flüsse und die Meere,
die Berge unverfroren zu durchbohren, ist ihm Spaß.
Er türmt die Bögen in die Luft,
er wühlt als Maulwurf in der Gruft,
kein Hindernis ist ihm zu groß,
er geht drauf los.
Was heut sich regt mit hunderttausend Rädern,
in Lüften schwebt, in Grüften gräbt und stampft und dampft und glüht,
was sich bewegt mit Riemen und mit Federn,
und Lasten hebt, ohn' Rasten webt und locht und pocht und sprüht,
was durch die Länder donnernd saust
und durch die fernen Meere braust,
das alles schafft und noch viel mehr
der Ingenieur«.
Dem Kaiser geben, was des Kaiser istDieses Wort Jesu befaßt sich tatsächlich mit der Steuer: Gefragt, ob man denn dem Kaiser Steuern zahlen müsse, hätte der Heiland »Ja« sagen können und die Juden wären gegen ihn gewesen. Ein »Nein« hingegen hätte die römischen Besatzer gegen ihn aufgebracht. Also antwortete er laut Matthäus 22:21 diplomatisch: »Dicunt ei Cæsaris tunc ait illis reddite ergo quæ sunt Cæsaris Cæsari et quæ sunt Dei Deo« - »Sie sprachen zu jm, des Keisers. Da sprach er zu jnen, So gebet dem Keiser, was des Keisers ist, vnd Gotte, was Gottes ist«.
Dem Manne kann geholfen werden...sagen wir oft scherzhaft, wenn jemand bei kleinen Alltagsnöten unsere Unterstützung sucht. Das Zitat stammt aus dem sozialpathetischen Drama »Die Räuber« (Uraufführung am 13. Januar 1782) des großen Schriftstellers Friedrich von Schiller (1759-1805). Gesprochen werden die Worte von Karl Moor, dem geläuterten Rebellen gegen die ungerechte Gesellschaftsordnung und Chef der Räuberbande, als er am Ende des Stücks keinen Ausweg mehr sieht und sich der Ordnungsmacht stellen will. Das Kopfgeld von 1.000 Louis d'or, das auf ihn ausgesetzt ist, will er einem armen Tagelöhner mit elf Kindern zukommen lassen, der ihn ausliefern soll - also ergibt er sich mit diesem Satz.
Dem Teufel ein Ohr abschwatzen...wollen wir, wenn wir ganz besonders geschwätzig sind und viel dummes Zeug reden. Die Wendung geht auf alte Volkserzählungen zurück, in denen man mit dem Teufel um ein Ohr wettet, daß man ihm darin überlegen sei.
Dem Tod noch einmal von der Schippe springen...heißt umgangssprachlich, eine lebensgefährliche Situation, eine Verletzung oder Krankheit gerade überleben, dem Tode nur knapp entrinnen: Es gibt zahlreiche Umschreibungen für den Tod und das Sterben - schließlich redet keiner wirklich gern über sein eigenes Ende. Die »Schippe« steht hier synonym für den Totengräber respektive die Beerdigung.
Dem Volk aufs Maul schauen...und zuhören, was das gemeine Volk sagt, empfahl der Reformator Martin Luther (1483-1546) anno 1530 im »Sendbrief vom Dolmetschen« und nutzte dies bei seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche, damit diese dem Volk verständlich werde. Die klaren und volkstümlichen Worte seiner Übersetzung waren wegweisend für die Herausbildung der einheitlichen deutschen Schriftsprache - der Reformator war ein genialer Wortschöpfer, dem unzählige treffende Ausdrücke gelangen. Am bekanntesten wurden »Lückenbüßer«, »Feuereifer«, »Lästermaul«, »ein Machtwort sprechen«, »einen Denkzettel verpassen«, »den Braten riechen«, »an der Nase herumführen«, »Trübsal blasen«, »zu Kreuze kriechen«, »der Mensch lebt nicht vom Brot allein«, »niemand kann zwei Herren dienen« und vieles mehr.
Schon Harun al-Raschid, der weise Kalif aus »Tausendundeine Nacht« hatte sich incognito unters Volk gemischt, um zu erfahren, was dort gedacht und unbekümmert ausgesprochen wurde, was Menschen fühlten, sie empörte oder beglückte. Unsere heutigen »demokratischen« Politiker haben sich dieses Prinzip leider nicht zu eigen gemacht und schauen mit oft unverhohlener Verachtung auf die »Stammtische« herab, an denen »Vox populi« über das redet, was das Volk bewegt.
Den Augiasstall ausmistenEine durch Vernachlässigung entstandene grobe Unordnung: Der griechische Sagenheld Herakles mußte in seinen berühmten 12 Taten u.a. den Stall des Königs Augias von Elis reinigen. Jener besaß 3000 Rinder und hatte seinen Stall seit 30 Jahren nicht mehr ausgemistet. Augias versprach Herakles dafür den zehnten Teil seiner Rinder, hatte aber nie die Absicht, diesen Lohn auch zu zahlen. Herakles erfüllte die Aufgabe, indem er den Fluß Alpheios durch die Ställe leitete. Da Augias sein Wort nicht hielt, schickte Herakles eine Armee, die ihn und seine Söhne tötete.
Den Ausschlag gebenEine Entscheidung treffen. Das Wort bezieht sich auf das »Zünglein an der Waage«, das anzeigt, auf welche Seite sich dieselbe neigt. Der Ausdruck ist seit dem 15. Jahrhundert belegt und kommt später u.a. in den Schriften des deutschen Reformators Martin Luther (1483-1546) öfters vor.
Den Bach runtergehen...meint heute, es geht schlimmen Zeiten entgegen. Etwas ist im Niedergang begriffen, geht unter, verschwindet. Mittelalterliche Müllbeseitigung war recht einfach: Der Abfall wurde kurzerhand auf die Straße oder in den nächsten Bach befördert, der nächste Regen spülte den Unrat irgendwann hinfort. Aber man hat früher auch oft am Bach gearbeitet - Wäsche wurde dort gewaschen, Leder gegerbt und vieles mehr. Da konnte es schon mal vorkommen, daß dabei etwas weggespült wurde. So oder so - was »den Bach runter« ging, war ein- für allemal verloren.
Den Balken im eigenen Auge nicht sehen...aber den Splitter im fremden wollen Menschen, die sich mehr um anderer Leute Fehler scheren, denn um die eigenen. Diese Wendung will uns sagen, daß wir uns besser zunächstmal um uns selbst kümmern sollen, ehe wir heuchlerisch kleinere Schwächen anderer kritisieren.
Im Neuen Testament erzählen die Apostel Matthäus und Lukas fast gleichlautend: »Quid autem vides festucam in oculo fratris tui et trabem in oculo tuo non vides. Aut quomodo dicis fratri tuo sine eiciam festucam de oculo tuo et ecce trabis est in oculo tuo. Hypocrita eice primum trabem de oculo tuo et tunc videbis eicere festucam de oculo fratris tui«. - »Was sihestu aber den Splitter in deines Bruders auge, vnd wirst nicht gewar des Balcken in deinem auge? Oder wie tharstu sagen zu deinem Bruder, Halt, Jch wil dir den Splitter aus deinem auge ziehen, vnd sihe, ein Balcke ist in deinem auge. Du Heuchler, zeuch am ersten den Balcken aus deinem auge, darnach besihe, wie du den Splitter aus deines Bruders auge ziehest«. (Matthäus 7.3ff, Lukas 6.41f)
Den Ball flachhalten...sollten wir mitunter bei Diskussionen, in denen es hoch her geht: Kochen die Emotionen erst über, läßt sich ein konstruktives Ergebnis kaum mehr erwarten.
Auch beim Fußball kann man den Ball hoch oder flach spielen - hohe weite Schüsse lassen sich allerdings nur schwer kontrollieren und nicht immer kommen die Bälle da an, wo sie sollen. Anders bei flachen Bällen: Die Fußballer können sich viel leichter zupassen und verlieren die Bälle seltener an den Gegner. So spielt die Mannschaft nicht so sehr auf Risiko.
Den Bettel hinwerfenLeitet sich ursprünglich vom Erbettelten ab - wertlosem Plunder. Wer beim »Bettel« angelangt war, hatte die niedrigste Stufe der Gesellschaft erreicht. Wer heute »den Bettel hinwirft«, verläßt seinen (Arbeits-)Platz im Zorn, weil er in der Arbeit nur solch sinn- und wertfreien Kram sieht.
Den Bissen vom Munde abschneiden...heißt, daß jemand einem den Lebensunterhalt nicht gönnt, uns auch noch das Allernötigste wegnehmen will. In Thomas Murners (1475-1537) »Narrenbeschwörung« (59, 52) heißt es:
»Wer all die Buben ertränkte
Der thet doch gott ein dienst daran
Das sy dem armen krancken man
syn brot abschnyden vor dem mundt«.
Auch in Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens (1622-76) »Simplicissimus« (I, 16) ist die Rede von Schmarotzern und Hungerleidern, die denen, »so etwas meritirt, das Brot vorm Maul abschneiden«.
Den Bock zum Gärtner machen...wir gelegentlich mit besonders untauglichen Leuten, die mit einer für sie unlösbaren Aufgabe betraut werden: Niemand sollte so ungeeignet sein wie ausgerechnet ein Ziegenbock als Gärtner, der das Gemüse eher fressen als pflanzen würde.
Die Wendung ist bereits seit dem 15. Jahrhundert in der Literatur belegt, so bei Christian Lehmann (1611-88): »Glaub, wo der Bock zum Gärtner wird, die jungen Bäume er wenig ziert«. Die Vorliebe für zarte, junge Blätter und Triebe und die Rücksichtslosigkeit, diese zu erreichen, kennt man auch von etlichen historischen Abbildungen, auf denen man Böcke auf den Hinterbeinen an Büschen stehen und fressen sieht.
Den Bogen heraus haben...Leute, die wissen, wie man es macht, die eine Sache gelernt haben und etwas Schwieriges leisten können. Die Wendung stammt wohl aus der mittelalterlichen Handwerkssprache: Es war nicht ganz einfach, aus Holz immer genau gerade Gegenstände herzustellen - krumme, gebogene Hölzer waren nur schwer »geradezubiegen«.
Auch Kanoniere hatten »den Bogen raus« (die Flugbahn des Geschosses), wenn sie ihr Ziel trafen.
Den Bogen überspannen...Leute, die eine Sache bis zum letzten ausreizen, ihre Möglichkeiten überstrapazieren und so oft gerade das Gegenteil erreichen. Die ursprüngliche Bedeutung kommt aus dem Kriegshandwerk: Die Bogen der Schützen wurden gespannt, dabei bogen sie sich, dadurch bekam der Pfeil seine Geschwindigkeit. Wurde der Bogen überspannt, brach das Holz, er wurde unbrauchbar. Bereits in der Antike war der Spruch »Arcus nimium tensus rumpitur« - »Allzu straff zerspringt der Bogen« des griechischen Schriftstellers Plutarch (um 45-125) bekannt.
Den Braten riechen...wir umgangssprachlich, wenn wir eine Gefahr, eine Falle, oder aber auch einen Gewinn wittern, etwas rechtzeitig vorher bemerken. Das Synonym für »Verdacht schöpfen« geht wohl darauf zurück, daß man einem zerlegten und gebratenen Tier nicht mehr unbedingt ansieht, welcher Spezies es einst angehörte. Olfaktorisch scheinen wir aber sehr wohl zu bemerken, wenn es sich um minderwertiges Fleisch handelt.
Eine andere Deutung geht auf eine Fabel zurück: Ein Bauer lädt ein Tier in sein Haus ein, jenes kehrt aber an der Tür des Bauernhauses um, weil es wittert, daß sein Artgenosse bereits in der bäuerlichen Pfanne brutzelt. Es »riecht dem Braten« und fürchtet, der nächste Kandidat zu sein.
Schon bei dem römischen Dichter Quintus Horatius Flaccus (65-8 a.C.) ist diese Redensart in der Form »Narem nidore supinor« (Sermones 2.7.38) nachzulesen. Auch Martin Luther (1483-1546) verwendet sie anno 1524 in »An die Ratsherren« als: »...der Teufel roch den Braten wol«.
Den Brotkorb höher hängen...meint heutzutage die Drohung, jemanden strenger oder schlechter zu behandeln. Besonders wenn jemand mit weniger Geld auskommen muß, weil das Einkommen stagniert oder gar sinkt, andererseits aber die Preise steigen, muß er »den Brotkorb höher hängen«, also seine Ausgaben einschränken. Früher wurde der Brotkorb aufgehängt, um ihn vor Mäuse- oder Rattenfraß zu schützen. Je höher er hing, desto schwieriger war es, etwas daraus zu entnehmen. Die Wendung ist schon seit dem 17. Jahrhundert in der Literatur, so unter anderem in »Wallensteins Lager« von Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) belegt.
Den Brunnen zudecken, wenn das Kind hineingefallen istBeschreibt drastisch, daß viel zu spät Vorkehrungen getroffen wurden, ein Unglück zu verhindern. Ist das Kind erst in den Brunnen gefallen, ist es wahrscheinlich darin ertrunken. Der Ursprung, auch für Abwandlungen wie »Accepto damno ianiculum claudere - Die Tür nach empfangenem Schaden schließen« oder »Clipeum post vulnera sumere - Den Schild erst nach der Verwundung nehmen« wird in einer uralten Schildbürgergeschichte vermutet.
Den Dreh raushabenWer sehr geschickt ist und weiß, wie man etwas macht, hat redensartlich den »Dreh raus«. Ursprünglich kommt das Wort von Händlern, die fehlerhafte Ware so drehten, daß der Kunde den Mangel nicht gleich erkennen kann.
Den eigenen Ast absägen...und herunterfallen, praktisch ohne jede reelle Chance, irgendwo wieder Halt zu finden, ist eines von vielen Synonymen für »sich selbst schaden«, die es teilweise schon im Lateinischen gab. So schrieb beispielsweise der römische Staatsmann, Philosoph und Schriftsteller Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.): »Navem perforare, qua quis ipse naviget« - »Das eigene Schiff durchlöchern«.
Den Faden verlierenVergessen, wie es (in einer Rede) weitergeht. Der Ursprung liegt in der griechischen Mythologie: Ariadne, Tochter des König Minos von Kreta, gab ihrem Geliebten Prinz Theseus ein Garnknäuel, damit er aus dem Labyrinth wieder hinausfände, in dem er den Minotaurus töten sollte. Als er hineingeführt wurde, entrollte sich das Garn - nachdem er seine Aufgabe erfüllt hatte, konnte er mit Hilfe des Fadens das Labyrinth wieder verlassen und König von Athen werden. Der Hinweis für die Verwendung des Fadens stammte von Daidalos, der das Labyrinth entworfen hatte. Als Strafe für den Hinweis wurde Daidalos mit seinem Sohn Ikaros ins Labyrinth gesperrt, woraus sich beide mithilfe selbstgebauter Flügel befreien konnten.
Den flotten Otto haben...wir umgangssprachlich, wenn wir unter »Montezumas Rache«, einer Diarrhoe leiden, einfach Durchfall haben. Die seit dem Anfang des 20. Jahrhundert gebrauchte Wendung geht wohl darauf zurück, daß »Otto« - ein damals recht häufiger Name - ziemlich »flott« sein mußte, um noch rechtzeitig auf das »Stille Örtchen« zu gelangen.
Den Garaus machen...wir jemandem, den wir umbringen. Das Wort ist wohl aus der adverbialen Fügung »(ganz und) gar aus« entstanden. So wurde in Regensburg und Nürnberg im Mittelalter die Polizeistunde mit dem Ruf »gar aus« bekanntgegeben. Nach und nach wurde der Begriff dann auf diese spezielle Abendzeit und das dazugehörige Glockenläuten vom Kirchturm angewandt. Da das Glockenläuten auch bei Totenmessen und Beerdingungen einsetzte, fand wohl eine Übertragung des Begriffes auf den Tod selbst statt. Es sind auch Begriffe aus dieser Zeit wie »Garausglocke« belegt, verwandt ist auch der »Kehraus«, der noch bis heute das Ende des Fastnachtstreibens bezeichnet.
Den Geist aufgeben...bedeutet heute vorwiegend, daß ein technisches Gerät seinen Dienst quittiert. Die ursprüngliche Umschreibung für den Moment des Todes verweist auf die Schöpfungsgeschichte, die den Moment der Menschwerdung damit definiert, daß Gott ihm seinen Lebensatem, seinen »Geist« einhaucht. Im Augenblick des Sterbens gibt er diesen Geist wieder auf, wie es z.B. in der Apostelgeschichte (5:5) heißt: »Audiens autem Ananias hæc verba cecidit et exspiravit et factus est timor magnus in omnes qui audierant« - »Da Ananias aber diese wort hoeret, fiel er nider, vnd gab den geist auff. Vnd es kam eine grosse furcht vber alle, die dis hoereten«. In den Klageliedern Jeremias wird die Zerstörung der Stadt Jerusalem durch die Babylonier 587 a.C. unter den Truppen des Königs Nebukadnezar geschildert. Im Kapitel 2:12 lesen wir: »Lamed matribus suis dixerunt ubi est triticum et vinum cum deficerent quasi vulnerati in plateis civitatis cum exhalarent animas suas in sinu matrum suarum« - »Da sie zu jren Müttern sprachen, Wo ist Brot vnd Wein? Da sie auff den gassen in der Stad verschmachten wie die tödlich verwundten Vnd in den armen jrer Müttern den Geist auffgaben« und die neutestamentarische Darstellung beschreibt das Sterben Jesu am Kreuz: »Iesus autem emissa voce magna exspiravit« - »Aber Jhesus schrey laut vnd hauchte den Geist aus« (Markus 15:37).
Den Gürtel enger schnallen...müssen sprichwörtlich Menschen, deren Finanzbedarf größer ist, als das verfügbare Einkommen. Sie schränken sich ein, verzichten auf vieles, das sie eigentlich schon gerne hätten, um wenigstens noch den allernötigsten Bedarf zu decken - wörtlich genommen würden sie damit fernab jeder Diät den Magen einschnüren, in den so nur wenig(er) Essen paßt.
Den Hals nicht voll kriegen...können Zeitgenossen, die nie genug bekommen, gierig, unersättlich sind: Der Hals als Anfang des Verdauungssystems bezog die Redensart ursprünglich nur auf Speis und Trank - solch ein Gierschlund stopfte sinnlos alles in sich hinein und war erst zufrieden, wenn er eine große Menge an Essen verschlungen hatte. Heute meint man eher finanzielle Hemmungslosigkeit oder ganz allgemeine Habgier.
Den hat der Bilwis geschossenWer vom Bilwis geschossen wurde, ist krank oder geistesgestört. Die seit dem Mittelalter als Naturdämon bekannte Sagengestalt soll Krankheiten verbreitet haben. Der älteste Beleg findet sich in dem unvollendeten mittelhochdeutschen Paarreim-Epos »Willehalm« des fränkischen Epikers Wolfram von Eschenbach (um 1170-1220)
Den Himmel auf Erden habenDer Begriff taucht im 18. Jahrhundert als Titel einer Übersetzung des niederländischen Predigers Fredericus van Leenhof auf. Auch Adam und Eva hatten der Bibel zufolge im Paradies den Himmel auf Erden. Allgemein versteht man darunter, daß es einem Menschen besonders gut geht. Er lebt sorgenfrei und wird geliebt.
Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen...behaupten wir heute scherzhaft, wenn wir »großzügig« auf etwas verzichten, was uns ohnehin nicht interessiert. Der Vers stammt aus Heinrich Heines (1797-1856) Gedichtzyklus »Deutschland. Ein Wintermärchen«, in dem er mit beißendem Spott den in Deutschland herrschenden Geist rügt. Im ersten Gedicht wendet er sich gegen die Vertröstung der Menschen auf ein besseres Jenseits und setzt dagegen: »Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten«.
Den Hof machen...wir jemandem, um den wir werben, uns um seine - oder eher meist ihre - Zuneigung bemühen. Diese wörtliche Übersetzung des französischen »faire la cour« aus einer Zeit, da das französische Hofleben Vorbild aller europäischen Königshäuser war, leitet sich aus den Sitten der feinen Gesellschaft, der Hofhaltung des Adels ab: Der »Hof« war die Umgebung eines Fürsten - jeder der ihm diente, gehörte zu seinem Hofstaat. Er tat sein Bestes, dem Herrn das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, »machte ihm den Hof«. Von der diensteifrigen Art der Höflinge leitete der Volksmund für das werbende Huldigen um die Gunst der Angebeteten ab.
Den Hut auf- oder die Hosen anhabenHut und Hose, traditionell eher männliche Kleidungsstücke, begründen seit dem Mittelalter diese beiden sehr ähnlichen Redensarten: Sie zielten ursprünglich auf die Frau, die in Haus und Ehe bestimmen will, sie maßte sich etwas an, was nach Sitte und Tradition allein dem Manne zusteht. Früher gab die Braut dem Bräutigam bei der Hochzeit einen Hut zum Zeichen dafür, daß er in der Ehe den Vorrang haben sollte. Bis in die 60er Jahre gehörte der Hut zur üblichen Kleidervorschrift - wer dennoch »oben ohne« auf die Straße ging, signalisierte damit, daß er sich außerhalb gesellschaftlicher Normen bewegte. So ermahnt Thomas Manns (1875-1955) Romanheld Hans Castorp im »Zauberberg« seinen Vetter Joachim Ziemßen, daß: »...man einen Hut aufhaben soll, damit man ihn abnehmen kann, bei Gelegenheiten, wo es sich schickt«. Mit der Kopfbedeckung kann vieles ausgedrückt werden: soziale Stellung, Amt, Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, sogar Gefühle von Freude und Schmerz. Der Hut vertritt gewissermaßen die ganze Person. Doch seit den 1970er Jahren paßte er nicht mehr in die Zeit: man wollte sich von allen gesellschaftlichen Regeln befreien, so auch vom Hut. Seitdem hat frau meist »die Hosen an«
Den Hut in den Ring werfen...heißt, einen Anspruch anzumelden. Die Redensart kommt wahrscheinlich aus den USA, wo es bei Volksfesten üblich war, seinen Cowboyhut in den Ring zu werfen, wenn man gegen einen Rummelboxer antreten wollte.
Den Hut ziehenDas Abnehmen des Hutes ist seit dem 13. Jahrhundert als Grußgebärde belegt. Damals war es eine Rangfrage, wer vor wem den Hut zog. Heutzutage ist es eine reine Grußformalität, die nicht mehr auf die Rangunterschiede verweist.
Den Karren aus dem Dreck ziehen...müssen wir, wenn jemand Probleme verursacht, einen Fehler begangen hat. Wir müssen einen Ausweg aus der verfahrenen Situation suchen, ihm Hilfestellung geben, wieder auf den »rechten Weg« zu kommen.
Den Karren in den Dreck gefahren...hat jemand, der große Probleme verursacht, einen kaum wieder gutzumachenden Fehler begangen hat. Normalerweise fährt ein Karren auf einem mehr oder weniger befestigten Weg oder einer Straße. Kommt man von selbiger ab, wird es schwierig weiterzukommen.
Den Kopf unter'm Arm tragen...buchstäblich Menschen, die erst dann zum Arzt gehen, wenn sie
völlig am Ende sind. Krankfeiern gibt's bei denen nicht - sie bleiben
erst dann zuhause, wenn eigentlich schon längst nichts mehr zu
retten, sie so gut wie tot sind.
Diese Redewendung beruht auf der Legende vom französischen
Nationalheiligen Dionysius von Paris, der im 3. Jahrhundert als
Zeichen seiner Unschuld nach der Enthauptung noch mit dem Kopf
unter dem Arm vom Richtplatz Montmartre sechs Kilometer Richtung
Norden bis zu dem (später nach ihm benannten) Ort Saint-Dénis
gelaufen sein soll, wo er begraben sein wollte.
Ähnliche Legenden ranken sich um Freibeuter Klaus Störtebeker,
der am 21. Oktober 1401 mit seinen Gefolgsleuten in Hamburg
hingerichtet wurde.
Saint Denis de Paris, um 1460
Bild: wikimedia.org
Den Kopf verlieren...wir hin und wieder, wenn wir unruhig, aufgeregt, nervös sind, unüberlegt handeln oder gar in Panik geraten.
Diese Redensart geht auf die seit dem Mittelalter übliche Hinrichtungspraxis der Enthauptung zurück - ganz sicher ein Anlaß, konfus zu werden und den Überblick zu verlieren.
Den Kopf waschen...wir gelegentlich jemandem, den wir scharf zurechtweisen, mit dem wir ein klärendes Gespräch führen, ihm gehörig die Meinung sagen - auch schon mal körperlich.
Ursprung dieser Redewendung könnten Läuse und anderes Ungeziefer sein, die einst wohl fast die Regel waren. Schließlich mußte man den Kopf gründlich reinigen, dabei auch kräftig reiben, wobei man sich wohl auch hin und wieder regelrecht wundscheuern konnte. Sicherlich auch keine schöne Angelegenheit...
Den Kopf zurechtrücken...müssen wir manchmal jemandem, den wir endlich auf vernünftigere Gedanken bringen wollen.
Diese Redensart geht wahrscheinlich auf Hebammen zurück, die Neugeborenen die noch weichen Köpfchen fast nach Belieben zurechtdrücken und so zu formen vermögen. Man ging einst davon aus, daß die Kraft und die Tätigkeit des Geistes von der Gestalt des Kopfes und somit des Gehirns abhing.
Den Kürzeren ziehenBevor es Streit gibt, müssen in schonmal Abzählreime, Münzen werfen oder »Schnick, schnack, schnuck« herhalten. Man kann auch zwei unterschiedlich lange Streichhölzer in der geschlossenen Hand halten - wer das längere zieht, hat gewonnen. Früher war das eine beliebte Methode, um knifflige Angelegenheiten zu entscheiden. Manchmal wurde dieses Verfahren sogar in rechtlichen Fragen angewandt - das Ergebnis wurde als Gottesurteil angesehen.
Den Laufpaß geben...wir heute jemandem, den wir »abservieren, uns von ihm trennen«. Im 18. Jahrhundert war der Laufpaß (auch Laufzettel) die Entlassungsbescheinigung des Soldaten vom Militärdienst, eine Kündigung. Bekam sie ein Soldat, mußte er sich damit auf Arbeitssuche machen.
Den letzten beißen die HundeEine strukturell desintegrierte Finalität in Relation zur Zentralisationskonstellation provoziert die eskalative Realisierung destruktiver Integrationsmotivationen durch permanent lokal aggressive Individuen der Spezies »Canis«. Wenn mehrere gemeinsam auf der Flucht sind und von einer Hundemeute verfolgt werden, hat der Langsamste - wohl nachvollziehbar - die schlechtesten Karten...
Den letzten Schliff gebenDiese Wendung geht auf die Bearbeitung von Edelsteinen zurück: Der Schleifer erkennt zunächst die Möglichkeiten des Natursteins und zerlegt ihn durch Schneiden oder Spalten in kleinere Teile. Diese bekommen dann den Vor- und den Hauptschliff, sowie den »letzten Schliff«, bei dem nur noch nachgearbeitet wird.
Den lieben Gott einen guten Mann sein lassen...Menschen, die völlig unbekümmert ihre Zeit verbringen. Sie stellen sich den Schöpfer nicht als Rachegott vor, der sie einst für ihren Müßiggang bestrafen wird, sondern vertrauen voll darauf, daß der Weltenlenker schon alles richten wird und sie selbst sich nicht darum zu kümmern brauchten.
Den Löffel abgebenDie Redewendung ist sehr alt und hatte damals wie heute mit dem Sterben zu tun: Im Mittelalter wurde das Essen üblicherweise in einer Schüssel für alle inmitten des Tischs »serviert«. Jeder hatte dafür seinen höchsteigenen, nicht selten selbstgeschnitzten und also wertvollen Löffel parat. Lag das Familienoberhaupt im Sterben, vererbte es seinen Löffel an den Nachkommen, meist an den ältesten Sohn, weiter. Hatte der Vater den Löffel abgegeben, war das Erbe in sicheren Händen. Knechten hingegen wurde nicht selten vom Bauern nur ein Löffel zur Verfügung gestellt, den sie wieder abgeben mußten, wenn sie weiterzogen oder verstarben.
Den Marsch blasen...wir einem besonders trägen oder widerspenstigen Zeitgenossen, den wir scharf zurechtweisen, antreiben oder ermahnen, um ihn zu verjagen oder wenigstens verbal zur Raison zu bringen. Der Begriff bedeutete in der Soldatensprache des 19. Jahrhunderts ein Trompetensignal zum Sammeln vor dem Abmarsch der Truppe.
Den Molli machen...umgangssprachlich Zeitgenossen, die dazu neigen, sich in Gesellschaft mächtig aufzuspielen, unheimlich wichtig zu machen, schrecklich anzugeben. Der Ausdruck aus dem Rheinischen könnte die liebevolle Abkürzung für einen »molligen« Menschen sein, eine euphemistisch-charmante Umschreibung für »den Dicken machen«, sich »aufblasen«.
Den Mund wäßrig machen...Sachen, die uns Appetit auf etwas - nicht unbedingt nur Essen - machen, Interesse an etwas Unbekanntem wecken, das uns in Aussicht gestellt wird. Schon der deutsche Schriftsteller Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-76) sagt im »Simplicissimus« (II, 102) so ähnlich: »mir die Zähne wässerig zu machen«.
Den Nagel auf den Kopf treffenSchon Martin Luther (1483-1546) wußte: »Es ist Not, daß ein guter Schütz allwegen den Nagel treffe«. Der Ausspruch, der eine Situation oder ein Problem exakt beschreibt, stammt nicht, wie man meinen möchte, aus dem Handwerk, sondern aus der Schützensprache: Der »Nagel« ist - aus Zeiten, da man einfach noch hölzerne Zielscheiben an einen Baum nagelte - der Mittelpunkt jener Scheibe, ergo der Punkt, den der Schütze im Idealfall treffen kann.
Den Pegasus besteigenNach griechischer Mythologie ist Pegasus, Sohn des Meergottes Poseidon und der Gorgone Medusa ein dem Rumpf der von Perseus getöteten Medusa entsprungenes geflügeltes Pferd. Kurz nach seiner Geburt schuf das magische Roß durch einen Hufschlag die Quelle Hippokrene auf dem Berg Helikon, die später den Musen geweiht war. Wer das Wasser jener Quelle trank, wurde ein Dichter.
Den Pelion auf den Ossa türmenIn der Odyssee von Homer (11, 315) türmen zwei Riesen den Berg Ossa auf den Olymp und dann den Berg Pelion auf den Ossa, um den Himmel zu erstürmen. Das wurde zwar vereitelt, aber noch heute türmt man »den Pelion auf den Ossa«, wenn man etwas Großartiges noch überbieten will.
Den Pferdekopf raushängen...muß umgangssprachlich jemand, der insolvent, vollkommen pleite ist, seine Schulden nicht mehr bezahlen kann: Pferde galten im Volksglauben als kraftvolle Tiere der Götter und der Herrscher, Pferdeköpfe sollten Unheil abwenden und Segen über Haus und Hof verbreiten. In Norddeutschland soll es noch bis ins 16. Jahrhundert hinein Sitte gewesen sein, zur Gefahrenabwehr echte Pferdeköpfe auf Stangen neben einem Haus aufzustellen. Später wandelte sich dieser Brauch und man brachte gekreuzte Windbretter mit geneigten Pferdeköpfen an den Hausgiebeln an, die, einander zugewandt, das Glück hereinholen, Frieden und Harmonie symbolisieren - einander abgewandt Unfrieden, das Böse an sich abwehren sollten.
