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K
KabaleDie hebräische »Kabbala« (Überlieferung) bezeichnet eine geheime Intrige, einen hinterlistigen Komplott. Zum geflügelten Wort wurde sie durch das Cabal-Ministerium (die Anfangsbuchstaben der Beteiligten Clifford, Arlington, Buckingham, Ashley, Lauderdale), das unter Karl II. von England ab etwa 1667 als geheimer Beraterkreis geheime außenpolitische Aktivitäten initiierte. Außerdem trug der Dichter Friedrich von Schiller (1759-1805) mit dem Trauerspiel »Kabale und Liebe« zur vermehrten Nutzung bei.
Kackbratze...titulieren wir gelegentlich eher wenig charmant eine körperlich und/oder charakterlich intensivst herausgeforderte Kreatur. Die vor allem im Berliner Dialekt und der Ruhrgebietssprache verbreitete Kombination aus »Kack« - einem insbesondere beim Fluchen verwendeten Präfix - und »Bratze« - der von der großen, unförmig-plumpen Tatze des Bären übertragenen menschlichen Hand - steht als besonders verächtliches Synonym für ein höchst unattraktives, oft nachgerade häßliches und zumeist weibliches Geschöpf.
KadavergehorsamDer Gründer des Jesuiten-Ordens Inigo López Oñaz y Loyola (1491-1556) verlangte in seinen »Constitutiones Societatis Iesu VI, 1,1« völligen, blinden Gehorsam »...als wäre er ein Leichnam (ac si cadaver essent), der sich auf jede Weise drehen und wenden läßt...« der Brüder gegenüber ihren Oberen, die wiederum von der göttlichen Vorsehung geleitet wurden.
Käfer (VW)In der »New York Times« erschien am 3. Juli 1938, kurz nach der Grundsteinlegung des neuen Werkes und Gründung der »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben«, ein Artikel über Hitlers Pläne, Deutschland nach den USA zum zweiten Land zu machen, in dem Autos nicht mehr nur den Reichen vorbehalten sein sollten. Dort heißt es unter der Überschrift »Deutsche Autos für die Massen« (German Car for masses) über das seltsame kleine Auto: »Schon bald will Der Führer seine langen, wohlgestalteten Autobahnen mit Tausenden und Abertausenden von glänzenden kleinen Käfern übersäen, die vom Baltikum bis in die Schweiz und von Polen nach Frankreich schnurren. Vater, Mutter und bis zu drei Kinder werden drinnen sitzen und zum ersten Mal ihr Vaterland durch die eigene Windschutzscheibe sehen«. Der Name für den »shiny little beetle« bürgerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg rund um den Erdball ein, als bis 2003 insgesamt mehr als 21,5 Millionen der Krabbeltiere gebaut wurden.
Bild: wikimedia.org
Käse schließt den Magen...wußte angeblich schon der römische Schriftsteller Gaius Plinius Secundus Maior (um 23-79). Käse soll überschüssige Magensäure abpuffern und verhindern, daß sie zurück in die Speiseröhre fließt und dort Sodbrennen verursacht. Überdies stellt sich durch den Käse ein langanhaltendes Sättigungsgefühl ein, weil das darin enthaltene Fett den Verdauungsvorgang verzögert.
Käsemauken...kriegt ziemlich sicher, wer ständig billiges Plastik-Schuhwerk wie Turnschuhe trägt. Von diesen »Schweißfüßen« riechen Schuhe, Socken und Füße im Nu höchst unangenehm nach Käse. Der Ausdruck »Mauken« kommt aus der Ruhrgebietssprache, in der Oberlausitz wird aber auch Kartoffelbrei als »Mauke« bezeichnet. Die »Käsemauken« gehen vermutlich auf ein Gericht aus Kartoffelbrei- oder Mürbeteigrollen zurück, die mit Käse gefüllt und im Ofen gebacken entfernt an einen Fuß erinnern.
Kaff...nennen wir oft umgangssprachlich ein gottverlassenes trostloses verschlafenes kleines Dorf, das irgendwo fernab der Zivilisation liegt. Das Wort kommt aus dem Hebräischen über das Jiddische zu uns: »kefar« bzw. »kafar« bedeutet hier einfach »Dorf« - ohne jede negative Konnotation.
KaffeeriecherVolkstümliche Bezeichnung für die von Friedrich dem Großen (1712-86) eingerichtete Steuer- und Zollbehörde.
Kaffeesatzleserei...ist eine eher spaßig wahrgenommene Orakelmethode, der man tunlichst nicht allzuviel Glauben schenken sollte: Zur »Kaffeedomantie«, dem Wahrsagen der Zukunft, rührt die zu erforschende Person mit dem Finger den noch nassen Kaffeesatz um - ist er ausgetrocknet, werden aus den entstandenen Mustern Rückschlüsse auf die Zukunft gezogen. Bei einer anderen Methode verteilt man die getrockneten Körnchen auf einem flachen Teller und deutet die dabei entstehen Figuren. Erstmals erwähnt wurde die bei südeuropäischen Frauen recht beliebte Weissagung Ende des 17. Jahrhunderts von dem Florentiner Wahrsager Thomas Tamponelli - mehr als ein Freizeitvergnügen wurde allerdings nie daraus, weil wohl nie jemand ernsthaft daran geglaubt hat.
Kafkaesk...nennen wir gelegentlich etwas, das so absurd und so bedrohlich ist, daß es uns Angst macht. Der Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924) schuf in seinen Romanen und Erzählungen oft groteske, undurchsichtige Szenarien, durch die die Protagonisten wie durch ein Labyrinth irren mußten. Als Synonym für beklemmende rätselhafte Situationen kam der Begriff 1938 über den irisch-britischen Schriftsteller Cecil Day-Lewis (1904-72) der das Wort »kafkaesque« in einer Buchbesprechung verwendete, in die deutsche Sprache. Schon vorher gab es die ähnliche Wortbildung »dantesk«, die bereits im Jahr 1799 belegt ist.
KainsmalAdam und Eva zeugen - aus dem Paradies zwangsausgesiedelt - zwei Söhne: Kain und Abel. Schon der Erstgeborene gilt bis heute als ewiger Versager und Übeltäter. Als Gott Abels Opfergabe der seinen vorzieht, erschlägt Kain seinen Bruder aus purem Neid: »Dixitque Cain ad Abel fratrem suum egrediamur foras cumque essent in agro consurrexit Cain adversus Abel fratrem suum et interfecit eum«. - »Da redet Kain mit seinem bruder Habel. Vnd es begab sich, da sie auff dem Felde waren, erhub sich Kain wider seinen bruder Habel vnd schlug jn tod«. (Genesis 4.8) Kain wird verflucht und zu lebenslanger Wanderschaft verdammt. Ein göttliches Zeichen erscheint auf seiner Stirn, doch Gott will den ersten Mörder der Geschichte, der auf einen Schlag ein Viertel der Weltbevölkerung auslöscht, keineswegs für ewig brandmarken, sondern ihm eine zweite Chance geben und ihn vor Blutrache schützen: »Dixitque ei Dominus nequaquam ita fiet sed omnis qui occiderit Cain septuplum punietur posuitque Dominus Cain signum ut non eum interficeret omnis qui invenisset eum«. - »Aber der Herr sprach zu jm: Nein; Sondern wer Kain todschlegt, das sol siebenfeltig gerochen werden. Vnd der Herr macht ein Zeichen an Kain, das jn niemand erschlüge, wer jn fünde«. (Genesis 4.15) Die Geschichte wird von Historikern als symbolischer Bericht über den Nomadenstamm Kain interpretiert, dessen Mitglieder eine auffällige Tätowierung trugen und seinerzeit für ihre grausame Rache an anderen Stämmen bekannt waren.
KaiserschnittDie Legende sagt, daß Gaius Iulius Cæsar anno 100 a.C. bei der Geburt aus dem Leib seiner Mutter geschnitten wurde. Es heißt, er sei gar der erste Mensch überhaupt gewesen, der durch einen solchen Eingriff auf die Welt geholt wurde. Sein Beiname »Cæsar« soll sich vom lateinischen »cædare« (ausschneiden) ableiten. Dieser Beiname stand Pate für unseren »Kaiser«, daher auch der »Kaiserschnitt« für diese Form der Geburtshilfe. Der Engländer sagt »cæsarian section« der Lateiner »sectio cæsarea«. Allerdings: Starb im alten Rom eine Mutter vor der Geburt, wurde das ungeborene Kind aus ihrem Leib geschnitten, um es getrennt bestatten zu können. Cæsars Mutter überlebte ihre Niederkunft indes um viele Jahre.
Kaiserwetter...hatte der deutsche Kaiser und preußische König Wilhelm II. (1859-1941): Seinerzeit brauchte man Filmwetter, um in den Massenmedien zu glänzen. Termine wurden schonmal abgesagt, wenn das »Kaiserwetter«, strahlender Sonnenschein und blauer Himmel, ausblieb.
Kalauer...nennt der Volksmund ursprünglich einfache Wortspiele, heute oft auch nicht wirklich geistreiche Witzeleien. Wahrscheinlich geht der Begriff auf die weithin bekannten Schuhmacher der Stadt Calau in der brandenburgischen Niederlausitz, die diese Art von Witzen erfunden haben sollen, zurück und wurde durch die Satirezeitschrift »Kladderadatsch« berühmt. Andere sehen die Entstehung in Philipp Frankfurters (1450-1511) Buch »Der Pfaffe von Kalenberg« oder im französischen Wort »calembour« (Wortspiel, fauler Witz), das wiederum auf Graf Calemberg, dessen mangelhaftes Französisch am Hofe von Ludwig XV. häufige Verwechselungen zur Folge hatte, zurückgeht.
Kalt wie Hundeschnauze...ist jemand, der gerissen, berechnend und durchtrieben ist, seine Pläne nur zum eigenen Vorteil und mit völliger emotionaler Kälte verwirklicht. Dahinter steht wohl der sinnbildliche Vergleich mit dem Jagdhund, der das Wild verfolgt: Kommt er ins Schwitzen, kann er dies nur über die Fußballen und vor allem die Nase und Schnauze regulieren, die dabei natürlich kalt werden. Auch der Hund muß seinen Jagdtrieb - seine Emotionen - für den Erfolg kontrollieren.
Kalte Füße kriegenHeute wird diese Redewendung aus der Ganovensprache genutzt, um ein mulmiges Gefühl vor einer unangenehmen Situation auszudrücken. Ihren Ursprung hat sie im Glücksspiel, als noch bis ins Morgengrauen in verborgenen Kellern gepokert wurde. Wer sich den Gewinn sichern wollte, bekam »kalte Füße« als Ausrede, um das Spiel vorzeitig abzubrechen und so den Gewinn zu sichern oder wenigstens Verluste zu begrenzen.
Kalter Bauer...nennt der Volksmund einen unbeabsichtigten Samenerguß: Das ging in die Hose, möglicherweise weil die »Pollution« vom lateinischen »polluere« (beflecken, beschmutzen, verunreinigen) auf die nicht immer ganz blütenreine Arbeitskleidung des Bauern anspielt, vielleicht auch von »Kalt«, weil nicht ganz frisch - »Bauer« vom mittelhochdeutschen »gebur« für das Gebären, Hervorbringen.
Kalter Hund...kennen heute wohl nur noch Kinder der 1960/70er Jahre: Die um 1913 von der Firna »Bahlsen« erfundene und in den 20er Jahren als »Schokoladenkuchen aus Leibniz-Keksen« auf Handzetteln unters Volk gebrachte Nascherei aus in reichlich Schokolade, Kokosfett und Ei geschichteten Butterkeksen ist inzwischen gänzlich aus der Mode gekommen. Er wurde nicht wie andere Kuchen gebacken, sondern kam »kalt« aus dem Kühlschrank. Seinen Namen verdankt er der Kastenform, die dem »Hunt« - dem Grubenwagen aus dem Bergbau - ähnelt. Im Volksmund hieß er mancherorts auch »Kalte Schnauze«, weil er wie eine Hundeschnauze glänzt.
Kalter Kaffee...ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für eine langweilige Geschichte oder überholte Nachricht, der im letzten Jahrhundert in Mode kam. Wahre Kaffeekenner bevorzugen den Filteraufguß per Hand, bei dem das heiße Wasser in einem Schwall über das Kaffeemehl geschüttet wird, weil dadurch weniger Bitterstoffe gelöst werden, als bei den meist nur tröpfelnden Kaffeemaschinen. Völlig ungenießbar ist hingegen schal und unangenehm schmeckender kalter Kaffee, der schon längere Zeit rumsteht.
Kaltes Eisen schmieden...heißt, etwas Überflüssiges zu tun: Der Schmied erhitzt das Eisen, um es mit Hammer und Amboß leichter bearbeiten und formen zu können. Kaltes Eisen läßt sich kaum bearbeiten, ergo wird unnötig Kraft vergeudet.
Kamerad...stammt vom italienischen »camera« (Kammer) bzw. »camerata« (Kammergemeinschaft, Gefährte), ist also ursprünglich jemand, der »in der gleichen Kammer lebt«.
Kamerad SchnürschuhRedensartliche preußische Bezeichnung für die Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee. Diese schnürten ihre Militärstiefel, während die Preußen Schaftstiefel trugen.
KanakeDer heute in unseren Breiten eher abwertend gebrauchte Begriff stammt vom polynesischen »Kanaka« und bedeutet dort ganz einfach »Mensch«.
KanonenfutterSchon in William Shakespeares Drama »Heinrich IV.« (1597) spricht der Ritter John Falstaff von seinen Soldaten als »food for powder« (Pulverfutter) - ein Ausdruck, der im 19. Jahrhundert als »Kanonenfutter« in die deutsche Sprache einzog. Gemeint waren damit die unerfahrenen, schlecht ausgerüsteten Soldaten der Infanterie, die im Kugelhagel einer ersten Welle den Gegner überrollen sollten. Der massenhafte sichere Tod der Kämpfer wurde dabei billigend in Kauf genommen.
Kantersieg...nennen wir einen in einem Sportwettkampf mühelos errungenen leichten und darum meist sehr hohen Sieg: »Kanter« (vom englischen »canter«) ist ein leichter Galopp, abgeleitet von den Pilgern, die nach Canterbury ritten, um ihren am 29. Dezember 1170 von vier wildgewordenen Rittern ermordeten Erzbischof Thomas Becket (1118-70) zu ehren - ursprünglich wurde also ein Pferderennen mühelos im lockeren Galopp gewonnen. Heute wird der Begriff häufig im Mannschaftssport gebraucht, wo man vom »Kantersieg« etwa ab vier Toren Vorsprung spricht.
KapriolenJemand hat höchst wunderliche Einfälle, bei denen oft nur hahnebüchener Unsinn herauskommt: Das italienische Wort »capriola« bedeutet »Bocksprung«, abgeleitet aus dem italienischen »capro« (Sündenbock) oder dem lateinischen »caper« (Ziegenbock). Die Redensart geht auf das italienische Tanztheater des 16. Jahrhunderts zurück und bedeutete ursprünglich einen kunstvollen Luftsprung, einen lustigen Sprung oder eine artistische Vorführung im Zirkus oder Varieté, in Verbindung mit »capriccio« (Torheit, Laune, Grille, Schrulle) auch allgemein einen Streich oder verrückten Einfall.
KaravelleDie portugiesische »caravela« (Küstenschiff), ursprünglich vom spätlat. »carabus« (geflochtener Kahn), war das erste europäische Segelschiff, das gegen den Wind kreuzen konnte. Unter Heinrich dem Seefahrer (1394-1460) wurde sie auf Basis der Hansekoggen, wohl auch nach dem Vorbild der arabischen Dau, von holländischen Schiffskonstrukteuren in Portugal entwickelt. Die Karavelle hatte zwei, später auch drei Masten mit dreieckigen Lateinersegeln, das Ruder lag mittschiffs. Daher konnte sie besser kreuzen als bis dahin übliche Schiffstypen. Durch den geringen Tiefgang eignete sie sich besonders für Expeditionen an fremden Küsten und wurde so zum bevorzugten Schiffstyp der Entdeckungsreisen
Karpatenziege, Karpatenschreck...nannte man spöttisch den »TV 41«, einen katastrophal verarbeiteten rumänischen Lieferwagen der 80er Jahre.
