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(Mouseover für Erläuterungen)
I
Ich der Esel immer voran...wurde uns in unserer Kindheit eingetrichtert, wir mögen doch bitteschön bei einer Aufzählung von Personen, in der wir selber vorkommen, uns zuletzt nennen und nicht an erster Stelle. Die deutsche Grammatik verbietet das zwar nicht - es gilt aber als äußerst unhöflich und stillos, sich so wichtig zu nehmen, daß man sich an den Anfang einer Aufzählung stellt. Dieser Spott über unhöfliche Menschen, die unbescheiden einen Platz beanspruchen, der ihnen nach den gängigen Anstandsregeln nicht zukommt, geht möglicherweise auf die ungewöhnlichen Eselslaute zurück: Der Esel macht »I - A«, was als Abkürzung für »Ich und erst dann die Anderen« interpretiert wird. Auch der alte Kinderreim »Ich und Du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist Du« deutet darauf hin.
Ich glaub, es hackt...rufen wir wütend aus, wenn wir glauben, nicht richtig gehört zu haben. Etwas paßt uns nicht, es läuft nicht so, wie es sollte, wir protestieren und weisen unser Gegenüber empört zurecht.
Manche sagen, diese Formulierung käme aus der Seefahrt: Wenn es dort »hackt«, peitschen schwere See, unwetterartiger Regen und Wind auf das Schiff ein - bei dem Wetter schickt man niemanden an Deck, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Andere leiten die Wendung vom »Vogel zeigen« ab - man »hackt« dabei wie ein Specht am Kopf.
Auch eine falsche Schreibweise könnte Ursprung dieses Spruches sein: Einst »hakte« es und hatte nichts mit »hacken« zu tun, sondern mir dem »Haken«, an dem ein Gedankengang hängenblieb.
Eine völlig andere Erklärung führt zu dem deutschen Mathematiker Wolfgang Haack (1902-94), der während des zweiten Weltkriegs für die Rüstung an neuen Überschall-Projektilen mit geringerem Luftwiderstand arbeitete. Der Widerspruch zwischen dem weltfremden Glauben an den Endsieg durch die »Wunderwaffe« und den alltäglichen Ladehemmungen aufgrund mangelhafter Projektile bei den Frontsoldaten könnte zu »Ich glaub, es haackt« geführt haben.
Ich glaub, mein Schwein pfeift...sagte in den 70er/80er Jahren, wer große Verwunderung ausdrücken wollte: Schweine können zwar quieken und grunzen - aber ganz sicher nicht pfeifen. Ergo mußte sich hier etwas ganz Unglaubliches zugetragen haben.
Eine ähnliche Bedeutung in der Szenesprache hatten damals Sprüche wie: »Ich glaub, mein Hamster bohnert« oder: »Ich glaub, mich knutscht ein Elch«.
Ich glaub', mich tritt ein Pferd...sagen wir erst etwa seit den 70er Jahren, um Überraschung, ungläubiges Staunen oder auch Verärgerung auszudrücken. Hintergrund dürfte die Verblüffung sein, die uns erfaßt, wenn Pferde völlig überraschend und vermeintlich unmotiviert auskeilen.
Zur Verbreitung dieser und - davon abgeleitet - vieler ähnlicher umgangssprachlicher Wendungen über »pfeifende Schweine«, »knutschende Elche« oder »bohnernde Hamster«, die allesamt etwas schier unglaubliches, unvorstellbares ausdrücken, dürften die Bud-Spencer-Filme und verschiedene Fernsehserien mit ihrer seinerzeit »innovativen«, saloppen, heute eher lächerlich anmutenden Synchronisation wie z. B. »Die Zwei« (The Persuaders) mit Roger Moore (* 1927) und Tony Curtis (1925-2010) entscheidend beigetragen haben, denen nach den Dialogbüchern Rainer Brandts (* 1936) etliche Wortspielereien und sprachliche Witzchen in den Mund gelegt wurden, die zum Teil Eingang in unsere Alltagssprache gefunden haben.
Ich hab' hier bloß ein Amt und keine MeinungDer Satz aus Friedrich von Schillers (1759-1805) »Wallensteins Tod« ist die Antwort, mit der sich im 5. Aufzug der schwedische Gesandte Oberst Wrangel, von Wallenstein nach seiner Meinung befragt, einer persönlichen Stellungnahme entzieht:
(Wallenstein:)
Der Kanzler, merk ich, traut mir noch nicht recht.
Ja, ich gesteh's - Es liegt das Spiel nicht ganz
Zu meinem Vorteil - Seine Würden meint,
Wenn ich dem Kaiser, der mein Herr ist, so
Mitspielen kann, ich könn' das gleiche tun
Am Feinde, und das eine wäre mir
Noch eher zu verzeihen als das andre.
Ist das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel?
(Wrangel:)
Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung.
Der Ausspruch dient gelegentlich auch heute noch als ausweichende Antwort auf eine Frage, die jemand nicht mit einer persönlichen Meinungsäußerung beantworten möchte.