Den Rahm abschöpfen...bedeutet nach einer geläufigen Redewendung, für sich von allem nur das Beste in Anspruch nehmen oder sichern, sich selbst den größten Vorteil verschaffen, jemanden oder etwas zunutze machen, für eigene Zwecke ausnutzen: Der Rahm (vom mittelhochdeutschen »roum«), synonym auch Sahne oder Obers, ist in der Tat das Beste, was aus der Milch gewonnen werden kann. Der fettreichste Teil der Milch, der sich ähnlich den Fettaugen auf der Suppe an der Oberfläche absetzt, wird hauptsächlich zur Herstellung von Schlagsahne und Butter verwendet.
Den Rang ablaufen...kann man einem Rivalen, den jemand zu verdrängen, zu überbieten versucht, ihm seine Stellung streitig macht: Der »Rang« bezog sich ursprünglich auf die militärische Ordnung und geht auf das germanische »hringa« - einen kreisförmig angeordneten Heeresverband zurück. Andere meinen, der »Rang« käme vom älteren »Rank« - einer Wegkrümmung: Wer die Krümmung abschneidet, ist eher am Ziel, als der, der dem Verlauf des Weges folgt.
Den richtigen Riecher..haben wir umgangssprachlich, wenn wir für eine bestimmte Situation das richtige Gespür haben, deren Verlauf vorausahnen können, die passende Lösung für ein Problem finden. Das Bild stammt natürlich aus der Jägersprache: Wenn ein Jagdhund eine richtige Fährte aufnimmt und schnell die Beute aufstöbert, hat er den »richtigen Riecher«.
Den roten Hahn aufs Dach setzen...hieß einst, jemandem das Haus anzuzünden, einen Brand zu legen: Lodernde Flammen erinnern an den roten Kamm eines Hahns - auch mag der metallene Wetterhahn auf der Kirchturmspitze so manchen Blitz angezogen und rotglühend aufgeleuchtet haben. In der altnordischen Mythologie ist der rote Hahn ebenfalls Sinnbild für die züngelnde Flamme.
Im Refrain des Fahrtenliedes »Wir sind des Geyers schwarzer Haufen« heißt es: »Spieß voran, drauf und dran, setzt aufs Klosterdach den roten Hahn!« Die Redewendung ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt.
Den Rubikon überschrittenDer Rubikon ist ein kleiner Fluß in Italien, den Cæsar mit seinen Truppen überquerte, um nach Rom zu ziehen. Ein unumkehrbarer Schritt, denn damit begann der Bürgerkrieg. Cæsar soll bei dieser Gelegenheit angeblich die Redensart: »Alea iacta est!« - »Der Würfel ist gefallen!« geprägt haben. Der Satz geht tatsächlich aber auf den griechischen Dichter Menander (342-291 a.C.) zurück.
Den Rücken frei haben...bildlich Menschen, die ungehindert arbeiten können, nicht von anderen aufgehalten werden: In einem Fechtkampf versuchte man, den Gegner gegen die Wand oder in eine Ecke zu treiben, um ihm so die Bewegungsfreiheit und etwaige Fluchtmöglichkeiten zu nehmen. Wer das verhindern konnte, hatte »den Rücken frei«.
Den Schalk im Nacken...hat jemand, der immer zu Späßen aufgelegt ist, dem ständig irgendein Unfug einfällt, um die Menschen zum Lachen zu bringen. Das Wort geht zurück auf das althochdeutsche »scalk« - ursprünglich ein Unfreier oder Diener, dem von Martin Luther (1483-1546) eine knechtische und boshafte Gesinnung nachgesagt wird. Erst später wandelte sich der Begriff zur heutigen Bedeutung, ohne böse Absicht launige Scherze zu treiben. Der Volksglaube meinte, daß Schalk und Verschlagenheit gleichsam als kleine Dämonen hinten im Nacken oder hinter den Ohren säßen, sodaß der Genarrte sie nicht sehen könne.
Den Schuß nicht gehört haben...Leute, die eine Entwicklung nicht mitbekommen, etwas verpaßt oder verschlafen haben. Der Knall eines Schusses ist normalerweise so laut, daß ihn eigentlich jeder hören müßte - möglicherweise hat mal jemand auf einen Startschuß oder Warnschuß zu spät reagiert, vielleicht geht diese Wendung auch auf Soldaten zurück, die das Kriegsende verpaßt haben.
Den Schwanz einziehenDiese vom Tierreich inspirierte Redewendung vergleicht einen ängstlichen, feigen Zeitgenossen, der sich zurückzieht oder resigniert, mit einem unterwürfigen, geschlagenen Hündchen: Wenn ein Tier Angst hat, weil es den Angriff eines Gegners befürchtet, macht es sich möglichst klein, klemmt um ihm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten den Schwanz zwischen die Hinterläufe und duckt den Kopf. Diese Demutshaltung einem größeren, stärkeren Artgenossen gegenüber kennt natürlich auch der Mensch - auch wenn er sich mit Rücksicht auf seine etwas andere Physis weitestgehend auf das Einziehen des Kopfes beschränken muß.
Den schwarzen Peter zuschieben...heißt, jemand anderen für eigene Fehler verantwortlich machen, ihn etwas Unangenehmes tun oder die Verantwortung für etwas tragen lassen.
Eines der ersten Kartenspiele, die wir in unserer Kindheit gespielt haben, besteht hauptsächlich aus Karten, die jeweils paarweise abgelegt werden müssen. Nur der »Schwarze Peter« ist eine Einzelkarte, die man tunlichst versuchen sollte, wieder loszuwerden. Derjenige, bei dem sie am Ende übrigbleibt, hat das Spiel verloren.
Der Legende nach soll ein Kumpan des »Schinderhannes« Johannes Bückler (um 1779-1803), der Räuber Johann Peter Petri (um 1752-1812), genannt »Schwarzpeter« das Spiel erfunden haben. Doch schon beim altenglischen »Old Maid« und dem französischen »Vieux Garçon« mußte der Besitzer der übriggebliebenen Herzdame bzw. des Buben eine Runde ausgeben.
Den sechsten Sinn haben...manche Menschen in Situationen, in denen man einfach ein ungutes Gefühl hat, obwohl es eigentlich gar keinen äußeren Anlaß dazu gibt. Neben den klassischen »Fünf Sinnen« Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Tasten gab es im alten Volksglauben auch Menschen mit dem »Sechsten Sinn« oder dem »Zweiten Gesicht«, die angeblich Kontakt zur Welt der Verstorbenen und Geister hatten. Heute spricht man eher von »Intuition« (von lateinisch intueri - anschauen) oder »Bauchgefühl«.
Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf...sagen wir manchmal mit ironischem Unterton über jemanden, der immer mehr recht als schlecht durchs Leben stolpert, etwas erreicht, ohne sich dafür besonders anzustrengen oder ganz einfach nur unverschämtes Glück hatte. Im Alten Testament verdeutlicht Psalm 127.2 Gottes Fürsorge für die, die an ihn glauben: »Vanum est vobis ante lucem surgere et sero quiescere, qui manducatis panem laboris, quia dabit dilectis suis somnum«. - »Es ist vmb sonst, das jr früe auffstehet vnd hernach lang sitzet vnd esset ewer Brot mit sorgen. Denn seinen Freunden gibt ers schlaffend«.
Den Spieß umdrehenManche Menschen - nicht eben die anständigsten - neigen dazu, jede Situation zu ihren Gunsten zu wenden. Ursprünglich war diese Redewendung wohl wörtlich gemeint: Schon die Landsknechte im Mittelalter verstanden es, dem Gegner den Spieß zu entreißen und in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, um ihn seinerseits zu bedrohen - mithin eine bewährte Methode für einen Angegriffenen. Auf ähnliche Art und Weise wird eine verbale oder sonstige Attacke zurückgegeben.
Den Stab über jemanden brechenSagt man, wenn über jemanden ein (zu) hartes Urteil gefällt wird: Mittelalterliche Richter hatten zum Zeichen ihrer Position den Gerichtsstab. Mit ihm geboten sie Ruhe, die Versammlung wurde eröffnet, wenn sie ihn in die Hand nahmen und geschlossen, wenn sie ihn ablegten. Wurde ein zum Tode Verurteilter zum Henker geführt, zerbrach der Richter den Stab über dessen Haupt und sprach: »Nun helf Dir Gott, ich kann Dir ferner nicht mehr helfen«. Das irdische Urteil war damit unwiderruflich.
Den Stein ins Rollen bringenMit dieser Redewendung wird eine Sache angestoßen, eine Entwicklung inganggesetzt: Sinnbildlich geht sie auf einen ersten Stein zurück, der ins Rollen kommt und damit unweigerlich, Stein um Stein, eine Lawine entstehen läßt.
Den sticht der Hafer...behaupten wir gelegentlich von jemandem, der übermütig ist, in seinem Tatendrang »über die Stränge schlägt«. Die Wendung bezog sich ursprünglich auf Pferde, die unruhig werden, wenn sie zuviel Hafer fressen: Dieser enthält Avenin, ein dem Sexualhormon Testosteron ähnelndes Alkaloid, das durchblutungsfördernd und aufputschend wirken soll. Andere Deutungen dieses seit dem 16. Jahrhundert bekannten Sprichworts meinen, daß das Pferd, wenn es zuviel Hafer frißt, einen Teil davon unverdaut wieder ausscheidet und dabei am empfindlichen Darmausgang von den Spelzen gestochen wird. Wieder andere sehen den Ursprung in der Mythologie, wo der Hafer dem Dienstag, dem Tag des Kriegsgottes Mars (sive Thor) zugeordnet und mit allem Feurigen und Dynamischen in Verbindung gebracht wird.
Den Stier bei den Hörnern packen...Leute, die eine schwierige Aufgabe mutig und offensiv angehen, kräftig zupacken oder eine Auseinandersetzung nicht scheuen. In der griechischen Mythologie verwandelt sich der Göttervater Zeus in einen Stier, um so der Eifersucht seiner strengen Gattin Hera zu entgehen und sich der Königstochter Europa nähern zu können. Diese fürchtet sich nicht vor dem Tier, sie spielt mit ihm und packt ihn bei den Hörnern, worauf der Stier die ahnungslose Europa nach Kreta bringt, wo er seine Stiergestalt ablegt und sich ihr offenbart und drei Söhne zeugt.
Den Stuhl vor die Tür setzen...heißt, jemand wird aus dem Haus geworfen und verstoßen. Der Stuhl war im Mittelalter mehr als nur einfach eine Sitzgelegenheit, sondern vielmehr ein Thron, der die Vorrangstellung eines Herrschers, Richters oder Hausherrn bezeichnete, während die Untergebenen sich mit einfachen Bänken begnügen mußten. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert gab es den Brauch, bei einer Wiederverheiratung nach dem Tode des Gatten dessen Stuhl im wahrsten Sinne des Wortes vor die Haustür zu stellen - damit war rechtsverbindlich angezeigt, daß die Gütergemeinschaft mit den Kindern aus erster Ehe aufgehoben war.
Den Teufel im Leib...haben umgangssprachlich besonders unbeherrschte, temperamentvolle Zeitgenossen, die kaum zu bändigen sind. Nach mittelalterlicher Auffassung fährt der Teufel in den Körper des Menschen und ist dort Urheber jeglicher Krankheit und Absonderlichkeit.
Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben»Beelzebub« stammt aus dem Hebräischen (»Baal sïbub« - Herr der Fliegen) und ist ein Name des Herrschers der Dämonen. Das Sprichwort für »Schlimmes durch Schlimmeres bekämpfen« stammt aus dem Alten Testament, das berichtet, wie Christus einen Besessenen heilte, der blind und stumm war und lautet eigentlich: »Pharisæi autem audientes dixerunt hic non eicit dæmones nisi in Beelzebub principe dæmoniorum«. Martin Luther übersetzte anno 1546: »Aber die Phariseer, da sie es hoereten, sprachen sie, Er treibt die Teufel nicht anders aus, denn durch Beelzebub, der Teufel oebersten«. (Matthäus 12.24).
Den Teufel tun...werden wir, wenn wir etwas unter keinen Umständen machen, ganz sicher verweigern werden. Die besondere Betonung der Teufelsnennung hat dazu geführt, daß der Teufel auch in zahlreichen Negationen vorkommt.
Den toten Punkt überwinden...mußte wohl jeder von uns schon manchmal - nach einer längeren Pause oder einem reichlichen Mittagessen ist man oft müde und unkonzentriert. Dagegen hilft - wenn man kann - ein kleines Nickerchen, andere gehen lieber etwas an die frische Luft.
Der Ausdruck kommt ursprünglich aus der Mechanik und bezeichnet dort den Moment, wenn bei Hebelmechanismen die verbindenden Gelenke und die einwirkende Kraft auf einer Linie liegen, so zum Beispiel, wenn die Fahrradpedale genau ganz oben und ganz unten stehen. Wir müssen dann dem Pedal einen kleinen Schubs nach vorn geben und der »tote Punkt« ist überwunden.
Den Vogel abgeschossen...hat zum einen jemand, der für große Begeisterung sorgt, besonders erfolgreich ist, eine gute Leistung zeigt - aber auch ganz im Gegenteil, etwas fürchterlich Peinliches oder Unpassendes tut, völlig erfolglos ist, einen groben Fehler macht oder sonst irgendwie Anstoß erregt. Ursprünglich ging es bei dieser Wendung um Schützenfeste: Hier wird derjenige, der den »Vogel« - eine hölzerne Attrappe, die als Zielscheibe dient - abschießt, zum Schützenkönig gekrönt.
Den Vorhang zu und alle Fragen offenEigentlich heißt die Wendung: »Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen« und steht für eine Debatte ohne weiterführende Erkenntnisse, ein Ergebnis, das nicht zufriedenstellt. Nachzulesen ist sie in Bertold Brechts (1898-1956) Parabelstück »Der gute Mensch von Sezuan« (Uraufführung 1943). Die Protagonistin Shen Te schafft es nicht, gut zu sein und dennoch leben zu können, wie es die Götter von ihr fordern. Ihren Hilferuf ignorieren sie.
Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen...können wir, wenn wir etwas eigentlich Offensichtliches nicht bemerken, etwas Naheliegendes übersehen oder wegen allzu vieler Informationen nicht verstehen. Dieses Bild ist unter anderem durch Christoph Martin Wieland (1733-1813), einen Dichter des deutschen Rokoko 1768 im »Musarion« bezeugt: »Die Herren dieser Art blend't oft zu viel Licht, sie seh'n den Wald vor lauter Bäumen nicht«. In seinem Roman »Aristipp« heißt es: »Es ist als ob die närrischen Menschen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen könnten; sie suchen was ihnen vor der Nase liegt, und was sie bloß deswegen nicht finden, weil sie sich in einer Art von Schneckenlinie immer weiter davon entfernen«.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schreibt in seiner Farbenlehre: »Man sieht vor lauter Licht keinen Schatten, vor lauter Hellung keinen Körper, den Wald nicht vor Bäumen; die Menschheit nicht vor Menschen«.
Der grundlegende Gedanke stammt aber wohl schon von Publius Ovidius Naso (43 a.C.-17), in dessen Werk »Tristia« (traurige Dinge) wir lesen: »Weder die Blätter im Walde noch auf sonniger Wiese das zarte Gras noch im strömenden Fluß weiß er das Wasser zu sehen«.
Den Weg allen Fleisches/alles Irdischen gehen...wir alle irgendwann einmal. Das Synonym für's sterben oder für Gegenstände, die sich abnutzen, kaputtgehen, unbrauchbar werden, kommt aus der Bibel: »Cumque vidisset Deus terram esse corruptam omnis quippe caro corruperat viam suam super terram«. - »Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden«. (Genesis 6.12)
Den Weg ebnenDer Weg nach oben ist steinig und wer aus kleinen Verhältnissen kommt, hat es schwer, in die »High Society« aufzusteigen - es sei denn, »Vitamin B«, die Beziehungen und Kontakte helfen dabei, den Weg dorthin zu ebnen. Die Wendung findet sich zuerst bei Johannes dem Täufer, der die Ankunft des Messias ankündigt: »Parate viam Domini rectas facite semitas eius« - »Bereitet dem Herrn den weg, vnd machet richtig seine steige« (Matthäus 3.3). Johannes taufte zahlreiche Menschen und wusch sie in den Fluten des Jordan von ihren Sünden rein.
Den Wind aus den Segeln nehmen...wir jemandem, den wir hemmen oder lahmlegen, dessen Schwung und Freude an einer Sache wir ausbremsen, indem wir ihm formale Hürden auftürmen. Die Redensart geht auf ein Manöver beim Segeln zurück: Bekriegten sich zwei Schiffe, versuchte man, das eigene Boot zwischen Wind und Segel des anderen zu schieben, um ihm dadurch tatsächlich »den Wind aus den Segeln« und somit jeglichen Antrieb zu nehmen.
Denk' ich an Deutschland in der Nacht...dann bin ich um den Schlaf gebracht« zitieren wir skeptisch ein Geschehen, das in irgendeiner Form mit Deutschland oder den Deutschen in Zusammenhang steht. Dieser Vers stammt zwar von Heinrich Heine (1797-1856), als er nach Paris übersiedelte, weil in Deutschland seine Schriften seit 1835 verboten waren, aber nicht, wie oft kolportiert, aus »Deutschland - ein Wintermärchen« sondern aus seinem Gedicht »Nachtgedanken«:
»Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen.
Und meine heißen Tränen fließen...«
Denkzettel...nennen wir heute eine Strafe, die jemanden zum Nachdenken anregen soll, aber auch eine unangenehme Erfahrung, die uns als Lehre dient - oder wenigstens dienen sollte -, ein bestimmtes negatives Verhalten künftig zu unterlassen.
Ursprung dieses Begriffs ist ein Mißverständnis: »Ponite hæc verba mea in cordibus et in animis vestris et suspendite ea pro signo in manibus et inter vestros oculos conlocate« - »So fasset nu diese Wort zu hertzen vnd in ewre seele vnd bindet sie zum Zeichen auff ewre Hand das sie ein Denckmal fur ewren Augen seien« sagt Gott in Deuteronomium 11:18. Fromme Juden nehmen diese Aufforderung wörtlich: Sie wollen sich im Gebetsritual Gottes Gebote greifbar vor Augen halten und befestigen kleine, auf Zettel geschriebene Bibelsprüche auf Stirn und linkem Arm.
Martin Luther (1483-1546) gebrauchte das Wort in der Bibelübersetzung für den »phylaktérion«, den jüdischen Gebetsriemen mit eingeritzten Gesetzessprüchen. Der im Buch Maleachi (3:16) und im Matthäusevangelium (23:5) in der Lutherübersetzung vorkommende »Denkzettel« erklärt sich aus Numeri (15:38-40), wo der Herr befiehlt: »Loquere filiis Israhel et dices ad eos ut faciant sibi fimbrias per angulos palliorum ponentes in eis vittas hyacinthinas. Quas cum viderint recordentur omnium mandatorum Domini nec sequantur cogitationes suas et oculos per res varias fornicantes. Sed magis memores præceptorum Domini faciant ea sintque sancti Deo suo« - »Rede mit den kindern Jsrael vnd sprich zu jnen das sie jnen Lepplin machen an den fittigen jrer Kleider vnter alle ewren Nachkomen vnd gele Schnürlin auff die Lepplin an die fittig thun. Vnd sollen euch die Lepplin da zu dienen das jr sie ansehet vnd gedenckt aller Gebot des Herrn vnd thut sie das jr nicht ewrs hertzen duncken nachrichtet noch ewren augen nachhuret. Darumb solt jr gedencken vnd thun alle meine Gebot vnd heilig sein ewrem Gott«.
»Denkcëdel« hieß einst auch eine schriftliche Mitteilung des Gerichtes, vergleichbar der heutigen Vorladung oder der Klage selbst.
In Jesuitenschulen des 16. Jahrhunderts wurde Schülern, die schlechte Eigenschaften erkennen ließen, vom Lehrer ein »Denkzettel«, auf dem die Verfehlungen verzeichnet waren, an einer Schnur um den Hals gehängt, den er zum Gespött der Mitschüler ständig bei sich tragen mußte.
Dieser unangenehme Beiklang hat wohl enorm dazu beigetragen, daß aus einer eigentlich positiv verstandenen Erinnerungshilfe etwas so Negatives werden konnte.
Denn das ist sein LebenszweckVerfasser dieser Worte ist der große deutsche Schriftsteller, Zeichner und Maler Wilhelm Busch (1832-1908), der 1865 im dritten Streich seiner ersten und zugleich populärsten Lausbubenposse »Max und Moritz« so das engagierte Schaffen des Schneidermeisters Böck kommentiert;
Jedermann im Dorfe kannte
Einen, der sich Böck benannte.
Alltagsröcke, Sonntagsröcke,
Lange Hosen, spitze Fräcke,
Westen mit bequemen Taschen,
Warme Mäntel und Gamaschen
Alle diese Kleidungssachen
Wußte Schneider Böck zu machen.
Oder wäre was zu flicken,
Abzuschneiden, anzustücken,
Oder gar ein Knopf der Hose
Abgerissen oder lose
Wie und wo und was es sei,
Hinten, vorne, einerlei
Alles macht der Meister Böck,
Denn das ist sein Lebenszweck.
Drum so hat in der Gemeinde
Jedermann ihn gern zum Freunde.
Aber Max und Moritz dachten,
Wie sie ihn verdrießlich machten...
Denn sie wissen nicht, was sie tun...war nicht nur der deutsche Titel von »Rebel without a cause« (1955), des vorletzten Films mit James Dean (1931-55), sondern ist auch ein Stoßgebet, das wohl schon unzählige Lehrer und Eltern tausendfach gen Himmel geschickt haben. Die Redewendung bezieht sich ursprünglich auf eine Passage im Lukas-Evangelium des Neuen Testaments, wo Jesus mit zwei anderen Übeltätern auf der Schädelstätte ans Kreuz geschlagen werden soll. Jesus aber klagt niemanden an, sondern bittet für seine Peiniger: »Pater dimitte illis non enim sciunt quid faciunt« - »Vater vergib jnen, Denn sie wissen nicht was sie thun« (Lk 23:34)
Der Anfang vom Ende...ist der Beginn einer negativen Entwicklung, die unweigerlich zum Scheitern von etwas führen wird. Das Wort geht auf die zweideutige Übersetzung einer Textzeile aus William Shakespeares (1564-1616) »Ein Sommernachtstraum« zurück: Im letzten Aufzug will eine Handwerkertruppe vor Theseus, dem König von Athen, ein kleines Stück aufführen und hat sich einen ziemlich verworrenen und damit unfreiwillig komischen Prolog ausgedacht, der den Zuschauer auf das Stück und ihr eher mäßiges Spiel einstimmen soll. Im englischen Original heißt es: »To show our simple skill, that is the true beginning of our end« (Unsere einfachen Künste zu zeigen, das ist der wahre Zweck von unserem Ende). Diese Schlußzeilen verstanden nun viele in der wörtlichen deutschen Übersetzung als »Anfang vom Ende«, also als Einleitung des Untergangs.
Auch der französische Staatsmann Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838) soll vom »Anfang vom Ende« gesprochen haben, als 1812 in Paris die Nachricht vom Schicksal des unglücklichen Rußlandfeldzugs eintraf, woraufhin ab dem 19. Oktober Napoléon angesichts der katastrophalen Versorgungslage seiner Armee zum Rückzug Richtung Westen gezwungen war.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm...meint sprichwörtlich, daß Kinder sehr stark von ihrer Familie geprägt werden, Eigenschaften und Verhaltensweisen von den Eltern übernehmen - ähnlich, wie ein Apfel von dem Baum, an dem er gewachsen ist. Selbst heutzutage, da Millionen Kinder in Deutschland ihre Väter erst gar nicht mehr kennenlernen dürfen, ist es äußerst wahrscheinlich, daß sie dennoch sehr ähnliche Charakterzüge aufweisen und große Ähnlichkeit mit ihnen haben. Die Verballhornung: »Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd« muß sicherlich nicht näher erläutert werden...
Der Bart ist ab...rufen wir gelegentlich aus, wenn etwas endgültig zu Ende ist. Der Ursprung dieser Redewendung liegt möglicherweise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als in Deutschland auf die beiden vollbärtigen Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) und Friedrich III. (1831-88) der schnurrbärtige Wilhelm II. (1859-1941) folgte.
Der Bauer erkennt seine Schweine am Gang...behauptet bildlich eine alte Redewendung und tatsächlich können nicht nur gute Bauern ihre borstigen Schnitzellieferanten, sondern wir alle aufgrund jahrelanger Erfahrung jemanden an seinen charakteristischen Eigenschaften erkennen, typische Verhaltensweisen von Freunden oder guten Bekannten recht genau vorhersehen.
Der Berg kreißte und gebar ein MäuschenVorstellungen vom kreißenden Berg gehen wohl auf Mythen zurück, in denen der Berg Sitz der Götter war. Schon der legendäre griechische Fabeldichter Æsop (um 620-560 a.C.) parodierte die Berggeburt: »Mancher reißt den Mund gewaltig auf, doch seine Leistungen sind ganz unscheinbar. So gebiert der gewaltig stöhnende, kreißende Berg nur eine Maus«. Auch der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus (65-8 a.C.) griff die Redewendung auf und bezog sie in »Epistulæ 2.3« und in »De arte poetica 139« auf Dichter, die nur wenig von dem hielten, was sie versprachen: »Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus«. - »Die Berge geraten in Wehen, es wird eine lächerliche Maus geboren werden«.
Der blanke NeidIm Mittelalter stellten sich die Menschen vor, daß sich der Neid schämen müsse. Schaute er in den Spiegel, war er blaß (blank).
Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt...zitiert der höfliche Altruist, stets bereit, anderen den Vortritt zu lassen, den Dichter Friedrich von Schiller (1759-1805) aus seinem Drama »Wilhelm Tell«. Im 1. Aufzug, 1. Szene wird die Idylle jäh gestört durch die Flucht des Konrad Baumgarten aus Unterwalden, der den Burgvogt Wolfenschießen erschlug, weil jener seine Frau schänden wollte. Ein Föhnsturm peitscht den See auf, der Fährmann weigert sich, Baumgarten überzusetzen - da nimmt der Protagonist die Sache kurzentschlossen in die Hand, getreu seinem Motto:
»Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt,
Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten«.
Aber Vorsicht bei der Intonation! Läßt man an der »richtigen« Stelle eine Pause, verwandelt sich der Passus »selbst zuletzt« schnell ins Gegenteil und der einst so brave Mann denkt statt des altruistischen »erst letzter Stelle, nach allen anderen« nur noch recht egoistisch »bis zum letzten Moment«!
Der Dichter steht auf einer höhern WarteDer Lyriker Ferdinand Freiligrath (1810-76) formulierte in seinem Gedicht »Aus Spanien« im Jahre 1841: »Der Dichter steht auf einer höhern Warte, als auf den Zinnen der Partei«. Der Gedanke findet sich jedoch bereits 1819 in den »Noten zum westöstlichen Diwan« von Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): »Der Dichter steht viel zu hoch, als daß er Partei machen sollte«. Das Wort ist gebräuchlich, wenn jemandem attestiert werden soll, über den Dingen zu stehen und so einen ausgewogenen Standpunkt vertreten zu können.
Der Dinge harren...die da kommen sollen: Wir warten erstmal ab, wie sich eine Sache entwickelt. In Martin Luthers Bibelübersetzung, Lukas 21.26 spricht Jesus zu seinen Jüngern über die Endzeit: »...arescentibus hominibus præ timore et expectatione quæ supervenient universo orbi nam virtutes cælorum movebuntur...« - »...vnd die Menschen werden verschmachten, fur furchte vnd fur haren der dinger, die komen sollen auff erden...«
Der Dritte im Bunde...entstammt - wie jeder literarisch vorgebildete Skatspieler natürlich weiß - einem Zitat Johann Christoph Friedrich von Schillers (1759-1805) aus dessen Ballade »Die Bürgschaft« (1798):
In der antiken griechischen Polis Syrakus auf Sizilien wird nach einem fehlgeschlagenen Attentat der Held Damon durch Dionysios zum Tode verurteilt, ihm jedoch eine Frist zur Verheiratung seiner Schwester gewährt. Für seine pünktliche Rückkehr stellt er einen Freund zum Bürgen. Zur großen Überraschung des Tyrannen kehrt Damon tatsächlich in letzter Sekunde zurück, seinen Freund zu retten. Beschämt erkennt der König den Wert der Treue und will Teil dieser Freundschaft werden:
»Und blicket sie lange verwundert an.
Drauf spricht er: Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!«
Der Duft der großen weiten Welt...weht dem Kosmopoliten in uns bereits seit den späten 50er Jahren um die Nase, als der Basler Werbegrafiker Fritz Bühler (1909-63) diesen Slogan für die damals neue Zigarettenmarke »Peter Stuyvesant« kreierte. Ursprünglich einst Weltoffenheit, Internationalität und Erfolg, das exotische Flair fremder Kontinente und Länder suggerierend, wird der Spruch oft und gern persifliert und steht heute oft auch ironisch für die eher unangenehmen Gerüche, die uns zuweilen umgeben.
Der Erfolg hat viele Väter...schrieb der britische Unternehmer Richard Cobden (1804-65), »der Mißerfolg ist ein Waisenkind«. Cobden, Inhaber einer Baumwollfabrik und glühender Verfechter einer Freihandelszone mit Frankreich, verschuldete sich dafür haushoch - mit Erfolg: Mit dem »Cobden-Vertrag« von 1860 fielen die Zollschranken zwischen den beiden Staaten. Gelingt ein Plan, gibt es viele, die sich den Erfolg zu eigen machen wollen - geht es jedoch schief, will es keiner gewesen sein...
Der Fisch stinkt vom Kopf zuerstJeder kennt das: Die Mitarbeiter arbeiten fleißig und kompetent - dennoch geht die Firma pleite, weil die Führungsetage nichts taugt. In der Politik haben wir uns an ähnliches (leider) längst gewöhnt. Die Redensart geht auf eine Untersuchungsart zurück, mit der man die Frische von Fischen feststellt: Klappt man die Kiemen zurück und riecht daran, sollte es möglichst gar nicht, tunlichst aber nicht faulig, nach Fisch oder Kohl stinken. In diesem Fall wäre höchste Vorsicht geboten.
Der Fluch der bösen TatWenn jemand etwas Böses tut, zieht dies weitere Untaten nach sich. Der deutsche Dichter Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) zeichnet verantwortlich für diese Redensart. In seiner Trilogie »Wallenstein« läßt er darüber, daß Fürst Wallenstein Kaiser Ferdinand II. hintergehen und sich heimlich mit den Schweden verbünden will, Octavio Piccolomini, Wallensteins Vertrauten, zu seinem Sohn Max sagen: »Das eben ist der Fluch der bösen Tat, das sie fortzeugend Böses muß gebären«.
Der frißt wie eine siebenköpfige Raupe...sagen wir sehr deutlich über einen gesegneten Appetit. Was Raupen im Gemüsegarten anrichten können, ist hinlänglich bekannt - erst recht eine mit 7 Köpfen.
Der geht ran wie Blücher...sagen wir über jemanden, dessen Eifer und Einsatzwille weit über das übliche Maß hinausgeht. Die Redewendung - bisweilen auch vollständig »der geht ran wie Blücher an der Katzbach« - bezieht sich auf den Sieg Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blüchers (1742-1819) über die Franzosen an der Katzbach (Niederschlesien) am 26. August 1813. In der Schlacht bei Waterloo vom 18. Juni 1815 besiegte er dann mit seinen preußischen Truppen das französische Heer unter Napoléon endgültig. Blücher war aufgrund seiner offensiven Kriegsführung einer der beliebtesten Militärs, im Volk war er als »Marschall Vorwärts« bekannt.