Karriereleiter...nennt der Volksmund ein imaginäres Gerät, mit dem es angeblich möglich sein soll, unter großer Anstrengung, höchster Leistung und viel beruflichem Glück »die Treppe hinaufzufallen« und so eine bessere Stellung, mehr Gehalt oder Einfluß zu bekommen.
Kaschemme...nennt der Volksmund gelegentlich eine etwas schmuddelige Kneipe. Schon in der Roma-Sprache war die »katsima« eine Ganovenkneipe oder ein Gasthaus mit schlechtem Ruf; in vielen slawischen Sprachen ist die »karczma« (polnisch), »krčma« (tschechisch) oder »Kretscham« (schlesisch) bis heute ein einfaches, aber ordentliches Dorfgasthaus.
KasematteDie »bombensicheren, gepanzerten Geschützräume« haben wir im 16. Jahrhundert aus dem Französischen (»casemate«), diese wiederum aus dem Italienischen (»casamatta - Wallgewölbe«) übernommen. Ursprünglich geht das Wort auf das mgrch. »Chasma« (Spalte, Erdschlucht, Kluft) zurück.
Kassandraruf...bezeichnet vergebens vor einer drohenden Gefahr warnende Aussagen, die nicht beachtet werden. Charakteristisch ist, daß sie von Insidern mit einem durchaus realitätsgerechten Urteilsvermögen, aber ohne die entsprechende Durchsetzungskraft kommen.
Kassandra, Tochter des Priamus von Troja und der Hekabe, erhielt von Apollo die Gabe des Blicks in die Zukunft. Da sie seine Liebe nicht erwiderte, bewirkte jener, daß niemand ihren Weissagungen Glauben schenkte. Kassandra warnte übrigens auch vor dem Trojanischen Pferd - leider vergeblich.
Kastanien aus dem Feuer holenJemand begibt sich für einen anderen in Gefahr und erntet Undank. Die Redensart geht ins 17. Jahrhundert zurück und ist der Fabel »Der Affe und die Katze« des berühmten französischen Dichters Jean de La Fontaine (1621-95) entlehnt: Darin überredet der Affe Bertrand die Katze Raton, ihm geröstete Kastanien vom offenen Feuer zu stibitzen - zum Dank aß er sie alle alleine auf, ohne Raton auch nur eine einzige abzugeben.
Kastenhai...oder »Eckfisch« nennen wir bisweilen scherzhaft das Fischstäbchen, dieses länglich-rechteckige - daher der Name - Fertiggericht aus panierten und tiefgefrorenen Fischfilets, das im Jahre 1959 einen unglaublichen Siegeszug auf unzählige Kinderteller antrat.
Kategorischer Imperativ»Handle so, daß die Maxime Deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne«., philosophierte einst Immanuel Kant (1724-1804). Für ihn war oberster Grundsatz, daß ein Mensch so handeln sollte, wie er möchte, daß alle handeln sollten.
Katz und Maus spielen...bezieht sich auf das Spiel des Zimmertigers mit der Maus. Die Katze läßt ihr Opfer gern scheinbar entkommen, um sie schließlich doch zu töten. Schon Luther kannte eine ähnliche Wendung: »Der Katze Spiel ist der Mäuse Tod«.
Katzbalgerei...nennt der Volksmund einen eher harmlosen Streit, mehr um sich zu necken, als sich ernsthaft und handgreiflich auseinanderzusetzen. Das Wort geht wohl auf die spielerischen Raufereien von Katzenjungen zurück.
Katzbuckeln...meint das arschkriecherisch-servile Verhalten gegenüber vermeintlich Höhergestellten, devotes antichambrieren, gehorchen, sich einschmeicheln mit dienstfertig gekrümmtem Rücken. Wer besonders unterwürfig ist, verneigt er sich besonders tief und oft - analog dem krummen Buckel, den Katzen vor ihren Artgenossen machen, um größer zu wirken, wenn sie etwas erreichen wollen.
Katzelmacher...nennen die Österreicher ihre italienischen Nachbarn. Das soll von einem hölzernen Küchengerät kommen, das in Südtirol als »Ggatzel« (venezianisch »cazza« - Zinnlöffel, vom spätlat. »cattia«) bezeichnet wurde. Katzelmacher waren demnach laut Etymologie-Duden italienische Löffelmacher. Charles Berlitz erklärt, daß es zu diesem Wort noch mindestens sieben (!) weitere Etymologien gibt, darunter Ableitungen von »cascia« (Maisbrei), »cacio« (Käse), »cazzo« (Penis, als italienischer Fluch) und »Ketzer«.
Katzen haben sieben Leben...sagt der Volksmund und will damit ausdrücken, daß unsere Stubentiger oft Situationen schadlos überstehen, in denen andere Tiere - Menschen sowieso - wohl umgekommen wären. Beispielsweise könnte kein Tier sonst aus großer Höhe herunterfallen und wieder auf den Pfoten landen, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Im Mittelalter brachte man sie als Symbol heidnischer Gottheiten mit Hexen in Verbindung und glaubte, in ihnen würden mehrere Dämonen stecken, die man wohl alle einzeln austreiben müßte. Daß es gerade sieben Leben sein sollen, hängt mit der christlichen Numerologie für das Vollkommene zusammen - der Summe aus der Drei für das Göttliche und der Vier, die das Weltliche symbolisiert. Diese Siebenzahl wird oft als Synonym für die Unendlichkeit interpretiert. Bei den traditionell zu Übertreibung neigenden angelsächsischen Völkern haben Katzen gar ganze neun Leben - ich bitte aber dringend, von jeglichen Versuchen, den Wahrheitsgehalt dieses Sprichwortes »wissenschaftlich« zu belegen, abzusehen.
Katzenauge...nennen wir umgangssprachlich den Rückstrahler an einem Fahrrad. Ähnlich wie die Augen einer Katze, die eine reflektierende Schicht - quasi einen eingebauten Spiegel, das »Tapetum cellulosum lucidum«, auf Deutsch »leuchtender Teppich« - hinter der Netzhaut im Auge hat, reflektieren die kleinen zylindrischen Glaskörper das Licht in die Richtung zurück, aus der sie angestrahlt werden.
Katzenjammer haben...wir nach einer durchzechten Nacht, wenn wir mit Übelkeit, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen kämpfen. Der ursprüngliche »Kotzen«-Jammer war wohl etwas zu derb, sodaß sich der Tiervergleich mit dem durchdringenden Miauen einer rolligen Katze förmlich aufdrängt. Die lateinische »crapula« (Betrunkenheit, Rausch) mit dem metaphorischen Namen beschrieb einst der Dichter Felix Schlögl (1821-92) im »Aschermittwoch« so: »Heute ist der süße Rausch verflogen; der Katzenjammer ist geblieben. Der Katzenjammer! Es gibt verschiedene Stadien dieses Zustandes und auch zweierlei Arten desselben. Der sozusagen leibliche Katzenjammer ist bald zu heilen. In der Volksapotheke ist hiefür der Gebrauch des ›Haarauflegens‹ ein beliebtes und meist auch untrügliches Mittel. Dieses Haarauflegen variiert nun wieder in den Nuancen der dazu verwendeten Säure und richtet sich nach dem habituellen Geschmacke, dem Bildungsgrade und den Geldmitteln des betreffenden Patienten«. Das »Handbuch der Drogisten-Praxis«, Band 25: Erster Theil empfiehlt anno 1893 zur Linderung Salmiakgeist: »...Medizinisch innerlich in kleinen Gaben (6-10 Trpf.) in ½ Glas Wasser gegen Trunkenheit und Katzenjammer...«
Katzenkopfpflaster...nennt der Volksmund eine Pflastertechnik, die heute nur noch selten auf sehr alten Dorf- oder Altstadtstraßen zu sehen ist: Die dafür von Feldern und aus Flußbetten aufgesammelten groben Natursteine sahen tatsächlich ein bißchen aus wie eingebuddelte Katzenköpfe.
Katzenmusik...nennen wir eine recht schräge Musik mit falschen Tönen - eher ganz einfach nur Lärm und Krach -, wie sie oft im Karneval aufgeführt wird. Mit Trommeln, Pfeifen, Tierhörnern, Ratschen und Topfdeckeln will man aber nicht die Zuhörer, sondern die bösen Geister des Winters vergraulen. Ursprünglich geht der Begriff auf die lauten, schaurigen Schreie rolliger Katzen zurück.
Katzensprung...ist im Volksmund eine anerkannte Maßeinheit für eine recht geringe Entfernung - ziemlich genau so weit, wie sie eine ausgewachsene Katze in einem einzigen Satz zurückzulegen in der Lage ist. Dabei ist ein genauer Umrechnungsfaktor in Meter oder Fuß nicht definiert, aber es ist gar nicht weit weg. Laut »Grimmschem Wörterbuch« soll u.a. schon Dichterfürst Goethe den seit dem 16. Jahrhundert belegten Ausdruck für eine kurze Strecke verwendet haben, dort ist aber auch von einem rettenden Sprung durchs Fenster die Rede und der fast vergessene deutsche Dichter Gottlob Wilhelm Burmann (1737-1805) nahm einst in einer Fabel unvermeidlichen Bezug auf das liebe Geld: »Dreihunderttausend rheinische Gulden sind auch fürwahr kein Katzensprung«.
Katzenwäsche...machen umgangssprachlich besonders gern Kinder, die sich am liebsten nur höchst oberflächlich und flüchtig waschen wollen. Das Wort beruht auf der irrigen Ansicht, daß sich unsere Stubentiger allein durch das Ablecken ihres Fells nur unzureichend säubern würden - dabei sehen sie doch in aller Regel sehr sauber aus und riechen auch längst nicht so streng wie so mancher Bello. Tatsächlich putzen sie sich mehrmals täglich sehr ausführlich - kaum ein Mensch verbringt so viel Zeit mit Körperpflege! Vielleicht hängt es damit zusammen, daß Katzen ob ihrer Abkunft aus der Steppe, wo Wasser naturgemäß eher Mangelware ist, meist ziemlich wasserscheu sind. Da für uns Reinlichkeit immer auch mit Wasser zu tun hat, kann ein Tier, das den Kontakt mit Wasser meidet, schnell als unsauber gelten.
KauderwelschDiese wirre Sprechweise, traditionell äußerst beliebt bei Beamten, in jüngerer Zeit auch Synonym für ein unverständliches Gemisch aus mehreren Sprachen, das sich vorzugsweise Werbeprofis oder andere vermeintlich wichtige Leute antun, kommt wohl schon aus dem 16. Jahrhundert: Martin Luther (1483-1546) bezieht das Wort auf die Rätoromanen (Chauderwelschen oder Churwallen), sodaß ursprünglich die welsche Sprache der Einwohner von Chur/Graubünden, das für Deutsche unverständliche »Churwelsch« gemeint war. Alternativ wird »kaudern« aus »Zwischenhandel treiben, makeln« hergeleitet, sodaß ursprünglich das »Welsch« (Romanisch) italienischer fahrender Händler und Geldwechsler oder die Geheimsprache (Rotwelsch) gemeint wäre. Die Gebrüder Grimm verzeichnen außerdem in ihrem Wörterbuch lautmalerisch »kaudern« (»kuttern«, Kollern des Taubers, »küttern« vom Hahn) mit den Bedeutungen »wie ein Truthahn kollern« und »plappern, unverständlich sprechen«.
Kaupeln...hießen früher die inoffiziellen Tauschgeschäfte unter Kindern, die auf dem Schulhof allerlei Krimskrams untereinander handelten. Das Wort geht wohl auf das schlesische »kaupeln, kaupan, kappan, keipeln« für »kaufen, handeln, tauschen, schachern« zurück.
Kavaliersdelikt...nennt man heute meist kleinere Vergehen, die sich fast jeder dann und wann mal zuschulden kommen läßt. Ursprünglich waren es Delikte Adliger, die nicht zu Ehrverlust und Aberkennung persönlichen Adels führten - der Täter blieb trotz allem »Kavalier«. Das Kavaliersdelikt hat keinen immanenten Unrechtsgehalt (delicta mala per se), sondern ist schlicht und einfach verboten (delicta mala mere prohibita). Der Begriff wird oft negiert gebraucht (...kein Kavaliersdelikt), um klarzumachen, daß etwas nicht »auf die leichte Schulter« genommen werden soll.
Kavalierstart...sagen wir zu einem besonders rasanten Anfahren mit dem Auto / Motorrad mit durchdrehenden und quietschenden Reifen. Der Begriff für dieses Imponiergehabe kommt noch aus der Zeit, da der »Kavalier«, ein Soldat zu Pferde (vom französischen »chevalier«, der wiederum vom lateinischen »caballus« - altes Pferd, Gaul), seinem Roß die Sporen gab und in einer Staubwolke davonbrauste.
KaventsmannDer Ausdruck, der allgemein für ein großes Tier oder einen großen Gegenstand steht, bezeichnet in der Seefahrt besonders große Monsterwellen, die aus unterschiedlichen Richtungen auf ein Schiff treffen und es gefährlich in die Zange nehmen. In der frühen Rechtsprechung war der Kaventsmann (von lateinisch »cavere« - Beistand leisten) ein Mächtiger, der für einen Angeklagten bürgte. Nach anderen geht das Wort auf den »Mann des (kirchlichen) Konvents«, einen Mönch, zurück. Beleibtheit und körperliche Größe wurde mit Macht und Wohlstand gleichgesetzt.
Kebse...kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bezeichnet eine »Nebenfrau«.
Kein Bein auf die Erde kriegen...Leute, die nicht zum Zuge kommen, keinen Erfolg oder keine Möglichkeit zum Handeln haben: Mit dem »Bein auf der Erde« haben wir Bodenkontakt und damit einen festen Halt. Wenn wir kein Bein auf die Erde kriegen, sind wir hilflos wie der Ringer, der ständig ausgehoben und zu Boden geworfen wird.
Kein Bein ausreißen...wird sich einer, der sich nicht allzusehr bemüht, kaum anstrengt, sehr langsam arbeitet. Er wird den Weg des geringsten Widerstands gehen, sich nicht selbst schädigen, geschweige sein Leben riskieren, um jemandem zu helfen oder eine Arbeit fertigzustellen - auch nicht, wenn wir ihm »Beine machen«.
Kein Blatt vor den Mund nehmen...geht auf einen Theaterbrauch zurück: Angeblich hielten sich Schauspieler im 16. Jahrhundert, ehe sie Masken für sich entdeckten, große Blätter oder Fächer vor den Mund, um für peinliche Wahrheiten oder lästerliche Reden später nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Andere leiten die Redensart von römischen Gastmahlen her: Machte der blumenbekränzte Becher die Runde, erschloß der Wein, der nichts erfindet, sondern nur ausplaudert, das Gemüt und es wurde eröffnet, was besser verschwiegen geblieben wäre. Der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus (um 55-116) meinte: »Facta arguebantur, dicta impune erant«. (Nur Handlungen, aber nicht Worte werden gestraft). Die Römer sprachen »Larvate perorabant« (das Gesicht mit einer Larve bedeckt).
Kein Geld, keine SchweizerEs gibt nichts ohne Gegenleistung. Bei den »Schweizern« handelt es sich um die Gardesoldaten, die einst an vielen europäischen Höfen (heute nur noch im Vatikan) dienten. Diese Söldner achteten peinlich genau auf pünktliche Zahlung ihres Soldes. Blieb der aus, brachen sie schonmal einen Krieg ab. Anno 1521, als Franz I. von Karl I. in Mailand belagert wurde, und seine Schweizer nicht mehr bezahlen konnte, ließen sie ihn im Stich. Belegt ist die Redensart jedoch erst seit Anfang des 18. Jahrhunderts.