Der Geist der stets verneint...kennzeichnet oft Menschen, die zu allem eine negative Einstellung, immer Einwände haben. Egal, was passiert - man kann es ihnen einfach nicht recht machen. Der Spruch ist ein Zitat aus dem Drama »Faust I.« von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), wo sich Mephisto Faust mit den Worten vorstellt:
»Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht«.
Der Geist ist willigJeder hatte irgendwann schonmal gute Vorsätze, doch, was im Geiste beschlossene Sache war, will der Körper noch längst nicht mitmachen. Das Wort geht auf die Leidensgeschichte Jesu zurück: Jesus ist mit seinen Jüngern im Garten Gethsemane. Er möchte allein beten, bittet die Jünger aber, wachzubleiben: »Et venit ad discipulos et invenit eos dormientes et dicit Petro sic non potuistis una hora vigilare mecum. Vigilate et orate ut non intretis in temptationem spiritus quidem promptus est caro autem infirma«. - »Vnd er kam zu seinen Juengern, vnd fand sie schlafend, vnd sprach zu Petro. Koennet jr denn nicht eine stunde mit mir wachen? Wachet vnd betet, Das jr nicht in anfechtung fallet. Der Geist ist willig, Aber das Fleisch ist schwach«. (Matthäus 26.40f)
Der Gerechte muß viel leiden...kommt aus der Bibel: »Multæ tribulationes iustorum,et de omnibus his liberabit eos Dominus« -»Der Gerecht mus viel leiden, Aber der Herr hilfft jm aus dem allen«. (Psalm 34.20)
Der Glaube kann Berge versetzenDiese Wendung kommt an vielen Bibelstellen vor und bezieht sich stets darauf, daß man mit dem Glauben alles erreichen kann. Beispielsweise versuchten die Jünger Jesu vergeblich, einen Kranken zu heilen, aber erst Jesus selbst gelang es schließlich. Den Jüngern riet er: »Ille autem dicit illis: Propter modicam fidem vestram. Amen quippe dico vobis: Si habueritis fidem sicutgranum sinapis, dicetis monti huic: »Transi hinc illuc«., et transibit, et nihil impossibile erit vobis«. - »Jhesus aber antwortet, vnd sprach zu jnen, Vmb ewers vnglaubens willen. Denn ich sage euch warlich, So jr glauben habt, als ein Senffkorn, so mueget jr sagen zu diesem Berge, Heb dich von hinnen dort hin, so wird er sich heben, vnd euch wird nichts vmmueglich sein« (Matthäus 17.20) oder: »Amen dico vobis quicumque dixerit huic monti tollere et mittere in mare et non hæsitaverit in corde suo sed crediderit quia quodcumque dixerit fiat fiet ei«. - »Warlich, Jch sage euch: Wer zu diesem Berge spreche: Heb dich vnd wirff dich ins Meer vnd zweiuelte nicht in seinem hertzen; Sondern gleubte, das es geschehen würde, was er saget. So wirds jm geschehen, was er saget«. (Markus 11.23). Im Deutschen wurde die Wendung erst durch Martin Luthers (1483-1546) Bibelübersetzung bekannt. Heute könnte man auch anders übersetzen: »Mentale Imagination besitzt die Agilität, durch Kontinentaldrift kausierte Gesteinsformationen in ihrer lokalen Position zu transferieren«.
Der goldene Mittelweg...hält uns immer in der Waage zwischen zwei Extremen, ohne Risiken eingehen zu müssen. Ursprünglich hieß es bei Publius Ovidius Naso (43 a.C.-17) in seinen »Metamorphoseon libri« (Bücher der Verwandlungen): »Auf dem Mittelweg gehst du am sichersten«; die Variation vom »goldenen« Mittelweg kommt wohl aus dem »Lied vom gehorsamen Mädchen« von Frank Wedekind (1864-1918):
»Verlier dich von dem Lebenspfad
Nie seitwärts ins Geheg.
Geh immer artig kerzengrad'
Den goldenen Mittelweg«.
Der Groschen ist gefallen...sagt jemand und meint eigentlich: »Endlich hast Du es kapiert«. Die noch junge Redensart aus den 60ern kommt von der Verwendung des »Groschens« (Zehnpfennigstück) zur Ingangsetzung eines Verkaufsautomaten: Der Groschen mußte erst hörbar fallen, ehe der Mechanismus ausgelöst wurde - was dann dem Denkmechanismus gleichgesetzt wird. An den heutigen Nachfolgern dieser Technik ist für einen »Groschen« allerdings nichts mehr zu holen...
Der große Wurf...ist ein Glücksfall, den wir wohl nur selten erleben dürfen. Mit einem geringen Einsatz erzielen wir einen riesigen Gewinn - der berühmte »Sechser im Lotto« wäre so ein Beispiel.
Die Redewendung geht auf das Würfeln, eines der ältesten Spiele der Menschheit zurück: Glaubt man dem römischen Historiker und Senator Publius Cornelius Tacitus (um 58-116), war schon die Würfelleidenschaft der alten Germanen legendär - sie spielten einfach um alles, bis hin zu ihrer eigenen Freiheit.
Im Mittelalter würfelte dann fast jeder, später wurde es ein Spiel für eher einfache Leute.
Ein ganz großer Wurf gelang auch dem deutschen Dichter und Philosophen Friedrich von Schiller (1759-1805) mit seiner »Ode an die Freude«, in der er den Chor singen läßt:
»Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein!«
Der hat ein Rad ab...lästern wir gelegentlich über jemanden, der offenbar nicht recht bei Verstand ist, weil er etwas verrücktes, uns unverständliches tut. Die Metapher spielt auf ein beschädigtes Fahrzeug an: So wie dieses manchmal »ein Rad ab«, eine Panne hat, projizieren wir umgangssprachlich irgendeinen Fehler auf den Menschen, der dann ebensowenig zu »gebrauchen« ist.
Der Haussegen hängt schief...wenn es in Ehe und Familie Mißstimmungen oder Streitereien gibt. Die vor dem 19. Jahrhundert weitverbreiteten Segenssprüche, die in die Türbalken der Fachwerkhäuser geschnitzt oder später als Schilder daran angebracht wurden, stellten den Besitz und die Bewohner unter den Schutz einer höheren Instanz und sollten zur Gottesfurcht ermahnen. Verschob sich im Laufe vieler Jahre das tragende Gebälk, verschob sich auch der Haussegen und das Haus - respektive die Ehe - war vom Einsturz bedroht.
Der Hehler ist schlimmer als der Stehler...weil er nicht wie der Dieb »nur« den Bestohlenen schädigt, sondern darüber hinaus aus den widerrechtlich erlangten Dingen noch ein Geschäft macht. Ein »Hehl« ist ein »Geheimnis« und geht auf das indogermanische »kel« zurück, was in etwa »verhüllen, verbergen« bedeutete.
Wer mit gestohlenen Waren handelt, verschleiert, daß die angebotene Ware ihm nicht gehört, wird gem. §259 StGB mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
Der Hunger treibt's rein...der Ekel runter und der Geiz behält's drin, erklären wir jovial, wenn wir Hunger haben und etwas essen, obwohl es uns eigentlich nicht schmeckt. Viele Völker haben damit ja kein Problem damit, Sachen zu essen, die wir oft nichtmal mit der Zange anfassen wollten - was sicher auch umgekehrt der Fall sein dürfte. Aber wir wissen auch, daß der Teufel in der Not sogar Fliegen frißt und Hunger immernoch der beste Koch ist. Wer also wirklich »Kohldampf« hat, dem schmeckt jedes Essen.
Der Käse ist gegessen...sagt der Volksmund, wenn eine Sache ein- für allemal erledigt, abgeschlossen, kein Thema mehr ist, jegliche weitere Diskussionen darüber überflüssig sind: Ganz am Ende einer Mahlzeit wurde früher oft ein Stückchen Käse gereicht, der - wie angeblich schon der römische Schriftsteller Plinius (um 23-79) wußte - »den Magen schließen«, überschüssige Magensäure abpuffern und verhindern sollte, daß sie zurück in die Speiseröhre fließt und dort Sodbrennen verursacht. Überdies stellt sich durch den Käse ein Sättigungsgefühl ein, weil das darin enthaltene Fett die Verdauung verzögert.
Der Katze die Schelle umhängen...heißt, als einziger eine gefährliche Aufgabe übernehmen, für die sich niemand sonst bereit findet: Ursprung dieser Redensart ist eine uralte Fabel, nach der die Mäuse auf den guten Rat einer Ratte hin beschlossen, der Katze eine Schelle umzuhängen, damit sie rechtzeitig vor ihr gewarnt würden. Unnötig zu erwähnen, daß sich keine einzige Maus für diese gefährliche Aufgabe fand...
Der Kelch soll an mir vorübergehenDer Kelch kann eine lästige Arbeit sein oder die Begegnung mit einem unangenehmen Menschen. In der Bibel ist die Situation, in der Jesus diesen Satz sagt, äußerst dramatisch: »Et progressus pusillum procidit in faciem suam orans et dicens mi Pater si possibile est transeat a me calix iste verumtamen non sicut ego volo sed sicut tu«. - »Vnd gieng hin ein wenig, fiel nider auff sein Angesichte, vnd betet, vnd sprach, Mein Vater, Jsts mueglich, so gehe dieser Kelch von mir, Doch nicht wie ich wil, sondern wie Du wilt!«, sagt er nach Martin Luther angsterfüllt am Vorabend seiner Kreuzigung im Garten Gethsemane (Matthäus 26.39). In der jüdischen Kultur wurde bei Dankfeiern oder Trauerzeremonien der Becher herumgereicht. Oft füllte der Hausvater den Becher für die anderen. Im gemeinsamen Austrinken nahm man Anteil am Schicksal der anderen. Im Alten Testament wird der Kelch auch als Symbol göttlicher Strafe gesehen, etwa bei Jesaja 51.17: »Elevare! Elevare! Consurge Hierusalem quæ bibisti de manu Domini calicem iræ eius usque ad fundum calicis soporis bibisti et epotasti usque ad feces«. - »Wache auff, wache auff! Stehe auff Jerusalem, die Du von der Hand des Herrn den Kelch seines grimmes getruncken hast; die hefen des Daumelkelchs hastu ausgetruncken vnd die tropffen geleckt«. Die Verbindung zum Abendmahl ist klar: Der Kelch, den Jesus den Jüngern reicht, ist Sinnbild für die Anteilnahme an seinem Leiden, das in christlicher Deutung die Menschen erlöst.
Der kleine Mann von der Straße...ist sprichwörtlich eine ganz durchschnittliche, einfache - aber nicht minder populäre Person ohne großen Einfluß oder gar Reichtum, für den es noch nichtmal einen Plural gibt. Wir wissen nicht, wo genau er wohnt; auch wie er aussieht, bleibt ein Mysterium, weil ihm keiner je persönlich begegnet ist. Der »kleine Mann von der Straße«, der Normalsterbliche, Gewöhnliche, oder wie das Volk auch immer bezeichnet wird, existiert vornehmlich nur bei Politikern und ähnlichen selbsternannten Intellektuellen, die immer wieder gern hervorheben, wie intensiv sie das Gespräch mit ihm suchen würden, weil sie glauben, etwas »Besseres« zu sein. In diesen Kreisen steht der »kleine Mann« oft in dem zweifelhaften Ruf, nicht besonders intelligent zu sein - weswegen letztlich auch immer »der kleine Mann der Dumme« ist.
Der Klügere gibt nach...weiß der Volksmund, und die österreichische Schriftstellerin Marie Freiin von Ebner-Eschenbach (1830-1916) ergänzte einst treffend: »Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit«. Klugheit ist eine Voraussetzung auf dem Weg zur Erkenntnis, daß es manchmal keine Schande ist nachzugeben, sondern ganz im Gegenteil eine äußerst intelligente Verhaltensweise, um Eskalation zu vermeiden. Der »Dümmere« dagegen ist nicht klug genug, dies zu erkennen und macht sich so zum willfährigen Opfer. Ein Verhalten, das von Machthabern aller Couleur äußerst gern gesehen ist. Der Politiker Georg Leber (1920-2012) wußte: »Es ist immer der Schwächere, der sich nach dem Nachgeben als der Klügere ausgibt«. Oder wie es Karl Kraus (1874-1936) formulierte: »Der Klügere gibt immer nach, aber erst, wenn er durch Schaden kluggeworden ist«. Daneben gibt es zahllose Abwandlungen wie: »Der Klügere gibt vor, nachzugeben«, »Der Klügere zählt nach« oder »Der Klügere kippt nach«...
Der kluge Mann baut vor...sagen wir heute, um auszudrücken, daß wir uns gegen alle möglichen Risiken abgesichert haben. Ursprünglich sagt diese Worte die Landfrau Gertrud Stauffacher in Friedrich Schillers (1759-1805) »Wilhelm Tell« (I,2) zu ihrem Mann Werner, der sich dem Druck des Reichsvogts Hermann Geßler nicht beugen will und nach Verbündeten Ausschau hält. Er weiß, daß mit ihm nicht zu spaßen ist und hält es daher für besser, gegen dessen Willkür und Repressalien Vorsorge zu treffen:
»Er ist Dir neidisch, weil Du glücklich wohnst,
Ein freier Mann auf Deinem eignen Erb -
Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich
Trägst Du dies Haus zu Lehn, Du darfst es zeigen,
So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,
Denn über Dir erkennst Du keinen Herrn
Als nur den Höchsten in der Christenheit -
Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,
Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,
Drum sieht er jedes Biedermannes Glück
Mit scheelen Augen gift'ger Mißgunst an,
Dir hat er längst den Untergang geschworen -
Noch stehst Du unversehrt - Willst Du erwarten,
Bis er die böse Lust an die gebüßt?
Der kluge Mann baut vor«.
Der König ist tot, es lebe der KönigHeute, um spöttisch zum Ausdruck zu bringen, wenn nach einem Ereignis alles beim Alten bleibt. Mit dem Ausruf »le Roi est mort, vive le Roi« wurde in Frankreich der Tod des Königs verkündet. Es war der traditionelle Ruf des Herolds vom Schloß herab beim Tod des alten und der Thronbesteigung eines neuen Königs. Der Schriftsteller und Politiker François-René Vicomte de Chateaubriand (1768-1848) gab einem Flugblatt nach dem Tod des französischen Königs Ludwig XVIII. am 17. 09. 1824 diesen Titel.
Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht...war - wörtlich: »Ein krug gehet so lang ghen wasser biss er zuletzt zerbricht« - der Titel eines 1802 in Regensburg erschienen Lustspiels von Johann Friedrich Jünger (1759-97). Schon viel früher hieß es bei Meistersinger Hans Sachs (1494-1576): »Wist jr, wie das alt Sprichwort redt: Der Krug so lang zum Brunnen geht, bis er endlich geht zu Drümmern«. Daß jedes Unrecht einst bestraft wird, etwas nicht auf Dauer gut- und alles einmal zuendegeht, scheint also schon länger bekannt zu sein.
Der Kunde ist König...hieß es einst in grauer Vorzeit: Er sollte neben höchster Qualität und umfassendem Service alle nur denkbaren Annehmlichkeiten haben, besonders zuvorkommend behandelt werden, alle seine Wünsche waren zu erfüllen - schließlich hing von »König Kunde« und seinem Geld das Geschäft ab. Heutige Unternehmensphilosophien hingegen versuchen viel lieber, die Erwartungen des Kunden zu »lenken«, ihm qua massenhafter penetranter Reklame weiszumachen, daß er eigentlich ganz andere »Wünsche« habe, die möglichst genau zur Wirtschaftlichkeit des Anbieters passen sollen. Statt Händlern haben wir nur noch Kassiererinen. Könige gibt's in unserem Land halt nicht mehr...
Der Lack ist ab...stellen wir fest, wenn etwas nicht mehr ganz neu, jemand nicht mehr ganz jung, äußerliche Schönheit vergangen ist: Der Lack als abschließender Anstrich steht sinnbildlich für die äußere Erscheinung. Wer allzuviel Wert auf Äußerlichkeiten legt, könnte enttäuscht sein, wenn sich die erste Patina breitmacht - der Kenner hingegen weiß es zu schätzen.
Die dekorative Schutzschicht gewannen schon die alten Inder aus den harzigen Ausscheidungen der Schildlaus, die schiere Unmenge der benötigten Läuse führte zum Namen »Laksha«, was im Sanskrit »Hunderttausend« bedeutet. Dieser wunderschöne biologisch unbedenkliche Schellack wird besonders für die Restauration antiker Möbel oder Musikinstrumente bis heute verwendet.
Der lange LabanHeute ein großgewachsener und schlanker Mensch. Da in der Bibel an keiner Stelle erwähnt wird, daß der Onkel Jakobs solch eine Gestalt hatte, liegt es nahe, daß Laban den Jakob sehr lange für sich arbeiten ließ (immerhin 14 Jahre).
Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand'...weiß der Volksmund: Egal, ob wir unfreiwillig und zufällig Zeuge eines Gesprächs werden, oder die Pullacher Schlapphüte uns professionell bespitzeln - wer heimlich lauscht, muß bisweilen mit anhören, wie schlecht über ihn geredet wird. Macht man ja auch nicht...
Der letzte Mohikaner...ist jemand, der von ursprünglich vielen als Einziger übriggeblieben ist. Die Wendung ging aus dem zweiten Band der Lederstrumpf-Romane des amerikanischen Schriftstellers James Fenimore Cooper (1789-1851) hervor. »The Last of the Mohicains« (1826) berichtet über den Niedergang der Mohikaner um deren Häuptling Uncas infolge der Kämpfe zwischen Engländern und Franzosen zur Zeit des 7-jährigen Krieges (1756-63). Chingachgook, der Freund des Helden Lederstrumpf (Natty Bumppo), ist nach dem Tod seines einzigen Sohnes Uncas der Letzte dieses Delawarenstammes.
Der letzte Rest vom Schützenfest...ist sprichwörtlich das, was übriggeblieben ist, die Reste des Ganzen: Bei Schützenfesten wird zu Ehren des Schützenkönigs traditionell reichlich Speis und Trank aufgetafelt. Dennoch sind auch Schützenbrüder nur Menschen, die irgendwann satt und besoffen sind und nicht alles verwerten können. Die Wendung ist seit dem 19. Jahrhundert belegt.
Der letzte SchreiBezieht sich meist auf Moden: Die kamen oft aus Frankreich und so kommt auch dieses Wort vom französischen »Le dernier cri«. Dabei handelt es sich vermutlich eine sprachliche Abschleifung von »Le dernier creation«, der letzten Modeschöpfung.
Der Mensch denkt, Gott lenktMenschliches Planen kann letztlich nie vollkommen sein - positive oder negative Ereignisse können das Leben blitzartig in ganz andere Bahnen lenken. Diese Erkenntnis findet sich bereits in den Sprüchen Salomo 16.9 im Alten Testament: »Cor hominis disponet viam suam sed Domini est dirigere gressus eius«. - »Des Menschen hertz schlehet seinen weg an. Aber der Herr allein gibt, das er fort gehe«. In Homers »Ilias« findet sich ein ähnlicher Gedanke, dort steht geschrieben: »Aber der Mensch entwirft und Zeus vollendet es anders«. Auch in der Andachtsschrift »Die Nachfolge Christi« von Thomas von Kempen (1380-1471) heißt es über die Gerechten: »Gott allein ist es auch, auf den sie stets vertrauen. Denn der Mensch denkt, aber Gott lenkt«.
Der Mensch ist, was er ißtDie Lebensumstände eines Menschen und seine Ernährung stehen in direktem Zusammenhang, war es doch nicht zuletzt der »Speiseplan«, der die Evolution und zivilisatorische Entwicklung der Menschheit entscheidend beeinflußte. Den wohl meistzitierten gastrosophischen Satz verdanken wir dem Philosophen und Religionskritiker Ludwig Feuerbach (1804-72) und seinen »Blättern für literarische Unterhaltung«.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein...es muß noch was dazwischen sein. Und nach einer Weile braucht er auch noch einen Drink. So veralbern wir manchmal das Bibelwort, wenn wir ein ganz besonderes Mahl aufgetischt bekommen. Aber der berühmte Ausspruch Jesu geht eigentlich anders weiter - das Matthäusevangelium erzählt in den Versen 4.1ff: »Tunc Iesus ductus est in desertum ab Spiritu ut temptaretur a diabolo et cum ieiunasset quadraginta diebus et quadraginta noctibus postea esuriit et accedens temptator dixit ei si Filius Dei es dic ut lapides isti panes fiant qui respondens dixit scriptum est non in pane solo vivet homo sed in omni verbo quod procedit de ore Dei«. - »Da ward Jhesus vom Geist in die Wuesten gefuert, Auff das er von dem Teuffel versucht wuerde. Vnd da er vierzig tag vnd vierzig nacht gefastet hatte, hungert jn. Vnd der Versucher trat zu jm, vnd sprach, Bistu Gottes son, so sprich, das diese stein brot werden. Vnd er antwortet, vnd sprach, Es stehet geschrieben, Der Mensch lebet nicht vom Brot alleine, Sondern von einem jglichen wort, das durch den mund Gottes gehet«. Es gibt also noch andere Dinge im Leben, die ebenso wichtig sind, wie ein voller Bauch.
Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben...motivieren wir uns gern in der Angst, an neuen Anforderungen, einer neuen Aufgabe zu scheitern - und in den meisten Fällen geht dann alles gut. Diese Weisheit geht wohl auf den Prolog zu »Wallensteins Lager« von Friedrich von Schiller (1759-1805) zurück, der hier von den Umwälzungen durch die Französische Revolution spricht. Eine solche Kulturrevolution forderte nun auch vom Dichter die Veränderung zum Großen hin, denn: »Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken«.
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan...der Mohr kann gehen. Der Dramatiker Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) legte den Satz in den Mund von Muley Hassan, den »Mohren von Tunis« aus seinem Drama »Die Verschwörung des Fiesco zu Genua« (III, 4), der enttäuscht mit diesen Worten abtritt. Das Stück lehnt sich an die historische Verschwörung des Giovanni Luigi de Fieschi (1525-47) gegen den Dogen Andrea Doria (1466-1560) anno 1547 an.
Der nächste Winter kommt bestimmt...erklären wir scherzhaft jemandem, um ihn zur frühzeitigen Vorbereitung - nicht nur auf die kalte Jahreszeit - anzuhalten. Diese wahrhaft bahnbrechende Erkenntnis geht auf einen Werbeslogan der »Rheinischen Braunkohlenbrikett-Verkauf GmbH« zurück:
Mit Beginn des sogenannten »Wirtschaftswunders« kamen verstärkt Öl-Zentralheizungen in Mode und die Produktion der rheinischen Brikettindustrie ging speziell im Sommer stetig zurück. Um zu erreichen, daß sich ihre Kunden rechtzeitig mit Heizmaterial für den Winter versorgten, entstand im November 1959 dieser großartige Slogan, der - obwohl gesetzlich geschützt - bis heute von diversen Firmen genutzt wird und so zum geflügelten Wort wurde.
Der Not gehorchend...arrangieren wir uns oft unfreiwillig, notgedrungen, wohl oder übel mit Personen oder Situationen, um ein bestimmtes Resultat noch erzielen zu können. Mit diesen Worten beginnt Friedrich Schillers (1759-1805) Schauspiel »Die Braut von Messina«: Donna Isabella in tiefer Trauer, die Ältesten von Messina stehen um sie her, sagt hier:
»Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb,
Tret' ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,
Heraus zu euch aus den verschwiegenen
Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz
Vor euren Männerblicken zu entschleiern.
Denn es geziemt der Wittwe, die den Gatten
Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,
Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug
Der Welt in stillen Mauern zu verbergen;
Doch unerbittlich allgewaltig treibt
Des Augenblicks Gebieterstimme mich
An das entwohnte Licht der Welt hervor«... (I.1).
»Der Not gehorchend, laß ich ab vom eitlen Kampf« sagt auch schon Kreon, König von Theben in »Antigone«, einer im Jahre 442 a.C. uraufgeführten Tragödie des antiken griechischen Dichters Sophokles (496-406 a.C.).
Der Osterhase hat gelegt...sagt man zu Kindern am Ostersonntag, dem Tag vor der Frühlings-Tagundnachtgleiche, wenn man (Schokoladen-)Eier für sie versteckt hat, die sie nun suchen sollen. Daß der Osterhase die Eier legt, ist erstmals im Saarland und im Neckargebiet im 17. Jahrhundert bezeugt. Da der Genuß von Eiern in der Fastenzeit verboten war, hat die Kirche im 12. Jahrhundert die geweihten Eier eingeführt und ihren Verzehr auf den Tag der Auferstehung Jesu festgelegt. Das Ei gilt seither als Symbol der Auferstehung.
Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande...sagt der Volksmund über große Denker, die in der Fremde geschätzt und daheim von Kleingeistern und Neidern abgelehnt werden. Oft nimmt man lieber einen Rat von Fremden an als von guten Bekannten, traut Leuten, die man eigentlich gar nicht kennt zu, beispielsweise als »Unternehmensberater« die marode Firma zu retten. Schon Jesus machte diese Erfahrung, als er in seinen Heimatort Nazareth zu rückkehrte - die Menschen waren verwundert, daß aus dem einfachen Zimermann nun ein Prophet geworden war: »Et scandalizabantur in eo Iesus autem dixit eis non est propheta sine honore nisi in patria sua et in domo sua« - »Vnd ergerten sich an jm. Jhesus aber sprach zu jnen: Ein Prophet gilt nirgend weniger, denn in seinem Vaterland vnd in seinem Hause« (Mt 13:57, ähnlich auch Mk 6:4 und Lk 4:24).
Der Reiter über den BodenseeEin Synonym für einen, der sich erst nachträglich einer Gefahr bewußt wird - mit verheerenden Folgen: Ein Mann reitet über den zugefrorenen und verschneiten See, wundert sich über die weite Ebene und begreift erst am anderen Ufer, wo er eigentlich geritten ist - woraufhin ihn sofort der Schlag trifft. Der Dichter Gustav Benjamin Schwab (1792-1850) hat diese schwäbische Sage mit historischem Hintergrund in einer Überlinger Chronik gefunden, in der berichtet wird, daß der elsässische Postvogt Andreas Egglisperger aus Ensisheim bei der Seegfrörne am 5. Januar 1573 tatsächlich über den Bodensee geritten sei:
»Der Reiter und der Bodensee«
Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar,
dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.
Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund,
sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.
Im Ohr ihm donnerts wie krachend Eis,
wie die Well umrieselt ihn kalter Schweiß.
Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,
da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.
Der Rest ist für die GottlosenOft bleibt beim Einschenken von Getränken oder beim Auftafeln von Essen ein gewisser »Anstandsrest« übrig, der nicht mehr verteilt wird. Bevor jemand sich dann den letzten Happen oder den letzten Schluck nimmt, hört man gelegentlich diese scherzhafte Anspielung auf Psalm Salomo 75.9: »Quia calix in manu Dominivini meri plenus mixto. Et inclinavit ex hoc in hoc; verumtamen usque ad fæces epotabunt, bibent omnes peccatores terræ«. - »Denn der Herr hat einen Becher in der Hand vnd mit starcken Wein vol eingeschenckt vnd schenckt aus dem selben. Aber die Gottlosen müssen alle trincken vnd die Hefen aussauffen«.
Der Rest ist SchweigenDie letzten Worte des sterbenden Titelhelden in Shakespeares »Hamlet, Prinz von Dänemark«:
O ich sterbe, Horatio!
Das starke Gift bewältigt meinen Geist;
Ich kann von England nicht die Zeitung hören,
Doch prophezeih ich: Die Erwählung fällt
Auf Fortinbras; er hat mein sterbend Wort!
Das sagt ihm, samt den Fügungen des Zufalls,
Die es dahin gebracht. - Der Rest ist Schweigen.
(Er stirbt.)
Wenn wir das heute sagen, drücken wir unsere Ratlosigkeit oder unser Unvermögen aus, in einer schwierigen Sache etwas zu sagen oder zu tun.
Der rettende Strohhalm...ist umgangssprachlich für uns oft die allerletzte Hoffnung auf Hilfe, auf unerwartete Rettung im letzten Moment. An den »rettenden Strohhalm« klammern sich eigentlich Ertrinkende in Seenot mangels eines soliden Seils, die in ihrer hoffnungslosen Situation nicht aufgeben und weiter auf eine - wohl nicht sehr wahrscheinliche - Rettung hoffen.
Der Rubel rollt...es wird viel Geld verdient und wieder ausgegeben. Die Redensart, die auf der russischen Währung basiert, beschreibt den Zustand einer florierenden, rundlaufenden Wirtschaft. Diese Wendung verdanken wir wohl der Alliteration des R - in Rußland selbst kennt man das Wort nicht. Manche meinen auch, es wurde vom Kaufverhalten reicher Russen im Ausland abgeleitet.
Der Rufer in der Wüste...sagen wir zu jemandem, wenn niemand auf seine Mahnungen hört.
Der Ausdruck geht auf den biblischen Johannes den Täufer zurück, der von sich sagte: »Ait ego vox clamantis in deserto dirigite viam Domini sicut dixit Esaias propheta« - »Er sprach: Jch bin eine stimme eines Predigers in der Wüsten. Richtet den weg des Herrn, wie der Prophet Jsaias gesagt hat« (Johannes 1:23).
Er dachte dabei jedoch nicht an vergebliche Bemühungen, sondern an das Wort des Propheten Jesaja: »Vox clamantis in deserto parate viam Domini rectas facite in solitudine semitas Dei nostris« - »Es ist eine stimme eines Predigers in der wüsten. Bereitet dem Herrn den weg, macht auff dem gefilde ein ebene Ban vnserm Gott« (Jesaja 40:3). Damit ist der Weg der Israeliten durch die Wüste gemeint.
Der säuft wie ein Loch...sagt man jemandem nach, der maßlos alkoholische Getränke konsumiert, wie ein Faß ohne Boden, in das man unablässig hineinschütten kann.
Der scharrt auf dem Teller herum, wie der Hahn auf dem Mist...sagen wir zu einem, der im Essen herumstochert, weil es ihm nicht schmeckt oder weil er keinen Hunger hat. Ein vortrefflicher Vergleich, vor allem, wenn man sich eine Gabel als verlängerten Hahnenfuß vorstellt.
Der Schuß geht nach hinten los...wenn eine Maßnahme sich gegen einen selbst richtet: Bei alten, relativ primitiven Waffen konnte es passieren, daß - statt wie erhofft einen Schuß abzufeuern - eine nicht immer ganz paßgenau handgefertigte Kugel im Lauf steckenblieb und das Schloß explodierte.
Der Spatz in der Hand ist besser, als die Taube auf dem Dach...weiß die wohl bekannteste Metapher der Bescheidenen und der Sicherheitsfanatiker. Ursprünglich lateinisch »Capta avis est melior, quam mille in gramine ruris« (Ein gefangener Vogel ist besser als tausend im Gras hüpfende) lernen wir: Man sollte nicht zwanghaft nach etwas möglicherweise Unerreichbarem streben und lieber mit einem sicheren - wenn auch kleineren - Gewinn zufrieden sein. Das ist oft mehr wert, als die vage Hoffnung auf einen nur wenig größeren Erfolg, der mit dem hohen Risiko verbunden ist, am Ende gänzlich mit leeren Händen dazustehen. Was man hat, hat man - was sprichwörtlich oben auf dem Dach sitzt, hingegen noch längst nicht. In der Zeit, in der man hochklettert, fliegt das Täubchen womöglich davon - und den Spatzen hat man obendrein auch noch loslassen müssen...