Kein gutes Haar an jemandem lassen...wir heute, wenn wir nichts Gutes gelten lassen, nur Schlechtes über jemanden erzählen, scharfe Kritik üben: Weil wir allgemein sehr viel Wert auf eine perfekte Frisur legen, war das Abschneiden der Haare schon von altersher ein probates Mittel der Demütigung und Schmach. Zum Zeichen der Unterwerfung wurden Soldaten, Sklaven, Gefangenen oder Frauen, denen man Ehebruch vorwarf, die Haare geschoren. Im »Deutschen Wörterbuch« von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm lesen wir dazu: »...es ist kein gutes haar an ihm, er ist nicht das geringste wert: wann je eins das ander ausschreiet, es sei kein gut haar an ihm. Simplic. 1, 330 (Kurz), wann er selbst aber nobel oder sonst ein gut haar an ihm gewesen wäre .. 3, 123; dem menschen treu zu sein, an dem kein gutes haar. GÖTHE 7, 69. .. ist an dir abscheulichem menschen nun wol irgend ein echtes haar? GUTZKOW Lenz u. söhne (1855) s. 5; sie (die kirche) kündigt euch versöhnung vom himmel an und ihr seid wirklich verdammt. es ist kein haar an keinem unter euch, das nicht in die hölle fährt. SCHILLER 123b. .. Der ausdruck im positiven sinne gebraucht: so dasz dieses fest ein eigentliches frauenfest ist, weil es den frauen das zeugnis gibt .. dasz an ihnen ein gut haar ist, dasz sie etwas wert sind. J. GOTTHELF schuldenbauer 32...« (Bd. 10, Sp. 22)
Kein Härchen krümmen...können wir bildlich jemandem, dem wir nichts Böses wollen, niemals etwas zuleide tun - nicht mal an einem an sich gefühllosen Haar. Ursprünglich ging es hier wohl um Tierhaare, die bei der Jagd und anschließenden Verwertung sicher in Mitleidenschaft gezogen werden. Schon in der Bibel ist dieses Bild beschrieben: »Et capillus de capite vestro non peribit« - »Vnd ein Har von ewrem Heubt sol nicht vmbkomen« (Lukas 21.18) oder »Propter quod rogo vos accipere cibum pro salute vestra quia nullius vestrum capillus de capite peribit« - »Darumb ermane ich euch speise zu nehmen, euch zu laben. Denn es wird ewer keinem ein har von dem Heubt entfallen« (Apostelg. 27.34). Jacob Grimm und Wilhelm Grimm schreiben in ihrem »Deutschen Wörterbuch«: zu dieser Wendung »kein haar anrühren oder krümmen, nicht das geringste zu leide thun: dasz i. f. gnaden kein haar angerühret werde. SCHWEINICHEN 2, 118; nicht ein haar krümmen. 150; Wilhelm .. versicherte, dasz er ihn gegen jedermann schützen werde, dasz ihm (dem harfner) niemand ein haar krümmen, viel weniger ohne seinen willen abschneiden solle. Goethe 19,11...«
Kein Jota zurückweichen...bedeutet, daß zwei um eine Nichtigkeit streitende Parteien nicht gewillt sind, auch nur ein kleines bißchen aufeinander zuzugehen, von ihren Auffassungen abzuweichen.
Die Redensart geht auf einen Streit anläßlich des Konzils von Nicäa (heute Iznik, Türkei) anno 325 zurück, bei dem die Arianer Jesus und Gott als nur wesensähnlich ansahen, während ihre siegreichen Gegner meinten, daß beide wesensgleich seien. Im Griechischen unterschieden sich die beiden Ausdrücke »homoousios« (wesensgleich) und »homoiousios« (wesensähnlich) lediglich durch ein Iota »ι« - den kleinsten griechischen Buchstaben.
»Kein Jota« steht also für »nicht das Kleinste, Mindeste« zurücknehmen.
Kein Kind von Traurigkeit...ist ein lebenslustiger Mensch, der bei Problemen oder Krisen recht schnell wieder zum normalen Alltag zurückfindet oder jemand, der all den kleinen Freuden des Daseins offen gegenübersteht, es mit der »Moral« eher gelassen angeht.
Kein Mensch muß müssen...sagt der Jude Nathan zum Derwisch Al-Hafi, als dieser ihm in Gotthold Ephraim Lessings (1729-81) Drama »Nathan der Weise« ein Geschäft anträgt: »Kein Mensch muß müssen, und ein Derwisch müßte? Was müßt er denn«? Al-Hafi antwortet ihm: »Worum man recht ihn bittet, und er für gut erkennt, das muß ein Derwisch« (1. Akt, 3. Auftritt/385).
Der Derwisch hatte sich - seiner Sufi-Ideologie zum Trotz - vom Sultan Saladin zu seinem Schatzmeister ernennen lassen. Der reiche Kaufmann Nathan ist davon überzeugt, daß Al-Hafi bei seiner Entscheidung keinem Zwang unterlag, denn für ihn gibt es gar keine Zwänge.
Heute bringen wir so zum Ausdruck, daß niemand zu etwas gezwungen werden kann, wenn er nicht will; daß man etwas auch lassen oder verweigern kann, da man nur seiner eigenen Moral und Ethik verpflichtet ist.
Kein Mumm in den Knochen...im Sinne von »mutlos, kraftlos, unentschlossen« leitet sich vom lateinischen Begriff »animus« für Seele, Mut, Leben, Entschlossenheit, Tatkraft her und wurde früher auch in der Form »Keinen animus haben« verwendet. Wir sind schwach und unmotiviert, antriebs- und kraftlos und zeigen dies in einem entsprechenden Körperbild - wir schleichen mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf durchs Leben und kriegen fast nichts auf die Reihe...
Kein PappenstielDas Synonym für »keine Kleinigkeit« hat nichts mit der »Pappe« zu tun, sondern leitet sich ab vom Stiel der »Papenblome« oder Pfaffenblume, so die niederdeutsche Bezeichnung für den Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia) - hergeleitet vom lateinischen »pappus« (Samen- oder Federkrone). Der leicht abzublasende Samenstand der »Pusteblume« galt früher als Sinnbild des Vergänglichen und Geringfügigen. Da diese weitverbreitete Pflanze kaum Verwendung findet, wird sie als wertlos eingestuft, man sagt auch: »Etwas für einen Pappenstiel bekommen« - etwas preiswert erstehen.
Kein Rauch ohne Feuer...behauptet die bekannte Redewendung und meint, daß alles eine Ursache hat, Gerüchte oder Vorwürfe oft berechtigt sind, viel Wahres enthalten.
Kein Sterbenswörtchen...sagt jemand, der schweigt, überhaupt nichts, kein einziges Wort sagt: Ursprünglich war dies das Wort eines Sterbenden, der nur noch sehr leise und zaghaft und bald gar nicht mehr sprechen konnte.
Kein Talent, doch ein Charakter...kennzeichnet jemanden, der Mangel an Fähigkeiten durch stramme Gesinnung wettzumachen versucht: Das Zitat findet sich bei Heinrich Heine (1797-1856) in seinem satirischen Versepos »Atta Troll. Ein Sommernachtstraum« (1841) als Teil des Grabspruches des deutschen Bären Atta Troll: »Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung tragend in der zottigen Hochbrust. Manchmal auch gestunken habend; kein Talent, doch ein Charakter«.
Kein unbeschriebenes Blatt...sind umgangssprachlich Angeklagte, die schon mehrere Vorstrafen aufbieten können. Das Synonym für Leute, die schon so einiges »erlebt« haben, geht auf den griechischen Philosophen Platon (um 427-347 a.C.) zurück, der mit »unbeschriebenes Blatt« die ursprüngliche Seele des Menschen, bevor sie Eindrücke von der Außenwelt empfing, bezeichnet. Aristoteles (384-322 a.C.) benutzt ebenfalls dieses Bild von der unbeschriebenen Wachstafel »tabula rasa«, das auch der Philosoph Plutarch {um 45-125) sowie die Stoiker (Philosophen einer antiken Schule in Athen um 300 a.C.) verwenden.
Kein Wässerchen trüben...kann scheinbar jemand, der harmlos und brav aussieht, ungefährlich und unschuldig wirkt, und der sprichwörtlich »keiner Fliege etwas zuleide tun« kann. Daß er gar so harmlos denn doch nicht ist, zeigt der Ursprung des Ausdrucks in einer Æsop'schen Fabel: Ein Wolf trinkt aus einem Bach, bemerkt weiter unten ein Lamm und frißt es auf, weil es ihm das Wasser getrübt habe - trotz des demütigen Einwandes, daß dies ja gar nicht möglich sei, weil das Wasser nicht bergauf fließe. Auch Phædrus (um 20 a.C.-50) berichtet in seinen »Fabulæ« (I, l) über diese Begebenheit: In völliger Verkehrung der Tatsachen ruft sein Wolf dem Lamm zu: »Cur (inquit) turbulentam fecisti mihi aquam bibenti«? (Warum machst Du mir das Wasser trüb, wenn ich hier trinke?) Auch bei Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert, in Sebastian Brants »Narrenschiff«, bei Martin Luther und in Hans Sachs' »Heiß Eisen« (232), wo eine durchaus nicht harmlose Frau »sams nie kein wasser trübet het« kommt die Redensart vor. Neben der antiken Fabel liegt wohl auch die alte Vorstellung zugrunde, daß der klare Spiegel des Wassers sich nur trübe, wenn ein böser Mensch hineinschaue.
Kein X für ein U vormachenIm Mittelalter schrieb man mit römischen Zahlzeichen, wobei das »V« gleichzeitig für die Zahl »5« und den Buchstaben »U« stand. Die Zahl »10« wurde mit der römischen Ziffer »X« dargestellt. Wollte man sich beim Schuldenanschreiben einen Vorteil verschaffen, verlängerte man einfach die Striche des »V« zu einem »X«, man machte also jemandem »ein X für ein U« vor.
Kein Zuckerschlecken...sei das Leben - behauptet zumindest der Volksmund. Das Wort, das nur noch in dieser Wendung gebräuchlich ist, suggeriert uns etwas Angenehmes, Süßes, vor allem Kinder wissen darum. Unser Alltag hingegen ist oft recht schwierig, wenig erquicklich, mit vielen Mühen verbunden, gelegentlich sogar richtig hart und bitter - »kein Zuckerschlecken« halt. Man kann einfach nicht alles haben und es kann nicht alles so sein, wie man gerne möchte.
Keine Antwort ist auch eine Antwort...kommentieren wir das Ausbleiben einer erwarteten Antwort und drücken so aus, daß wir nur zu genau den eigentlichen Grund kennen, weshalb unser Gesprächspartner uns die Antwort schuldig bleibt und es vorzieht, lieber zu schweigen.
Keine Augen im Kopf haben...umgangssprachlich Leute, die unaufmerksam sind, die nicht aufpassen und dadurch einen Fehler machen. Natürlich hat trotzdem jeder Augen im Kopf - allerdings benutzt er sie offenbar grad nicht.
Keine fremden Götter neben sich dulden...so manche Machthaber vom Ehegespons über den Abteilungsleiter bis zum Politiker. Ursprünglich sprach Gott im Dekalog diese Worte. Im ersten der zehn Gebote heißt es: »Ego sum Dominus Deus tuus qui eduxi te de terra Ægypti de domo servitutis non habebis deos alienos coram me«. - »Jch bin der Herr dein Gott, der ich dich aus Egyptenland aus dem Diensthause gefürt habe. Dv solt kein andere Götter neben mir haben«. (Exodus 20.2f)
Keine Gefangenen machenÜblicherweise führten Piratenschiffe den »Jolly Roger«, die schwarze »Piratenflagge« mit dem Totenkopf, die sie als Räuber kennzeichnete. Dann waren sie immerhin Willens, Gefangene zu machen, ihre Opfer also am Leben zu lassen. Wurde aber ein rotes Tuch gehißt, war mit Gnade nicht zu rechnen, es stand ein kurzer, grausamer Beutezug bevor.
Keine grauen Haare wachsen lassen...wir uns über Sachen, die uns eigentlich nur peripher tangieren, um die wir uns »keinen Kopf« machen: Es geht immer wieder mal die Legende, daß man aus Kummer und Sorge oder wegen eines großen Schreckens quasi über Nacht völlig grau oder gar weiß werden könne. Dabei handelt es sich um die »Alopecia areata« (Kreisrunder Haarausfall), eine Krankheit, die alle farbigen Haare ausfallen und nur die grauen übrigbleiben läßt. Daß dies etwas mit Angst oder Trauer zu tun habe, konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden. Verschiedene Dichter haben darüber referiert: Schon Grimmelshausen berichtet im »Simplicissimus« von einem Mann, dessen Haare und Bart eines Morgens grau waren, wiewohl er den Abend als ein dreißigjähriger Mann mit schwarzem Haar zu Bette gegangen sei. Agricola schreibt »Laß dir kein graw har darum wachsen, sorge nicht, trawre nicht, du wirst sonst graw«, bei Goethe heißt es: »Wohlsein eines jeden! Daß sie sich nur darum graue Haare wachsen ließen«. Tatsächlich sind Haare abgestorbene Zellen. Ob sie unpigmentiert, also »grau« sind oder nicht, entscheidet sich bereits in der Haarwurzel: Steht im Körper nicht mehr genügend Melanin zur Verfügung, bekommt ein nachwachsendes Haar keine Farbe mehr ab - die, die man erstmal auf dem Kopf hat, können ihre Farbe nicht mehr ändern. Allerdings kann man bei großer seelischer Belastung Haare verlieren, wobei erstaunlicherweise pigmentierte Haare anfälliger sind. So entsteht manchmal der Eindruck, man sei - quasi über Nacht - ergraut.
Keine müde Puseratze mehr...hat ein Berliner, der keinen Pfennig, kein Kleingeld, nichts mehr hat, schlicht und einfach pleite ist. Ursprung dieses Wortes könnte der »Ratz« (Siebenschläfer) sein, möglich ist auch ein Bezug zum französischen »raté« (das Versagen).
Keine Peilung haben...wir gelegentlich, wenn wir keine Orientierung haben, etwas nicht verstehen oder nachvollziehen können. Das Wort geht auf das mittellateinische »pagella« (Meßlatte) zurück: In der christlichen Seefahrt mußte der Kapitän »Peilung aufnehmen«, um den Standort zu bestimmen und ggf. den Kurs nachzubessern. Das früheste Bezugssystem war die Himmelsichtung, später dann peilte man die Sterne oder andere natürliche oder künstliche Fixpunkte an.
Keine Rose ohne Dornen...philosophieren wir gelegentlich, daß jedes Ding zwei Seiten, alles auch seine Nachteile, alles Schöne auch seine Schattenseiten hat. Botanisch gesehen haben Rosen ja eigentlich Stacheln und keine Dornen - aber es klang doch so schön in dem alten Liebeslied:
»Es blüht keine Rose ohne Dornen,
Es blüht keine Liebe ohne Sorgen;
Denn wo zwei geliebet wollen sein,
Muß der eine stets davon betrogen sein«...
Keine Träne nachweinen...können wir jemandem oder einer Sache, der wir nicht nachtrauern und die wir nicht vermissen, wenn sie verschwindet. Einem geliebten Toten wird die letzte Ehre durch Tränen erwiesen, auch ein materieller Verlust kann uns sehr traurig machen - manchmal gibt es aber auch Menschen, die uns schon im Leben nicht interessiert haben, mit denen wir vielleicht gar verfeindet waren und für die wir nun keine Trauer empfinden, die wir durch eifriges Jammern und Weinen ausdrücken müßten.
Keinen blassen Schimmer haben...Leute, die partout nicht wissen, wie sie eine Aufgabe lösen sollen: Das Licht steht hier für den Geist oder eine Idee (vgl. »Mir geht ein Licht auf«), und ein blasser Schimmer ist nur der letzte Rest eines Gedankens, ohne den man völlig ahnungslos ist. Einer anderen Herleitung nach geht diese Wendung auf das »Schimmerbuch für junge Corpsstudenten«, ein Regelwerk für Studentenverbindungen des Historikers Erich Bauer von 1952 zurück.