Der springende PunktDas griechische Universalgenie Aristoteles (384-322 a.C.) glaubte, den »punctum saliens« genau lokalisieren zu können, und zwar in einem Vogelei: In seiner »Historia animalium« (Geschichte der Tiere, 6.3) meinte er, in dem im Eiweiß sichtbaren Blutfleck das Herz des unentwickelten Kükens sehen zu können, »quod punctum salit iam et movetur ut animal« - »welcher Punkt hüpfe und springe wie ein Lebewesen«. In diesem kleinen Punkt sah er den Ursprung allen Lebens, er war für ihn »der springende Punkt«.
Der Teufel ist ein EichhörnchenVor unangenehmen Überraschungen kann man sich nicht wirklich schützen - manches, was auf den ersten Blick noch positiv und problemlos erscheinen mag, kann sich unvermutet und plötzlich als das genaue Gegenteil entpuppen, auch hinter etwas scheinbar Harmlosem kann sich das Böse verstecken. Die Geschwindigkeit und die rote Farbe des Nagers ließen im alten Volksglauben den Teufel zuweilen auch in der Gestalt eines eigentlich harmlosen Eichhörnchens erscheinen, der so in vielen Sagen Jäger verwirren oder vom rechten Pfad (des Glaubens) abbringen konnte.
Der Teufel ist los...wenn Ausgelassenheit oder große Aufregung, Hektik, Durcheinander oder Streit herrscht. Die historische Vorstellung, daß der Teufel eigentlich gebunden in der Hölle liege, beruht auf der biblisch-apokalyptischen Aussage: »Et cum consummati fuerint mille anni, solvetur Satanas de carcere suo« - »Vnd wenn tausent jar volendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefengnis« (Offenbarung 20:7).
Der Teufel scheißt immer auf denselben/den größten Haufen...will sprichwörtlich heißen: Wo ohnehin viel ist, kommt immer noch mehr hin. Dieses Grundgesetz der Akkumulation, das schon unsere Altvorderen kannten, geht - ungleich drastischer formuliert - auf das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern aus dem Matthäusevangelium zurück: »Omni enim habenti dabitur et abundabit ei autem qui non habet et quod videtur habere auferetur ab eo« - »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, vnd wird die fuelle haben, Wer aber nicht hat, Dem wird auch das er hat genomen werden« (Matthäus 25.29).
Der verlorene Sohn...um den es im wohl bekanntesten Gleichnis der Bibel geht, ist gar nicht abhanden gekommen - es geht vielmehr ums Wiederfinden und Vergeben, denn der Verlorene kommt reumütig zurück. Doch der brav zu Hause gebliebene Bruder mag nicht, wie der heimgekehrte Sünder gehätschelt wird: »Suo ecce tot annis servio tibi et numquam mandatum tuum præterii et numquam dedisti mihi hedum ut cum amicis meis epularer sed postquam filius tuus hic qui devoravit substantiam suam cum meretricibus venit occidisti illi vitulum saginatum« - »Sihe, so viel jar diene ich dir, vnd habe dein Gebot noch nie vbertretten, vnd du hast mir nie einen Bock gegeben, das ich mit meinen freunden froelich were. Nu aber diser dein Son komen ist, der sein gut mit Huren verschlungen hat, hastu jm ein gemestet Kalb geschlachtet« klagt er gegenüber dem Vater (Lukas 15.29f).
Der Weg ist das ZielEin bestimmtes Ziel zu erreichen, ist längst nicht so wichtig, wie der Weg, auf dem man dorthin gelangt. Diesen Weg soll man aufmerksam und mit wachen Sinnen beschreiten. Wer immer nur von A nach B hastet, dem entgehen die vielen schönen Dinge am Wegesrand. Übertragen steht dieser Ausspruch, der dem chinesischen Philosophen Konfuzius (um 551-479 a.C.) zugeschrieben wird, eigentlich für einen Lebensweg, den man zu gehen hat.
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert...sagt das Sprichwort: Alle Jahre wieder ist Neujahr der Tag der guten Vorsätze. Mehr Sport, nicht mehr rauchen, mehr dies, weniger jenes. Wirklich halten, was man sich vorgenommen hat? Im Leben nicht! All die vielen guten Vorsätze werden wohl niemals verwirklicht werden. Die Redensart wird verschiedentlich George Bernard Shaw zugeschrieben, oft auch Samuel Johnson oder Bernhard von Clairvaux und selbst Jesu Warnung, daß der Weg zum Himmel steinig und steil, der in die Hölle, ins Verderben hingegen breit und bequem - gepflastert also, im Unterschied zu den oft holprigen Feldwegen - sei, aus der Bibel werden genannt. Es sind die guten, aber eben nie erfüllten Vorsätze, die ein so bequemes Pflaster auf jenem Weg zur Hölle abgeben: Wir sollten das Gute also auch tun - und nicht nur davon reden.
Der Weisheit letzter SchlußNach langem Hin- und Herüberlegen kommen wir endlich zu philosophischer Einsicht. Sie erscheint uns allumfassend - eben »Der Weisheit letzter Schluß«: Diese Wendung geht - wie so viele - auf Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Tragödie »Faust II« zurück. Dort sinniert der erblindete Titelheld im 5. Akt kurz vor seinem Tode über ein paradiesisches Land, das seine Bewohner täglich gegen das ansteigende Meer verteidigen müssen:
»Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
der täglich sich erobern muß«.
Heute wird die Wendung meist eher in der Verneinung: »Das ist nicht Weisheit letzter Schluß« verwendet.
Der weiß, wo der Barthel den Most holt...sagen wir manchmal über einen, der alle Schliche kennt, sich zu helfen weiß - ein durchtriebener Schlaufuchs, der einfach leichter durchs Leben kommt.
Nach einigen Deutungen soll dieser Barthel um 1230 Schultheiß in Heilbronn gewesen sein und den Most auf recht freisinnige Weise dem Ratskeller entlehnt haben. Eine sächsische Sage verlegt die Entstehung der Redensart nach Meißen, wo zu Anfang des 16. Jahrhunderts ein Weinschenk namens Bartholomäus Zimmer, gebürtig aus Heidelberg lebte, welcher als Weinverständiger aus den besten Weinlagern seine Ware bezog.
Man nennt auch die Bewohner des württembergischen Bartenstein »Bartels«, nach einem heidnischen Götzenbild, das auf dem Schloßberg vor der Stadt liegt. Eine weitere Version stammt aus dem 17. Jahrhundert, als dem heiligen Bartholomäus der 24. August zum Gedenktag gewidmet wurde, der Tag für Fischer, Bauern und Winzer. Mit diesem Tag gingen zwar Fischfang und Ernte los, doch Trauben oder Äpfel sind zu diesem Termin noch so sauer, daß ein Winzer, der zu »Barthel« schon Most hat, ein rechtes Schlitzohr sein muß.
Nach einer authentischeren Erklärung, nach der sich »Most« vom hebräischen »ma'oth« (Münze, übrigens auch unser ›Moos‹, ohne das ja bekanntlich nix los ist) ableitet, ist »Barthel« eine Ableitung vom rotwelschen »barsel« für Brecheisen. Wer weiß, wo das Brecheisen die Knete holt, ist wohl eher nicht auf Weinverkauf angewiesen.
Der Witz hat einen Bart»Die scherzhaft vorgetragene Wortkomik ist identisch mit einer maskulinen Gesichtsbehaarung«. Das sagen wir jemandem, der uns mit einem uralten Witz erfreuen will, den wir schon tausendmal gehört haben, sodaß uns das Lachen längst vergangen ist. Hintergrund dürfte sein, daß auch »richtige« Bärte erst ab einem gewissen Alter zu sprießen beginnen, der (junge) Mensch uns dann also schon einige Zeit länger bekannt ist.
Der Worte sind genug gewechselt...laßt mich auch endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas Nützliches geschehn...
läßt Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seinem »Faust, Der Tragödie erster Teil« im Vorspiel auf dem Theater den Direktor sagen.
Der Zahn der ZeitDie oft verwendete Metapher vom »Zahn der Zeit«, der alles zernagt, die alles zerstörende, Verfall bewirkende Kraft der Zeit, findet sich in ähnlicher Form schon bei diversen antiken Autoren. Größere Verbreitung fand sie durch den englischen Schauspieler und Dichter William Shakespeare (1564-1616) in seiner Komödie »Measure for Measure« (um 1604, »Maß für Maß«): Der Herzog von Vienna will sich selbst davon überzeugen, daß bei seinen Untertanen der Sittenverfall regiert. Er setzt als Statthalter Angelo auf den Thron, zu dem er Vertrauen hat und verreist angeblich. Tatsächlich beobachtet er jedoch das ganze Treiben incognito und lobt, als er offiziell zurückkehrt, die Verdienste des Verwalters: »Oh! Solch Verdienst spricht laut; ich tät ihm Unrecht, schlöß ich's in meiner Brust verschwiegne Haft, da es verdient, mit erzner Schrift bewahrt unwandelbar dem Zahn der Zeit zu trotzen«.
Der Zweck heiligt die Mittel...sagen wir kritisch, wenn es jemandem einzig und allein auf den Erfolg einer Sache ankommt und er nicht weiter darüber nachdenkt oder gar bewußt in Kauf nimmt, daß dieses Ziel nur auf einem möglicherweise fragwürdigen oder unlauteren Wege erreicht wird. Dieser Ansatz geht auf Niccolo Machiavelli (1469-1527) zurück. In seinem Buch »Il Principe« empfahl er Italien zur Lösung der damaligen Probleme einen absolutistischen Herrscher, denn »der Zweck rechtfertigt die Mittel«.
Des einen Freud ist des anderen Leid...sagt ein altes Sprichwort, das sich immerwieder bewahrheitet: Wenn es - warum auch immer - irgendwo jemandem schlecht ergeht, findet sich ganz in seiner Nähe bestimmt jemand, der seinen Nutzen oder Profit daraus zieht.
Des Menschen Wille ist sein HimmelreichFreiheit beinhaltet auch, Dinge zu tun, die anderen unvernünftig erscheinen. Schon Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sagte in seinem Aufsatz »Shakespeare und kein Ende!« über den englischen Dramatiker: »Das Sollen wird dem Menschen auferlegt, das Muß ist eine harte Nuß; das Wollen legt der Mensch sich selbst auf, des Menschen Wille ist sein Himmelreich.« Das Sprichwort geht jedoch auch auf biblische Quellen zurück, die das Himmelreich mit einem kostbaren Schatz vergleichen.
Des Teufels...ist unserer Meinung nach jemand, der nicht recht bei Verstand, unbeherrscht oder ausgelassen etwas völlig Unvernünftiges im Sinn hat. Die ursprüngliche Wendung »Des Teufels Eigen sein« ist etwa seit dem 16. Jahrhundert geläufig und bedeutete eigentlich »dem Teufel gehören«. Nach alter theologischer Lehre stahlen die impotenten Luzifer nächtliche Pollutionen und ließen daraus »Kinder des Teufels« entstehen.
Des vielen Büchermachens ist kein EndeDiese Feststellung findet sich bereits im Alten Testament beim Prediger Salomo 12.12f und wird dort als Warnung ausgesprochen: »His amplius fili mi ne requiras faciendi plures libros nullus est finis frequensque meditatio carnis adflictio est. Finem loquendi omnes pariter audiamus Deum time et mandata eius observa hoc est enim omnis homo«. - »Hüt dich mein Son fur andern mehr. Denn viel Bücher machens ist kein ende. Vnd viel predigen macht den Leib müde. Las vns die Heubtsumma aller Lere hören. Fürcht Gott vnd halte seine Gebot. Denn das gehört allen Menschen zu«. Man zitiert die Bibelstelle heute gelegentlich scherzhaft angesichts der großen Zahl von - mehr oder weniger sinnlosen - Büchern, die jedes Jahr veröffentlicht werden.
Deuteln...hat eine negative Bedeutung im Sinne von »ein Haar in der Suppe« finden wollen, mit Gewalt Widersprüche finden wollen etc. Der Begriff ist abgeleitet von »deuten« (interpretieren, erklären).
Deutscher MichelDie Karikatur »des Deutschen«, ähnlich dem englischen »John Bull«, dem »Uncle Sam« der Amis oder der »Marianne« der Franzosen: Michel, Kurzform von Michael (Erzengel und Schutzpatron der Deutschen) ist das Gegenteil des strahlenden Gotteskämpfers, ein Bauernbursche in Zipfelmütze und Kniehosen, der Inbegriff der Einfalt und der gutmütigen Schwerfälligkeit.
DezimierenDer Begriff (auch »Dezimation«) bedeutete schon bei den alten Römern, jeden 10. Soldaten bei Meuterei oder Flucht töten zu lassen. Die Auswahl wurde meist durch Losentscheid herbeigeführt, mitunter waren sogar Offiziere davon betroffen.
DiätenWarum heißen die Gehälter von Abgeordneten eigentlich so, als würden sie abnehmen, obwohl sie ständig zunehmen? »Diäten« ist die Kurzform von »Diätengelder«, stammt aus dem Französischen (»diete«) und bezeichnet eine tagende Versammlung. Der Ursprung ist wie so oft lateinisch: »dies« - »Tag«, »dieta« - »festgelegter Tag«. Aber auch die alten Lateiner haben das Wort schon von den Griechen, bei denen bedeutete »daita« soviel wie »Lebenseinteilung«. Davon leitet sich auch unser Begriff für Schonkost ab.
Dich soll der Teufel holen...verwünschen wir verärgert jemanden in der historischen Vorstellung, daß der christliche Teufel alle Sünder in die Hölle führt.
Dichtung und WahrheitStammt aus dem Untertitel von Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Autobiographie »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit«., in der er anhand seines Lebens den Wandel der Epochen beschreibt. Sie erschien 1811, weitere Teile kamen 1812, 1814, 1831 und posthum 1833.
Die alte Leier...ist ein bildhafter Ausdruck für Eintönigkeit und Langeweile, »immer dieselbe, längst bekannte Sache«: Die Drehleier, ein traditionelles Streichinstrument, bei dem die Saiten von einem Rad angestrichen werden, das mittels einer Kurbel gedreht wird, ist immer nur auf eine bestimmte Melodie und Tonlage abgestimmt, was sie auf Dauer langweilig und monoton macht. Während die Leier immerhin noch über ein gewisses Repertoire verfügt, konnte man viele Jahre später beim Leierkasten immer nur jeweils eine Walze mit einer einzigen Melodie spielen. Da diese dann zigmal wiederholt wurde, dürfte der Leierkasten wohl der eigentliche Ursprung dieser Wendung sein.
Bild: wikimedia.org
Die andere Wange hinhalten...finden wir in der Bibel: »Ego autem dico vobis non resistere malo sed si quis te percusserit in dextera maxilla tua præbe illi et alteram« - »Jch aber sage euch, Das jr f nicht widerstreben solt dem vbel, Sondern so dir jemand einen streich gibt auff deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar«. (Matthäus 5.39)
Die Arschkarte ziehenBei der Fußball-WM 1966 kam es beim Spiel Argentinien vs. England zu turbulenten Szenen auf dem Spielfeld, die unter anderem darauf zurückzuführen waren, daß ein argentinischer Spieler den durch den deutschen Schiedsrichter Rudolf Kreitlein mündlich ausgesprochenen Platzverweis nicht verstand oder verstehen wollte und noch fast 9 Minuten auf dem Platz verblieb. In den folgenden Tumulten wurden sogar Verwarnungen gegen englische Spieler von diesen nicht wahrgenommen. Auch die Zuschauer bekamen dies nicht mit. Um derartige Mißverständnisse zu vermeiden, schlug der englische Schiedsrichter Ken Aston vor, analog den international bekannten Verkehrsampeln gelbe und rote Karten zu verwenden. Bei der Fußball-WM 1970 in Mexiko wurde diese Regelung zum ersten Mal verwendet und setzte sich schnell durch. Da das Farbfernsehen seinerzeit, 3 Jahre nach Einführung in Deutschland, noch kaum verbreitet war, wurde es üblich, daß der Schiedsrichter die rote Karte in der Gesäßtasche (Arschtasche) stecken hatte, damit die Zuschauer vor dem Bildschirm den Unterschied zur gelben, welche in der Brusttasche aufbewahrt wird, erkennen konnten. Da diese rote Karte immer mit einer unglücklichen Situation verbunden ist, zieht man seither die »Arschkarte«.
Die Axt im Hause erspart den ZimmermannDieses große Wort ließ der Schriftsteller Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) im Jahre 1804 seinen Wilhelm Tell in dem gleichnamigen Theaterstück zu seiner Frau sagen, nachdem er mit nämlichem Werkzeug eine Reparatur am Haustor abgeschlossen hatte:
»Jetzt, mein ich, hält das Tor auf Jahr und Tag.
Die Axt im Hause erspart den Zimmermann«.
In diversen ironischen Abwandlungen erspart entsprechendes Handwerkszeug auch schonmal Scheidungsrichter oder Rundfunkmechaniker...
Die beste aller möglichen Welten...stammt aus dem satirischen Roman »Candide oder der Optimismus« von Voltaire (1694-1778). Der französische Aufklärer wandte sich unter dem Eindruck des Erdbebens von Lissabon 1755 und der Schrecken des Siebenjährigen Kriegs gegen die von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) postulierte Weltanschauung, nach der Gott mit dem Kosmos nur eine vollkommene Welt hervorbringen könne, da er ja selbst vollkommen sei. Voltaires Held Candide bemerkt hingegen spöttisch: »Wenn das die beste aller möglichen Welten ist, dann möchte ich erst die übrigen sehen«.
Die beste Krankheit taugt nix...zeigen wir unsere Anteilnahme, wenn wir über jemandes Unpäßlichkeiten erfahren. Eine alte Volksweisheit, die wohl jeder von uns bestätigen kann: Es muß längst nichts Lebensbedrohliches sein - auch noch so geringe Beschwerden lassen uns schnell müde, matt, marode fühlen, wir sind kaum noch in der Lage, unseren gewohnten Tagesablauf durchzuhalten, scheitern selbst an einfachen Aufgaben und hoffen sehnsüchtig, endlich wieder gesund und leistungsfähig zu werden.
Die blaue BlumeDas Symbol der romantischen Poesie und ihrer nach dem Unendlichen gerichteten Sehnsucht stammt aus dem Roman »Heinrich von Ofterdingen« von Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772-1801).
Die Botschaft hör ich wohl...allein mir fehlt der Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben«
...sagt Johann Wolfgang v. Goethes Faust zum Ende seines Eingangsmonologs (Der Tragödie erster Teil, I.1.). Die Wissenschaften vermochten nicht, seinen Erkenntnisdurst zu stillen, also spielt er - wie so oft vergeblich - mit dem Gedanken, es noch einmal mit den Verheißungen der Religion zu versuchen. Die Klage wurde im Laufe der Zeit zu einer beliebten Floskel für handfeste Zweifel.
Die Chemie stimmt...sagen wir über einen Freund oder Kollegen, mit dem wir uns besonders gut verstehen. Diese Redewendung geht wohl darauf zurück, daß in der Chemie erst die richtige Zusammensetzung verschiedener Bestandteile einen bestimmten Stoff erzeugt. Auch zwischen Menschen gehören der erste Eindruck und viele unbewußte Eigenschaften und Körpersignale als »Zutaten« zu einem guten Vertrauensverhältnis.
Die deutsche Flöte spielenSagten im Mittelalter die Franzosen, um tüchtiges Zechen zu bezeichnen: Damals war eine lange Art von Gläsern verbreitet, welche von den Franzosen Flöte genannt wurden. Die Deutschen erschienen nun als tüchtige Flötenspieler, da sie diese Flöten oft genug an den Mund setzten.
Die Dosis macht das Gift...erklärte uns schon vor bald 500 Jahren der Arzt, Alchemist, Astrologe, Mystiker und Philosoph Paracelsus (1493-1541), als er in seiner »Dritten Defension« sagte: »Was ist, das nit gift ist? Alle ding sind gift und nichts (ist) ohn gift. Allein die Dosis macht, das ein ding kein gift ist«.
Grundsätzlich können alle dem Organismus zugeführten Stoffe oberhalb einer gewissen Dosis Schaden anrichten - selbst unverzichtbare Substanzen wie Vitamine, Salze, Nährstoffe und Wasser. Was in geringen Mengen vielleich sogar lebensnotwendig ist, kann im Übermaß durchaus zu schwerer Krankheit oder gar zum Tode führen - »Dosis sola venenum facit«.
Die Drachensaat geht auf...sagt man zuweilen, wenn abwertende Äußerungen zu Streit und Gewalt, Zwietracht und Feindschaft führen. Ursprung ist die Argonautensage aus der griechischen Mythologie, darin Jason und seine Gefährten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies, dem Fell eines magischen Widders sind. Im Land des Königs von Kolchis (heute Georgien) soll Jason ein Feld umpflügen und Drachenzähne säen. Tatsächlich entstehen daraus starke Krieger, die sich in ihrer Wildheit gegenseitig umbringen.
Die drei GrazienDie drei Töchter des Zeus, Aglaia, Euphrosyne und Thalia sind die griechischen Göttinnen der jugendlichen Anmut und Lebensfreude. Von ihnen leitet sich der Begriff »Grazie« für »Anmut und Liebreiz« ab.
Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln...sagt man gemeinhin über Menschen, denen das Glück weitestgehend ohne eigenes Zutun in den Schoß fällt. Dieses Sprichwort kann sowohl Verwunderung ausdrücken, als auch Neid, Empörung, Ironie oder Befriedigung. »Die Expansion subterraner Tuberosa steht in inverser Proportionalität zur intellektuellen Kapazität des kultivierenden Agronoms« formuliert der intellektuell vermeintlich haushoch überlegene Städter und meint zu wissen, daß retardierte Bauern vom Schicksal oder von Gott selbst begünstigt würden. In der Landwirtschaft hängt Erfolg allerdings oft von Ereignissen ab, die mit Klugheit oder Planung nicht beeinflußbar sind - man muß halt einfach Glück haben.
Die eigenen vier WändeDiese Bezeichnung für unser Zuhause stammt noch aus dem frühen Mittelalter: Damals wurden die meisten Häuser recht einfach gebaut. So war das bäuerliche Hallenhaus meist ein Fachwerk mit Stroh- oder Reetdach und hatte - ganz anders als heute - nur einen einzigen Raum mit einem Herdfeuer an einer Stirnseite. Solch ein einfaches Haus zu besitzen, war damals das höchste Glück.
Die Erde hat mich wiederDie Pteromerhanophobie - unsere Angst vor dem Fliegen - ist recht weit verbreitet und so mancher, der gerade ein Flugzeug glücklich und gesund verlassen konnte, hat mit Erleichterung diese Worte gebraucht. Aber auch manch Traum, der jäh in der harten Realität endete, animierte uns schon zu diesem Goethe-Zitat: Faust greift, nachdem er vergebens das Zeichen des Makrokosmos geschaut hat und vom Erdgeist zurückgewiesen worden ist, verzweifelt zur Giftphiole. Am letzten Schritt wird er jedoch durch das Geläut der Osterglocken und den »Chor der Engel« gehindert, die den Ostermorgen ankündigen und ihn an seine Kindheit erinnern. Am Ende schließlich werden die Lebensgeister erneut in ihm geweckt und ruft er aus:
»O tönet fort. ihr süßen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!«
(Faust I, Vers 784)
Die Erde ist eine Scheibe...erwidern wir jemandem, der etwas behauptet, wovon wir wissen, daß es definitiv falsch, seine Ansicht längst überholt ist: Über Jahrtausende war der Mensch sich sicher, daß die Erde tatsächlich eine Scheibe sein müsse, die irgendwo hinter den Ozeanen ende. Würde man zu weit hinausfahren, müßte man einfach herunterfallen. Schon der griechische Forscher Aristoteles (384-322 a.C.) war seinerzeit überzeugt, daß die Erde eine Kugel sei - endgültig beweisen konnte das allerdings erst der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan (1480-1521) bei seiner ersten Weltumsegelung im 16. Jahrhundert. Die heutige Annahme, daß der Mensch selbst im Mittelalter noch an eine flache Erde geglaubt habe, verbreitete sich übrigens erst im 19. Jahrhundert durch Washington Irvings (1783-1859) fiktive Erzählung »Das Leben und die Reisen des Christoph Columbus« (1828).
Die erste Geige spielen...möchte wohl jeder gern einmal. Gleich, in welcher Gesellschaft - wir würden gern bestimmen, was passiert, den Ton angeben, führend sein, ganz im Mittelpunkt stehen. Die Redensart kommt aus der Zeit, da sich die Streich- und Kammermusik etablierte, in der die »erste Geige«, die im Orchester die Melodie führt, die Hauptrolle innehatte. Oft spielt die erste Geige auch ein Solo und rückt so vollends in den Mittelpunkt. Wer nur die »zweite Geige« spielt, muß sich dementsprechend unterordnen und kann nur zweitrangig sein.
Die Ersten werden die Letzten sein...tröstet uns ob der Ungerechtigkeiten des täglichen Lebens oft das Mathäusevangelium im Neuen Testament. Jesus verspricht hier demjenigen, der auf weltliche Güter verzichtet und ihm nachfolgt: »Multi autem erunt primi novissimi et novissimi primi« - »Aber viel die da sind die ersten, werden die letzten, Vnd die letzten, werden die ersten sein«. (Mt. 19.30)
Die Faxen dicke...hat, wer einer Sache überdrüssig ist, unter den gegebenen Umständen nicht mehr weitermachen kann oder will. Diese Wendung gab es schon lange, bevor das Fax(gerät) erfunden wurde, allerdings schrieb man da noch »Facksen«, abgeleitet ursprünglich von »fickfacken«, was als »sich hin- und herbewegen« für lästiges, lächerliches Tun und Treiben stand. Aus den »Fickesfackes« (Streiche, Possen) wurden die »Fackes«, die - schließlich irgendwann mit »X« geschrieben - für Grimassen, Dumm- und Albernheiten standen. »Dicke« haben wir die Faxen vom mittelhochdeutschen Wort für »oft, häufig«, etwas, das zu reichlich vorkommt.
Die Flinte ins Korn werfen...heißt aufgeben, resignieren, den Mut verlieren, weil ein Erfolg aussichtslos erscheint: Die Redensart stammt aus dem Kriegswesen des 17. Jahrhunderts - einer Zeit, als man noch mit Vorderladern zugange war: Die Soldaten, meist Söldner, die für Geld in die Schlacht zogen, waren meist nicht besonders daran interessiert, bis zum »bitteren Ende« zu kämpfen und dabei draufzugehen. Angesichts einer drohenden Niederlage gaben sie lieber rechtzeitig auf und ließen ihre Flinten im nächstbesten Feld, wo sie nicht so schnell gefunden werden konnten. Am besten entledigte man sich auch gleich noch der Uniform, um nicht als Deserteur entdeckt zu werden.
Die Flöhe husten hören...kann umgangssprachlich-spöttisch, wer eine negative Entwicklung der Dinge selbst dann schon vorausahnt, wenn es überhaupt noch keine Anzeichen dafür gibt. So einer kommt sich besonders schlau vor, meint immer über alle Neuigkeiten informiert zu sein - dabei macht er sich nur viel zu früh über ein Problem Gedanken, hält jede Nichtigkeit für bedeutsam, ist ganz besonders sensibel, vorsichtig und ängstlich, oft auch spitzfindig, wenn er »die Flöhe husten«, Dinge spüren kann, die gar nicht da, schlicht unmöglich sind. Das Bild der hustenden Flöhe für etwas sehr Kleines, das - wenn überhaupt - höchstens sehr sehr leise zu hören zu wäre, ist wohl bereits im 16. Jahrhundert gebräuchlich.
Die Flötentöne beibringen...heißt, jemanden Anstand und richtiges Verhalten, Ordnung und Gehorsam zu lehren, ihn scharf zurechtzuweisen, wenn er nicht hören will. In der Æsopschen »Fabel vom flöteblasenden Fischer« versucht jener zunächst vergeblich, durch Flötenspiel die Fische an sich zu locken. Als er aufhört zu spielen und das Netz herauszieht, zappeln doch einige am Stand und er sagt: »Oh ihr schlechtes Getier. Als ich flötete, wolltet ihr nicht tanzen, nun ich aber aufgehört habe, tut ihr's«. Der Fischer hatte ihnen also die »Flötentöne« beigebracht, sie »tanzten nach seiner Pfeife«. Und die Moral von der Geschicht: Erst unter Zwang tut man's - freiwillig nicht.
Die Friedenspfeife rauchen...wir gelegentlich mit jemandem, mit dem wir uns versöhnen, einen Streit beilegen wollen:
Der Ausdruck geht ursprünglich auf einen Brauch nordamerikanischer Indianer zurück, die wichtige Entscheidungen wie z.B. Friedensverhandlungen mit anderen Stammesältesten gemeinsam im Tipi ihres Häuptlings berieten. Dabei wurde das »Kalumet« im Kreis herumgereicht und jeder nahm ein paar Züge, um die getroffenen Vereinbarungen zu besiegeln. In Europa bekannt wurde die Friedenspfeife hauptsächlich erst durch die Romane von Karl May (1842-1912) & Co.
Die ganze Bagage...meint umgangssprachlich manchmal die »liebe Verwandtschaft« - wobei die »Bagage« für »Pack und Gesindel« vom französischen »Gepäck« kommt. Die Bedeutungsübertragung geht auf den Dreißigjährigen Krieg zurück, als den eigentlichen Heeren die Versorgungseinheiten mit dem Gepäck folgten. Diese Nachhut hatte einen äußerst schlechten Ruf, da sie mordend und plündernd für ihren Lebensunterhalt sorgen mußte.
Die Gedanken sind frei...wer kann sie erraten? So heißt es in der ersten Strophe eines Liedes, das - ohne den ursprünglichen Verfasser und Komponisten zu kennen - 1842 in dem Buch »Schlesische Volkslieder« von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) und Ernst Heinrich Leopold Richter (1805-76) veröffentlicht wurde. Denkverbote sollte es möglichst nicht geben - wie ratsam es ist, all seine Gedanken gleich auszuplaudern, sei allerdings dahingestellt.
Die Geister, die ich rief...sagt der Volksmund, wenn durch eine bestimmte Handlung oder Äußerung etwas ausgelöst wird, das in dieser Form eigentlich gar nicht gewollt war und zu allem Unglück auch noch außer Kontrolle geraten ist. Das geflügelte Wort geht ursprünglich auf Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) berühmten »Zauberlehrling« zurück, der einen Zauberspruch seines Meisters ausprobiert, einen Besen verhext und losschickt, um Wasser vom Fluß zu holen. Dummerweise ist er der Situation nicht gewachsen und vergißt das Zauberwort, um den Besen wieder zu stoppen:
»...Und sie laufen! Naß und nässer
Wird's im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör' mich rufen! -
Ach da kommt der Meister!
Herr, die Noth ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los«...
Die Gelegenheit beim Schopfe packen...wir, wenn wir ein Geschäft angeboten bekommen, das wir unbedingt beginnen wollen: In der griechischen Mythologie galt Kairos, Gott der günstigen Gelegenheit und des rechten Augenblicks, als jüngster Sohn des Zeus und wurde in Olympia kultisch verehrt. Er wird in der griechischen Kunst mit kahlem Kopf und einem längeren Haarlocke vorn an der Stirn dargestellt. An jenem Haarschopf mußte man also ihn oder »den günstigen Augenblick« gut fassen - kurz danach ist die Gelegenheit vorbei.
Die Gelegenheit ist günstig...erkennen wir recht schnell, wenn sich aus einem puren Zufall ein gutes Geschäft ergibt. Auch für Friedrich Schillers (1759-1805) »Wilhelm Tell« war anno 1307 die Gelegenheit günstig, sich bei den Eidgenossen als Held in Szene zu setzen, als er dem habsburgischen Landvogt Gessler auflauert: »Durch diese hohle Gasse muß er kommen. Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht. Hier vollend' ich's - Die Gelegenheit ist günstig« (IV.3).
Die Grätsche machen...irgendwann Sachen, die »das Zeitliche segnen«, kaputtgehen, den Dienst versagen. Zuerst mögen es schlecht verarbeitete Stühle gewesen sein, die »die Grätsche machten«, unter Belastung plötzlich ihre Beine abspreizten, wie wir es aus dem Bereich des Sports kennen: Die Grätsche ist dort eine Turnübung, bei der die Beine auf dem Boden bis in eine gerade Linie gespreizt werden - der »Spagat« ist die wohl bekannteste Form.
Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche...sagen wir bisweilen über Wendehälse, die ihre Meinung regelmäßig ändern und auf die kein Verlaß ist; gern auch rückblickend, wenn wir einst selbst andere Ansichten hatte als heute.
Das Zitat geht auf den deutschen Lyriker, Grafiker, Karikaturisten und Satiriker F. W. (Fritz Weigle) Bernstein (*1938) von der legendären »Neuen Frankfurter Schule« zurück, der in den 60er Jahren bei einer Autofahrt mit Kollegen »Tierzeiler« improvisierte, die sie später in »Die Wahrheit über Arnold Hau« veröffentlichten.
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen...sagen wir, wenn wir etwas aussortieren, Dinge unterschiedlicher Qualität voneinander trennen. Die Wendung stammt aus dem Volksmärchen »Aschenputtel«, das durch die Märchensammlung der Gebrüder Grimm weltbekannt ist: Aschenputtel, von der bösen Stiefmutter aufgefordert, eine Schüssel Linsen aus der Asche zu lesen, bittet zwei weiße Tauben, ihr zu helfen: »Ihr zahmen Täubchen, Ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen«.
Die Haare stehen einem zu Berge...der in höchstem Maße schockiert oder entsetzt ist: Bei Publius Vergilius Maro (70-19 a.C.) heißt es dazu in der »Æneis«: »Ich erstarrte, die Haare standen mir zu Berge und die Stimme stockte in der Kehle« (2. Buch, Vers 774). Schon in der Bibel erfuhr der fromme Hiob einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Sein Freund Eliphas von Theman will ihn deshalb trösten und berichtet von einer schrecklichen Nacht: »Et cum spiritus me præsente transiret inhorruerunt pili carnis meæ« - »Vnd da der geist fur mir vbergieng, stunden mir die har zu berge an meinem Leibe« (Hiob 4.15). Dieses Phänomen kennt wohl jeder von uns, auch wenn es sich beim Menschen eher nur in einer »Gänsehaut« bemerkbar macht: Jedes einzelne Haar ist über die Haarwurzel mit kleinen Muskeln in der Unterhaut verbunden, die am Haar ziehen und es von unten aufrichten können. Bei vielen Tieren sträubt sich in gefährlichen Situationen das Fell, sie wirken dadurch größer und bedrohlicher und die Chance, einen Feind abzuwehren, erhöht sich signifikant.
Die Haare vom Kopf fressen...kann uns sprichwörtlich jemand, der auf unsere Kosten lebt, uns ausnimmt: Üblicherweise ist unserer Kultur der Kannibalismus eher fremd - wir ernähren uns allerdings zu einem gut Teil von Tieren, wobei das Fell aber nicht zu den Teilen gehört, die für unsere Nahrung geeignet sind. Daran angelehnt frißt uns jemand bildlich »die Haare vom Kopf«, wenn er einfach unersättlich ist, uns arm macht, weil halt sonst schon alles andere vertilgt ist.
Die Hacken schieflaufen...können wir uns umgangssprachlich manchmal, wenn wir sehr viele oder einen ganz bestimmten Artikel unbedingt haben wollen, aber partout kein Geschäft finden, in dem wir genau dies zu kaufen kriegen. Diese Redensart kommt daher, daß die Absätze auch der allerbesten Schuhe nicht vor einem gewissen Verschleiß gefeit sind und nach vielen Kilometern Fußmarsch irgendwann - oft auf der Innenseite - immer dünner werden. Entgegen weitverbreiteter anderslautender Erklärungen hängt diese einseitige Beanspruchung übrigens nicht mit der Kugelform der Erde zusammen...
Die Hände in den Schoß legen...bedeutet, nicht zu arbeiten, untätig oder faul zu sein. Wer »die Hände in den Schoß legt«, kann eben kein Werkzeug mehr halten, geschweige denn produktiv benutzen. Ursprünglich könnte hier auch gemeint sein, daß der berittene Kämpfer die gegen den Feind erhobenen Waffen sinken läßt oder niederlegt.
Die halbe MieteAlle Voraussetzungen sind erfüllt, um anschließend eine Aufgabe optimal erledigen zu können - das ist schonmal die »halbe Miete« - ein großer Vorteil. Früher wurden bestimmte Feldfrüchte (Rüben, Kartoffeln etc.) nach der Ernte in Erdgruben, den sogenannten »Mieten« (aus dem Lateinischen »meta« - ein kegelförmig aufgeschichteter Heuhaufen) eingelagert. War die halbe Miete gefüllt, war also bereits die Hälfte der Ernte eingebracht.
Andere leiten die »Miete« vom althochdeutschen »miata« (Lohn) ab und verorten diese Wendung in der Sprache der Skatspieler, die die Hälfte der zum Spielgewinn nötigen Punkte erreicht haben.
Eine weitere - wenngleich wesentlich jüngere - Deutung sieht diese Redensart beim Wohnen: Seit Menschen zur Miete wohnen müssen, sorgen sie sich oft zunächst um die Bezahlung derselben, noch bevor sie sich um ihre Ernährung kümmern können.
Die Hammelbeine langziehen...meint, jemanden sehr scharf zu tadeln und zurechtzuweisen: Wenn ein geschlachteter Hammel enthäutet wird, zieht das die Hinterbeine des Tieres in die Länge. Etwa um den 1. Weltkrieg wurde der Ausdruck wohl von Feldwebeln gegenüber der Truppe in den Landserjargon übernommen.
Die Hand ins Feuer legen...kommt aus der römischen Frühgeschichte: Anno 508 a.C. belagerte Lars Porsenna, König des etruskischen Clusium die Stadt Rom. Ein gewisser Gaius Mucius schlich ins feindliche Lager, um Porsenna zu erdolchen. Er wurde gefangen und bewies beim folgenden Verhör Selbstbeherrschung und Charakterstärke, als er seine rechte Hand so lange in eine Opferflamme hielt, bis sie verkohlt war, ohne daß er sich von den Schmerzen beeindrucken ließ.. Porsenna begnadigte ihn daraufhin und Gaius Mucius erhielt den Beinamen »Scævola« (der Linkshändige). Oft konnten Angeklagte durch ein solches Gottesurteil ihre Unschuld beweisen. Der Grad der Verbrennung entsprach dem des Verschuldens. Wunden wurden sofort versorgt. Als unschuldig galt, wer in kürzester Frist wiederhergestellt war. Heute beschreibt das Wort jemanden, dem man voll und ganz vertraut.
Die hat einen Arsch wie ein Brauereipferd..sagt man gelegentlich wenig charmant Damen nach, deren Diäten nicht so recht angeschlagen haben: Ein Pferd hat schon einen kräftigen Hintern, Brauereipferde waren in der Regel Kaltblüter, die erheblich mehr an Gewicht auf die Waage bringen als Warmblüter.
Die Hölle heißmachenDie Hölle wird allgemein als Ort des Feuers beschrieben, wo Pech und Schwefel brennen. Auch die Hitze, Flammen und Glut sind - dank der katholischen Priester, die mit drastischen Schilderungen die Qualen der Sünder in der Hölle ausmalten - sprichwörtlich weitverbreitet. Schon bei dem deutschen Theologen und Reformator Martin Luther (1483-1546) findet sich der Ausdruck: »Wie man jetzt spricht, sie machen uns die Hölle heiß und den Teufel schwarz«, mit einem starken theologischen Bezug auf die frühen Schilderungen der Folterqualen in der Hölle, die von sündhaftem Leben abhalten sollten. Erst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) verwendet dann die Wendung im »Götz von Berlichingen« in der Bedeutung von Bedrängung. Hier sagt Götz' Gefolgsmann Hans von Selbitz über die Bamberger: »Wir wollen ihnen die Hölle heiß machen«.
Die Hoffnung stirbt zuletzt...sagt ein treffendes Sprichwort, das wir oft und gerne gebrauchen, wenn Menschen trotz widriger Lebensumstände ihre Träume und Hoffnungen nicht aufgeben. Egal, wie schlecht die Lage ist - wir bleiben bis zum bitteren Ende zuversichtlich, daß sie sich irgendwann bessern wird. Das wußte schon der römische Philosoph Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.), als er in seinen »Epistulæ ad Atticum« (Briefe an Atticus) schrieb: »Dum spiro, spero« - »Solange ich atme, hoffe ich«. Auch als die neugierige Pandora aus der griechischen Sage ihre berühmte Büchse öffnet und alle Übel in die Welt entläßt, bleibt wenigstens noch die Hoffnung zurück.
Die Hosen mit der Kneifzange anziehenDie im Volksmund recht verbreitete, eher rhetorisch gemeinte Frage: »Glaubst Du, daß ich mir die Hosen mit der Kneifzange anziehe?« meint bildlich: »Das kannst Du einem Doofen erzählen, das glaube ich Dir nicht«. Wer nicht völlig retardiert, umständlich und ungeschickt ist, würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit versuchen, praktischere Methoden zur Bewältigung einer so simplen Aufgabe zu finden. Wer hingegen die Hose mit der sprichwörtlichen Kneifzange anzieht, macht bildlich etwas vergleichsweise Einfaches zu einer unnötig komplizierten und umständlichen Angelegenheit - und das klingt halt nicht allzu glaubwürdig.
Die Hucke vollhauen...heißt im Volksmund nichts anderes, als jemanden zu verprügeln, gelegentlich auch, sich gepflegt zu besaufen: Die meist aus Weiden geflochtene »Hucke« war ursprünglich eine Rückentrage, die oft zur Weinlese, auf dem Bau zum Transport von Ziegelsteinen oder auch zur Lieferung von Kohlen benutzt wurde. Wurde diese »Sackkarre auf Beinen« ordentlich »vollgehauen« (beladen), bedeutete dies, daß das Gewicht sich auf dem Rücken des Trägers erheblich vergrößerte, was in der Folge zu recht erheblichen Kreuzschmerzen und dem leicht schwankenden Gang führte. In Abwandlungen dieser Redensart hauen wir uns heute auch gelegentlich mal die Jacke oder die Taschen voll.
Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiterÜbersetzung eines türkischen Sprichworts: In der islamischen Kultur werden Hunde als »unrein« angesehen, während Kamele als weise gelten, da sie als einzige den hundertsten Namen Allahs kennen. So liegt die Bedeutung nahe: Unbeirrt seinen Weg weiterverfolgen, auch gegen Kritik und Widerstand.
Die Hunde zum Jagen tragen...möchten wir nicht - die Leute sollen ihre Arbeit aus eigenem Antrieb machen, nicht angetrieben werden müssen. Wären wir gezwungen, die Hunde wider Willen zum Jagen zu führen, würden wir nicht viel Beute machen, also eine recht unnütze Arbeit verrichten. Diesen bildhaften Ausdruck für die Trägheit, Faulheit und Bequemlichkeit kannte in der Form »Venate ducere invitas canes« schon der römische Komödiendichter Plautus (um 254-184 a.C.) der ihn in seinem Lustspiel »Stichus« (1,2,83) verwendete.
Die Kärrnerarbeit machen...sagte man früher zu mühsamer, harter körperliche Arbeit, die von einem Karrenführer ausgeführt wurde - einem Fuhrmann, der mit seinem Gefährt Waren aller Art transportierte. Größere Fuhrwerke wurden von Ochsen oder Pferden gezogen, kleinere vom Kärrner selbst. Friedrich von Schiller (1759-1805) meinte in seinen »Xenien« (Spottgedichte): »Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu tun«, in einer deutschen Sage heißt es: »In der Stadt Gesicke kam ein Kärrner zur Abendzeit in ein Wirtshaus und wollte übernachten...« Der Begriff wird heute auch auf andere anstrengende, zähe Bemühungen übertragen, die nur langfristig erreicht werden können.
Die kalte Schulter zeigen...wir einem Menschen, der unsympathisch ist und mit dem wir nichts zu tun haben wollen - wir geben uns desinteressiert und abweisend. Manche vermuten, es handele sich dabei um die rechte, dem Herzen fernere und deshalb als kälter angesehene Schulter; andere erklären die Redensart mit der Damenmode am Spanischen Hof: Dort waren während der Renaissance die Kleider der Damen meist hochgeschlossen, wohingegen man in Italien und in Deutschland oft einen Teil der Schultern bewundern konnte. War eine Dame an einem Annäherungsversuch eines Kavaliers nicht interessiert, drehte sie sich einfach weg und er sah nur ihre »kalte Schulter«.
Die Karten werden neu gemischt...wenn sich die Zusammensetzung einer Sache oder allgemein die vorgegebenen Bedingungen, Voraussetzungen oder Verhältnisse ändern. Diese Wendung kommt natürlich aus dem Kartenspiel: Es beginnt ein neues Spiel, die Karten werden neu gemischt und jeder hat wieder die gleiche Chance zu gewinnen und vorherige Verluste wettzumachen.
Die Katze aus dem Sack lassen...wir, wenn wir offenbaren, welche Absichten wir eigentlich hatten, ehe ein Geheimnis gelüftet wurde. Ist die Katze erst aus dem Sack, kann man niemandem mehr einreden, daß ein Hase im Sack gewesen wäre. Die hier gemeinte Katze hat allerdings nichts mit dem beliebten Haustier zu tun, es geht dabei vielmehr um ein Folterinstrument mit mehreren Lederriemen: Auf englischen Schiffen herrschten strenge Vorschriften, wer dagegen verstieß, wurde bestraft. Wenn der Maat die Neunschwänzige Katze aus seinem Sack nahm, waren seine Absichten doch recht offensichtlich...
Die Katze im Sack kaufen...sagt man, wenn man leichtgläubig etwas erwirbt, was man vorher nicht genau angeschaut hat: Früher wurden auf Märkten Kaninchen, Hasen oder Ferkel meist in einen Sack gepackt, damit der neue Besitzer sie mitnehmen konnte. Manchmal waren die Tiere aber auch schon vor dem Verkauf im Sack - wenn der Besitzer dann zu Hause nachgesehen hat, fand er statt des teuren Ferkels oder Hasen nur eine wertlose Katze: Der Verkäufer hatte ihn also ausgetrickst. Bereits im Volksbuch Till Eulenspiegel (um 1300-50) wird der Schwank erzählt, daß die »Katze im Sack« als angeblicher Hase gekauft wurde. Da diese Schwänke ihre Pointe meistens aus der wortwörtlichen Befolgung von Redensarten beziehen, muß die Wendung bereits wesentlich älter sein.
Die Katze läßt das Mausen nicht...sagt man, wenn jemand von einer schlechten Angewohnheit nicht lassen kann, ihm bestimmte Eigenarten im Blut liegen: »Tamen ad mores natura recurrit« (Dennoch kehrt die Natur zu ihren Gewohnheiten zurück) lautete ein von Decimus Iunius Iuvenalis überliefertes Sprichwort aus dem 1. Jahrhundert und die alten Ägypter wußten: »Die Katze erblindete, aber sie gelüstete immer noch nach Mäusen«.
Angeborene, instinktive Verhaltensweisen können - wenn überhaupt - nur bedingt unterdrückt werden. Selbst dann bedarf es nur eines geringen Anlasses, um sie wieder durchbrechen zu lassen. Genauso, wie selbst eine überfütterte Katze niemals aufhören wird, zu jagen, haben auch wir unsere Unarten, die wir pflegen - wir können einfach nicht anders.
Die Kehrseite der Medaille...ist oft ein Nachteil, eine andere Seite einer an sich guten Sache oder Angelegenheit. Damit wird ausgedrückt, daß alles Positive auch eine negative Seite hat. Die Redewendung geht auf die weit verbreiteten Siegestrophäen zurück, die insbesondere im Sport die drei jeweils besten Athleten bzw. Mannschaften erhalten. Diese Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen - vom mittellat. »Medallia« für eine Kleinmünze - werden oft nur einseitig geprägt, die Rückseite ist meistens blank, da man sie in den Schmuckkästchen, in denen sie in der Regel präsentiert werden, ohnehin nicht sieht. Das niederländische »keerzijde« beschrieb ursprünglich die Rückseite von Münzen, die so dünn waren, daß sich das Prägemuster als Negativ auf der anderen - der Kehrseite - durchdrückte.
Die Kirche im Dorf lassen...wir, wenn wir sachlich bleiben, nicht übertreiben, uns an das Übliche halten. Die Wendung kommt daher, daß früher »die Kirche« auch als Synonym für katholische Umzüge und Prozessionen stand. War es ein einfacherer Anlaß, fand der Umzug nur im Bereich des Dorfes statt - wenn der Umzug größer und wichtiger war, wurde aber auch auf die umliegenden Felder gefahren, was oft als übertrieben kritisiert wurde. Nach einer anderen Erklärung regierten die starken Dorfpfarreien bis ins späte Mittelalter über die neu entstehenden Stadtkirchen, die sich aber nach und nach selbständig machten. Die »Kirche im Dorf zu lassen« meinte demnach, alles beim Alten zu lassen.
Die Krallen zeigen...bedeutet, daß man sich etwas nicht gefallen läßt, sich dagegen widersetzen wird: Viele Raubtiere können bei einem Angriff ihre Krallen ausstrecken und in friedlicher Stimmung wieder einziehen. Außergewöhnlich lange Fingernägel assoziieren auch einen Teufel, der im Mittelalter häufig mit den Krallen der Harpyien statt der heute eher üblichen Hufe des Pan dargestellt wurde.
Die Kuh vom Eis holen...heißt, sich aus einer unangenehmen oder gefährlichen Situation zu befreien, eine schwierige Lage entschärfen, eine Lösung finden. Die Redewendung geht wohl auf den bäuerlichen Alltag zurück, in dem das nicht nur im übertragenen Sinne, sondern durchaus auch in der Realität ein schwieriges Unterfangen ist: Kühe laufen bei Gefahr nicht unbedingt davon, sondern bleiben oft einfach stehen. Von sich aus würden die Tiere das Eis zwar nie betreten, wenn sie aber dennoch dort hingeraten und merken, daß es spiegelglatt ist, wird der Bauer sie wohl oder übel höchstpersönlich »vom Eis holen« müssen. Bliebe noch die Frage, was das Tier dort überhaupt zu suchen hatte...
Die Kurve kratzen...Leute, die urplötzlich verschwinden, einer mißlichen Lage knapp entrinnen, sich davonmachen. Zwar verbinden einige diese Redensart heute mit einer rasanten Kurventechnik beim Motorrad, bei der eine Fußraste den Straßenbelag berührt - die Geschichte ist aber schon viel älter: Im Mittelalter waren die Gassen oft sehr eng, sodaß die Kutschen beim Abbiegen nicht selten an die Hausecken schrammten, ehe sie - kapp aber dennoch - um die Ecke verschwanden. Die Bewohner der Häuser halfen sich dagegen mit sogenannten »Kratzsteinen« - größeren Steinblöcken, die einen Schritt vor der Ecke auf dem Gehweg lagen.
Die Kurve kriegen...heißt, daß wir etwas gerade eben im letzten Augenblick noch schaffen, eine Aufgabe im letzten Moment noch erledigen, nicht daran scheitern. Die Redewendung geht natürlich auf das Autofahren zurück - dabei die Kurve nicht zu kriegen, hätte sicher verheerende Auswirkungen.
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst...sagt (beileibe nicht nur) der Österreicher gern mal in einer für ihn nachteiligen, bedrohlichen oder ausweglosen Situation. Dieser Galgenhumor fußt auf einer Verballhornung der preußischen Lagebeschreibung »Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos«, die der Schriftsteller Franz Werfel (1890-1945) in seinem Bühnenstück »Jacobowsky und der Oberst. Komödie einer Tragödie in drei Akten« im Jahre 1941/42 prägte.
Die Lage peilenDiese Redensart, herausfinden, suchen, wie die Dinge stehen, kommt aus der Seemannssprache: Die Lage der Sterne und die Wassertiefe werden durch peilen bestimmt. So kann man erschließen, wo genau sich ein Schiff befindet, ob es auf Kurs ist, oder eine Kurskorrektur nötig ist.
Die Latte höherlegenWir wollen nicht auf ein- und demselben Leistungsniveau stehenbleiben und probieren neue und schwierigere Sachen aus: Beim Hochsprung wird nach jedem Erfolg die Sprunglatte ein paar Zentimeter höhergelegt. Hat der letzte Wettkämpfer dreimal gerissen, ist das Turnier beendet.
Die Lebensgeister wecken...viele von uns allmorgendlich erstmal mit einem starken Kaffee, bevor es so richtig »losgehen« kann. Der Begriff geht auf den französischen Universalgelehrten René Descartes (1596-1650} zurück, der als Vertreter des »Mechanizismus« davon ausging, daß der Mensch quasi wie eine Maschine funktioniere, die von den »esprits animaux« belebt werde.
Die letzte Runde einläuten...meint, in einer länger dauernden Aktion noch einmal die letzten Kräfte mobilisieren, einen Endspurt einlegen. Die Redensart kommt aus der Leichtathletik: Bei Langlaufwettbewerben ertönt bei der letzten Runde vor dem Zieleinlauf eine Glocke, um die Läufer und auch das Publikum zu Höchstleistungen anzutreiben.
Die Letzten werden die Ersten sein...erklären uns Matthäus, Markus und Lukas an verschiedenen Stellen des Neuen Testaments. Das Mathäusevangelium beispielsweise berichtet im Gleichnis »Von den Arbeitern im Weinberg«, daß die, die nur eine Stunde arbeiteten, den gleichen einen Groschen Lohn erhielten, wie jene, die den ganzen Tag geschafft hatten. Als sich einige darüber beschwerten, erklärt der Hausvater, daß alle den gleichen Anteil am Reich Gottes bekämen, egal, wann sie zum Glauben fänden. Schließlich sorgte er dafür, daß jeder das bekommt, was er zum Leben braucht, ohne nach mehr oder weniger Leistung zu fragen: »Sic erunt novissimi primi et primi novissimi multi sunt enim vocati pauci autem electi« - »Also werden die letzten die ersten, Vnd die ersten die letzten sein. Denn viel sind beruffen, Aber wenig sind auserwelet« (Matthäus 20.16). Manchmal ist es also hilfreich, Dinge mit Bedacht anzugehen, als allzu leidenschaftlich, wer Geduld hat, wird eher zum Ziel kommen, als einer, der alles sofort und ohne Rücksicht auf andere will.
Die Leviten lesenDie Leviten, benannt nach dem Stammvater Levi, sind einer der zwölf Stämme Israels, die von den Söhnen Jakobs begründet wurden. Die Söhne Levis waren nach dem Bericht des Alten Testaments der Bibel für den Priesterdienst ausersehen. Im Numeri 1.49f heißt es: »Tribum Levi noli numerare neque ponas summam eorum cum filiis Israhel. sed constitue eos super tabernaculum testimonii cuncta vasa eius et quicquid ad cærimonias pertinet ipsi portabunt tabernaculum et omnia utensilia eius et erunt in ministerio ac per gyrum tabernaculi metabuntur« - »Den stam Leui soltu nicht zelen noch jre summa nemen vnter den kindern Jsrael. Sondern du solt sie ordenen zur Wonung bey dem Zeugnis vnd zu allem Gerete vnd allem was dazu gehöret. Vnd sie sollen die Wonung tragen vnd alles Gerete vnd sollen sein pflegen vnd vmb die Wonung her sich lagern«. Unter anderem waren die Leviten für das Einhalten der Regeln verantwortlich. Der Heilige Chrodegang von Metz (715-766), Bischof von Metz und Erzbischof von Austrasien, wollte seinerzeit seine zuchtlose Geistlichkeit wieder auf den rechten Pfad weisen, auch mit Buß- und Andachtsübungen. Dabei las er gern aus »Leviticus«, dem 26. Kapitel des 3. Buches Mose vor. Dann folgte die Ermahnung.
Die linke (Hand) weiß nicht, was die rechte tutEs geht drunter und drüber, jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit: Die Redensart kommt aus dem Neuen Testament. In Matthäus 6.2ff sagt Jesus, daß man mit seinen Almosen nicht angeben soll, sondern: »Cum ergo facies elemosynam noli tuba canere ante te sicut hypocritæ faciunt in synagogis et in vicis ut honorificentur ab hominibus amen dico vobis receperunt mercedem suam te autem faciente elemosynam nesciat sinistra tua quid faciat dextera tua ut sit elemosyna tua in abscondito et Pater tuus qui videt in abscondito reddet tibi« - »Wenn du nu Almosen gibst, soltu nicht lassen fur dir posaunen, wie Heuchler thun, in den Schulen vnd auff den gassen, Auff das sie von den Leuten gepreiset werden, Warlich ich sage euch, sie haben jren Lohn dahin. Wenn du aber Almosen gibst, So las deine lincke hand nicht wissen, was die rechte thut, Auff das dein Almosen verborgen sey, vnd dein Vater, der in das verborgen sihet, wird dirs vergelten oeffentlich«.
Die Löffel spitzen...wir, wenn wir aufmerksam zuhören, neugierig lauschen. Der Jäger in seiner ihm eigenen Sprache nennt die Ohren des Hasen »Löffel«. Wittern die Langohren - wie auch viele andere Tiere - Gefahr, verharren sie, horchen angestrengt, drehen ihre Ohren hin und her, um eine mögliche Bedrohung besser orten und schleunigst die Flucht ergreifen zu können. Der Ausdruck könnte aber auch auf die frühhochdeutsche Bedeutung des Wortes »spitz« zurückgehen, was »überklug, schlau« bedeutete. Daher stammt übrigens auch der »Spitzel«.
Die Meinung geigen...wir jemandem, über den wir uns ständig aufregen und ärgern, indem wir ihm deutlich sagen, was wir von ihm halten: Bei mittelalterlichen Volksbelustigungen begleiteten Geigenspieler ihre Musik mit lästerlichen Reden - je frecher sie unangenehme Wahrheiten zu Gehör brachten, desto größer war der Beifall.
Die Messer wetzen...wir - heute eher bildlich - wenn wir uns auf eine harte (verbale) Auseinandersetzung einstellen, schlagkräftige Argumente sammeln, Vorbereitungen treffen, um uns gegen einen bevorstehenden Angriff zur Wehr setzen zu können. Diese Drohgebärden sind schon in der Bibel als »Ferrum ferro acuitur et homo exacuit faciem amici sui« - »Ein Messer wetzt das ander Vnd ein Man den andern« (Sprüche Salomo 27.17) beschrieben, Burcard Waldis (um 1490-1556) scrieb laut »Deutschem Wörterbuch« von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: »...die gesellen die so ir datum setzen und alle morgen ir messer wetzen, damit sie zwiefach riemen schneiden, ob sie denn auch am galgen leiden des sol man kein mitleiden hon«.
Die Milch der frommen Denkungsart...nennen wir heute gelegentlich rechtschaffene, bescheidene, sittlich unverdorbene oder fromme Gedanken und Tugenden, die bildlich schon der Säugling aus der Mutterbrust saugt. Die Wendung stammt aus Friedrich Schillers (1759-1805) Drama »Wilhelm Tell«, der sich im vierten Akt, dritte Szene auf das Attentat auf den Landvogt Gessler vorbereitet:
»Ich lebte still und harmlos - Das Geschoß
War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,
Meine Gedanken waren rein von Mord -
Du hast aus meinem Frieden mich heraus
Geschreckt, in gärend Drachengift hast du
Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,
Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt -
Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,
Der kann auch treffen in das Herz des Feinds«.
Die Motten kriegen...wir umgangssprachlich, wenn wir über etwas sehr erstaunt sind. Diese Wendung spielt auf die zerstörerische Kraft der Kleidermotte an, die beharrlich Kleidungsstücke zerfrißt. Die Schwindsucht (Lungentuberkulose, TBC) nannte der Volksmund ebenfalls so, weil Röntgenbilder davon aussahen, als hätten Motten Löcher in die Lunge gefressen. Bis zur Entwicklung wirksamer Antibiotika versuchte man, die Krankheit mit dem Aufenthalt in frischer Bergluft zu kurieren, da man hoffte, diese würde die Lungen der Patienten weniger anstrengen. Die Sanatorien wurden gern auch als »Mottenburg« bezeichnet. Vom Schreckensbild der rotwelchen Bevölkerung gelangte die Metapher in die ärmlichen Mietskasernen, die die Industrialisierung hervorgebracht hatte.
Die Mücke machen...Leute, die abhauen, verschwinden, sich unsichtbar machen - wie die summenden Blutsauger, die uns des Nachts piesacken und die so klein sind, daß man sie (fast) nicht sieht.
Die Mutter der Dummen ist immer schwanger...stellen wir bisweilen resignierend fest, daß die Menschheit offenbar immer mehr verblödet. Jeder kennt solche Situationen, da - sei es im privaten Umfeld oder in der großen Politik - irgendwer, dem wir bislang durchaus eine gewisse Intelligenz unterstellt hatten, auf abstruse Ideen kommt, die rational nicht mehr zu erklären sind und so dafür sorgt, daß ausreichender Nachwuchs an Idioten auf unserem Planeten gewährleistet ist.
Die Nadel im Heuhaufen suchen...heißt, in einer gewaltigen Menge sehr ähnlicher Dinge etwas ganz Bestimmtes, Unauffälliges zu finden hoffen: Die Metapher steht für etwas, das - wenn überhaupt - nur sehr schwer zu finden ist - wie eben die berühmte Nadel - oder ein Unternehmen, das nur äußerst wenig Aussicht auf Erfolg hat, weil die Umstände so unmöglich sind, daß es von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.
Die Redensart geht auf das eher unbekannte Märchen der Gebrüder Grimm »Der gescheidte Hans« aus dem Jahre 1812 zurück: Dieser Hans - eigentlich ist er ziemlich dumm und wird nur aus Ironie so genannt - scheitert immer wieder an der unreflektiert wörtlichen Umsetzung einzelner guter Ratschläge. So bekommt unter anderem von seiner Verlobten Gretel eine Nadel geschenkt, die er im Heuwagen versteckt, statt sie (wie von der Mutter geraten) an den Ärmel zu stecken. Am Ende schließlich hat Hans nicht nur beträchtlichen Schaden angerichtet, sondern auch seine Gretel verloren.
Die Nase hoch tragen...heißt umgangssprachlich, hochmütig, eingebildet, arrogant zu sein: Die Wendung resultiert aus einer Körperhaltung gesellschaftlich vermeintlich höherstehender Personen, die dazu tendieren, den Kopf weiter zurückzuwerfen, als ihre niederen Begleiter. Ursprünglich dürfte diese in übertriebener Form auch beleidigend gemeinte Gestik daher rühren, daß solche Leute eher selten mit krummen Rücken über die Arbeit gebeugt waren und so ihre Nasen im wahrsten Wortsinne »hoch« trugen.