Keinen Blumentopf gewinnen...kann man, wenn man bei jemandem nichts erreicht. Vielleicht meint die Redewendung, daß ein auch noch so schöner Blumentopf im Gegensatz zum üppig blühenden Strauß, den man bei Erfolg überreicht bekommt, meist doch eher bescheiden wirkt - wahrscheinlicher ist indes ein Ursprung bei den typischen Würfelbuden der Jahrmärkte, wie die berlinische Redewendung »Du kannst doch bei mir keen Blumentopp jewinnen, und wenn de 19 trudelst« zeigt.
Keinen Deut besser...ist jemand oder etwas, das ziemlich wertlos, genauso schlecht wie etwas anderes ist. Der »Deut« (holländisch duit) war im 17. und 18. Jahrhundert in Geldern, Kleve und Holland die kleinste im Umlauf befindliche Kupfermünze. Die niederländische Redensart: »Ik geef er geen' koperen duit voor« (etwa: Da geb' ich keinen kupfernen Deut für) verbreitete sich im 18. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum. Etymologisch leiten sich die Wörter »Deut« und »duit« vom altnordischen »thveit« ab, was sovielwie »geringe Münze«, wörtlich »abgehauenes Stück« bedeutet (thveita - abhauen). Bis 1854 war die Münze in den Niederlanden in Umlauf.
Keinen Finger krümmen/rühren...sprichwörtlich Faulenzer, die nichts tun, nicht helfen, untätig bleiben, sich für jemanden nicht einsetzen. Dieses Phrasem, das häufig als Vorwurf oder Kritik an jemanden gerichtet wird, ist durchaus wörtlich zu nehmen: Um irgendeine - wie auch immer geartete - Arbeit oder Tätigkeit ausführen, ganz einfach etwas anfassen zu können, ist es nunmal unumgänglich, die Finger zu krümmen und zu bewegen.
Keinen Fuß in die Tür bekommen...sprichwörtlich manch noch so hartnäckige Vertreter, die an der Haustür klingeln. Sie wollen ein Produkt anbieten, doch oft wird ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Um dies zu verhindern, stellen sie direkt einen Fuß in die Tür - so kann der andere sie nicht schließen und der Vertreter ist seinem Ziel schon ein kleines Stückchen näher. Hat jemand »einen Fuß in der Tür«, hat er sein Ziel zwar noch nicht erreicht, aber immerhin Beachtung erlangt und auf sich aufmerksam gemacht.
Keinen Fußbreit weichen...heißt bildlich, fest auf einer Sache zu beharren, keinerlei Kompromisse einzugehen und niemals zurückzustecken. Diese Redensart hat ihren Ursprung in der »Imitatio Christi«: Hiob weiß, daß sein Fuß an der Spur des Herrn festhielt, »Vestigia eius secutus est pes meus viam eius custodivi et non declinavi ex ea« - »Denn ich setze meinen fuss auff seiner ban vnd halte seinen weg vnd weiche nicht ab« (Hiob 23:11).
Keinen Hehl daraus machen...Leute, die eine Sache nicht verheimlichen, offen zur Schau stellen oder zumindest nicht leugnen. Das alte Synonym für ein Geheimnis, das heute quasi nur noch in dieser Wendung vorkommt, geht auf das indogermanische »kel« zurück, was in etwa »verhüllen, verbergen« bedeutete.
Keinen Mumm haben...Leute, die mit nur mäßiger Kraft und Energie, Entschlossenheit und Courage an eine Aufgabe herangehen. Die Redensart aus der Studentensprache lautete ursprünglich »keinen Animum haben« - das lateinische »animus« bedeutet unter anderem Seele, Geist, Selbstvertrauen, Leidenschaft, Lust, Mut, Herzhaftigkeit.
Keinen Pfifferling wertIm Mittelalter war Deutschland noch weitaus mehr bewaldet als heute - dementsprechend gab es Pfifferlinge (Cantharellus cibarius, vom mittelhochdeutschen »phefferlinc«) in rauhen Mengen, die somit so gut wie nichts wert waren. Mittlerweile kommt der beliebte Speisepilz, der nicht zu züchten ist, meist aus dem Baltikum, gilt als Delikatesse und kostet richtig viel Geld.
Möglich ist auch eine andere Deutung, nach der das Wort aus dem schwäbischen Dialekt kommt, wo ein Fünf-Pfennig-Stück »Pfifferle« heißt. Auf jeden Fall drückt die Redewendung eine äußerst geringe Wertschätzung gegenüber einer Sache oder einer Person aus.
Keinen Reim darauf machen...können wir uns sprichwörtlich, wenn wir etwas nicht begreifen oder verstehen. Ein Reim, eine Verbindung von Wörtern mit ähnlichem Klang, bleibt weit besser im Gedächtnis haften und ist viel leichter verständlich, als eine mehr oder weniger »wissenschaftliche« Erläuterung. Daher können wir uns beispielsweise Sprichwörter, Bauernregeln oder Werbesprüche in der Regel besser merken als langatmige Dissertationen, auf die wir uns »keinen Reim machen« können.
Keinen roten Heller wert...müßte eigentlich »Schwäbisch Haller« heißen, denn in dieser Stadt wurde die kleine Münze zuerst geprägt. »Hall«, verwandt mit dem griechischen »Halo«, ist ein altes Wort für »Salz« - die Stadt ist für die Salzsiederei berühmt. Beim Heller, ursprünglich einer Silbermünze, die Kaiser Friedrich Barbarossa (um 1122-90) in der Reichsmünzstätte Schwäbisch Hall prägen ließ, war der Silbergehalt oft wertvoller, als die Ware, die man dafür kaufen konnte - also mischte man immer mehr Kupfer bei, bis er die typische rote Farbe einer Kupfermünze - und natürlich auch den im Verhältnis zu Gold oder Silber sehr geringen Wert - hatte. Etwas, das »keinen roten Heller wert« ist, hat sprichwörtlich noch nicht einmal den Wert eines Hellers, ist also quasi wertlos.
Keinen Schuß Pulver wertWurde ein Soldat zum Tode verurteilt, hatte er in der Regel den Tod durch Erschießen zu erwarten. Hatte er sich eines besonders abscheulichen Verbrechens schuldig gemacht, erschien die Kugel für ihn als zu schade. Er war also nicht einmal einen »Schuß Pulver« wert und wurde gehenkt.
Keinen Staat machen...kann man mit Menschen, die keinen besonderen Wert auf ihr persönliches Äußeres legen, einen eher ärmlichen Eindruck hinterlassen. Der »Staat« geht auf das lateinische »status« - Zustand - zurück, was in Deutschland um 1400 zunächst im Sinne von »Stand und Rang« benutzt wurde. Wer »Staat machen« konnte, leistete sich einen gehobenen Lebensstil. Erst im 17. Jahrhundert wurde das Wort im Sinne von »Staatswesen« gebraucht.
Keinen Zacken aus der Krone brechen...sich Leute, die etwas hinnehmen oder tun, das durchaus akzeptabel, erträglich, hinnehmbar, nicht zu viel verlangt ist: Einst, als es noch richtige Prinzessinnen gab, konnte es schon mal passieren, daß sich ein Edelstein aus ihrer Krone löste. Das sorgte zwar erstmal für viel Aufregung, weil der Schaden aufwendig repariert werden mußte, war so schlimm denn aber auch wieder nicht.
Eine andere Deutung: Je mehr Zacken ein Blaublüter in seiner Krone hatte, umso höher stand er in der Hierarchie - eine Königskrone hatte beispielsweise mehr Zacken, als eine Grafenkrone. Hatte man also einen Zacken weniger, stand man auch im gesellschaftlichen Rang niederer.
Keiner Fliege etwas zuleide tun...kann scheinbar ein hehrer Charakter, ein von Natur aus sehr gutmütiges, friedliches Wesen. Wer noch nichtmal einem so winzigen Tier, dem Inbegriff unbedeutenden, wertlosen wie nervtötenden Lebens, das sich auch keinesfalls wehren würde, etwas antäte, kann doch einfach kein schlechter Mensch sein, hoffen wir - wohlwissend, daß man Rückschlüssen auf Äußerlichkeiten lieber kein allzu großes Vertrauen schenken sollten.
Keiner soll hungern, ohne zu frierenDer frühere Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph Goebbels (1897-1945) eröffnete die alljährlichen Sammlungen für das Winterhilfswerk mit dem Propagandaspruch »Keiner soll hungern, keiner soll frieren«. Der volkstümliche Galgenhumor während des Zweiten Weltkrieges, als viele Menschen dennoch verhungerten und erfroren, variierte diesen Spruch alsbald zu dieser nicht ganz so frohen Botschaft.
Kemenate...stammt vom lateinischen »caminta« und meint ein Zimmer mit einem Kamin, ein beheizbarer Raum. Dieser (meist einzige) warme Wohnraum in einer Burg wurde normalerweise ausschließlich für die damals ach so unterdrückten Frauen genutzt.
Kennen wie seine Westentasche...meint, daß sich jemand auf einem bestimmten Gebiet ganz besonders gut auskennt, etwas genau überblickt, darüber Bescheid weiß - wie eben in nämlicher ganz persönlichen Kleidung.
Keusche Susanna...nennen wir gelegentlich eine Frau, die nichts mit Männern im Sinn hat - aber auch ironisch Frauen, die da nicht allzu wählerisch sind. Als Susanna, von der im Alten Testament erzählt wird, ein Bad nehmen will, lauern ihr zwei Richter auf und drohen, sie des Ehebruchs zu bezichtigen, wenn sie ihnen nicht zu Willen ist. Susanna bleibt standhaft. Als sie zum Tode verurteilt wird, nimmt der Prophet Daniel die Richter ins Kreuzverhör und entlarvt sie als Lügner.
Kiebitzen...nennen wir es umgangssprachlich, wenn jemand beim Schach- oder Skatspiel mit deplacierten »guten Ratschlägen« nervt. Mit dem Vogel »Kiebitz« hat das Wort jedoch nichts zu tun: Vielmehr stammt es aus dem Rotwelschen, der Geheimsprache des Fahrenden Volkes und der Gauner, wo die Formen »Kiewisch« oder »Chippesch« - wohl abgeleitet vom jiddischen »kobesch, koiwesch« (bezwingen, unterdrücken) - in der Bedeutung »Durchsuchung, Leibesvisitation« zunächst die ärztliche Untersuchung von Prostituierten, allgemein aber auch das Durchstöbern von Taschen, Kleidung und Örtlichkeiten durch die Polizei bezeichnete, bis es Ende des 19. Jahrhunderts auf das Kartenspiel übertragen wurde und in die deutsche Umgangssprache einging.
Kiesätig...nannte der Ostpreuße jemanden, der besonders wählerisch beim Essen ist. »Kiesen« kommt vom althochdeutschen »kiosan« (vgl. auch englisch »choose«) und bedeutet »prüfen, wählen«, das niederdeutsche »eten« steht für »essen«.
KindchenschemaBei Menschen und höheren Tierarten vorkommende kindliche Proportionen, die als Schlüsselreiz gedeutet werden und Fürsorgeverhalten und Pflegeinstinkt auslösen. Dazu gehören Merkmale wie große Augen, Pausbacken, hohe Stirn sowie ein (im Vergleich zum Erwachsenen) gestauchter Körper mit überproportional großem Kopf. Gegenstück ist das »Mutterschema«, das bei Kindern Vertrauen auslöst. Bei Tieren unterdrückt es das Aggressionsverhalten von Artgenossen, vor Freßfeinden schützt es jedoch nicht.
Kinder und Narren sagen die Wahrheit...sagt der Volksmund, Betrunkene wohl auch, denn im Vino liegt sie doch schließlich, die Veritas. Ursprung dieses Sprichwortes dürfte die große Offenherzigkeit sein, die man bei diesen Menschen wahrnimmt und mit der sie unverblümt alles, was sie gesehen und gehört haben, bekanntmachen. Menschen immerhin, die dafür nicht bestraft werden können und die keine bösen Absichten hegen, sich keine persönlichen Vorteile erwarten. Es wird immer Kinder und Narren geben, also dürfen wir wohl hoffen, daß die Wahrheit niemals ganz von der Erde verschwinden wird.
Kinder, wie die Zeit vergeht...staunen wir immer wieder, wenn wir jemanden treffen, den wir lange nicht mehr gesehen haben. Gerade an den Kindern erkennen wir, daß die Uhrzeiger sich rasend schnell drehen. Eltern meinen, daß sie ihre Kleinen eben erst aus den Windeln hätten und schon bringen sie das erste Zeugnis aus der Schule, machen ihr Abi, haben einen Beruf und selbst wieder Kinder. Wer indes keinen so direkten Kontakt hat, erinnert sich im alltäglichen Trott oft noch an wichtige Ereignisse, »als wär' es gestern gewesen« - dabei liegt manches schon viele Jahre zurück und je älter man wird, desto schneller scheint unsere Uhr zu ticken.
Kindermund tut Wahrheit kund...lautet ein recht populäres Sprichwort. Und tatsächlich: Kinder sagen in der Regel unverblümt die Wahrheit, weil ihnen die Doppelmoral und Falschheit Erwachsener noch völlig fremd ist. Sie sind nicht gewohnt, wie Erwachsene mehr oder weniger höflich zu lügen, daher können sie noch ganz ohne böse Absicht Fragen stellen und Antworten geben. Und sie sind doch so originell und süß...
Kinderstube...hatte man noch bis ins 19. Jahrhundert hinein, als noch fest umrissene Bürgertugenden galten. Mit dieser Redensart assoziierte man einst Vorstellungen von »artig, folgsam, gehorsam und höflich« - allesamt Tugenden, die inzwischen nicht mehr »in« sind. Geläufiger hingegen ist noch immer die verneinende Form: Benimmt sich jemand ausgesprochen schlecht, hat er bis heute »keine Kinderstube«.
Kinkerlitzchen...stammen vom französischen »quincaille« (Kurzwaren, Tand, Flitterkram) ab, billiger Schmuck, unnötige Dinge und Kleinkram, der beim Volk beliebt war. An das von »quincaille« eingedeutschte »Kinker« wurde noch der Glitzer mit »litz« und die Verkleinerungssilbe »chen« angehängt. Das lateinische Wort »Quisquilien« hat dieselbe Bedeutung.
Kipper & Wipper...waren Münzbetrüger des frühen 17. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland. »Kipper« beschnitten die damals ungeränderten Kupfermünzen und setzten das Material für neue Münzen ein. »Wipper« waren Wechselbetrüger, die beim Wiegen (dem Wippen) der Münzen betrogen. Ausgelöst wurden diese Betrügereien wohl auch durch die Knappheit von Edelmetallen zu Beginn des 30-jährigen Krieges (1618-48).
Kirre machen...kommt wohl vom gotischen »qairrus« (freundlich, sanftmütig) über das mittelhochdeutsche »kürre« und meinte schon im 12. Jahrhundert »zahm, mild«. Heute verwenden wir das Wort als »kirre sein« (müde, erschöpft) und »jemanden kirre machen« (kleinkriegen, verrückt oder gefügig machen). In der Jägersprache wird Schwarzwild mit Mais »gekirrt« (angelockt), Tauben werden von ihren Züchtern »kirre gemacht« (beruhigt).
Klabusterbeeren...wachsen nicht an Sträuchern, sondern sind - so man jedenfalls der Umgangssprache in manchen Landstrichen glaubt - diese kleinen Kügelchen getrockneter Kotreste im Bereich des Sphinkters, die an sehr behaarten Hinterteilen bisweilen eine enge Symbiose mit Haaren, Kleidungsfusseln und Klopapierresten eingehen. In anderen Gegenden werden auch Hämorrhoiden oder auf mangelnde Rektal-Hygiene zurückzuführende Krankheiten so bezeichnet. Der Begriff »klabustern« bedeutet im Plattdeutschen soviel wie »poltern«.