Die Nase im Wind haben...Leute, die einen »Riecher« für alles Aktuelle, Neue, Kommende haben - wie ein Tier, das über seine Witterung erfährt, was alsbald auf es zukommt.
Die Nase in ein Buch stecken...kann bildlich einer, der ein Buch liest oder auch fleißig lernt.
Die Nase vorn haben...wir umgangssprachlich, wenn wir bei einem Wettkampf der Erste sind, einen Sieg oder allgemein einen Erfolg erringen oder jedenfalls kurz davor stehen. Die Wendung beruht auf dem Bild eines Pferderennens: Auch wenn mehrere Pferde beinahe gleichzeitig ins Ziel kommen, kann nur eines gewonnen haben - das, das »die Nase vorn« hat.
Die Nase/Schnauze (gestrichen) voll haben...heißt, daß wir von etwas genug, es einfach satt haben, dessen überdrüssig sind, nichts mehr damit zu tun haben oder davon wissen wollen. Die Herkunft dieser Redensart ist unklar: Oft schwellen die Nasenschleimhäute allergisch an und sondern Schleim ab. Möglich wäre neben der Deutung von einem verschnupften und deswegen übellaunigen Menschen ebenso, daß jemand einige Schläge auf die Nase oder die Schnauze voll(gehauen) bekommen hat. Denkbar wäre auch, daß jemandem schlecht wird und er sich übergeben muß. Auch jener hat im wahrsten Sinne »die Schnauze voll«. Antike Künstler setzten die Mimik der Nase im Theater ein, um eine böse Person zu interpretieren, das hebräische Wort »nasus« drückt Zorn aus und auch Gerüche stellen eine wichtige Informationsquelle für uns dar. Unsere Vorfahren erschnüffelten mit der Nase noch, ob ihre Nahrung genießbar war. Und schließlich werden die Geruchsinformationen in einem Hirnareal verarbeitet, von dem auch unser Gedächtnis und die Gefühle gesteuert werden.
Die Neider sterben, nimmer stirbt der Neid...sagt ein altes, von Molière (1622-73) in die Literatur eingeführtes Sprichwort, das in seinem größten Erfolg »Le Tartuffe«, der Geschichte eines scheinheiligen, angeblich frommen Betrügers, der sich die Gunst seines Gönners, aber auch das Herz der Hausherrin erschleichen will, zu finden ist. Madame Pernelle, die Mutter von Orgon, dem Hausherrn, sagt hier im französischen Original: »Les envieux mourront, mais non jamais l'envie« (V, 3).
Die nötige Bettschwere haben...wir, wenn wir müde genug sind, um schlafen zu können. Dieses Synonym für »ins Bett gehen« ist etwa seit Ende des 19. Jahrhundert gebräuchlich und bezieht sich auf die vor Müdigkeit oder Trunkenheit schweren Augen und Glieder.
Die oberen Zehntausend...nennen wir für gewöhnlich Personen der begütertsten Gesellschaft, Prominente oder Menschen, die sich dafür halten, die selbsternannten »Eliten«:
Ursprung ist wohl die Übersetzung von »The upper ten thousand«, geprägt vom amerikanischen Journalisten Nathaniel Parker Willis (1807-67), der den Ausdruck in einem Artikel des New Yorker »Evening Mirror« vom 11.11.1844 auf die gesellschaftliche Oberschicht bezog, nachdem die Industrialisierung eine stattliche Anzahl von Reichen hatte entstehen lassen. Da heißt es: »At present there is no distinction among the upper tenthousand of the city« (Derzeit gibt es keine Unterscheidung zwischen den oberen Zehntausend der Stadt.).
Möglicherweise ist die Quelle auch in der Bibel zu suchen, wo es heißt: »Et transtulit omnem Hierusalem et universos principes et omnes fortes exercitus decem milia in captivitatem et omnem artificem et clusorem nihilque relictum est exceptis pauperibus populi terræ« - »Vnd füret weg das gantze Jerusalem, alle Obersten, alle Gewaltigen, zehen tausent gefangen vnd alle Zimmerleute vnd alle Schmide vnd lies nichts vbrig, denn gering volck des Lands« (2 Könige 24:14).
Darüber hinaus ist die Wendung übrigens auch der deutsche Titel des amerikanischen Films »High Society« von 1957 mit Bing Crosby, Grace Kelly und Frank Sinatra.
Die Ohren auf Durchzug stellen...heißt, das Gehörte geht zu einem Ohr hinein und gleich zum anderen wieder heraus, ohne erst lange im Gedächtnis haften zu bleiben - genau wie die Luft, die bei offenen Fenstern und Türen durch's Zimmer pfeift.
Die Ohren langziehen...heißt, daß wir jemanden ausschimpfen, scharf zurechtweisen und war einst eine durchaus wörtlich zu nehmende gängige Methode, vor allem Kinder zu bestrafen.
Die Pferde scheu machen...drückt bildlich aus, daß jemand grundlos für Unruhe und Aufregung sorgt: Pferde sind typische Fluchttiere, die einfach abhauen, wenn's ernst wird und nicht in einen Angriff übergehen. Sie sind ständig aufmerksam und besonders sensibel, sodaß sie oft schon beim geringsten Anzeichen von vermeintlicher Gefahr besonders aufgeregt und ängstlich reagieren.
Die Platte putzenDer Ausdruck für »schnellstens davonmachen« stammt aus dem Rotwelschen, das im Mittelalter vom fahrenden Volk und sogenannten »unehrlichen« Berufen gesprochen wurde. Grundlage waren hier das jiddische »p'lat« (Flucht) und »puz« (sich zerstreuen).
Die Platze ärgern...sich umgangssprachlich vor allem Norddeutsche, die ganz besonders heftig außer Fassung geraten, einen Gefühlsausbruch haben, vor Ärger »an die Decke gehen«. Ursprung ist eine Rückbildung von »platzen« aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Plebejer proben den Aufstand...wenn jemand sich mit scharfer Kritik oder einer dringlichen Forderung zu Wort meldet. Ursprung dieser Wendung ist das gleichnamige Theaterstück von Günter Grass (*1927), das sich mit Bertold Brechts (1898-1956) Haltung zu den Geschehnissen um den 17. Juni 1953 auseinandersetzt.
Die Preußen kommen...rufen wir gelegentlich erleichtert aus, wenn in einer schwierigen Lage, in der wir verzweifelt nach einer Lösung suchen, eine Verschnaufpause oder gar endlich dringend benötigte Hilfe von Dritten kommt. Preußen wird heute gern sehr einseitig auf ein erstarrtes Uniformwesen reduziert, all die »preußischen Tugenden« wie Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Fleiß, Pflichtbewußtsein, Pünktlichkeit, Sparsamkeit, Zuverlässigkeit und viele andere gelten nichts mehr. Dabei war dies nicht immer so: »Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen«, flehte der Oberbefehlshaber der britischen Truppen Arthur Wellesley (1769-1852), 1. Duke of Wellington, während der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 in Hoffnung auf preußische Unterstützung. Diese letzte Schlacht Napoléons steht für die Bedeutung des preußisch-friderizianischen Gedankengutes in ganz Europa und hinterließ uns - neben zahlreichen Reformen - diesen Stoßseufzer.
Die Puppen tanzen lassen...wir manchmal, wenn wir besonders in Feierlaune sind - gelegentlich auch, wenn sich jemand beschweren will. Die Wendung geht wohl auf das Marionettentheater zurück, wo der Spieler seine Figuren an Fäden bewegt. Auch hübsche junge Frauen im Variete und auf Tanzbühnen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin »Puppe« genannt.
Die Rache ist meinRache ist bereits in der Bibel ein großes Thema und bis heute wird das Bedürfnis danach als ganz normale menschliche Regung wahrgenommen. Wer wollte nicht verstehen, daß man es jemandem heimzahlen möchte, von dem man gekränkt, im Stich gelassen, enttäuscht, hintergangen wurde? Im Deuteronomium 32.35 heißt es dazu: »Mea est ultio et ego retribuam in tempore ut labatur pes eorum iuxta est dies perditionis et adesse festinant tempora«. - »Die Rache ist mein; Jch wil vergelten. Zu seiner zeit sol jr fuss gleitten; Denn die zeit jres vnglücks ist nahe vnd jr künfftiges eilete erzu«.
Die Radieschen von unten ankuckenDieses Synonym für »tot und begraben sein« dürfte sich ursprünglich einst auf den grünen Rasen bezogen haben, der Generationen unserer Ahnen bedeckt. Im 16. Jahrhundert kam das Radieschen - vom lateinischen »radix« (Wurzel) - als Gemüsepflanze aus Nordfrankreich nach Deutschland. Irgendwann wandelte sich die Redensart zu dieser oft zynisch angewandten Verballhornung.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff...sagen wir, wenn sich jemand aus einem Geschäft zurückzieht, das nicht mehr gutgehen, er nicht mehr gewinnen kann. Nach altem Seemannsglauben verlassen Ratten bei einem drohenden Schiffsuntergang oft bereits Tage vorher das Schiff. Sobald die Tiere eine Katastrophe wie eindringendes Wasser oder beispielsweise eine Vergiftung oder ein Feuer im Laderaum wittern, die ein Überleben an Bord unmöglich macht, kommen sie an Deck und versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Allein auf hoher See schwimmend sind die Nager allerdings genauso verloren, wie wenn sie mitsamt der Besatzung und dem Schiff untergehen.
Die Rechnung ohne den Wirt machen...Leute, die etwas übersehen oder ignorieren, die ohne Einverständnis eines wichtigen Beteiligten handeln: Wir können oft mit etwas scheitern, weil wir etwas Wichtiges übersehen haben, uns ganz einfach täuschen, nicht die Folgen bedenken. Die Redewendung aus dem 16. Jahrhundert bezog sich ursprünglich auf den Zecher, der im Wirtshaus irgendwann den Überblick verloren hatte. Die tatsächliche Rechnung des Wirts fiel dann häufig viel höher aus, als er erwartet hätte.
Die Reißleine ziehenEntwickelt sich eine Sache nicht so, wie wir es gerne hätten, wird es vielleicht sogar gefährlich, müssen wir das Projekt schleunigst beenden - wir »ziehen die Reißleine«, um einem unheilvollen Vorgang im letzten Augenblick eine positive Wendung zu geben oder ihn wenigstens anzuhalten. Die Redensart kommt vom Fallschirmspringen: Mittels Reißleine läßt sich der Fallschirm manuell öffnen, man zieht mit ihr einen Hilfsschirm heraus, der dann seinerseits den Hauptschirm öffnet. Auch bei größeren Maschinen und Anlagen gibt es Reißleinen. Das sind Seilzugnotschalter, um aus Entfernungen von bis zu 50m die Technik im Gefahrenfall in den Not-Aus-Zustand zu bringen.
Die Rosinen aus dem Kuchen picken...sich Leute, die sich nur die besten Teile von einer Sache nehmen und den anderen die eher wertlosen Reste übriglassen. In früheren Zeiten war ein Rosinenkuchen etwas ganz Besonderes, das man sich nur an hohen Festtagen leistete. Die getrockneten Weinbeeren wurden schon bei den alten Römern bei manch Gelage verzehrt und auch als Belohnung für Athleten oder Währung für Tauschgeschäfte benutzt. Das Bild dieser vorteilhaften Selektion ist erst seit ca. 1950 gebräuchlich, aber bereits im 19. Jahrhundert - auch in der Form »Rosinen aus dem Lebenskuchen pulen« - belegt.
Die Sache hat einen HakenÄußerlich scheint etwas perfekt zu funktionieren. Aber bei näherem Hinsehen merken wir, daß dem doch nicht ganz so ist: Diese Wendung geht auf den Angelhaken zurück. Der Fisch sieht natürlich zunächst nur den lecker Wurm - also den Vorteil. Und schon hängt er rettungslos am Haken und muß mit den Nachteilen kämpfen...
Die Sau rauslassen...heißt, sich mal so richtig austoben, hemmungslos gehenlassen, ordentlich auf den Putz hauen, aber auch ohne die gewohnte Selbstdisziplin und Mäßigung durch Derbheit oder Unanständigkeit auffallen. Zur Herkunft gibt es wie so oft mannigfache Deutungen: Bei einem mittelalterlichen Kartenspiel wurde eine Karte mit besonders hohem Wert als »Daus« oder »Sau« bezeichnet. Wer sie ausspielte, ließ »die Sau raus«. Andere meinen, in einer durchzechten Nacht hätten Studenten auf dem Heimweg alle Schweineställe, an denen sie vorbeikamen, geöffnet und so wortwörtlich für diese Redewendung gesorgt. Eine weitere Erklärung: Im Mittelalter wurde jeglicher Abfall einfach vor die Tür geworfen und hin und wieder »die Sau rausgelassen«, die bekanntlich (fast) alles frißt und so für Ordnung sorgt.
Die Schau stehlenDieser Ausdruck kommt aus der Welt des Theaters: Wer sich auf der Bühne durch übermäßigen Einsatz so in den Vordergrund spielt, daß er einem anderen den Applaus raubt, stiehlt ihm die Schau.
Die Schlagzahl erhöhen...wir hin und wieder auf ausdrücklichen Wunsch unserer Chefs: Sie möchten einfach, daß wir immer schneller und schneller arbeiten. Die Wendung kommt ursprünglich aus dem Rudersport und bezeichnet die Zahl der Ruderschläge pro Minute. Der Steuermann sagt diese Schlagzahl je nach Situation an, besonders am Anfang der Strecke und beim Endspurt müssen die Ruderer schneller werden, die Schlagzahl also erhöhen.
Die Schotten dichtmachenDer Tag ist zuende, die Arbeit getan, wir schließen ab - machen »die Schotten dicht«: Schiffsrümpfe sind in wasserdichte Abteilungen, sog. »Schotten« untergliedert, die im Notfall verschlossen, also abgedichtet werden können. Dadurch kann sich ein Schiff auch bei Wassereintritt in einigen Abteilungen normalerweise problemlos über Wasser halten.
Die Seele baumeln lassenDieser Spruch, wenn man es sich gutgehen läßt und Körper und Geist im Einklang sind, stammt von Kurt Tucholsky (1890-1935). Er erzählt 1931 in seiner Liebesgeschichte »Schloß Gripsholm«, der Ich-Erzähler und seine Freundin Lydia »lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele«.
Die Segel streichen...bedeutet, daß wir eine Sache beenden, ein für allemal aufgeben und uns für besiegt erklären - wie weiland ein Schiff, das sich dem Feinde ergab: Das Einholen oder »Streichen« der Segel im Verlaufe einer Seeschlacht war einst Zeichen für die Kapitulation. Ohne den Antrieb durch den Wind war das Schiff der Gnade des Gegners auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Bereits im 16. Jahrhundert findet sich in der Hildesheimer Chronik des weitgereisten katholischen Dechanten Johann Oldecop (1493-1574) der Satz: »De Engelschen streken ere segeln«.
Die Sonne bringt es an den TagAuf Dauer können wir in unserem Leben nichts verheimlichen und verbergen, irgendwann kommt der Tag, da wir all unsere Mysterien offenlegen und bekanntmachen müssen: Unbekanntes wird oft als »dunkles Geheimnis« dargestellt, Bekanntes als im Licht des Tages oder der Sonne gesehen. In einem Gedicht von Adalbert von Chamisso (1781-1838) wird ein Meister Nikolas durch die Strahlen der Sonne an ein Verbrechen erinnert, das er einst beging. Er beichtet die Tat seiner neugierigen Frau, die das Geheimnis aber preisgibt:
»Die Raben ziehen krächzend zumal
nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
Wen flechten sie auf das Rad zur Stund?
Was hat er getan? Wie ward es kund?
Die Sonne bracht es an den Tag«.
Das vermittelte Bild ist wesentlich älter und schon in der Bibel angelegt: »Non enim est occultum quod non manifestetur nec absconditum quod non cognoscatur et in palam veniat« - »Denn es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, Auch nichts heimlichs, das nicht kund werde, vnd an tag kome«. (Lukas 8.17) oder auch: »Quoniam quæ in tenebris dixistis in lumine dicentur et quod in aurem locuti estis in cubiculis prædicabitur in tectis« - »Darumb was jr im finsternis saget, das wird man im Liecht hoeren, Was jr redet ins ohr, in den Kamern, das wird man auff den Dechern predigen«. (Lk. 12.3).
Die spinnen die Römer...ruft der wohlbeleibte Comic-Held Obelix öfters mal aus, seit er in Heft 13 »Asterix und der Kupferkessel« (1969) auf der Theaterbühne von Condate sagen sollte, was ihm spontan durch den Kopf geht. Comicfans vermuten, daß hier das römische Signum S.P.Q.R. (Senatus Populusque Romanus - Senat und Volk von Rom) umgedeutet wurde in: »Sono Pazzi Questi Romani«.
Die Spreu vom Weizen trennen...wir übertragen, wenn wir Wertloses von Wertvollem, Schlechtes von Gutem trennen. Nahe am ruralen Alltag taucht der Satz schon im Neuen Testament aus dem Munde Johannes des Täufers auf: »Cuius ventilabrum in manu sua et permundabit aream suam et congregabit triticum suum in horreum paleas autem conburet igni inextinguibili sinite utraque crescere usque ad messem et in tempore messis dicam messoribus colligite primum cicania et alligate ea fasciculos ad conburendum triticum autem congregate in horreum meum« - »Vnd er hat seine Worffschauffeln in der hand, Er wird seine Tenne fegen, vnd den Weitzen in seine Schewnen samlen, Aber die Sprew wird er verbrennen mit ewigem Fewr«. (Matthäus 3.12). Über Jahrtausende war das wohl der wichtigste Sortiervorgang, den die Menschen erlebten. Gott wird zum penibel arbeitenden Bauern, der Gut und Böse trennt. Das ist beileibe keine pittoresk- rustikale Szenerie: Gleich mehrfach ist in dem Kapitel vom Feuer die Rede. Bäume werden abgehauen und verbrannt, auch der Heilige Geist tauft mit Feuer. Bei der Spreu zu landen, kann - soviel ist klar - unangenehm werden.
Die Stange haltenAls einst noch Ritterturniere stattfanden, achtete der Grieswart oder Stängler auf die Einhaltung der Turnierregeln. Seine Aufgabe: In dem Moment, da ein Kämpfer gefallen war, schützend eine Stange über ihn zu halten, oder damit allzugroße Hitzköpfe voneinander zu trennen. Im Landrecht des »Schwabenspiegels« gab es den Passus: »Ir ietwederm sol der rihter einen man geben, der ein Stange trage, die soll der über den haben, der da gevellet«. Wer »die Stange begehrte«, wollte aufgeben. Ähnliches kennen wir heute im Boxsport, bei dem zum Abbruch das Handtuch geworfen wird. So ist aus dieser Handlung die Redensart geworden, wenn man sich für einen Menschen einsetzt oder ihn in Schutz nimmt.
Die Sterne lügen nicht...behaupten zuweilen eifrige Leser von Zeitungshoroskopen und mancher läßt sich gar von den dort gemachten »Vorhersagen« beeinflussen und leiten. Immerhin: Die Chance, daß die gemachten Versprechungen tatsächlich eintreffen, liegt bei 50 % - eine Quote, die man nicht überall erreicht. Ursprünglich geht die Redewendung auf Friedrich von Schillers (1759-1805) Tragödie »Wallensteins Tod« aus dem Jahre 1799 zurück: Wallenstein glaubt seinen Freund Octavio Piccolomini, von den Sternen für ihn bestimmt, auf seiner Seite, doch der schließt einen Bund mit Isolani, dem General der Kroaten. Wallenstein erfährt von dem Verrat und ist enttäuscht:
»Die Sterne lügen nicht, das aber ist
Geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.
Die Kunst ist redlich, doch dies falsche Herz
Bringt Lug und Trug in den wahrhaft'gen Himmel.
Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrsagung;
Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket,
Da irret alle Wissenschaft. War es
Ein Aberglaube, menschliche Gestalt
Durch keinen solchen Argwohn zu entehren,
O nimmer schäm ich dieser Schwachheit mich!
Religion ist in der Tiere Trieb,
Es trinkt der Wilde selbst nicht mit dem Opfer,
Dem er das Schwert will in den Busen stoßen.
Das war kein Heldenstück, Octavio!
Nicht deine Klugheit siegte über meine,
Dein schlechtes Herz hat über mein gerades
Den schändlichen Triumph davongetragen.
Kein Schild fing deinen Mordstreich auf, du führtest
Ihn ruchlos auf die unbeschützte Brust,
Ein Kind nur bin ich gegen solche Waffen«.
(Dritter Aufzug, Neunter Auftritt)
Die Stimme seines Herrn...geht auf eines der bekanntesten Firmenlogos der Welt, das Markenzeichen der »Deutsche Grammophon« zurück: Auf deren Schellackplatten war ab 1899 unter dem Schriftzug »His Master's Voice« der weiße Terrier-Mischling »Nipper« abgebildet, der erstaunt am Grammophontrichter eines Edison-Phonographen lauscht. Das Bild hatte sein Herrchen, der englische Maler Francis James Barraud (1856-1924) gemalt.
Bild: wikimedia.org
Die Stirn bieten...wir gelegentlich einem, dem wir in einer lautstarken Auseinandersetzung mutig widersprechen, die eigene Meinung vertreten. Das kommt daher, daß wir uns nicht vor der höhergestellten Person verbeugen, sondern ihr direkt ins Gesicht schauen. So etwas mag zwar möglicherweise als Unhöflichkeit aufgefaßt werden - zeugt aber von Selbstbewußtsein und Kampfgeist. Auch Ziegenböcke oder brunftige Hirsche stehen sich kurz vor einem Kampf Stirn an Stirn gegenüber.
Die Strafe folgt auf dem Fuße...hoffen wir, wenn eine Missetat unmittelbar, unverzüglich geahndet werden soll. Vermutlich kommt diese Wendung ursprünglich von der »Fußspur, Fährte« (lat. vestigium) auf der wir einst »vestigiis persequi aliquem« - jemandem auf dem Fuße folgten, in seine »Fußstapfen« traten. Schon in der Bibel heißt es dazu: »Vestigia eius secutus est pes meus viam eius custodivi et non declinavi ex ea« - »Denn ich setze meinen fuss auff seiner ban vnd halte seinen weg vnd weiche nicht ab« (Hiob 23:11).
Die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hatEin Problem, das man selbst verursacht hat, muß man auch selbst lösen, dafür einstehen: Die Suppe geht auf das westgermanische »suppj« - ursprünglich »eingebrocktes Brot« zurück. Das Wort wurde wohl schon um 600 ins Romanische entlehnt, das altfranzösische »soupe« ist im 13. Jahrhundert nachgewiesen, auf gut mittelniederdeutsch sagte man »supen« - »mit dem Löffel essen«. Früher aß man viel häufiger als heute Suppe und dazu Brot, das sich jeder selbst nach Gusto hineinbrockte - Brocken davon abriß und in die Brühe warf. Jeder richtete sich also selbst seine Suppe mit Brot an, die er dann auch selbst aufaß. Schon der römische Komödiendichter Publius Terentius Afer (um 195-159 a.C.) schrieb in »Phormio« (2, 2): »Tute hoc intristi, tibi omne est exedendum - Du hast es eingerührt, du mußt es auslöffeln«.
Die Suppe versalzen...wir jemandem, dem wir etwas verderben, verleiden, madig machen, dem wir schaden oder seine Pläne vereiteln wollen: Suppen und Eintöpfe hatten einst eine ungleich größere Bedeutung als heute, Fleisch kam - so überhaupt - nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch. Arme Leute, die sich damit begnügen mußten, hatten freilich auch nicht das Geld, sich kostbare Gewürze zu leisten, selbst Salz war früher sehr wertvoll. Um so schlimmer war es natürlich, wenn die karge Mahlzeit ausgerechnet durch eine Überdosis des raren »weißen Goldes« ungenießbar wurde.
Die Tafel aufhebenWir feiern ein Fest, sind fertig mit dem Essen, der Gastgeber »hebt die Tafel auf«: Im Mittelalter reichten für große Gesellschaften oft selbst die größten Tische nicht aus. Also legte man einfach türgroße Holzplatten auf Gestelle, die nach dem Essen mitsamt dem Geschirr und den Essensresten »aufgehoben« und abgebaut oder in die Küche getragen und durch eine schon fertig gedeckte neue Tafel ersetzt wurden.
Die Tour vermasseln...bedeutet, jemanden an der Ausführung eines Plans zu hindern, ihm sein Glück zunichte machen. Das französische Wort »tour« (Reise) stand in der Gaunersprache Rotwelsch für den Trick, den Betrug, die Masche - sozusagen der krumme Weg, sich Geld zu beschaffen. »Vermasseln« hat seinen Ursprung im jiddischen mazl (Gestirn, Glücksstern)‚ was im Rotwelschen zu massel (Glück) wurde.
Die Treppe hinauffallen...kann sprichwörtlich jemand, der - oft im negativen Sinne - mit viel beruflichem Glück oder dem berühmten »Vitamin B« (wie Beziehungen) die »Karriereleiter« rasant hinaufsteigt, ohne wirklich etwas dafür geleistet zu haben.
Die üblichen Verdächtigen...steht meist als Synonym für den gewohnten Bekanntenkreis. Das Zitat stammt aus Michael Curtiz' romantischem Melodram »Casablanca« (1942) mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman in den Hauptrollen: Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen des 2. Weltkrieges erschießt Barbesitzer Rick Blaine den Nazi-Major Strasser. Polizeikapitän Renault zeigt mit der Weisung: »Verhaften sie die üblichen Verdächtigen!« deutlich sein Desinteresse an der Aufklärung bestimmter Straftaten und läßt Blaine laufen.
Noch bekannter wurde der Ausdruck durch den gleichnamigen Film von 1995 mit Kevin Spacey.
Die Unschuld vom LandeJemand, der besonders unerfahren und naiv ist, oder jedenfalls so tut. An diese Deutung hatte Friedrich von Schiller (1759-1805) wohl nicht gedacht, als er sein Drama »Wilhelm Tell« schrieb. Nachdem Landvogt Gessler, von Tells Pfeil tödlich getroffen, niedersinkt, ruft Tell:
»Du kennst den Schützen, suche keinen andern!
Frei sind die Hütten,
sicher ist die Unschuld vor dir.
Du wirst dem Lande nicht mehr schaden«.
Die Wände haben Ohren...wenn wir belauscht werden oder der Raum ob besonders dünner Wände sehr hellhörig ist.
Diese Beschreibung für den »Großen Lauschangriff« geht wohl auf das »Ohr des Dionysos« in Syrakus/Sizilien zurück: In der riesigen künstlich geschaffenen Höhle im Steinbruch Latomia del Paradiso hielt der Tyrann der Sage nach seine Feinde gefangen und konnte sie dank der phänomenalen Akustik von einem hoch gelegenen Platz aus hervorragend belauschen.
Andere sehen den Ursprung in Frankreich: Caterina Maria Romula de Medici (1519-89) - durch Heirat mit Heinrich II. ab 1547 Königin von Frankreich - ließ in die Wände des Louvre Horchkanäle einbauen, um zu hören, was man über sie sprach. Dadurch soll sie mehreren Mordanschlägen entgangen sein.
Die Wände hochgehen...möchten wir manchmal wutentbrannt, wir könnten glatt vor Ärger »an die Decke gehen«. Trotz solcher Wutausbrüche bleibt der Mensch aber auch bei den ganz großen Emotionen meistens »auf dem Teppich«. Schließlich können wir - anders als ein Gecko, der mühelos an Mauern emporklettert und sich kopfüber sogar an Glasflächen festhalten kann - uns noch so sehr ärgern: Da die glatten Wände nicht den Halt bieten, den wir in dieser Situation bräuchten, ist es uns schlicht unmöglich, sie zu erklimmen. Vielleicht bringt uns ja gerade das so »auf die Palme«.
Die Waffen strecken...wir umgangssprachlich, wenn wir einen Rückzieher machen, kapitulieren, uns dem Feind ergeben. Als man einst noch »Mann gegen Mann« kämpfte, mußte sich einer der beiden Kontrahenten zwangsläufig irgendwann geschlagen geben. Zum Zeichen der Aufgabe »streckte« er seine Waffen dem obsiegenden Gegner entgegen, damit dieser sie ihm abnehmen konnte.
Die Wahrheit gepachtet...haben umgangssprachlich Leute, die stets einen Anspruch darauf erheben, immer und überall Recht zu haben, ständig meinen, sie allein täten das jeweils Richtige. Ein Pachtvertrag sichert dem Pächter nicht nur den Gebrauch, sondern auch den Ertrag aus einer Sache zu, man will also aus seinen eigenen Behauptungen den größtmöglichen Nutzen ziehen. Manche Menschen unterliegen der irrigen Illusion, ein Leben ohne Lüge zu führen, sind in ihrer ganz eigenen Auslegung der Wirklichkeit prädestiniert dafür - auch nicht im Mindesten ahnend, daß es »die Wahrheit« ohnehin nicht gibt und sie selbst die letzten wären, die sie erkennen könnten.
Die Wege des Herrn sind unergründlich...deklamieren wir doppeldeutig aus dem Neuen Testament, wenn der Vorgesetzte mal wieder nicht aufzutreiben ist. Auch wenn uns unser Leben voller Rätsel und nicht so ganz einsichtig erscheint, wird nur allzuoft auf den Römerbrief Bezug genommen. In seinem Seelsorgerbrief an die Urchristen macht der Apostel Paulus den bedrängten und verfolgten Menschen Mut: »O altitudo divitiarum sapientiæ et scientiæ Dei quam inconprehensibilia sunt iudicia eius et investigabiles viæ eius« - »O Welch ein tieffe des Reichthums, beide der weisheit vnd erkentnis Gottes, Wie gar vnbegreifflich sind seine gerichte, vnd vnerforschlich seine wege«. (Römer 11.33) Paulus weiß, daß Gott seine Entschlüsse aus sich selbst heraus trifft. Einen Ratgeber braucht er dazu nicht.
Die Weisheit mit Löffeln gefressen...hat umgangssprachlich jemand, der sich für unheimlich klug hält und meint, etwas besonders gut zu können oder außerordentlich erfahren auf einem Gebiet zu sein. Diese Wendung gilt gemeinhin nicht eben als Kompliment - eher verspottet man einen »Scheinklugen«, der in Wirklichkeit keine Ahnung hat, aber selbst das nicht weiß. Dahinter steht die Identifikation von Wissen und Nahrung: Freilich kann man ein Buch auch einfach »verschlingen«, aber die Weisheit als höchste Steigerung des Wissens braucht mehr Zeit und bessere Instrumente als einen einfachen Löffel, mit dem man mal eben rasch etwas in sich hineinschaufelt.
Der österreichische Aphoristiker Ernst Ferstl hat diese Metapher in seinen »Lebensspuren« sehr schön interpretiert: »Manche Leute glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Dabei waren es in Wirklichkeit nur Buchstabensuppen«. Ursprünglich geht der Spruch wohl auf den Gießener Pastor und Satiriker Johann Balthasar Schupp (1610-61) zurück, der in einer seiner Streitschriften schrieb: »...ihr bildet euch oftmals ein, ihr grosze reiche und gewaltige leut ihr habt Salomons weiszheit mit löffeln gefressen«. Damit meinte er die Weisheit des biblischen Königs - bekannt durch das »Salomonische Urteil« - die seiner Meinung nach den Mächtigen fehlte.
Die Welt als Wille und VorstellungWird oft gebraucht, wenn jemand realitätsfern die Welt nur nach seinen Wunschträumen denkt. Damit wird das 1819 erschienene Hauptwerk des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) zitiert, der darin einen einzigen Gedanken abhandelt: Der Wille ist ein nicht zu befriedigender Daseinsdrang, aus dem das Leiden des Menschen erwächst, denn der Wille erzeugt ständig neue Bedürfnisse, die letztendlich nicht befriedigt werden können.