Kladderadatsch...nennen wir ein großes Chaos, das heillose Durcheinander nach einem Zusammenbruch, einen Skandal. Das Wort aus dem Berlinischen war ursprünglich der lautmalerische Ausdruck für das Geräusch, das entsteht, wenn etwas herunterfällt und mit lautem Krach in Scherben zerspringt. Von 1848-1944 nannte sich eine politische Satirezeitschrift so, der Sozialdemokrat August Bebel (1840-1913) benutzte das Wort gern, um den von ihm erwarteten Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft zu beschreiben.
Klaglibell...vom lat. »libellus« (eine kleine Schrift) war eine Eingabe an eine Behörde.
Klamm...ist umgangssprachlich jemand, der nicht mehr viel Geld hat, nahezu zahlungsunfähig ist. Der Ausdruck geht - wir ahnen es schon - auf die »Klemme« (althochdeutsch »klam, klamma«) zurück. Das mittelhochdeutsche »klamme« stand dann für Krampf, Beklemmung, Klammer, man ist also recht eingeengt, kann sich nicht so verhalten, wie man gern möchte.
KlammeraffeDas @-Zeichen, das User- und Domainnamen in Mailadressen trennt, stammt aus der englischen Stenographie und ist die Zusammensetzung von »a - t«, also »at« (englisch für »am, an, auf, in«). Eigentlich ist es ein altes englisches Kaufmannszeichen, das von dem amerikanischen Ingenieur Raymond S. Tomlinson 1972 für die Verwendung in elektronischen Adressen ausgewählt wurde, weil es im damaligen »ARPANET-System« noch keine Verwendung hatte und auch in Eigennamen nicht vorkommt. Der Name soll vom »richtigen« Klammeraffen kommen - einem kleinen Primaten in den Wäldern Mittel- und Südamerikas mit einem besonders langen Greifschwanz.
Schon lange vor der Erfindung des Internetzes waren Klammeraffen Bürogeräte, mit denen man Papierseiten zusammenheftet und die man heute meist nur noch schnöde mit dem englischen Wort »Tacker« bezeichnet.
Klammheimlich...machen wir manchmal etwas, das ganz besonders unauffällig passieren soll. Das seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchliche Wort ist eine scherzhafte Reduplikation aus dem lateinischen »clam« - was nichts weiter heißt als - »heimlich«.
Klappe zu, Affe totDie Silbe »Affe« gibt es auch in »Affenschande«, was aber nicht von dem Tier, sondern vom mittelhochdeutschen »apenbare« (offenbare) Schande kommt. Daher dürfte ursprünglich »Klappe zu, Öffnung zu« (»toe« - »zu«) gemeint sein, eine doppelte Bestätigung.
Klappern gehört zum Handwerk...sagt ein uraltes Sprichwort, das sich - entgegen dem ursprünglichen Sinne - zunehmend diverse Werbe-, Coaching- und PR-Agenturen zueignen: Werbung solle unbedingt zum Geschäft gehören, man müsse sich immer und überall öffentlich präsentieren, Selbstdarstellung sei viel wichtiger als die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung heißt es heute allerorten. Immerhin glauben wenigstens diese Strategen selbst daran und kassieren Milliarden für eher zweifelhafte Kampagnen. Der Kunde hingegen weiß längst, daß einzig und allein gute Qualität sich langfristig durchsetzt - zeigt doch die Erfahrung, daß schludrige oder gar gefährliche Billigprodukte, auch wenn sie noch so bunt auf sich aufmerksam machen, fast immer schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Zum Ursprung der Wendung gibt es verschiedene Vermutungen vom »klöppeln« über klappernde Barbierscheren bis zu den Geräuschen, mit denen alte Mühlen - auf jeden Fall aber Handwerkszeug und Maschinen bei der Benutzung - ihre Kunden anlocken.
KlappersteinEin schwerer Stein, der mit einer sogenannten Schandmaske versehen war und Gotteslästerern, Klatschweibern und zänkischen Frauen um den Hals gehängt wurde. Sie mußten damit (angeführt von einem Pfeiffer und einem Trommler) mit einem Büßergewand bekleidet um die Kirche oder durch die Stadt ziehen. Bei Johannes Pauli (um 1455-1530), einem Franziskanermönch, steht die volkstümliche Erzählung: »Der Man stand im Halßeisen«: »Uf ein Zeit was ein Frau, die het beschult, das man sie offenlich straffen solt, als an etlichen Orten ist, und sie in das Halßyssin stellen und ir ein Brieff an die Stirn machen, daran ir Boßheit geschriben ston; in etlichen Stetten hat man ein Korb. Ir Man het sie zu lieb, darumb er billich bei den Narren ston sol, und überkam mit den Herren und gab Gelt für sie. Also er trug den Lasterstein für sie, oder stund für sie in das Halßyssin. Wan es sich darnach begab, das sie uneins wurden und mit einander haderten, so verweiß sie es im und sprach dannocht auch vor den frembden Lüten: ›Ich bin doch noch nit in dem Halßyssin gestanden als du.‹ Das war gar ein grose Undanckbarkeit, die Schand, die sie im uffhub und verweiß, die sie hat verschult; sie solt die Straff gelitten haben, dy er leid...«
In Mühlhausen hängt noch solch ein Klapperstein an einer Kette am Rathaus. Darauf ist zu lesen:
»Zum Klapperstein bin ich genannt,
Den bösen Mäulern wohl bekannt.
Wer Lust zu Zank und Hader hat,
Der muß mich tragen durch die Stadt«.
Klappkaribik...oder »Assitoaster« sind Synonyme für die Sonnenbänke im Solarium.
Klappmatismus...oder »Klapperatismus« nennt der Berliner ein technisches Gerät, bei dem sich irgendwas bewegt, einen Mechanismus - zusammengesetzt aus »klappen« (funktionieren) und »Automatismus«.
Klapsmühle...nannte man einst die ersten Irrenhäuser (heute eher »psychiatrische Klinik«), in denen die Insassen wohl so gut wie nicht betreut wurden und deshalb in sinnlose, ewig wiederkehrende Bewegungsmuster analog der Drehung einer Gebetsmühle verfielen, die man heute wohl als Hospitalismus bezeichnen würde. Der »Klaps«, umgangssprachlich ein leichter Schlag auf einen Körperteil, kommt wohl daher, daß man glaubte, Verrücktheit oder Unvernunft müsse irgendwie mit Schlägen auf den Kopf zusammenhängen. Der Schriftsteller Hans Fallada (1893-1947), der verschiedentlich in solchen Anstalten untergebracht war, hat den Begriff geprägt und in mehreren seiner Werke verwendet.
Klar wie Kloßbrühe...ist eine völlig eindeutige und unmißverständliche Sache, die man möglicherweise ironisch deuten könnte - Kloßbrühe ist ja bekanntlich alles Andere als klar... Tatsächlich stammt der Begriff aus der Küche, allerdings müßte es anstatt »Kloßbrühe« eigentlich »Klosterbrühe« heißen. Dies war lange vor der Erfindung der »Tafeln« eine Armenspeisung, die von Mönchen ausgeteilt wurde. Sie enthielt sicher nur sehr wenige Beilagen und war also im wahrsten Sinne des Wortes eine »klare Sache«.
Klartext reden...ist etwas, das beispielsweise unsere Politiker so gar nicht können. In diesen Kreisen neigt man eher zu weitschweifigen Beschönigungen oder gar Unwahrheiten: Wichtige, geheime Nachrichten wurden schon seit Urzeiten verschlüsselt, um Dritten das Lesen unmöglich zu machen oder doch wenigstens zu erschweren. Nur mit einem bestimmten Verfahren ist es möglich, den »Klartext«, den offenen Wortlaut eines Textes, eine unverschlüsselte Nachricht wiederherzustellen.
Klatschbase...nennen wir bisweilen abwertend eine Schwätzerin, die abfällig über andere Menschen redet. Klatsch verbreitet absichtlich nicht belegbare oder gar falsche Informationen über nicht anwesende Personen, die Base ist nichts weiter als eine Tante.
Klauen wie ein RabeWie den Elstern, wird auch den - recht ähnlichen - Raben nachgesagt, daß sie diebisch seien. Der redensartliche Vergleich ist schon um 1500 belegt.
Kleider machen Leute...denn der erste Eindruck zählt. Die Wendung finden wir zunächst bei dem römischen Rhetoriker Marcus Fabius Quintilianus (um 35-96): »Vestis virum reddit« (Das Kleid macht den Mann).
Im Mittelalter gab es dann Geschichten wie diese: Ein Gelehrter ging über den Markt und keiner beachtete ihn. Als er jedoch später in seiner Amtstracht unterwegs war, wurde er plötzlich von allen gegrüßt. Zu Hause zog er den Anzug aus und fragte verärgert das Stück Stoff: »Bist Du der Doktor oder bin ich es«?
Allgemeine Verbreitung fand die Redensart im Wesentlichen ab dem Jahre 1874 durch Gottfried Kellers (1819-90) gleichnamige Novelle aus seiner Sammlung »Die Leute von Seldwyla«, in der der arme Schneidergeselle Wenzel Strapinski in einem Dorf wegen seiner edlen Kleidung (er hatte nur die, die er eigentlich hatte verkaufen wollen) für einen Grafen gehalten wird.
Klein beigeben...kommt aus dem Kartenspiel: Wenn ein Spieler merkt, daß er mit den Karten des Gegners nicht mithalten kann, versucht er, nur kleine Karten loszuwerden, er gibt »klein bei«.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft...sagt ein altes Sprichwort. Jeder freut sich über eine kleine Aufmerksamkeit, eine nette Geste, ein kleines Mitbringsel wird sehr geschätzt. Freilich soll man niemanden mit Geschenken überhäufen, aber viele freuen sich über eine kleine Überraschung dann und wann, die zeigt, daß man an einen gedacht hat. Zum Ursprung ist folgende Anekdote überliefert: Maréchal Jacques II Chabanes de la Palice (1470-1525) hatte einen großen schwarzen Hund, Le Diable genannt, der seinem Namen alle Ehre machte, und rühmte sich in Gesellschaft des Dichters Clément Marot (1496-1544) am Hofe Franz I. (1494-1547) einst, daß er seinem Hunde das Kostbarste im freien Hofe zur Bewahrung anvertrauen wolle und sehr unbesorgt schlafen werde. Marot behauptete, er wolle es dem Hunde desungeachtet wegnehmen. Man ging eine Wette ein. Palice übergab seinem Hunde eine kostbare goldene Dose zur Bewachung, die aber Marot am folgenden Morgen dem Besitzer zu dessen nicht geringer Verwunderung überbrachte. »Sagen Sie mir Ihr Geheimnis«, rief der Marschall. »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft«, antwortete Marot. Dieser hatte nämlich eine Liebschaft im Hofe des Marschalls und daher zur Vorsicht eine genaue Bekanntschaft, auf Geschenke gegründet, mit Le Diable angeknüpft. - Bekannt ist auch die witzige Anwendung, die einst Baron Montesquieu (1689-1755) von diesem Sprichwort machte, als sich ein Rat bei ihm mit seinem Kopfe für die Wahrheit einer Sache verbürgte. »Ich nehme ihn an«, antwortete er, »kleine Geschenke erhalten die Freundschaft«.
Kleine Kinder, kleine Sorgen...deuten wir jungen Eltern gegenüber gelegentlich an, daß die größten Probleme in der Aufzucht des Nachwuchses nicht im Kleinkindalter zu bewältigen sind, sondern eher erst dann, wenn dereinst die großen Kinder mit all ihren pubertären Phantasien viel größere Sorgen machen werden. Andererseits: Je älter und unabhängiger die lieben Kleinen werden, desto weniger brauchen sie die Eltern, um ihren Weg im Leben zu finden.
Kleines BesteckWir verreisen nur kurz, dazu brauchen wir nur das Allernotwendigste mitzunehmen. Die Wendung kommt nicht von unserem Eßbesteck, sondern aus der Chirurgie: Ein »kleines Besteck« besteht dort aus Skalpell, Schere, Fadenschere, Pinzette, Retraktor, Nadelhalter und Klemmen. Hat man dies zur Hand, kann man im Prinzip jederzeit operieren.
Kleinkleckersdorf...werden wir ganz bestimmt auf keiner Landkarte finden: Dieser freierfundene Ortsname steht im Volksmund spöttisch für irgendeinen kleinen beliebigen unbedeutenden Ort, für den sich wirklich niemand interessiert.
KleinodDiese Kleinigkeit, die einen besonderen Wert für uns hat und unser Herz erfreut, kommt aus dem Mittelalter: Das »Kleinod« war ein Zeichen oder eine Verzierung am Helm, mit der der Ritter seine Herkunft anzeigte. Die Reichskleinodien oder -insignien des Kaisers - alles andere als Kleinigkeiten - waren Kaiserkrone, -apfel und -zepter. Das heute fast vergessene »Kleinod« wurde 2007 zum »schönsten bedrohten Wort« gewählt.
Kleinvieh macht auch Mist...aus wenig wird eines Tages viel, auch viele kleine, eher unbedeutende Schritte können mit Ausdauer und Geduld irgendwann zum (finanziellen) Erfolg führen. »Kleinvieh« wie Hühner, Hasen oder Gänse erzeugt auf einem Bauernhof zwar eher wenig Mist, doch auch dies ist wertvoller Dünger. Ebenso können es auch die kleinen, nicht so reichen Leute mit ihren bescheidenen Mitteln irgendwann zu etwas bringen.
Die Redewendung wurde von jeher im Zusammenhang mit Geld verwendet, so beispielsweise von der spanischen Kirchenlehrerin Teresa von Ávila (1515-82): »Geld ist der Mist des Teufels, aber ein wunderbarer Dünger«. Die Gleichsetzung von Geld / Mist / Fäkalien ist auch in zahlreichen weiteren Redewendungen und verschiedenen Bedeutungen zu finden.
Kleistsche SätzeDer Dichter Heinrich von Kleist (1777-1811) war berühmt dafür, daß er ganze Seiten mit nur einem Satz füllen konnte. Daher werden solche Bandwurmsätze heute nach ihm benannt.
KlimbimDer Ausdruck für unbedeutendes, lautes Beiwerk, unnützen Kram und falschen Schein entstand vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts aus Abwandlungen von »klingeln« und »bimmeln« und meinte zunächst Musik von Militärkapellen. Schon Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) hatte 1773 ein ähnliches Wort erfunden: Im Prolog zum »Jahrmarktsfest zu Plundersweilern« spricht er vom einfachen Volk, das sein »Klimpimpimperlied« singt. In den 1970er Jahren schließlich erheiterte die Comedy-Serie Klimbim das deutsche Fernsehpublikum.
Klinkenputzen...müssen heute vor allem Vertreter, die im Außendienst irgendwelchen Ramsch an der Haustür verkaufen wollen - ein äußerst mühseliges Geschäft mit zumeist eher mäßigem Erfolg. Der Begriff geht auf einen norddeutschen Brauch seit um 1890 zurück: Wenn Männer an ihrem 30. Geburtstag noch ledig waren, mußten sie die Treppe des Bremer Doms - ersatzweise des örtlichen Rathauses oder eines anderen öffentlichen Gebäudes - fegen, bis das Geburtstagskind durch den Kuß einer Jungfrau erlöst wurde. Die weibliche Variante war das Polieren der Türklinken, denn - so meinte der Volksglaube - wer sich nicht fortpflanzte, sollte sich schon mal auf niedere Arbeiten im Jenseits einstellen.
Klippschule...auch Beischule, Winkelschule, war eine Elementarschule für die Kleinen.
KlischeeDer (französisch) »Abklatsch« ist eigentlich ein Druckstock aus Kunststoff oder Zink, früher auch aus Aluminium, Messing, Stahl oder Blei. Es wurde beim klassischen Hochdruck benutzt, um Bilder zu drucken, die man ja nicht aus Buchstaben setzen konnte.
Klotz am Bein...nennen wir gelegentlich Personen oder Sachen, die uns unnötig Zeit, Geld und Nerven kosten und am Weiterkommen hindern. Früher banden Bauern den Hunden oder Kühen auf der Weide große Holzklötze ans Bein, damit sie nicht weglaufen konnten. Strafgefangenen wurden aus demselben Grund schwere Eisenkugeln ans Bein geschmiedet, wodurch sich der Ausdruck ab dem 18. Jahrhundert auch allegorisch als Symbol für die eingeschränkte Freiheit verbreitete.
Klugscheißer...wollen durch besonders hochtrabendes, besserwisserisches Geschwafel den Anschein erwecken, außerordentlich intelligent und bedeutend zu sein. Meist sind solche Wichtigtuer nicht wirklich so besonders clever, geben aber dennoch - egal ob sie nach ihrer Meinung gefragt wurden oder nicht - zu allem und jedem zwanghaft einen Kommentar ab. Und der ist halt nicht selten sowas, wie dieses Pejorativum am Wortende...
Knall auf FallGanz plötzlich, unerwartet, so schnell, wie auf den Knall der Flinte der Fall des erlegten Wildes folgt.
Knallcharge...nennen wir abfällig eine schauspielerische Rolle oder Figur, die durch plumpe, derbe Komik und maßlose Übertreibung auffällt, übertragen auch einen Zeitgenossen, der sich mit allzu großer Gestik lächerlich macht. Ursprünglich im Boulevardtheater eine kleine Rolle, die mit einem »Knall« (vom mittelhochdeutschen »knellen« für schallen, hallen, krachen und vom französischen »charger« (beladen, beauftragen, in der Theatersprache einst ein Rollenfach wie Bösewicht, Liebhaber oder komische Alte) eine überraschende Wende in die Handlung bringt, war der Begriff einst durchaus nicht so negativ besetzt.
Knappsack...hieß im 16./17. Jahrhundert ein Vorratsbeutel, in dem Lebensmittel und andere Gegenstände aufbewahrt wurden. Dazu ist in Grimmelshausens »Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch« zu lesen: »Als ich mich nun abwegs machen wollte, strauchelte ich über das Feuerrohr; das nahm ich zu mir, weil ich bereits mit dem Geschoß umzugehen bei den Kroaten gelernet hatte. Da ich weiterschritte, stieß ich auch an einen Knappsack, welcher gleich meinem Kleid von Kalbfellen gemacht war; ich hub ihn ebenmäßig auf und fand, daß eine Patrontäsche, mit Pulver, Blei und aller Zugehör wohl versehen, unten daranhieng«.
Knastologe...nennt der Volksmund seit dem 19. Jahrhundert einen Gefängnisinsassen, der den Gewahrsam zur »Wissenschaft« erhoben hat, weil er viele Semester hinter Gittern das arg eingeschränkte Leben »studieren« muß. Das Wort kommt über das Rotwelsche vom Westjiddischen »knas« für eine Geldstrafe, auch »knasn« und »farknasn« in der Bedeutung »bestrafen«, dies geht wiederum auf das hebräische »qanas« zurück.
Knick in der Optik...haben umgangssprachlich Leute, die ein bißchen schielen, aber auch etwas übersehen oder etwas als schön oder häßlich bezeichnen, was für andere so nicht nachvollziehbar ist. Ursprünglich ist der »Knick in der Optik« ein »Astigmatismus«, eine sogenannte Stabsichtigkeit, die optisch die Proportionen verändert. Dieser Sehfehler verzerrt die in das Auge einfallenden Lichtstrahlen derart, daß der Brennpunkt auf der Netzhaut als Linie erscheint oder gar in verschiedene Flecken zerfällt und alles minimal in die Länge oder Breite gezogen aussieht.
Knilch...sagen wir einerseits zu einem recht groben, unangenehmen Zeitgenossen - der Begriff kommt wohl vom rotwelschen »knollicht« für »knollig, Knolle«. Andererseits kann auch ganz liebevoll ein lebendiger kleiner Junge gemeint sein, wie das Weihnachtslied von Rolf Zuckowski (* 1947) zeigt:
»In der Weihnachtsbäckerei
Gibt es manche Leckerei
Zwischen Mehl und Milch
Macht so mancher Knilch
Eine riesengroße Kleckerei«...
Knöllchen...nennen wir, abgeleitet von »Knolle« - ursprünglich eine »rundliche Erhöhung« -, im Volksmund die zusammengefalteten Strafzettel, die Falschparkern unter die Scheibenwischer gesteckt werden. Das Wort könnte auf eine gewisse lautliche Ähnlichkeit mit dem »Protoköllche«, der kölschen Verkleinerungsform zum »Protokoll« zurückgehen - ist in dieser Region aber auch eine Art »Kopfnuß«, ein kurzer Schlag mit den Fingerknöcheln auf den Hinterkopf als Tadel für ein Vergehen. Ein Zusammenhang mit »zerknüllen«, der spontanen Erstreaktion nach Erhalt eines solchen, wird ausdrücklich bestritten...
Knülle...ist umgangssprachlich jemand, der besoffen oder anderweitig erschöpft, jedenfalls weitestgehend unzurechnungsfähig ist. Das Wort kommt wohl aus der Studentensprache und geht auf »zerknüllen, zerknittern, zusammendrücken, zerknautschen« zurück.
Knutschkugel...nannte der Volksmund liebevoll ein ebenso kurioses wie populäres Gefährt der Nachkriegszeit: Der Kabinenroller BMW »Isetta«, am 5. März 1955 in Rottach-Egern auf der Basis der italienischen ISO-Isetta zum Preis von nur 2580,- Mark der Weltöffentlichkeit vorgestellt, sah mit seiner wie bei einem Kühlschrank zur Seite aufklappenden Fronttür nicht wirklich wie ein Auto aus. Vielleicht ist es aber auch gerade die ungewöhnliche Form, die dieses »Auto« bis heute so beliebt macht, daß der Kosename mittlerweile allgemein für »kleine Autos« steht.
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Kölsch...ist die einzige Sprache, die man auch trinken kann. Eigentlich handelt es sich hier - neben dem eigentümlichen Dialekt - um ein ganz gewöhnliches obergäriges Bier, das praktisch nur regional überhaupt bekannt ist.
Böse Zungen behaupten, daß wenn in einer Kölsch-Brauerei mal eine Charge danebengeht, die Kölner das Zeug in den Rhein kippen würden, wo es die Düsseldorfer dann wieder rausholen und als »Alt« verkaufen. Das stimmt so aber nicht - Kölsch gibt es traditionell nur in klitzekleinen Reagenzgläsern, die man im mächtigen »Vater Rhein« niemals wiederfinden würde.
Letztlich interessiert das aber wohl nur Lokalpatrioten mit mächtig breitem Ego in ihrem alten Köln-Düsseldorf-Streit. Dem echten Biertrinker kann's sowieso egal sein...
Köpenickiade...nennen wir bisweilen einen amüsanten Gaunerstreich. Ganz Deutschland lachte einst über den Berliner Schuster Friedrich Wilhelm Voigt (1849-1922), der mit einem tollkühnen Gaunerstückchen die deutsche Uniform-Gläubigkeit und den Untertanengeist in den Amtsstuben entlarvte:
Am 16. Oktober 1906 marschierte er - verkleidet als Gardeoffizier - mit einer Abteilung gutgläubiger Soldaten ins Köpenicker Rathaus und ließ mit einer gefälschten Kabinettsorder den Bürgermeister und den Stadt-Rendanten verhaften. Er beschlagnahmte die Stadtkasse, floh, kam jedoch nicht allzu weit, bis er verhaftet und wegen »unbefugten Tragens einer Uniform, Vergehens gegen die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung« zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, aber schon bald von Kaiser Wilhelm II. wieder begnadigt und bereits am 16. August 1908 vorzeitig aus der Haftanstalt Berlin-Tegel entlassen wurde.
Kohldampf schiebenDiese Tautologie kommt nicht etwa von den Dauerblähungen vegetarischer Ernährung, sondern setzt sich aus »Kohler« und »Dampf« zusammen - jedes für sich meint »Hunger« und entstammt ebenso wie »schieben«, das sich von »scheffen«, (sitzen bleiben, sich befinden) ableitet, der Gaunersprache Rotwelsch, wo es 1835 erstmals als »Kolldampf« erwähnt wird. Das Ganze heißt also in etwa »Hungrig bleiben«. Wegen der klanglichen Ähnlichkeit wurde der Kohldampf bisweilen auch mit dem russischen »голод« (Hunger) oder gar mit der Cholera in Verbindung gebracht.
KohlrabenschwarzDer »Kohlrabe« ist abgeleitet vom »Kolkraben« (Corvus corax), dem größten Raben- und damit auch größten Singvogel der Welt. Und der ist halt nunmal schwarz wie die Kohle...
Kokolores...macht jemand, der gern unmögliches Zeug erzählt. Das Synonym für »Unsinn, Unfug« aus dem 17. Jahrhundert mit dem Anschein pseudolateinischer Gelehrsamkeit (einheimische Wörter mit latinisierten Endungen) geht möglicherweise auf das lateinische »per omnia sæculo sæculorum« (von Ewigkeit zu Ewigkeit), eine volkstümliche Verballhornung der christlichen Formel zurück. Andere sehen den Ursprung eher im mndt. »gokele« (Gaukler). Plausibler erscheint indes eine Deutung aus dem lat. »cockalorum« (Hahn) und seinem eitlen Prahlen. Im Schlesischen meint »Kokulores« den Unsinn, »kokeln, kokern« das Gackern der Hühner, ebenso wie »kakeln, kokeln« auch unsinnig daherreden, schwätzen bedeutet. In westdeutschen Dialekten ist »kuckelures, kokelores« der Hahn (in der Kindersprache), »kuckeln« bedeutet auch gackern, kichern, sowie »Mädchen, die sich auffallend gebärden«. Der Haushahn, in vielen Dialekten »Gockel« oder »Gockelhahn«, im Englischen »cock« steht allgemein für Prahlerei und Stolz - er ist halt der »König auf seinem Misthaufen«.
Kolumbianische (mexikanische, sizilianische) KrawatteDie »corte corbata« ist eine Hinrichtungsmethode, bei der dem Opfer die Kehle aufgeschnitten und seine Zunge durch diesen Schnitt nach unten gezogen wird, sodaß sie unterhalb des Kinns wie eine »Krawatte« heraushängt.
Komischer Kauz...sagen wir über einen exzentrischen Zeitgenossen, einen menschenscheuen Sonderling, der uns eigentümlich und befremdlich erscheint und den wir bisweilen mit dem »lichtscheuen«, bei Tage kaum anzutreffenden Vogel vergleichen.
Diese Redensart findet sich schon bei Decimus Iunius Iuvenalis (um 58-138) in der Form »Rara avis in terris, nigroque simillima cygno« (Ein seltener Vogel auf Erden und am ähnlichsten einem schwarzen Schwan), in ihrer altdeutschen Fassung »Es ist eyn seltzamer vogel« auch bei dem niederdeutschen Humanisten und Sprichwortsammler Eberhardus Tappius (um 1500-41) in seinem erstmals 1539 in Straßburg erschienen Standardwerk »Germanicorum adagiorum cum latinis ac græcis collatorum Centuriæ Septem«.
Auch wenn die Eule gemeinhin als Weisheitssymbol gilt - der Kauz, eine Unterart davon, die als Nachtvogel gelegentlich verwirrt gegen die Fenster nachts erhellter Krankenstuben flog, wurde im Aberglauben zum bösen Omen, einem Unglücks- und Totenvogel, den es zu meiden galt.
Komm an meine grüne Seite...fordern wir gern jemanden auf, neben uns Platz zu nehmen, weil wir ihn besonders mögen: Die »grüne«, die frische, lebendige Seite, die linke, an der das Herz, die grünende Lebenskraft ist, steht seit dem Mittelalter für die günstigste, liebenswürdigste Seite des Menschen. Der Farbensymbolik des 15. Jahrhunderts galt Grün als Anfang einer Liebe, in der letzten Steigerung als Symbolfarbe für die Liebe selbst. So heißt es in der »Jagd« von Hadamar von Laber (1335-40):
»Gruen anefanges meine
heile wünschet dem anefange,
so daz sich lieb vereine
mit lieb und daz es lieblich were lange«.
Populär wurde die Redensart 1836 durch Friedrich Silchers (1789-1860) schwäbisches Volkslied »Mädle ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite« (E.B. II, 348); frühester Beleg ist wohl »kum grad zu mir, mins Cordelin, sitz an die grüene siten min« von Manuel Weinspiel anno 1548.
Komme, was da wolle...sagt, wer fest entschlossen ist, auch bei unvorhersehbaren Schwierigkeiten, allen Widrigkeiten zum Trotz, an seinem ursprünglichen Ziel festzuhalten. Anderen in den Mund gelegt kann es auch Kritik an jemandem bedeuten, der unfähig ist, auf veränderte Sachverhalte flexibel zu reagieren und seine Pläne daran anzupassen. Die Wendung geht auf William Shakespeare's (1564-1616) Tragödie »Macbeth« zurück, dem drei Hexen prophezeien, daß er König werden wird. Macbeth stellt sich der Herausforderung:
»Komme, was kommen mag;
Die Stund' und Zeit durchläuft den rauhsten Tag«.
(1. Aufzug, 6. Szene)
Auch bei Theodor Storm (1817-88) heißt es in einem Gedicht von 1885 ganz ähnlich:
»So komme, was da kommen mag!
Solang du lebest, ist es Tag«.
Kommen Sie rein, können Sie rausgucken...lautet eine ironische Begrüßung, die wohl einst auf dem Jahrmarkt entstanden sein mag. Dort lockten sogenannte »Recommandeure« (vom französischen »recommander« - empfehlen) die Besucher zu ihren Fahrgeschäften. Früher standen solche Marktschreier oft auch vor den Kinos, heute sitzen sie meist nur noch an der Kasse und animieren die Gäste übers Mikrofon.
KommißDieses Wort für »Militär« ist bei uns seit dem 16. Jahrhundert bekannt und bezeichnete anfangs die Heeresvorräte. Ursprung ist wohl das lateinische »commissum« - »anvertrautes Gut«.
Kommodenlack...sagen wir scherzhaft zu einem Kräuterschnaps wie »Boonekamp«, »Jägermeister« oder auch »Sherry«, der mit seinem ziemlich bitteren Geschmack, seinem Aussehen und der Konsistenz zuweilen frappierend an chemische Anstrichstoffe erinnert.
Kommste über'n Hund, kommste über'n Schwanz...sagt ein altes Sprichwort, das heute kaum noch gebraucht wird. Bedeutung: Schaffst Du es über den Hund zu springen, schaffst Du es auch noch über den Schwanz - bist Du erstmal soweit gekommen, schaffst Du auch den Rest.
Kommt Zeit, kommt Rat...sagen wir, um zu Geduld aufzufordern, um auszudrücken, das sich im Laufe der Zeit schon irgendeine Lösung finden wird. Gras wächst schließlich auch nicht schneller, wenn man dran zieht. Der von Beamten oft und gern verwendete Nachsatz: »Kommt mehr Zeit, kommt Oberrat« spielt auf die gängigen Regelbeförderungen zum (Regierungs-)Oberrat ohne entsprechende Leistung an. Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) verwendete diesen sprichwörtlichen Ausdruck von Zuversicht als Titel eines Gedichts:
»Wer will denn alles gleich ergründen!
Sobald der Schnee schmilzt, wird sich's finden.
Hier hilft nun weiter kein Bemüh'n!
Sind Rosen, nun, sie werden blüh'n«.
(Gedichte, Ausgabe letzter Hand 1827, »Epigrammatisch«)
KonfettiUrsprünglich war »Confetti« (ital.) Zuckerwerk oder Konfekt, aber auch Nachbildungen aus Gips. Die Maskenträger im römischen Karneval haben sich damit »beworfen«.