Die Welt aus den Angeln hebenGründet in den Überlegungen zu den Hebelgesetzen des altgriechischen Mathematikers und Physikers Archimedes (um 287-212 a.C.), der meinte: »Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde«. Es bedürfte nur eines festen Punktes im Weltall, die Welt aus den Angeln zu heben.
Die Welt ist ein Dorf...sagen wir manchmal scherzhaft, wenn wir mit eigentlich wildfremden Menschen ins Gespräch kommen und plötzlich Berührungspunkte oder gemeinsame Freunde entdecken oder im fernen Urlaubsparadies ausgerechnet unseren Nachbarn begegnen. Soll das alles Zufall sein?
Die Welt liegt im ArgenWird häufig zitiert, wenn herrschende Zustände beklagt oder Unzulänglichkeiten menschlichen Handelns herausgestellt werden sollen. Der Ausspruch aus der Bibel bezieht sich auf den »Glauben, der die Welt überwindet«. Im ersten Johannesbrief 5.19 heißt es: »Scimus quoniam ex Deo sumus et mundus totus in maligno positus est«. - »Wir wissen, das wir von Gott sind. Vnd die gantze Welt ligt im argen«.
Die Werbetrommel rührenDiese Redensart stammt bereits aus dem 17. Jahrhundert: Damals trugen die Anwerber von Freiwilligen für den Kriegsdienst eine Trommel, die sie rührten (schlugen), um auf sich - respektive ihre Botschaft - aufmerksam zu machen.
Die Wissenschaft hat festgestellt, daß Marmelade Fett enthältDrum essen wir auf jeder Reise
Marmelade eimerweise.
Marmelade, Marmelade,
Die essen wir alle so gern.
...heißt es in einem alten Kinderlied, das unter anderem in »Der Zündschlüssel - Ein Liederbuch für unterwegs« anno 1958 oder in »Die Mundorgel« 1968 veröffentlicht wurde. In weiteren Strophen stellt die Wissenschaft noch fest, daß Knackwurst Pferdefleisch, Coca-Cola Schnaps, Zigaretten Heu und Stanniol Schokolade enthalte - nahezu unendlich ausdehnbar in freier Improvisation.
Von so erstaunlich lebensnaher Forschung weiß wohl jeder ein Lied zu singen: Immer wenn mal wieder »schlechte Zeiten« anstehen, verkünden Wissenschaftler fundierte »Studien«, daß der Staat trotz Knappheit grundlegender Rohstoffe dennoch in der Lage sei, die Bürger ausreichend mit allem Nötigen zu versorgen. Vermutlich in der Nachkriegszeit wurde so allen Ernstes festgestellt, daß Marmelade Fett enthalte - andere Epochen bergen halt andere Erkenntnisse...
Die Worte aus dem Munde nehmen...wir jemandem, wenn wir genau dasselbe sagen, was dem anderen auch gerade »auf der Zunge lag«, was er eben gedacht hat und aussprechen wollte.
Die Worte in den Mund legen...wir jemandem, den wir auf eine ganz bestimmte Aussage hinlenken, dem wir zu verstehen geben, was er zu sagen hat oder auch jemandem, dem wir ein Zitat zuschreiben. Die Wendung geht auf die Bibel zurück: »Loquere ad eum et pone verba mea in ore eius ego ero in ore tuo et in ore illius et ostendam vobis quid agere debeatis« - »Du solt zu jm reden vnd die wort in seinen mund legen. Vnd ich wil mit deinem vnd seinem Munde sein vnd euch leren was jr thun solt« sagt Moses im Exodus 4:15.
Die Würmer aus der Nase ziehen...muß man umgangssprachlich jemandem, der sehr maulfaul ist. Das Sinnbild dafür, jemanden ein Geheimnis zu entlocken, kommt aus dem 17. Jahrhundert: Damals gab es eine etwas eigenwillige Erklärung für Wahnsinn und Depression - sogenannte Kopfwürmer! Man ging davon aus, daß das »Schlechte« im Menschen, besonders krankmachende Dämonen, in Form eines Wurmes in dessen Kopf wohne. Allerhand Quacksalber beschäftigten sich damit, diese Würmer den Leuten - natürlich gegen entsprechendes Entgelt - mit einer Zange »aus der Nase zu ziehen«. Über diese »Wurmschneider« schreibt Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in der Dichtung »Hans Sachsens poetische Sendung«:
»...bespottet eines jeden (Narren) fürm,
treibt sie ins Bad, schneid't ihnen die Würm'
und führt gar bitter viel Beschwerden,
daß ihrer doch gar nicht wollen wen'ger werden.«
Die Wurzel allen ÜbelsIm Neuen Testament, 1 Timotheus 6.10 heißt es: »Radix enim omnium malorum est cupiditas quam quidam appetentes erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis«. - »Denn Geitz ist eine wurtzel alles vbels; Welches hat etliche gelüstet vnd sind vom glauben jrre gegangen vnd machen jnen selbs viel Schmertzen«.
Die Zähne zusammenbeißen...muß, wer etwas Unangenehmes wie Schmerzen ertragen, sich zusammennehmen, beherrschen, überwinden muß. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Wer einst in den Kampf gegen ein Tier oder einen Gegner zog, biß die Zähne zusammen, weil so der Unterkiefer nicht so leicht ausgerenkt werden kann.
Die Zeche zahlen...müssen Leute, die gezwungen werden, die - meist unangenehmen - Folgen für etwas zu tragen: Ursprünglich war die »Zeche« eine »Gesellschaft« oder »Zunft«, wie wir sie heute noch bei den Bergmännern kennen. Das Wort geht auf das altdeutsche »zehha« zurück, was für einen gemeinsamen Beitrag stand. Daraus entwickelte sich das mittelhochdeutsche »zeche«, was auch eine Vereinigung zu gemeinsamen Zwecken wie z. B. dem Betrieb eines genossenschaftlichen Bergwerks bedeuten konnte. Als Homonym - das gleiche Wort hat unterschiedliche Bedeutungen - für den Geldbetrag, den man dem Wirt schuldig ist, ist die »Zeche« erst im 15. Jahrhundert bekannt.
Die Zeit heilt alle WundenMit etwas Abstand von einem Geschehen und mit neuen Eindrücken und Lebensumständen ist vieles leichter zu ertragen. Das Sprichwort geht auf Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.) zurück, der einst sagte: »Nullus dolor est, quem non longinquitas temporis minuat et molliat« (Es gibt keinen Schmerz, der nicht im Laufe der Zeit sich vermindert und abmildert). Auch Publius Terentius Afer (um 195-158 a.C.) äußerte sich in diesem Sinne: »Vulgo audio dici, diem adimere aegritudinem hominibus« (Allgemein höre ich sagen, die Zeit nehme die Betrübnis den Menschen).
Die Zeit steht nicht stillDie Metapher vom »Dahinfließen« der »Verrinnen« der Zeit, das schnelle Verfliegen eines Moments, geht wohl auf altägyptische Wasser- und Sanduhren - ein Attribut des Todes - zurück. Schon bei Publius Vergilius Maro (70-19 a.C.) finden wir in der »Georgica« das Zitat: »Sed fugit interea, fugit irreparabile tempus« (Doch unterdessen entflieht die Zeit, flieht unwiederbringlich).
Die Zunge im Zaume halten...heißt, nichts Unbedachtes sagen, sich beherrschen, die eigene Meinung unterdrücken und sehr überlegt reden. »Linguam diligentissime continere« geht natürlich auf das Zaumzeug zurück, mit dem Reit- und Zugtiere geführt und gelenkt werden. Schon Jakobus referiert im Neuen Testament über »Die Macht der Zunge«: »Si autem equorum frenos in ora mittimus ad consentiendum nobis et omne corpus illorum circumferimus. (...) ita et lingua modicum quidem membrum est et magna exultat ecce quantus ignis quam magnam silvam incendit et lingua ignis est universitas iniquitatis lingua constituitur in membris nostris quæ maculat totum corpus et inflammat rotam nativitatis nostræ inflammata a gehenna« - »Sihe, die Pferde halten wir in zeumen, das sie vns gehorchen, vnd lencken den gantzen leib. (...) Also ist auch die Zunge ein klein glied, vnd richtet gros ding an. Sjhe ein klein Fewer, welch ein wald zuendets an? Vnd die zunge ist auch ein fewer, eine Welt vol vngerechtigkeit. Also ist die zunge vnter vnsern gliedern, vnd befleckt den gantzen Leib, vnd zuendet an allen vnsern wandel, wenn sie von der Helle entzuendet ist« (Jakobusbrief 3.3 - 5/6)
Diebische ElsterDie hochintelligenten Vögel stehen seit dem Mittelalter im Ruf, diebisch zu sein und den Menschen silbrigglänzende Dinge zu stehlen. Wahr ist, daß die Elster, wenn sie bei der Futtersuche solche Dinge findet, diese gern untersucht und ggf. einzeln versteckt. Ungewöhnliche Selbstironie zeigten die deutschen Finanzbehörden, als sie ihre internetbasierte Steuererklärungssoftware »ELektronischeSTeuerERklärung nannten.
Dienst nach Vorschrift...machen Beschäftigte, die ausschließlich die für sie geltenden Anweisungen strikt umsetzen, auf jegliche Eigeninitiative jedoch völlig verzichten. Gesetze und Vorschriften sind fast immer bewußt unsinnig und unverständlich formuliert, um eine oft diametrale Auslegung zu ermöglichen. Dadurch werden einerseits zwar pro forma gewisse Rechte eingeräumt, andererseits hat man durch eine willkürliche Interpretation aber meist keinerlei Chance, diese auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Dieser Spielraum wird in hierarchisch geordneten Systemen, gern bei Beamten, für die keine Möglichkeit des legalen Streiks besteht, die aber einer Vielzahl von Vorschriften unterliegen, deren Einhaltung betrieblichen Erfordernissen oft entgegensteht, bis an die Grenzen ausgereizt.
Dienstbare Geister...sind unsere Helfer, Diener, das Hauspersonal, die Betreuer, selbst Roboter, die uns lästige Arbeit abnehmen. Der Ausdruck stammt aus dem Neuen Testament der Bibel. Im Brief an die Hebräer (1:14) steht über die Rolle der Engel: »Nonne omnes sunt administratorii spiritus in ministerium missi propter eos qui hereditatem capient salutis« - »Sind sie nicht alle zu mal dienstbare Geister, ausgesand zum Dienst vmb der willen, die ererben sollen die Seligkeit«?
Dieses war der erste Streich...kommentieren wir hocherfreut eine gelungene Aktion, mit »doch der zweite folgt sogleich« gehen wir hoffnungsvoll gleich in eine nächste. Diese Wendung stammt natürlich aus »Max und Moritz - Eine Bubengeschichte in sieben Streichen«, dem wohl berühmtesten Werk von Wilhelm Busch (1832-1908), das am 4. April 1865 erstmals veröffentlicht wurde. In diesem »Ersten Streich« bereiten die beiden wilden Knaben den Hühnern der Witwe Bolte ein qualvolles Ende, indem sie ihnen an Schnüre gebundene Brotstücke zu fressen geben, worauf die Tiere mit denselben an einem Baumast hängenbleiben. In entsprechender Weise werden auch alle folgenden Streiche miteinander verbunden, bis die beiden Bösewichter schließlich zermahlen und von des Müllers Federvieh aufgefressen werden.
Max und Moritz
Bild: wikimedia.org
Dietrich...nennen wir gemeinhin ein Werkzeug zum zerstörungsfreien Öffnen von bestimmten Schlössern. Der Name, der sich natürlich von dem männlichen Vornamen (ahdt. »diot« [Volk] und kelt. »rix« [vgl. lat. »rex« - König]) ableitet, ist schon etwa seit 1400 (um 1600 gar als »Dietz«) laut Grimm eine scherzhafte Übertragung, analog zu beispielsweise »Jenny« bzw. dem engl. »James«, dessen Koseform »Jimmy« auch »Brecheisen« bedeutet, oder »Heinz« dem Stiefelknecht.
DigitalDie meisten Zahlensysteme haben sich aus der Tatsache ergeben, daß der Mensch zehn Finger besitzt. Wir tragen dieser Tatsache immernoch Rechnung, wenn wir uns auf das Digitalsystem beziehen und daran denken, daß »Finger« im Lateinischen »digitus« heißt.
Dihydrogenmonoxid...ist unter anderem ein Hauptbestandteil von saurem Regen, trägt zur Bodenerosion und zum Treibhauseffekt bei, beschleunigt Korrosion, bewirkt schwere Gewebeschäden, kann beim Einatmen schon in kleinen Mengen zum Tode führen, im gasförmigen Zustand schwere Verbrennungen hervorrufen und bei Süchtigen führt ein Entzug innerhalb von 168 Stunden zum sicheren Tod. Dennoch wird es in der Industrie nach wie vor als konkurrenzlos billiges Universallösungsmittel genutzt, obwohl Jahr für Jahr hunderte Todesfälle nachgewiesen werden. Ungeachtet dieser schwerwiegenden Gefahren halten Regierung und Konzerne dennoch am weitverbreiteten Einsatz von WASSER fest.
Der chemisch korrekte, aber scherzhaft-irreführende Begriff wurde 1989 auf dem Campus der Universität von Kalifornien in Santa Cruz geprägt, um Ängste vor Chemikalien zu karikieren - bis heute finden sich immer wieder unzählige Leute, die aufgrund der »Gefährlichkeit« dieser Substanz mit der fremdartigen Bezeichnung ein Verbot von »H2O« fordern.
DilettantWir benutzen diesen Begriff als Synonym für einen »Stümper«. Eigentlich ist es aber jemand, der seiner Tätigkeit aus reinem Spaß an der Freud nachgeht. Ursprung ist »delectare«, lateinisch für »amüsieren«.
DingfestmachenEin Ganove wird für die Gerichtsverhandlung festgenommen: Der Begriff geht auf das altdeutsche Rechtsleben zurück und ist das Gegenstück zum mittelhochdeutschen »dincflühtic«, was sich etwa mit »dem Gericht durch Flucht entziehen« übersetzen läßt. Das nordische »taga dinc«, auch Thing, Ding, Tageding stand einst für die germanische Volks-, Heeres- und Gerichtsversammlung, die Institution, deren Aufgabe u.a. die Rechtsprechung war und die bis zu drei Tage dauern konnte. Sie fand nur bei Tage unter freiem Himmel an bestimmten Orten statt. Alle Freien erschienen mit Waffen, Verstöße gegen den Thingfrieden wurden schwer bestraft; Entscheidungen mußten einstimmig gefällt werden. War der Gauner »dingfest«, konnte er dieser Versammlung zur Aburteilung vorgeführt werden.
Diogenes in der TonneDiogenes von Sinope (412-324 a.C.), der bedürfnislose griechische Philosoph und Kulturverächter wirkte mehr durch den praktischen Vollzug, denn durch Lehren. Es wird berichtet, daß Alexander der Große den in der Tonne wohnenden Diogenes besuchte und versprach, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Darauf antwortete Diogenes der Legende nach, er habe nur einen Wunsch, daß Alexander ihm aus der Sonne gehe. (Plutarch, Leben des Alexander) Wirklich in einer Tonne gelebt hat Diogenes allerdings wohl nie.
DirneDie »Dirne/Prostituierte« erscheint seit dem 15. Jahrhundert für Mädchen aus niederen sozialen Verhältnissen und kommt vom althochdeutschen »thiorna« (Mädchen, Jungfrau, Dienerin) und dem mittelhochdeutschen »dierne« (Dirne, Dienerin, Magd, Unfreie). Mittelniederdeutsch heißt es »derne«, im Altnordischen »therna«.
Dösbaddel...nennt der Norddeutsche augenzwinkernd einen dümmlich-tolpatschigen, eher langsamen Zeitgenossen. Das plattdeutsche Wort geht auf »dösen« - sich im Halbschlaf befinden - zurück.
Dolce vitaBezeichnete ursprünglich das ungezügelte Leben wohlhabender Müßiggänger, die sich das Leben mit schönen Frauen versüßten. Allgemein bekannt wurde der Slogan durch den Film »La dolce vita« von Federico Fellini, der 1959 erstmals ausgestrahlt wurde. Im Laufe der Zeit hat die Wendung einen Wandel dahingehend erfahren, daß sie auch allgemein verwendet wurde für das süße Nichtstun oder Faulenzen.
Domino-Effekt...nennen wir eine Aufeinanderfolge ähnlicher Ereignisse, die alle auf einen Anfang zurückgehen und von denen jedes zugleich Ursache des folgenden ist. Der Domino-Effekt leitet sich von einem Geschicklichkeitsspiel mit Dominosteinen ab: Hochkant in einer Reihe aufgestellt, wirft der erste Stein beim Umkippen den zweiten um, jener den dritten etc.
Donner und Doria...flucht in Friedrich Schillers (1759-1805) Trauerspiel »Die Verschwörung des Fiesco zu Genua« (I,5) aus dem Jahre 1763 der halb betrunkene Genuese Gianettino Doria, der von Schiller selbst als »rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren« beschrieben wird. Er ist erbost, daß die Republikaner ihn nicht ebenso verehren wie seinen Onkel Andrea Doria (1466-1560), den Dogen von Genua, dessen Nachfolge er gern antreten würde, und verwendet den eigenen Namen für seine Verwünschung. In einer Szene bietet Gianetto seinem Höfling Lomellino ein hohes Amt an. Als dieser zögert, ruft er wütend: »Donner und Doria! Du sollst Prokurator werden«. Vermutlich hat der Dichter hier eine ältere Redewendung aufgegriffen und ihm in den Mund gelegt. Heute rufen wir »Donner und Doria« bei großer Verwunderung oder Bestürzung, wenn wir baß erstaunt sind oder als ärgerliche Aufforderung im Sinne von »Schluß jetzt, so wird es gemacht«.
Donnerbalken...nennt der Volksmund ursprünglich die noch etwas luftigere Variante eines Plumpsklos - einen in passender Höhe horizontal über einer ausgehobenen Grube angebrachten Balken, auf dem gleich mehrere Leute nebeneinander sitzend Platz fanden, um gemeinsam »donnernd« ihr »Geschäft« zu verrichten. Inzwischen steht der »Donnerbalken« als Synonym für jede Art von Toilette.
DonnerlittchenDieser Ausruf des Erstaunens hat etwa die gleiche Bedeutung wie »Donnerwetter« - das »littchen« geht auf das ostpreußische »Lichting« für Blitz zurück, man meint also mit dem Begriff »Donner und Blitz«.
Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen...sagen wir manchmal, um uns nicht weiter über jemanden ärgern zu müssen, der offenkundig den tiefen Teller nicht erfunden hat, nicht der Hellste ist. Der Ausspruch, den man häufig auch in der abgekürzten Form »DBDDHKP« hört, stammt ursprünglich aus einem Gedicht des deutschen Schriftstellers und Kabarettisten Fred Endrikat (1890-1942), das er 1928 in der Satirezeitschrift »Das Stachelschwein« veröffentlichte:
»Die schlimmste Krankheit ist kurierbar,
einnehmbar, injizierbar oder schmierbar.
Das größte Leiden ist zu stillen,
nur: Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen«.
Doof geboren, nix dazugelernt und den Rest wieder vergessen...charakterisiert der Volksmund spöttisch einen sehr retardierten, äußerst einfältigen Menschen, der hoffnungslos dumm, bei dem sprichwörtlich »Hopfen und Malz verloren« ist und der wirklich von absolut nichts eine Ahnung hat.
DoppelgängerHeute bezeichnet man jemanden als »Doppelgänger« der einer anderen Person so ähnlich sieht, daß man sie verwechseln kann. Früher war es die Bezeichnung für jemanden, von dem man glaubte, er könne an mehreren Orten gleichzeitig sein.
Doppelt gemoppelt...sagen wir landläufig zu einem Pleonasmus und ist auch gleich selbst einer: Diese »stabreimende Zwillingsformel« ist ein Überfluß, bei dem innerhalb einer Wortgruppe eine bestimmte Bedeutung mehrfach unterschiedlich ausgedrückt wird, ohne zusätzliche Informationen beizusteuern - eine überflüssige Häufung sinngleicher oder -verwandter Begriffe. »Gratis-Geschenke« sind halt immer umsonst, »alte Greise« niemals jung, Zwillinge immer zu Zweien und Zwerge immer klein, ebenso wie Kugeln nunmal rund und Schimmel weiß sind. Von gutem Sprachstil zeugen solche Dopplungen eher selten, dennoch können sie freilich ganz bewußt eingesetzte Stilmittel sein. Oftmals allerdings entstehen sie aus schlichter Unwissenheit.
Doppelt genäht hält besserRepetetive Ausführung der physischen Konnektion textiler Stoffe erhöht deren Resistenz.
DorftrottelKognitiv beeinträchtigtes, maskulines Individuum der lokalen Umgebung.
Dornröschenschlaf...ist umgangssprachlich ein untätiges, entrücktes Dasein, ein Vorsichhinträumen, über lange Zeit unverändert bleiben, moderne Entwicklungen verschlafen. Der Begriff geht natürlich auf das Märchen »Dornröschen« der Gebrüder Grimm zurück, die viele Geschichten aufgriffen, die ihnen die Töchter der Familie Hassenpflug aus Hessen erzählten. Märchen wie Charles Perraults (1628-1703): »La belle au bois dormant« (Die schlafende Schöne im Wald, 1697) waren Vorbild für Dornröschen, die durch den Stich einer vergifteten Spindel in einen 100jährigen Schlaf fiel.
DrachensaatIn der Argonautensage wird berichtet, wie Kadmos - in der griechischen Mythologie ein phönizischer Prinz, der die griechische Stadt Theben gründete - auf Anraten der Göttin Athene die Zähne eines von ihm erlegten Drachen aussät und unterpflügt. Aus dieser Saat sprangen bewaffnete Männer aus dem Boden, die sich bekämpften und gegenseitig töteten. Mit fünf Übrigbleibenden baute Kadmos dann die Zitadelle der neuen Stadt Theben. Wenn jemand heute »Drachenzähne sät«, meinen wir ein Tun, das Zank und Zwietracht oder etwas Böses hervorbringt. Hingegen »geht die Drachensaat auf«, wenn die schlimmen Folgen sichtbar werden.
DrahtseilaktSo bezeichnet man umgangssprachlich ein gefährliches oder schwieriges Unterfangen, bei dem der Durchführende - oft diplomatisch - die Balance zwischen zwei Gegensätzen behalten muß. Ursprünglich handelte es sich um eine akrobatische Vorführung von Seiltänzern auf einem straff gespannten oder durchhängenden Drahtseil im Zirkus.
Drahtzieher...nennen wir einen Zeitgenossen, der in politischem Parteitreiben Gewinn sucht, der Vorgänge aus dem Hintergrund lenkt und steuert, dabei aber niemals selbst in Erscheinung tritt:
»Drahtzieher« waren im Mittelalter wichtige Handwerker, die Metallstäbe durch immer dünnere Löcher eines »Zieheisens« zogen und so Drähte herstellten.
Der Begriff - so wie er hier gemeint ist - kommt allerdings vielmehr vom Marionettentheater her, wo der Drahtzieher hinter den Kulissen verborgen die Puppen über Schnüre und Drähte steuert, ihnen seine Stimme leiht und so die Illusion entstehen läßt, die Puppen - oder Politiker - würden tatsächlich ein eigenständiges Leben führen, selbst agieren.
Daß dem natürlich nicht so ist, weiß jeder, der sich irgendwann einmal näher mit unseren Politikern beschäftigt hat. Schon die »New Yorker Staatszeitung« vom 19. November 1863 meinte dazu: »Die Wortführer sprachen von einer Vereinigung der Parteien (Mozart und Tammanyhall); aber es war nicht eines jeden Wunsch, denn da könnten sie ja nicht am Draht ziehen, wenn sie wollten«.
Drakonische StrafeHarte Strafen werden bis heute nach dem griechischen Gesetzgeber Drakon (um 650 a.C.) benannt. Drakon war Gesetzgeber in Athen und bekannt durch seine Strenge und Härte. Anno 621 a.C. zeichnete er das alte athenische Gewohnheitsrecht auf und setzte durch, daß allein die staatlichen Gerichte für die Vergeltung von Straftaten zuständig waren. Das alte Recht war äußerst grausam, Blutrache war selbstverständlich, auf geringste Vergehen wie z.B. Obstraub stand die Todesstrafe. Damit das Volk die neue Gerichtsbarkeit auch anerkannte, mußte der Strafenkatalog von althergebrachter Strenge sein. Der griechische Schriftsteller, Philosoph und Historiker Plutarch (50-125) meinte, daß Drakon jene Gesetze mit Blut und nicht mit Tinte schrieb. Heute verwenden wir das Wort »drakonisch« im Sinne von sehr streng, hart oder grausam.
Dran glauben müssen...umgangssprachlich Leute, die von etwas Unangenehmem betroffen, an der Reihe sind, als Opfer für eine Sache ausgewählt oder zugrundegerichtet werden, vielleicht gar sterben müssen. Grimms »Deutsches Wörterbuch« definiert die Redensart »an die Wahrheit oder Tatsächlichkeit von etwas glauben müssen, das in hohem Grade unerwünscht ist« (Bd. 7, Sp. 7838). Literarische Belege finden sich erst für das 19. Jahrhundert, ähnliche. oft religiöse Formeln lassen ein höheres Alter vermuten.
Draußen nur KännchenEin Spruch, der nachgerade deutsches Kulturgut geworden ist. Manche meinen, es wäre einfach nur Gängelei, um den Umsatz zu erhöhen - vermutlich geht es aber eher darum, daß der Transport randvoller Tassen auf dem Hindernisparcours grobgepflasterter Terrassen gemeinhin im »Fußbad« endet. Kännchen sind da - dank Deckel und optimiertem Schwerpunkt - einfach praktischer...
Dreck am Stecken haben...meist Heuchler, die kein reines Gewissen haben: Wer nach einem Marsch durch den Schmutz nachhause kommt, reinigt zwar meist seine Schuhe - vergißt aber oft, daß er den verräterischen Dreck noch immer an seinem Wanderstock mit sich herumträgt.
Dreck reinigt den Magen...erklären wir im Brustton der Überzeugung, wenn wir uns runtergefallene Bonbons, sandige Erdbeeren oder ungewaschene Äpfel munden lassen. Der aberwitzige Reinheitswahn als »Errungenschaft« unserer Putzmittelindustrie führt inzwischen nicht selten zu Allergien, Infekten und anderen Zivilisationskrankheiten, weil der Mensch dank bis zum Exzeß übertriebener Hygiene sein Immunsystem, das um funktionieren zu können auf verschiedene Mikroben, Keime und Fremdstoffe angewiesen ist, längst mehr und mehr zerstört hat. Dabei könnte die eine oder andere Messerspitze Erde durchaus förderlich sein - schon Hippokrates hat vor über 2000 Jahren darüber berichtet und bis heute gibt es Völker, die gerne mal etwas mineralien- und nährstoffhaltigen »Dreck« gegen verschiedene Gifte, Parasiten oder Magen-Darm-Probleme zu sich nehmen.
Dreckspatz, Schmutzfink...nennen wir oft mehr oder weniger herzlich unsere lieben Kleinen, wenn sie nach ausgiebigem Spiel ausgerechnet in der tiefsten Modderpampe schlammverkrustet zu uns heimkehren: Spatzen (Passer domesticus) lieben gemeinsame Staubbäder, zu denen sie sich dicht an den Boden ducken und mit abgespreizten Flügeln hin- und herwackeln, wobei das lockere Bodenmaterial aufgewirbelt wird. Das hat allerdings - auch wenn es anders aussieht - beileibe nichts mit »Dreck« zu tun, sondern dient vielmehr der Gefiederpflege und -reinigung von Parasiten und führte eben zu diesem Ausdruck. Da auch die Finken (Fringillidæ) zu den Sperlingsvögeln (Passeriformes) gehören, ist der »Schmutzfink« quasi genau dasselbe wie ein »Dreckspatz«.
DrehwurmKinder drehen sich gern um sich selbst, und wenn sie plötzlich stehen bleiben, freuen sie sich über ihren »Drehwurm«: Der Boden scheint zu schwanken, alles dreht sich. Die Redensart kommt aus der Tiermedizin, sie bezieht sich auf die Drehkrankheit, eine durch Larven des Hundebandwurms hervorgerufene Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem bei Schafen auftritt. Bei dieser Krankheit taumeln die Schafe orientierungslos herum und bewegen sich im Kreis. Im Unterschied zu Kindern haben sie aber wirklich einen Wurm.
Drei Ecken - ein Elfer...lautet eine alte Bolzplatzregel aus Jugendtagen: Ecken werden zur Vereinfachung des Spiels nicht ausgeführt, sondern nur gezählt. Bei jeweils drei Ecken wird dann ein Elfmeter geschossen. Die Abseitsregel gilt in diesem Spiel normalerweise auch nicht.
Drei Haare in der Suppe sind relativ viel, drei Haare auf dem Kopf relativ wenig...erläutern wir manchmal treffend-ironisch Albert Einsteins (1879-1955) Relativitätstheorie.
Manch Zeitgenosse bemüht permanent die Statistik als angeblich plausibles Beweismittel, dabei ist diese nur allzuoft »an den Haaren herbeigezogen« und wir finden immer wieder das sprichwörtliche »Haar in der Suppe«. Das hat dort natürlich nichts zu suchen, sollte sich eher da aufhalten, wo es hingehört. Aber alles ist eben relativ...
Drei Kreuze machen...wir, wenn etwas Unangenehmes glücklich überstanden ist. Die Redensart kommt natürlich aus dem religiösen Brauchtum der Katholiken: Haben diese ein Vorhaben zufriedenstellend erledigt, senden sie ein kurzes Dankgebet an Gott und bekreuzigen sich. Die Dreizahl wurde schon immer eingehalten, wenn etwas Wichtiges zu verrichten war: Dreimal im Jahr wurde Gericht gehalten, es waren mindestens drei Richter nötig etc. Und natürlich wissen wir: »Aller guten Dinge sind drei«. Es ist also ein besonders intensives Segnungsritual.
DreikäsehochDie umgangssprachliche Bezeichnung, 2007 zum drittschönsten bedrohten Wort gewählt, wird heute nur noch selten verwendet. Man will damit einem Kind, das sich ein wenig zu sehr aufspielt, schon viel eigenen Willen und eigene Ideen zeigt, aber doch noch nicht geschickt genug ist, diese zu verwirklichen, klarmachen, daß es eben doch noch zu klein dazu ist. Der Begriff aus der Zeit, als es noch keine standardisierten Maßeinheiten gab, spielt auch tatsächlich auf die Höhe dreier aufeinandergestapelter Käselaiber an, die die kleinen »Gernegroßen« in der Regel nicht überschreiten. Das »Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten« meint dazu unter »Käse«: (Kaum) drei Käse hoch sein: (noch) ganz klein sein, spöttisch vor allem von einem kleinen Gernegroß gesagt, einem (Drei-)Käsehoch; schon 1767 im »Versuch eines bremisch-niedersächsischen Wörterbuchs« (Band 2, S. 762): »Een Junge twe Kese hoog: ein kleiner kurzer Junge«; im niederdeutschen Raum machte man früher auf allen Höfen Käse nach Art der Holländer Kugeln oder Wagenräder... Sie gaben das Maß »drei Käse hoch«. Mit Quark kann man nicht messen. Aber auch »drei Käse hoch« ist noch klein...; vgl. französisch »a peine haut comme trois pommes« (wörtlich: kaum drei Äpfel hoch), Apfel; ähnlich im Pariser Argot: »gros comme deux liards (veraltet) de beurre (et ça pense déjà aux femmes)«. Eine weitere Herleitung, ebenfalls aus dem Französischen, bezeichnete jemanden, der nicht sehr groß war, als »trois caisses« (drei Kisten), die durch die Lautähnlichkeit zu diesen drei Käse geworden sein könnten.
Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebranntWer umziehen will, sollte sich das vorher gut überlegen, weil so ein Umzug jede Menge Geld kosten kann: Ein Teil der persönlichen Habe und des Hausrats wird beschädigt, ein anderer verschwindet gleich ganz oder paßt nicht in die neue Bleibe, die Renovierung verschlingt Unsummen - bis nach dem dritten Umzug vom ursprünglichen Besitz quasi nichts mehr übrig oder brauchbar ist. Diesen Effekt, als ob die Wohnung einmal abgebrannt wäre, kannte schon der amerikanische Politiker, Schriftsteller und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin (1706-90), der die Redensart »Three removals are as bad as a fire« anno 1757 in seinem Werk »Weg zum Reichtum« prägte. Wie oft Mr. Franklin umziehen mußte, bis er zu dieser Erkenntnis kam, ist nicht überliefert...
Drittklassig...ist etwas, das bestenfalls minimalsten Ansprüchen gerade noch gerecht wird. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Eisenbahn: Offiziell zum 3. Juni 1956 europaweit abgeschafft, waren noch bis 1962 Züge in Deutschland unterwegs, in denen man - anders als in den teureren »Polsterklassen« - auf parkbankähnlichen Holzpritschen reiste.
DrückebergerDrückt sich jemand davor, eine Aufgabe zu übernehmen, verschwindet er elegant vom Ort des Geschehens, taucht erst gar nicht auf oder beschäftigt sich hochkonzentriert mit anderen Dingen. Der Ausdruck kommt aus der Jägersprache: Der Hase auf der Flucht drückt sich in die Ackerfurche, er macht sich klein, um vom Feind nicht gesehen zu werden. Er ist ein »Drückeberger« - nicht aus Faulheit, sondern aus er Not heraus.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet...ob sich nicht was Besseres findet, fordert der Volksmund. Wer eine langfristige Verpflichtung wie eine Ehe eingeht, sollte seinen Partner vorher tunlichst einer genaueren Prüfung unterziehen. Ursprünglich stammt das Sprichwort aus dem »Lied von der Glocke«, das der deutsche Dichter, Dramatiker und Philosoph Friedrich von Schiller (1759-1805) im Jahre 1799 schrieb: Beim Glockenguß wird eine Stichprobe entnommen und geprüft, ob sich die Metalle Kupfer und Zinn verbunden haben. Schiller zieht hier eine Parallele zum Leben der Menschen:
»Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jugfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Festes Glanz.
Ach! des Lebens schönste Feier
Endigt auch den Lebensmai,
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.«
Du bist verrückt mein Kind »Du bist verrückt, mein Kind,
Du mußt nach Berlin!
Wo die Verrückten sind
da gehörst Du hin!
Du bist verrückt, mein Kind,
Du mußt nach Plötzensee!
Wo die Verrückten sind,
am grünen Strand der Spree!«
...war schon anno 1906 ein Gassenhauer des österreichischen Operettenkomponisten Franz von Suppé (1819-95), der den Puls dieser Stadt nach außen trug. Bekannt wurde er mit dem Film »Der Hauptmann von Köpenick« mit Heinz Rühmann (1902-94).
Du bleibst doch immer, was du bist...belehrt in dem Drama »Faust« von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Mephisto im Studierzimmer den Protagonisten, daß all sein Streben doch eigentlich sinnlos wäre:
»Du bist am Ende, was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist«.
Eine weise Erkenntnis - die bis zum heutigen Tage auch unzählige selbsternannte »Stylingberater« und »Motivationstrainer« nicht oder nur äußerst begrenzt widerlegen konnten.
Du fehlst mir noch in meiner Raupensammlung...sagen wir ironisch, wenn jemand äußerst ungelegen kommt: Raupen zählen gemeinhin nicht eben zu den Kuscheltieren, mit denen wir uns besonders gern umgeben. Umgangssprachlich drücken wir damit also unseren Unwillen über jemandes völlig unerwünschte Anwesenheit aus.
Du glaubst auch noch an den Weihnachtsmann...unterstellen wir manchmal Mitmenschen, die wir für etwas naiv, einfältig oder wunderlich halten. Die Redewendung »Croire encore au Père Noël«, mit der man sich um 1920 über französische Vollbärtige lustig machte, geht wohl auf das sinngleiche »an den Klapperstorch glauben« zurück.
Du hast doch die Pfanne heiß...erklären wir gelegentlich jemanden für verrückt, der - zumindest unserer Meinung nach - etwas völlig Unverständliches tut. Diese rustikale Wendung kommt direkt aus der Küche, wo jedem Kochlehrling schon am ersten Tag seiner Ausbildung eingebleut wird, daß er eine Pfanne niemals ohne Inhalt - oder zumindest nicht ohne sie einzufetten - auf den heißen Herd setzen darf, weil sie anderenfalls alsbald durchschmort. Ein Koch, der sein Handwerk nicht versteht, einfach zu dumm für diese Binsenweisheit ist, hat eben ganz schnell »die Pfanne heiß«.
Du hast wohl nicht mehr alle...Tassen im Schrank, Latten am Zaun, Kekse in der Dose, Nadeln an der Tanne...
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, mit der wir gelegentlich jemanden recht harsch anfahren, der wirres Zeug redet, etwas Unverständliches tut, offenbar nicht ganz bei Verstand, verwirrt oder gar verrückt ist: Ursprünglich bezweifelten wir wohl ganz klassisch, daß derjenige seine fünf Sinne »Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Tasten« nicht ganz beisammen hatte.
Du hast wohl schlecht gefrühstückt...fragen wir, wenn jemand schlechte Laune hat: Serotonin, einer der Stoffe, die in unserem Hirn für gute Stimmung sorgen, wird im Tageslicht gebildet und nachts abgebaut. Folglich ist morgens die Laune im Keller, bis ein gutes Frühstück hilft, Serotonin und Stimmung wieder zu steigern.
Du kannst mich mal im Mondschein besuchen...lautet bisweilen eine recht deutliche Absage an eine unliebsame Person. Ursprung ist eine geschönte Variation des wohl berühmtesten Goethe-Zitats, das der Dichter einst seinen Götz von Berlichingen im gleichnamigen Schauspiel sagen ließ. Der Mond scheint hier synonym für den blanken Hintern, dem im Mittelalter Zauberkraft den Leibhaftigen abzuwehren nachgesagt wurde. Noch heute zeugen kleine halbnackte Statuen an manchen Kirchen und Stadttoren davon.
Du kannst mich mal kreuzweise...rufen wir wütend aus, wenn wir mit jemandem nichts zu tun haben wollen. Dieser Ausdruck von Überdruß geht auf das berühmte Goethe-Zitat aus der Geschichte »Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand« zurück, das ob der derben Ausdrucksweise oft nicht ausgesprochen wird. Bitten wir ihn, dies »kreuzweise« zu tun, verstärken wir unsere eigentliche Aufforderung, da uns ein »einfaches« Lecken von unten nach oben nicht genügt.
Du kriegst die Tür nicht zu...ruft staunend aus, wer eine schier unglaubliche Geschichte hört. Den verwunderten, nachgerade dämlichen Gesichtsausdruck mit aufgerissenen Augen und sperrangelweit offenem Mund vergleicht der Volksmund mit einer Tür, die man ebenfalls nicht mehr schließen kann.
Du spinnst!...werfen wir jemandem vor, der ziemlichen Unsinn erzählt, unrealistische Pläne hat, ein bißchen wirr im Kopf ist. Hier gibt es mehrere Erklärungsansätze: Frauen, die beim Garnspinnen zusammensaßen und sich Geschichten ähnlich dem »Seemannsgarn spinnen« erzählten sind als Ursprung ebenso möglich, wie Insassen einstiger Irrenanstalten, die mit einfachen Arbeiten wie Spinnen beschäftigt wurden oder einfach nur sonderbare Gedanken, die sich zu einem »Hirngespinst« verwirren.
Du sprichst ein wahres Wort gelassen ausHat seinen Ursprung in Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Drama »Iphigenie auf Tauris« nach der Vorlage des griechischen Dichters Euripides (um 480-406 a.C.). Hier wirbt Thoas, der König der Taurier, um die Priesterin Iphigenie. Auf deren Enthüllung: »Vernimm! Ich bin aus Tantalus' Geschlecht!« antwortet er mit den Worten: »Du sprichst ein großes Wort gelassen aus«.
Heute kommentieren wir oft mit »ein großes Wort« eine gewichtige Äußerung, bzw. mit »ein wahres Wort« eine zutreffende Feststellung, die eher nüchtern und beiläufig erklärt wird - meist von einem, dem das eigentlich nicht so oft passiert.
Duckmäuser...sind ängstliche, feige, hinterlistige oder unterwürfige Menschen, die aus Angst, die Sympathie anderer zu verlieren, sich immer deren Meinung anschließen, sich grundsätzlich anpassen und niemals wagen, eine eigene Meinung zu äußern oder gar zu widersprechen. Diese »sich duckenden Mäuse« kommen wohl vom mittelhochdeutschen »tockelmüser« - von »tocken« (verbergen, versenken) sowie »musen« (Mäuse fangen, listig sein, betrügen) -, wie eine Maus, die sich versteckt. Die »Duckmäuserei« wurde noch im Wörterbuch der Gebrüder Grimm (ab 1832) im Sinne von »Heimlichkeiten treiben, in scheinbarer Demut seinen Vorteil suchen« benutzt, erst im 19. Jahrhundert wandelte sich die Bedeutung dann in Richtung »Feigling, Schleimer«.
Dümmer, als die Polizei erlaubt...ist einer, der sich durch sein Verhalten selbst verrät und schadet. Hier wird die Polizei bemüht, die ab einem bestimmten Maß an Dummheit von einer ›Gefährdung‹ der öffentlichen Sicherheit ausgehen muß und leider kein Auge mehr zudrücken kann. Der Spruch soll schon etwa seit 1870 im Umlauf sein und meint, daß der Bürger sich informieren muß, statt sich auf Unwissenheit und Dummheit herauszureden, wenn er gegen Gesetze verstößt.
Dünnbrettbohrer...machen sich eine Sache ziemlich leicht. Das Idiom findet sich in zahlreichen Quellen und ist verwandt mit »Faulheit bohrt nicht gern dicke Bretter«. Der deutsche Reformator Martin Luther (1483-1546) sagt in seinen »Tischreden«: »Man boret nicht gern durch dicke brete«. In Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausens (1622-76) Schelmenroman »Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch«, der erstmals 1669 erschien, heißt es: »Grobe Arbeiten zu verrichten war mir ungelegen, weil ich nie gern dicke Bretter geboret«.
Dünnhäutig...ist bildlich jemand, der besonders empfindlich und verletzbar ist. Eine »dünne Haut« bedeutet im Gegensatz zum »dicken Fell«, anfälliger für äußere Einflüsse zu sein.
Dukatenscheißer...hätten wir wohl alle gern im Stall stehen - wenigstens einen ganz ganz kleinen, der unbegrenzt das viele Geld erschafft, das wir täglich so benötigen. Aber leider sind wir nicht im Märchen: Den wundersamen Geldvermehrer - eigentlich eleganter »Dukatenesel« oder »Goldesel« genannt - bekam ursprünglich der mittlere Sohn aus dem berühmten »Tischlein deck dich« der Brüder Grimm vom Müller, seinem Lehrherrn am Ende seiner Wanderjahre zum Abschied geschenkt. Wenn man zu ihm »Bricklebrit« sagte, fielen vorne und hinten Dukaten, mittelalterliche Goldstücke heraus.
DulzineaGeht zurück auf Dulzinea von Toboso, die nur in der Einbildung vorhandene Geliebte des Don Quichote: Das weltberühmte Werk »El ingenioso hidalgo Don Quijote de La Mancha« (Der sinnreiche Junker Don Quijote von La Mancha) des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616), ursprünglich als Satire auf die damals grassierende Manie der Ritterromane geplant, weitete sich schließlich zu einem lebendigen Panorama des zeitgenössischen Spanien und einem der facettenreichsten philosophischen Romane der Weltliteratur aus. »Dulzinea« verwenden wir heute als scherzhafte Bezeichnung für eine Geliebte oder Angebetete.
Dumm aus der Wäsche kucken...Leute, die sehr verblüfft, überrascht sind, die töricht dreinschauen, ein dummes Gesicht machen. Der Ausdruck kommt aus der Soldatensprache des Zweiten Weltkriegs: Die »Wäsche« steht hier umgangssprachlich humorvoll für die Uniform, aber auch für Kleidung allgemein oder Unterwäsche, aus der der Kopf herausschaut.
Dumm frißt, intelligent säuftEin typischer Omaspruch, den heutzutage zahllose selbsternannte »Fachleute« über die mehr oder weniger gesunden Ernährungsgewohnheiten vermeintlich höher oder tiefer angesiedelter sozialer Schichten zu verifizieren suchen. Die Herkunft bleibt unklar - wesentlich wahrscheinlicher als in den diversen »Studien« dargestellt, geht die Wendung wohl darauf zurück, daß es relativ problemlos auch für »Dumme« möglich ist, die leckeren Früchte des Waldes, Feldes und Gartens ganz einfach aufzuessen. Daraus - insbesondere »geistige« - Getränke herzustellen, bedarf es hingegen dann doch schon einiges weitergehenden Wissens und Könnens.
Dumm wie BohnenstrohBohnenstroh war schon in der Literatur des 16. Jahrhunderts bei Meistersinger und Schriftsteller Hans Sachs (1494-1576) Sinnbild für ein besonders grobes, einfaches und armseliges Material. Sehr arme Leute, die sich kein Stroh leisten konnten, nutzten dereinst die getrockneten Ranken der Puff- oder Saubohne (Vicia faba) als Bettunterlage. Sagt man heute von jemandem, er sei »dumm wie Bohnenstroh«, überträgt man die schlechten Eigenschaften dieses Materials auf dessen Intelligenz.
Dumme GansDas Vorurteil, daß Gänse dumm seien, kommt wohl daher, daß sie sich an Land recht unbeholfen fortbewegen und in ihrer Schar immer viel zu schnattern haben. Nomen est omen bezeichnen wir danach eine Frau, die außerordentlich »blond« ist oder die wir einfach nur nicht mögen. In Wirklichkeit sind diese Tiere (die Gänse) recht intelligent: Schon bei den Römern wurden sie - ähnlich wie Hunde - als »Wachgänse« eingesetzt. Nach »Ab urbe condita libri« (Annalen seit der Gründung der Stadt), der 142 Bücher umfassenden römischen Stadtgeschichte des Titus Livius (59 a.C.-17) drang Brennus, Anführer der Senonen, eines gallischen Stammes, der um 387 a.C. in Italien ein und eroberte und plünderte Rom - mit Ausnahme des Kapitols. Dieses retteten die heiligen Gänse des Iuno-Heiligtums auf dem mons capitolinus, indem sie den nächtlichen Angriff bemerkten und die Römer mit ihrem Geschnatter aufweckten. Schließlich erklärte sich Brennus bereit, die Stadt gegen hohes Lösegeld zu verlassen.
Dummes GeschwätzNicht alles, was wir tagtäglich so von uns geben, hat - gewollt oder ungewollt - unbedingt einen tiefschürfenden Sinn. Man spricht dann auch von einer »Verbalemanation ohne kommunikative Signifikanz«. Das sieht man auch an diesem Beitrag...
Dunkel war der Rede SinnWir verstehen etwas nicht und teilen dies unserem Gegenüber mit diesem Schiller-Zitat mit. In der Ballade »Der Gang nach dem Eisenhammer« soll der fromme Knappe Fridolin einer Intrige zum Opfer fallen. Er entgeht ihr und sagt auf die Frage, was er am Eisenhammer gehört habe:
Herr, dunkel war der Rede Sinn,
Zum Ofen wies man lachend hin:
Der ist besorgt und aufgehoben,
Der Graf wird seine Diener loben.
Dunkelmännerbriefe...waren witzige Schmähschriften des 16. Jahrhunderts, in denen Wissenschaft und Lehrweise des Mittelalters verspottet wurde. Sie wurden im sogenannten »Küchen- oder Mönchslatein« verfaßt und richteten sich gegen theologische Gegner, speziell die Dominikaner von Johannes Reuchlin in Köln. Der war gegen die geforderte Vernichtung jüdischer Literatur und trat für eine tolerante Haltung gegenüber den Juden ein, was zu einem Ketzerprozeß gegen ihn führte, der 1520 mit der Verurteilung endete. Als Autoren der Dunkelmännerbriefe gelten vor allem Crotus Rubianus und Ulrich von Hutten.
Durch Abwesenheit glänzen...Leute, die einfach fehlen, nicht anwesend sind. Die meist ironisch als scheinbares Lob statt des eigentlich gemeinten Tadels gebrauchte Wendung wurzelt in einer Tradition der alten Römer: Bei Bestattungen war es dort Sitte, »imagines maiorum«, wächserne Totenmasken der Vorfahren des Verstorbenen dem Leichenzug vorauszutragen. Der französische Dramatiker Marie-Joseph Blaise de Chénier (1764-1811) bezog sich in seiner Tragödie »Tibère« (I.1) auf den römischen Historiker und Senator Publius Cornelius Tacitus (um 58-116), der in seinen »Annales« (III.76) von einer solchen Trauerfeier berichtete: Als Iunia Tertia, Witwe des Gaius Cassius Longinus und Halbschwester des Marcus Iunius Brutus zu Grabe getragen werden sollte, fehlten die Bildnisse von Cæsars Mördern, da es unter der Regierung des Tiberius verboten war, diese öffentlich zu zeigen: »Sed præfulgebant Cassius atque Brutus eo ipso, quod effigies eorum non videbantur« - »Aber Brutus und Cassius leuchteten gerade dadurch hervor, daß ihre Bilder nicht zu sehen waren«.
Durch den Kakao ziehen...wir hin und wieder jemanden, den wir verspotten, lächerlich machen, über den wir herablassend lästern oder herziehen.
Diese Redensart hatte mit »Kakao« ursprünglich so rein gar nichts zu tun - dem wurde nämlich nur seine Farbe und eine gewisse - hier nicht näher zu erläuternde, Sie wissen schon... - lautliche Ähnlichkeit zum Endprodukt unseres Stoffwechsels zum Verhängnis.
Zur Herkunft: Der Schriftsteller und Satiriker Erich Kästner (1899-1974), ein wahrer Meister witziger Euphemismen, veröffentlichte 1932 seinen Gedichtband »Gesang zwischen den Stühlen«, wo es unter anderem heißt: »Was auch immer geschieht: Nie dürft Ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch zu trinken«. Er spielt hier eigentlich auf die Nationalsozialisten in ihren braunen Uniformen an.
Durch den Wind sein...bedeutet so viel wie »nervös, nervlich am Ende, verwirrt, nicht bei der Sache sein«. Ursprünglich könnte die Wendung aus der Seemannssprache kommen: Auch Segelschiffe müssen »durch den Wind« kreuzen, eine Wende machen, sodaß der Wind die Segel nicht mehr bläht, sondern nunmehr von vorn bläst, bis man das Schiff wieder in den Wind gedreht hat. Ein anstrengendes, gefährliches Manöver und eine gefährliche Situation für das Schiff, das dabei völlig antriebslos ist - aber war man erst einmal »durch den Wind«, hatte man es geschafft, war endlich wieder auf dem richtigen Weg. Im Grimm'schen Wörterbuch lesen wir dazu: »Das Schiff läuft durch den Wind, wenn es sich wider Willen des Steuermannes umdreht«.
Durch dick und dünn gehen...wir mit jemandem, mit dem wir gemeinsam gute wie auch schlechte Zeiten erleben, dem wir in jeder Lebenssituation beistehen, treu sind, auch und gerade, wenn's brenzlig wird. Schon im »Coburger Friedensdankfest« von 1651 lesen wir: »durch dick und dünn, durch Koth und Wasser«. Die Wendung - wir ahnen es schon - hat rein gar nichts mit neuzeitlichem Schlankheitswahn zu tun - stammt sie doch aus einer Zeit, da man sich eher über genug zu essen denn über gemeine Fettpölsterchen Gedanken machen mußte. Man war noch zu Fuß unterwegs damals und hatte so zwar genügend Bewegung, mußte aber auch verschiedentlich durch »dick (dicht) und dünn« bewachsenes Gelände stromern. In Gestrüpp und Unterholz lauerte schon mal der eine oder andere Tunichtgut - der »Strauchdieb« hat seinen Namen daher - und hier zeigte sich der wahre Freund, der bereit war, den anderen sicher durch's heikle Terrain zu geleiten.
Durch die Bank...machen alle ohne Ausnahme, vom ersten bis zum letzten, dasselbe. Das Wort bezieht sich auf eine alte Tischsitte aus dem Mittelalter: Damals saßen nur Personen auf der gleichen Bank, die auch gesellschaftlich annähernd gleichgestellt waren - ein Bauer konnte unmöglich neben einem Adligen sitzen. Bei der Verteilung der Speisen und Getränke wurden dann alle nacheinander bedient und bekamen ihr Essen in der Reihenfolge, in der sie auf der Bank saßen - nunmehr ohne irgendeine Bevorzugung nach Rang oder Namen. Belegt ist diese Wendung schon in der Ende des 13. Jahrhunderts entstandenen mittelhochdeutschen »Livländischen Reimchronik«.
Durch die Blume...sagen wir etwas, das wir nicht direkt aussprechen, sondern mit Andeutungen umschreiben und beschönigen, um die Wahrheit zu verschleiern: Die bereits im Mittelhochdeutschen bekannte »Redeblume«, eine stilistisch reich verzierte indirekte Ausdrucksweise, stammt als »Flosculus« (Blümchen) aus der Rhetorik des Altertums und wurde im 17. Jahrhundert zur »Floskel« eingedeutscht. Pflanzennamen wie »Männertreu« oder »Vergißmeinnicht« erinnern noch immer daran - in der »Blumensprache« des Mittelalters hatten viele Blumen Bedeutungen, die jeder Edelmann kannte: So bezeugen rote Rosen bis heute die Liebe, Edelweiß stand für die überwältigende Schönheit der Empfängerin, Schilf drückte aus, daß man sich endlich entscheiden sollte, eine Strohblume sollte abweisen, statt unfreundlicher Worte wechselten Kornblumen den Besitzer. In der Brautwerbung war es dereinst auch üblich, daß die Auserwählte dem Freier eine Blume überreichte und so seinen Antrag annahm - oder eben nicht. Entscheidend war, wo die Angebetete das Sträußchen ihres Verehrers hinsteckte: Blumen über dem Herzen bedeuteten Zuneigung, im Haar dagegen Ablehnung.
Durch die Lappen gehen...stammt aus der Jägersprache: Um das Wild am Ausbrechen aus dem Jagdrevier zu hindern, wurden bunte Lappen zwischen den Bäumen aufgehängt, vor denen die Tiere zurückscheuten. Solche Schrecktücher werden 1579 erstmals in einem Jagdbuch erwähnt. Es gab aber auch immer wieder Fälle, in denen das verängstigte Tier in Todesangst die Absperrung durchbrach und so »durch die Lappen« ging. Seit dem 18. Jahrhundert wird die Wendung auch auf Menschen angewandt.
Durch die rosarote Brille sehen...wir umgangssprachlich etwas, das wir allzu optimistisch betrachten, von dem wir eine Sichtweise haben, die eher den eigenen Wünschen als der Realität entspricht: Die Mischung aus dem Rot der »Liebesblume« Rose und unschuldigem Weiß steht bei vielen Kulturen für Verspieltheit und Leichtigkeit. Diese Fehlsichtigkeit, die die Welt in rosigen warmen Farben erscheinen läßt und uns hindert, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie tatsächlich ist, bezeichnet meist Situationen, die etwas mit Liebe und persönlichen Beziehungen und Gefühlen zu tun haben. Ursache ist wohl ein fehlerhaftes Realitätsbewußtsein, das den allzuoft grauen Alltag wie den Verstand weitestgehend ausschaltet.
Durch diese hohle Gasse muß er kommen...weiß wohl jeder, der einen Gast erwartet oder der - so die ursprüngliche Form - sich einem Feind entgegenstellt. Die »Hohle Gasse« ist ein künstlich angelegter Hohlweg zwischen Küßnacht am Rigi und Immensee in der Schweiz, in dem anno 1307 der Schweizer Freiheitskämpfer Wilhelm Tell den habsburgischen Landvogt erschossen haben soll.
In Friedrich Schillers (1759-1805) Drama »Wilhelm Tell« sagt der Protagonist, als er Gessler auflauert: »Durch diese hohle Gasse muß er kommen. Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht - Hier vollend ich's« (IV.3). Sein Monolog gibt das Motiv zu dem Entschluß, dem teuflischen Treiben des Vogtes ein Ende zu setzen; sein Pfeil tötet ihn, als er gerade eine Bittstellerin überreiten will.
Durch Schaden wird man klug...läßt uns der Volksmund wissen, »wenn es geschehen ist, erkennt es auch der Tor« erklärte der griechische Dichter Homer bereits vor rund 2800 Jahren. (II. 17, 32) und drei Jahrhunderte später schrieb sein Kollege Æschylus (525-456 a.C.) »aus Leiden wird man klug« (Ag. 176ff). Die alten Römer übersetzten »Damnum nocet, damnum docet« (Verlust schadet, Verlust lehrt) oder »Quæ nocent, docent« (Was schadet, lehrt). Dementsprechend meinte der deutsche Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg (1742-99) »Jedermann ist sehr bereitwillig, durch Schaden klug zu werden, wenn nur der erste Schade, der dieses lehrt, wieder ersetzt wäre« (J676, S. 751). Auch Friedrich Rückert (1780-1866) dichtete: »Durch Schaden wird man klug! Sagen die klugen Leute. Schaden litt ich genug, doch bin ich ein Tor noch heute«.
Nachher ist man also immer schlauer - oft sind wir einfach nicht in der Lage, Nachteile im Vorhinein zu erkennen, müssen zunächst die Konsequenzen unseres Handelns tragen, um es wenigstens beim nächsten Mal dann bessermachen zu können. Doch »Wer wollte nicht lieber durch Glück dümmer als durch Schaden klug werden?« fragte auch der spanische Surrealist Salvatore Dali.
DurchfallenGeht auf einen mittelalterlichen Rechtsbrauch zurück. Damals war es üblich, einen Übeltäter in einem Korb öffentlich aufzuhängen und so anzuprangern. Irgendwann wurde dann der Boden des Korbs geöffnet und der Verurteilte fiel durch. Er hatte dann seine Strafe verbüßt.
DurchforstenEin wichtiges Schriftstück wird gesucht, niemand weiß, wo es abgelegt wurde. Also müssen alle Akten der letzten Jahre »durchforstet« werden. Das Wort kommt natürlich aus der Forstwirtschaft: Wälder werden regelmäßig »durchforstet«, gutgewachsene Bäume freigestellt, also umliegende schlechtere abgeholzt. Durch diese Auslese bekommen die »guten« mehr Licht und können noch besser wachsen.
Durchhecheln...hat nichts mit der flachen und schnellen Atmung zu tun, sondern kommt ursprünglich aus der Landwirtschaft: Flachs oder Hanf wurde durch die »Hechel«, ein kammartiges Gerät, an dessen spitzen Metallstiften die Fasern gereinigt, geglättet und voneinander getrennt werden, gezogen. So gewann man Leinenfasern, die man dann verspinnen konnte. Heute verwenden wir das Wort, um abwertend über jemanden oder etwas zu reden, spöttisch und boshaft über andere zu klatschen - die Nachbarinnen sind unerträglich und berühmt dafür...
Durchs Feuer gehenDer Gang durchs Feuer mit bloßen Füßen gehört noch heute zu den Riten eingeborener Stämme und ist bei Fakiren Ergebnis äußerster meditativer Selbstversenkung, ebenso wie das Liegen auf dem Nagelbrett oder die Durchbohrung der Wangen mit einem Metallstab.
Durchtrieben seinWar eigentlich bei der Treibjagd im Sinne von »davongekommen« gebräuchlich. Außerdem wurde es auch als »erfahren, diplomatisch oder geschickt« verwendet, erst später dann auch negativ als »listig, verschlagen oder gerissen«. Die meisten früheren literarischen Belege beziehen sich auf Schelme, die etwas aushecken, wie etwa im »Eulenspiegel« - oder auf Politiker. Heute ist nur noch die negative Bedeutung üblich.
Durchwursteln...muß sich irgendwie, wer eine Aufgabe ohne besondere Kompetenz oder Plan bewältigen, mehr schlecht als recht die kleinen Schwierigkeiten des Alltags überwinden will. Der Begriff geht wohl auf das niederländische »worstelen« (ringen, kämpfen, vgl. das englische »wrestling«) zurück.
Durst ist schlimmer als HeimwehWer kennt nicht das herrliche Gefühl, wenn an einem heißen Tag das kühle Naß die verdorrte Kehle anfeuchtet? Auch wenn wir mit dieser Metapher heute eher ein »kühles Blondes« assoziieren - zugeschrieben wird die fundamentale Erkenntnis, daß Lebensnotwendiges über Emotionalem steht, den deutschen Landsern im Wüstensand des Afrikafeldzugs 1940-43, denen Temperaturen bis zu 50 °C unglaublich zu schaffen machten. Damals waren vier bis fünf Liter kostbares Wasser am Tag nötig, um den hitzebedingten Wasserverlust des Körpers wenigstens ansatzweise auszugleichen.
Dusel habenDer Begriff für großes, oft unverdientes Glück stammt aus dem Norddeutschen und bedeutet soviel wie Rausch, Halbschlaf oder Schläfrigkeit und hat mit »dösen« zu tun. Die Wendung beruht auf der bereits in der Bibel belegten Vorstellung, daß Gott für die Seinen im Schlaf sorgt: »Vanum est vobis ante lucem surgere et sero quiescere,qui manducatis panem laboris,quia dabit dilectis suis somnum«. - »Es ist vmb sonst, das jr früe auffstehet vnd hernach lang sitzet vnd esset ewer Brot mit sorgen; Denn seinen Freunden gibt ers schlaffend«. (Psalm 127.2) Hinzu kommt noch die volkstümliche Auffassung, Kinder und Besoffene hätten einen ganz besonderen Schutzengel...
Dussel...titulieren wir hin und wieder eine Schlafmütze oder einen Dummkopf, in der Form »Dusel« auch jemanden, dem ein unverdientes Glück widerfährt. Der Begriff kommt aus dem Niederdeutschen und bedeutet Halbschlaf oder leichter Rausch. Verwandt ist das Wort mit »dösen« - im Sinne von »Glück haben« wird es erst seit dem 19. Jahrhundert verwendet. Vielleicht kommt es von der Hoffnung, daß Betrunkene einen Schutzengel haben, vielleicht auch von der biblischen Vorstellung »den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf«.
Duttengretel...bezeichnet schon im Grimmschen »Deutschen Wörterbuch« ein obenherum überproportional wohlgeformt ausgebautes Frauenzimmer. Im Süddeutschen für eine »mit Holz vor der Hütt'n« durchaus gebräuchlich, finden wir dank Feminismus derlei volkstümliche Tatsachenbeschreibungen heute nur noch selten.
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