Konfirmandenblase...nennt der Volksmund ein Phänomen, bei dem jemand alle paar Minuten (vorgeblich) zur Toilette rennt: Konfirmanden sind meist so um die 10-11 Jahre alt - und die »müssen« freilich öfter als Erwachsene. Tatsächlich handelt es sich hier aber zumeist nicht wirklich um eine Blasenschwäche: Der Konfirmationsunterricht ist schlicht und einfach sterbenslangweilig, sodaß diese Lausebengel weit öfter als eigentlich nötig einen Gang zur Toilette anmelden - einfach um sich mal zwei Minuten dem Geschehen zu entziehen. Eine ganz ähnliche Schwäche hat übrigens auch eine nicht immer gar so prall gefüllte Sextaner-, Pionier- oder Pennälerblase.
KonterbandeDas Schmuggelgut kommt vom italienischen »contra bando« (gegen die Verordnung).
Kontra gebenIm Lateinischen bedeutet »Contra« etwa »dagegen, im Gegenteil, gegen, gegenüber, gegenüber, im Gegensatz dazu«. »Kontra geben« kennen wir auch aus dem Skatspiel: Der Alleinspieler beginnt sein Spiel. Ist sich der Gegenspieler sicher, daß jener das Spiel nicht gewinnen kann, gibt er ihm »Kontra« und verdoppelt so das Ergebnis für den Gewinner.
Kontrahent...hat trotz der heutigen Bedeutung »Gegner« nichts mit lat. »contra« (gegen) zu tun, sondern war ursprünglich ein Vertragspartner, von lat. »contrahere« (zusammenziehen, vereinbaren, sammeln) und »contractus« (Kontrakt, Vertrag).
Koofmich...nennt der Berliner abfällig einen Kaufmann, auch allgemein einen materialistisch eingestellten Menschen. Entstanden ist der Begriff wohl aus dem berlinerischen »koofen« für kaufen und dem »Deutschen Michel«.
Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig istManchmal gibt es solche Tage, da will einem einfach nichts gelingen. Sei es nur ein kleiner Durchhänger oder eine ausgewachsene Pechsträhne - wir freuen uns dann über jede Aufmunterung, jeden Scherz, können wieder über uns selbst schmunzeln oder gar richtig lachen. Den Kopf hochzuhalten ist sicherlich kein schlechter Vorschlag - nur Trauernde lassen den Kopf nach unten hängen. Hebt man ihn wieder hoch, ist das ein deutliches Zeichen der Besserung und der dreckige Hals wird schnell nebensächlich.
Kopf in den Sand stecken...bedeutet soviel wie »Eine Gefahr nicht sehen wollen«. Bereits im Altertum sagte man dem Vogel Strauß fälschlicherweise nach, daß er bei Gefahr seinen Kopf unter die Flügel oder in den Sand stecke, um so der Gefahr zu entgehen. Dieses sich immer noch hartnäckig haltende Gerücht geht darauf zurück, daß, wenn Strauße in ihrer natürlichen Umgebung etwas vom Boden aufpicken, ihr Kopf gänzlich hinter dem niedrigen Gras verschwindet. Auch wenn Gefahr droht, legen sich Strauße flach auf ihr Nest, um es vor Feinden zu tarnen und um deren Geräusche wie etwa herannahendes Getrappel über den Boden wahrzunehmen. Dies sieht dann so aus, als würde der Strauß seinen Kopf in den Sand stecken. Etwas anders gehandhabt hat die Redewendung einst der Fußballer Lothar Matthäus mit seiner Variante: »Wir dürfen jetzt nur den Sand nicht in den Kopf stecken«...
Kopfgeburt...nennt man Vorschläge, die theoretisch und völlig praxisfremd sind. Metis, Göttin der Weisheit, erwartete von Zeus einen Jungen und ein Mädchen. Zeus wurde prophezeit, daß die Tochter ihm gleichwertig sei, der Sohn indes ihn vom Thron stürzen wolle. Da verschlang Zeus die schwangere Metis, bekam daraufhin starke Kopfschmerzen und befahl Hephaistos, seinen Kopf zu zerschlagen. Dem zertrümmerten Kopf entsprang Athene in voller Rüstung.
Koppskegel, koppheister...machen Norddeutsche etwas kopfüber, mit dem Kopf voran - sie machen einen Purzelbaum, einen Kopfsprung, überschlagen soch, stürzen wie getroffene Kegel beim Bowling durcheinander. Nicht immer hat das Vorteile für die Betroffenen - eine Firma, die »koppheister geht«, ist schlicht pleite. Der niederdeutsche »Kopp« ist bekannt; das mittelhochdeutsche »heistieren« könnte man heute mit »hasten, eilen« übersetzen.
Korinthenkacker...nennt der Volksmund pedantische, kleinliche, perfektionistische und rechthaberische Leute, die Unwichtiges viel zu wichtig nehmen. Eng verwandt mit Erbsenzählern und Haarspaltern verwendet der Korinthen- oder auch Krümelkacker unglaublich viel Anstrengung auf kleinste, nebensächlichste Dinge, ist so knauserig und pingelig, daß er wohl nichtmal auf dem »Örtchen« großzügig sein kann, treibt es mit der Genauigkeit so weit, daß er sogar das alltägliche »Geschäft« nur in rosinengroßen Portionen erledigt. Daß ein solches Verhalten nicht gesund sein kann, versteht sich von selbst.
Kotzen wie ein Reiher...muß gelegentlich manch Zeitgenosse, der über Gebühr geistigen Getränken zugesprochen hat. Ursprünglich kommt das Bild aus der Fütterung der Jungtiere: Viele Seevögel schlingen das Futter in sich hinein, im Magen wird es vorverdaut und dann wieder herausgewürgt, um die Brut mit dem leichter verdaulichen Brei zu füttern.
Krach im Hinterhaus...lautete der Titel einer Komödie des Schriftstellers Maximilian Böttcher aus dem Jahre 1934, die in Berlin uraufgeführt wurde: Als Hausverwalter Krüger Witwe Bock verdächtigt, Briketts zu stehlen, präpariert diese einige mit Schießpulver, um den wahren Täter ausfindig zu machen. Während sich Tochter Ilse bei einem Ausflug mit dem jungen Assessor Erich Horn verlobt, hält Bäckermeister Kluge bei der Mutter um deren Hand an. Erst nach dem Ausflug erfährt die Mutter von der Verlobung. Als sich Erich bei Frau Bock vorstellt, expoldieren im Hause die präparierten geladenen Briketts. Erich soll auf Ilses Bitte die Verteidigung der Eheleute Krüger übernehmen, die wegen des Verdachts Bomben gelegt zu haben, angeklagt werden. Bei der Verhandlung kommt es zu einer großen Blamage für Frau Bock und deren Tochter...
Kräht der Hahn auf dem Mist...ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist: Diese Verballhornung der zahllosen - mehr oder weniger sinnvollen - Bauernregeln ist wohl eine der wenigen Grundwahrheiten, denen sich absolut nicht widersprechen läßt.
Krähwinkeleien...nennen wir heute engstirnige Ansichten und kleinliches Verhalten. Der vom althochdeutschen »chrawinchl« abgeleitete Begriff kommt zuerst in der Satire »Das heimliche Klagelied der jetzigen Männer« des deutschen Dichters und Publizisten Jean Paul (1763-1825) vor und bezeichnet die abgelegenen Einzelsiedlungen nistender Krähen.
Kraft meiner Wassersuppe...ist eine saloppe Verballhornung der alten Formel »Kraft meines Amtes«. Beamte geben ja ganz gerne mal vor, daß nur sie allein aufgrund ihrer Stellung oder Funktion zu bestimmten Handlungen, Anordnungen oder Zeremonien befugt und befähigt seien. Der Volksmund hat diesen Irrglauben schnell erkannt und parodiert: Wassersuppe ist bekanntlich völlig gehaltlos...
Kraftmeier...nennt man einen Zeitgenossen, der großspurig mit seinen überschüssigen Körperkräften prahlt. Das Wort - der recht häufige Familienname wird hier zum Gattungsbegriff - geht auf den gleichnamigen deutschen Stummfilm von Ernst Lubitsch (1892-1947) aus dem Jahr 1915 zurück, in dem ein dürrer Stubenhocker sich ein Stärkungsmittel kauft, das ihm ungeahnte Kräfte verleiht. Er bricht durch den Fußboden seines Zimmers, fällt in die Tiefe bis nach Afrika, entledigt sich seiner ungeliebten Schwiegermutter und findet sich schließlich mit seiner Frau in einem Kamin wieder, der durch seinen Sturz zerstört wurde.
Kranzgeld...nannte man eine Entschädigung, die Frauen von ihrem Verlobten fordern konnten, wenn sie sich von ihm hatten entjungfern lassen und er anschließend das Verlöbnis löste. Das Wort kommt von dem Strohkranz, den die nunmehrige »Strohjungfer« nach altem Brauch bei der Hochzeit tragen mußte. Die unbescholtene Braut durfte sich hingegen im Myrtenkranz präsentieren. Der Anspruch war in § 1300 (1) BGB geregelt: »Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie (...) auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen«. Merken konnte man sich das mit dem Vers: »Der Heil'ge Geist ist sehr verwundert, Maria klagt aus Dreizehnhundert«. Begründet wurde der Schadenersatz mit den wegen des Verlusts ihrer Jungfräulichkeit geringeren Chancen auf eine standesgemäße Heirat. Entgegen der sonst so üblichen Auslegungen des »Gleichheitsgrundsatzes« (Art. 3 GG) wurde die Regelung am 4. Mai 1998 endlich ersatzlos gestrichen.
Kratzbürste...sagen wir euphemistisch zu manch unfreundlicher, widerspenstiger Person, die uns mit ihrem grillig-mürrischen Wesen verdrießt. Ursprünglich handelte es sich um Bürsten aus feinem Stahldraht, die zum Putzen von Gußteilen oder zum Reinigen von Feilen, Flaschen o.ä. dienen. In manchen Viehställen werden auch größere Bürsten zur Fellpflege der Tiere angebracht, damit diese sich nach Belieben an ihnen scheuern können.
Ach ja - »Die Kratzbürste« ist natürlich weiblich...
KrawatteSchon die alten Römer trugen oft ein lockeres Tuch um den Hals. Als anno 1663 kroatische Reiterregimenter von der französischen Armee angeworben und in Paris stationiert wurden, nannte man die Soldaten »Croate«, später »Cravate«. Diese trugen anläßlich einer Militärparade vor dem Schloß Versailles Halstücher, deren beide Enden bis auf die Brust herabhingen. Das gefiel derart, daß es nachgeahmt zur Männermode und der Name der Reiter auf das Halstuch übertragen wurde.
KredenzenEtwas auf besonders feierliche Art und Weise präsentieren oder servieren. Das Wort kommt - wie auch der »Kredit« - vom lateinischen »credere« für »glauben, vertrauen, anvertrauen, Glauben / Vertrauen schenken«. Wurde im Mittelalter hochgestellten Gästen eine Speise kredenzt, konnten sie darauf vertrauen, daß sie vom Vorkoster überprüft worden war.
Kreide fressen...heißt, sich gemäßigt und friedlich zu geben. Grimms »Der Wolf und die sieben Geißlein« hatte Kreide gefressen, um eine zartere Stimme zu bekommen und den Geißlein die Rückkehr der Mutter vorzugaukeln. Zur Entstehungszeit des Märchens gebrauchte man Kreide noch als Arznei gegen Sodbrennen sowie auch als Schmiermittel - Isegrim hatte wohl seine Stimme »geschmiert«, auf daß sie hell und zart klinge. Andere vermuten, die sogenannte »Kirschkreide« sei gemeint - ein preußischer Ausdruck für Kirschmus, dessen Süße eine ähnliche Wirkung haben soll, wie Honig bei Heiserkeit.
Kreise ziehenWohl jeder hat irgendwann an einem See gestanden und einen Stein hineingeworfen: Plumpst der ins Wasser, bilden sich auf der Oberfläche Kreise, die von innen nach außen immer größer werden. Von diesem Phänomen leitet sich diese Redewendung ab: Was »seine Kreise zieht«, hat große Auswirkungen und betrifft nach und nach immer mehr Menschen - so wie die Kreise im Wasser, die sich immer weiter und weiter ausbreiten.
Kreißsaal...kommt vom mhdt. »kreißen, kritzen«, mit der Bedeutung »schreien, stöhnen«, besonders im Zusammenhang mit Geburtswehen. Unser Wort »kreischen« hat den gleichen Ursprung.
Krethi & PlethiDer Ausdruck für eine bunt zusammengewürfelte Volksmenge, ist biblischen Ursprungs: »Banaias autem filius Ioiada super Cherethi et Felethi filii autem David sacerdotes erant«. - »Banaia der son Joiada war vber die Crethi vnd Plethi vnd die söne Dauid waren Priester«. (2. Samuel 8.18) Damit ist ursprünglich die Elitetruppe König Davids gemeint. Man war lange davon ausgegangen, daß mit »Krethi« der Volksstamm der Südphilister und mit »Plethi« die Nordphilister gemeint wären. Im Hebräischen allerdings bedeutet »Krethi« »ausrotten, töten« und »Plethi« »entfliehen, forteilen«. Krethi und Plethi waren demnach wohl die Scharfrichter und Eilboten des Königs.
KrösusDer letzte König von Lydien (um 591-526 a.C.) wurde 575 a.C. von seinem Vater als Kronprinz in Adramyttion eingesetzt und übernahm nach dessen Tod um 560 a.C. die Herrschaft. Durch mehrere Kriegszüge dehnte er sein Reich noch aus, unterwarf die griechischen Städte an der Küste und herrschte schließlich über ganz Kleinasien bis zum Fluß Halys mit Ausnahme von Lykien und Kilikien. Durch Kriegsbeute und Tributzahlungen, aber auch durch die großen Goldvorkommen in seinem Land kam Krösus zu seinem sagenhaften Reichtum, der sprichwörtlich wurde für einen Menschen, der mit Gütern reich gesegnet ist. Das Orakel von Delphi prophezeite ihm, er werde bald ein großes Reich zerstören. Die Vorhersage traf ein: 547 a.C. verlor er eine entscheidende Schlacht. Das zerstörte Reich war sein eigenes...
Kröten schlucken...muß hin und wieder, wer eine Sache nicht ändern kann, sich damit abfinden, Nachteile ertragen muß: Kröten spielen seit altersher im Volkstum eine große Rolle, tauchen in zahllosen Märchen und Sprichwörtern auf und werden oft negativ beurteilt. Vielleicht haben ja unsere Vorfahren tatsächlich irgendwann Kröten vertilgt und nicht nur unter den äußerst wirksamen Halluzinogenen dieser völlig ungenießbaren Lurche gelitten. Schon Petrus sollte so etwas tun, was ihm zuwider war, jedenfalls berichtet das Neue Testament über ihn: »Et cum esuriret voluit gustare parantibus autem eis cecidit super eum mentis excessus et videt cælum apertum et descendens vas quoddam velut linteum magnum quattuor initiis submitti de cælo in terram in quo erant omnia quadrupedia et serpentia terræ et volatilia cæli et facta est vox ad eum surge Petre et occide et manduca« - »Vnd als er hungerig ward, wolte er anbeissen. Da sie jm aber zu bereiteten, ward er entzueckt, Vnd sahe den Himel auffgethan, vnd ernidder faren zu jm ein Gefesse, wie ein gros leinen Tuch an vier zipfel gebunden, vnd ward nidder gelassen auff die Erden, darinnen waren allerley vierfuessige Thier der erden, vnd wilde thier, vnd gewuerme, vnd vogel des Himels. Vnd geschach eine stimme zu jm, Stehe auff Petre, schlachte vnd iss« (Apostelgeschichte 10:10-13).
Krokodilstränen ...sagt man seit dem 15. Jahrhundert bis heute Menschen nach, die Trauer und Betroffenheit nur vortäuschen: Sperren Krokodile ihr Maul sehr weit auf, wird Druck auf die Tränendrüsen ausgeübt und es entstehen die sogenannten »Krokodilstränen«. Andere Deutungen sagen, Krokodile würden ihre Opfer anlocken, indem sie wie kleine Kinder weinten. Gaius Plinius Secundus Maior (um 23-79) unterstellte in seiner »historia naturalis«, Krokodile weinten ihren Opfern nach, heuchelten Trauer über ihre Opfer. Diese Idee geht wohl auf die Harpyien zurück, denen ein ähnlich hinterlistiges Verhalten nachgesagt wurde. Später wurde dieses Verhalten auf Krokodile übertragen.
Krone der Schöpfung...charakterisiert sich heute - meist eher ironisch - der Mensch: Im Alten Testament lobt David: »Minuisti eum paulo minus ab angelis, gloria et honore coronasti eum« - »Du wirst jn lassen eine kleine zeit von Gott verlassen sein. Aber mit ehren vnd schmuck wirstu jn krönen« (Psalm 8:6). Bereits in den »Scalae Naturae« versuchte der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 a.C.), die ihm bekannten Lebewesen in einer Stufenleiter nach dem Grad ihrer »Perfektion« von primitiven zu höher entwickelten systematisch zu ordnen, sodaß der Mensch sich als »Krönung« der Schöpfung an die oberste Stelle setzte.
Kroppzeug...sind unnütze, minderwertige Dinge, oft auch mehr oder weniger scherzhaft Tiere oder Menschen. Das Wort kommt wohl vom niederdeutschen »krōptǖg« (krōp, krǖpen - kriechen) und meinte ursprünglich ein »kriechendes Wesen«.
Krude Ideen...Vorstellungen oder Theorien sind solche, die uns oft reichlich unausgegoren, unfertig und nicht ganz durchdacht vorkommen. Politiker sind berühmt und berüchtigt für solche Sachen - nennen sie dann allerdings meist »Reform«. Das zwar nicht mehr unbedingt alltägliche, aber doch noch recht gebräuchliche Wort geht auf das lateinische »crudus« zurück und bedeutet ursprünglich etwa »grausam, gefühllos, blutig, roh, unreif«.
Krumme Wege gehen...heißt es in Psalm 125.5 in der Bibel: »Declinantes autem per vias pravasadducet Dominus cum operantibus iniquitatem.Pax super Israel« - »Die aber abweichen auff jre krumme wege wird der Herr wegtreiben mit den Vbelthettern. Aber Friede sey vber Jsrael«.
Krummer Hund...titulieren wir gelegentlich einen Ganoven oder Betrüger, bei dem wir durchaus mal Gefahr laufen, unrechtmäßig um unser Hab und Gut gebracht zu werden. Vermeintliche Eigenschaften von Tieren werden oft in Metaphern auf menschliche Verhältnisse übertragen. Gerade beim Hund zeigt sich, daß es dem vermeintlich besten Freund des Menschen offenbar nicht immer gut ging, muß er doch für viele unangenehme Eigenschaften herhalten. Ein wahres Hundeleben!
Kruzitürken...flucht heutzutage manch Süddeutscher, um seinen großen Unmut auszudrücken. Der Begriff geht zurück auf die »Kuruzen«, anno 1514 die Kreuzzugsteilnehmer von György Dózsa, die das Königreich Ungarn plünderten. Sie erhielten unter den Osmanen umfangreiche Freizügigkeit in der Ausübung ihrer Religion, sodaß sie später an deren Seite gegen die Habsburger kämpften, die sie zwangskatholisieren wollten. Irgendwann wandelte sich die Bedeutung von den anfangs durchaus ernstzunehmenden Kreuzrittern über Aufständische hin zu Räubern, Banditen, Plünderern und aus dem Ruf »Die Kuruzen und die Türken kommen« wurde der Fluch »Kruzitürken«.
Andere meinen, der Ausdruck käme von Kriegen zwischen Christen und Moslems, bei denen die gefangenen Moslems auf Feindesseite weiterkämpfen und den Glauben wechseln mußten. Die Christen hingegen behielten ihren Glauben, zogen auf moslemischer Seite mit dem Kreuz in die Schlacht und wurden daher »Kruzitürken« genannt.
KuckuckIn Preußen prangte früher der Reichsadler auf dem Pfandsiegel. Daher wurde es vom Volksmund »Kuckuck« und der Gerichtsvollzieher »Kuckuckskleber« genannt. Als Zerrbild für den stolzen Adler der Heraldik begegnet uns der »Kuckuck« auch sonst oft als Ausdruck der Verächtlichkeit. In vielen Redewendungen steht er auch euphemistisch für den Teufel: »Scher Dich zum Kuckuck«, »Hol's der Kuckuck«, »Den Kuckuck aufdrücken« für das Stempeln mit dem Adler etc.
KuckuckskindDas sind - angelehnt an den Vogel, der seine Eier in fremde Nester legt - Kinder, die vermeintliche »Väter« großziehen, ohne daß jene auch nur im Entferntesten ahnen, daß sie gar nicht wirklich deren Väter sind. Selbst die offizielle Propaganda kommt nicht umhin, gelegentlich einzuräumen, daß dies bei etwa jedem zehnten Kind der Fall sein soll - tatsächliche Zahlen werden selbstredend nicht veröffentlicht. Ein Anachronismus: Nach deutschem Recht (§ 1592, Abs.1 BGB) reicht es zur Begründung einer »Vaterschaft« völlig aus, daß ein Mann mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Gängige »Produktionsmethoden« sowie biologische Zusammenhänge sind nach vielen Millionen Jahren menschlicher Evolution nun endlich »überwunden«. Was vor einigen Jahrhunderten ob der damals recht begenzten technischen Möglichkeiten durchaus noch eine gewisse Berechtigung gehabt haben mag, hat mittlerweile handfeste wirtschaftliche Gründe: Die »moderne Powerfrau« kann (relativ) frei auswählen, welche genetischen Eigenschaften der Sprößling ererben soll - für lebenslange Vollversorgung sorgt die Kurzehe mit dem (pekuniär) potenten Partner. Alternativ möglich und für den Fiskus weitaus lukrativer ist es allerdings, sich ohne die lästige (und vor allem steuermindernde) Ehe schwängern zu lassen: In diesem Fall gibt es urplötzlich sehr wohl diverse Möglichkeiten, eine biologische Vaterschaft nachzuweisen...
Kuddelmuddel...sagen wir lautmalerisch zu einem allgemeinen Durcheinander oder Wirrwarr: Der Ursprung des Wortes bleibt unklar - einige sehen die Quelle in Pommern, andere gehen vom niederdeutschen »muddeln« für »Modder« (Moder, Schlamm aufwühlen, Wasser trüben) oder von »koddeln« (Schmutzwäsche halten, durchs Wasser ziehen) aus, verbreitet hat sich diese Reduplikation wahrscheinlich Mitte des 19. Jahrhundert von Berlin aus.
Kümmeltürke...meinte ursprünglich im 18.Jahrhundert einen Studenten aus Halle/Saale: Da in dieser Gegend sehr viel Kümmel angebaut wurde, nannte man die Region auch scherzhaft »Kümmeltürkei«. Im 1781 verfaßten »Studenten-Lexikon« von Christian Wilhelm Kindleben (1748-85) wird der Begriff erstmals dokumentiert: »Kümmeltürken (Kümmel Türk derivatur a cuminum & Turca, S.129) heissen diejenigen Studenten welche aus der umliegenden Gegend bey Halle gebürtig sind«. Später wurde der Begriff oft vermeintlich abschätzig auf Gastarbeiter umgemünzt, wohl darauf anspielend, daß Türken angeblich sehr viel Kümmel essen würden - was auch immer dieser Umstand mit Geringschätzigkeit oder Minderwertigkeit zu tun haben mag...
Kuhdorf...sagt der Volksmund abschätzig zu einem langweiligen abgelegenen Provinzkaff, das keinerlei Anregungen bietet, wo einfach nichts los ist - dort trifft man nur Kühe und kaum Bewohner.
Kuhhandel...nennen wir oft durch und durch undurchsichtige Abläufe, insbesondere wenn diverse Neben- und Zusatzvereinbarungen getroffen werden, weil einer doch allzusehr auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Kühe symbolisierten einst Wohlstand und stellten wohl eine der ersten Naturalwährungen dar - wer möglichst viele Kühe sein Eigen nannte, war reich und hatte das Sagen. Doch schon beim früheren wirklichen ›Kuhhandel‹ tauschte man wohl nicht immer adäquat gleichwertige Waren gegen die Tiere ein - oft genug mußte man faule Kompromisse eingehen, aus denen dann einer der Tauschpartner einen größeren Nutzen zog, als der andere.
Kulturbegleitende Spontanvegetation...nennt der deutsche Beamte nichts geringeres als - Unkraut.
Kummerbund...kommt vom hinduistischen »Kamarband« und bezeichnet eine Schärpe in Farbe und Design der Fliege. Ursprünglich diente das Kleidungsstück indischen Männern zum Hochhalten ihrer »dhotis«, einer Hoseform, die aus einem einzigen Stück Stoff geschlungen wird. Populär wurde diese Mode durch englische Soldaten, auch wenn deren Hosen von alleine hielten. Die Falten der Bauchbinde zeigen nach oben, damit sie Platz für allerlei Kleinkram bieten.
KumpanDie alte »Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= und Landwirthschaft in alphabetischer Ordnung von D. Johann Georg Krünitz« definiert den »Kumpan«: »1. Kompan, Kumpan, ist ein altes deutsches Wort, welches einen Gefährten, einen Amts= oder Arbeits=Genossen, einen Gesellschafter, eine in einer Art von Gemeinschaft oder Gesellschaft stehende Person, L. Socius, Commilito, Fe. Compagnon, andeutet, und noch nicht ganz veraltet ist. Die Raths=Kumpane, oder Mitglieder des Rathes, kommen in den mittlern Zeiten häufig vor. Bey einigen Handwerkern heißt ein Innungs=Glied, oder zünftiger Meister, noch jetzt ein Kompe oder Kumpe. (...) In den Bergwerken, besonders auf dem Harze, ist Kombe oder Kompe, ein Bergknappe, der mit einem andern zugleich auf einer Grube arbeitet; und in Thüringen nennt eine Magd ihre Mit=Magd, ihre Kumpersche, dagegen im Schwed. komperska, ein Schimpf=Wort auf ein zänkisches Weibsbild ist. Da wohl nicht glaublich ist, daß unsere gemeine Mund=Arten dieses Wort aus dem Franz. Compagnon, oder, wie es ehedem lautete, Compain, entlehnet haben sollten: so ist auch leicht zu sehen, was von den Ableitungen dieses Wortes zu halten ist, die dabey keine andere als fremde Sprachen zu Hülfe nehmen. Henricus Stepbanus leitete es von Benna, einer Art alter Wagen, her (...), und erklärte es durch Reise=Gefährten; Nicot und Menage von cum und panis, oder communis panis, die einerley Brod essen, womit auch das altdeutsche Wort ein Genoß, heut zu Tage ein Mitgenoß, überein stimme; Lipsius von combinare; Acarisius von Compages; du Fresne von pagus, Leute, die aus einerley pago sind, Compagani, welches Wort in einer alten Aufschrift bey dem Gruter vorkommt; anderer zu geschweigen. Mehrern Beyfall verdient Frisch, der das veraltete Kume, Hülfe, Beystand, für das Stamm=Wort hält«.
Kunst kommt von KönnenMit diesem geflügelten Wort kommentieren wir gern unsere Skepsis gegenüber manchen Künstlern und ihren Werken. Die Formulierung ist zuerst in Johann Gottfried von Herders (1744-1803) »Kalligone« aus dem Jahr 1800 belegt: »Kunst kommt von Können oder Kennen her (nosse aut posse), vielleicht von beyden, wenigstens muß sie beydes in gehörigem Grad verbinden. Wer kennt, ohne zu können, ist ein Theorist, dem man in Sachen des Könnens kaum trauet; wer kann ohne zu kennen, ist ein bloßer Praktiker oder Handwerker; der echte Künstler verbindet beydes«.
Der Bühnenautor Ludwig Fulda (1862-1939) sorgte 1894 für die berühmte ironische Ergänzung:
»Weiß nicht, was echte Künstler sollen
Mit eurem theoretschen Schwulst;
Kunst kommt von Können, nicht von Wollen:
Sonst hieß es ›Wulst‹«.
Das Wort »Kunst« kam im 9. Jahrhundert übrigens tatsächlich etymologisch richtig von »kunnan« - können, kennen, wissen.
Kunterbunt...stammt aus dem 15. Jahrhundert und kommt eigentlich vom »Kontrapunkt« (lat. »contra« - »gegen; »punctus« - »Stechen, Punkt«). Es bedeutete schon damals »vielstimmig«.
Kurpfuscher...nennen wir jemanden, dar ohne medizinische Ausbildung und amtliche Zulassung mit oft zweifelhaften volksheilkundlichen Methoden Kranke zu kurieren versucht, gelegentlich auch einfach nur einen stümperhaft schlechten Arzt. Egal ob schlechte Qualität oder betrügerische Absicht - längst nicht alles, was heutzutage als »alternative Medizin« verkauft wird, dient tatsächlich der Heilung von Krankheiten. Das im 16. Jahrhundert aufgekommene Wort wurde Ende des 19. Jahrhunderts durch die sogenannte »Kurierfreiheit« bekannt, nach der jeder, unabhängig von seiner Ausbildung, medizinische Behandlungen durchführen konnte. Durch die »Kurpfuscherei-Kommissionen« der Ärzteschaft wurde 1939 schließlich das Heilpraktikergesetz geschaffen, nach dem seither jeder, der Heilkunde betreibt, eine Erlaubnis benötigt.
Kurschatten...ein Schatten, der auf den Hausfrieden fällt, wenn sich Papa während der Kur von anderen Frauen anstrahlen läßt...
Kurz angebunden...sind wir manchmal ziemlich wortkarg und mürrisch, weil wir uns über irgendwas geärgert haben. Schon Martin Luther (1483-1546) kannte diesen Aus druck: »Wäre der Bauer ungeduldig, und kurz angebunden«, der wahrscheinlich auf die Hofhunde früherer Zeiten zurückgeht, die angekettet Eindringlinge meldeten, indem sie sich gegenüber Fremden und Besuchern ziemlich wütend und gereizt benahmen.
Kurz vor ToresschlußGerade noch rechtzeitig, im letzten Augenblick: Wer im Mittelalter und noch bis ins 19. Jahrhundert spät in eine Stadt hinein wollte, obwohl die Tore schon geschlossen waren, mußte einen »Torgroschen« entrichten. Vorher litt er wahrscheinlich unter »Torschlußpanik«.
Kurze Fünfzehn machen...Leute, die nicht lange warten, nicht zögern, kurzen Prozeß oder auch eine kurze Pause machen. Berühmt dafür sind unsere Abgeordneten, die sich in aller Regel monate- und jahrelang heftigste Debatten um Nichtigkeiten liefern - geht es jedoch um die Erhöhung ihrer eigenen Diäten, wird meistens »Kurze Fünfzehn« gemacht und alle sind sich parteiübergreifend blitzschnell einig.
Der Ausdruck geht möglicherweise auf das mittelalterliche Brettspiel »Tricktrack« zurück, bei dem man mit etwas Würfelglück schnell alle 15 Steine an sich nehmen und das Spiel beenden konnte.
Andere sehen den Ursprung im Arbeitsrhythmus beim Erzbergbau: Dort wurden mit Hammer und Meißel Löcher ins Gestein geschlagen - nach je 15 Schlägen durfte der Schläger kurz ausruhen, damit der 2. Mann, der den Meißel hielt, das Geröll aus dem Loch kratzen konnte.
Heute ist überwiegend die Frühstückspause gemeint, wenn man eine »Kurze Fünfzehn« macht.
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