Ich habe fertigDer italienische Fußballtrainer Giovanni Trappatoni drückte am 17. März 1998, als Bayern München gegen Schalke 04 0:1 verlor, seinen Zorn ob der miserablen Leistungen des FC Bayern München aus. Die Spieler waren weit hinter den erwarteten Leistungen zurückgeblieben, wodurch Trappatoni unter starken öffentlichen Druck geriet:
»Es gibt im Moment in diese Mannschaft, oh, einige Spieler vergessen ihnen Profi was sie sind. Ich lese nicht sehr viele Zeitungen, aber ich habe gehört viele Situationen:
1. Wir haben nicht offensiv gespielt. Es gibt keine deutsche Mannschaft spielt offensiv und die Namen offensiv wie Bayern. Letzte Spiel hatten wir in Platz drei Spitzen: Elber, Jancker und dann Zickler. Wir mussen nicht vergessen Zickler. Zickler ist eine Spitzen mehr Mehmet e mehr Basler. Ist klar diese Wörter, ist möglich verstehen, was ich hab' gesagt? Danke. Offensiv, offensiv ist wie machen in Platz.
2. Ich habe erklärt mit diese zwei Spieler: Nach Dortmund brauchen vielleicht Halbzeit Pause. Ich habe auch andere Mannschaften gesehen in Europa nach diese Mittwoch. Ich habe gesehen auch zwei Tage de Training. Ein Trainer ist nicht ein Idiot! Ein Trainer sehen was passieren in Platz. In diese Spiel es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer! Haben Sie gesehen Mittwoch, welche Mannschaft hat gespielt Mittwoch? Hat gespielt Mehmet, oder gespielt Basler, oder gespielt Trapattoni? Diese Spieler beklagen mehr als spielen! Wissen Sie, warum die Italien-Mannschaften kaufen nicht diese Spieler? Weil wir haben gesehen viele Male solche Spiel. Haben gesagt, sind nicht Spieler für die italienische Meisters. Strunz!!! Strunz ist zwei Jahre hier, hat gespielt zehn Spiele, ist immer verletzt. Was erlauben Strunz??? Letzte Jahre Meister geworden mit Hamann eh... Nerlinger. Diese Spieler waren Spieler und waren Meister geworden. Ist immer verletzt! Hat gespielt 25 Spiele in diese Mannschaft, in diesem Verein! Muss respektieren die andere Kollegen! Haben viel nette Kollegen, stellen sie die Kollegen in Frage! Haben keinen Mut an Worten, aber ich weiss, was denken über diese Spieler! Mussen zeigen jetzt, ich will, Samstag, diese Spieler mussen zeigen mich e seine Fans, mussen allein die Spiel gewinnen. Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh, verteidige immer diese Spieler! Ich habe immer die Schulde über diese Spieler. Einer ist Mario, einer, ein anderer ist Mehmet! Strunz dagegen egal, hat nur gespielt 25 Prozent diese Spiel!
Ich habe fertig«.
Durch Trappatonis katastrophales Deutsch wirkte diese Rede so originell, daß (nicht nur) diese Redewendung in den deutschen Sprachschatz Einzug fand.
Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte...schimpfte der Überlieferung nach der Maler Max Liebermann (1847-1935) am 30. Januar 1933, als anläßlich der Machtergreifung der Nationalsozialisten der Fackelzug der neuen Machthaber vor seinem Haus am Pariser Platz vorbeimarschierte. Die Gründe haben sich seither sicher geändert, sein Spruch »Ach, wissen Se, ick kann jar nich soville fressen, wie ich kotzen möchte« wurde zum geflügelten Wort, das wir in vielen abstoßenden Situationen gebrauchen.
Ich kann's nicht fassen...sagen wir, wenn etwas passiert, das wir kaum glauben, nicht begreifen können. Die Redensart geht auf das gleichnamige Gedicht von Adelbert von Chamisso (1781-1838) zurück:
»Ich kann's nicht fassen, nicht glauben
Es hat ein Traum mich berückt;
Wie hätt' er doch unter allen
Mich Arme erhöht und beglückt?
Mir war's, er habe gesprochen:
›Ich bin auf ewig Dein‹,
Mir war's - ich träume noch immer,
Es kann ja nimmer so sein.
O laß im Traume mich sterben,
Gewieget an seiner Brust,
Den seligsten Tod mich schlürfen
In Tränen unendlicher Lust«.
Bekannt wurde dieses Gedicht durch Robert Schumanns (1810-56) Vertonung als Teil seines Liederzyklus »Frauenliebe und -leben«, der den Lebensweg einer Frau von der ersten Liebe bis zum Tod des Ehemanns beschreibt.
Ich kenn meine Schweindl am Gang...behaupten wir eine bestimmte Verhaltensweise von jemandem vorhersehen zu können. Der Landmann, der seinen Beruf mit viel Liebe ausübt, erkennt charakteristische Merkmale und Gewohnheiten und kann mit der Zeit erahnen, wie seine Tiere auf gewisse Dinge und Begebenheiten reagieren, wie es um sein Rudel bestellt ist, wann ein Tier sich anders verhält, weil etwas nicht stimmt.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text...kommentieren wir gelegentlich ablehnend jemandes allzu bekannten und längst durchschauten Standpunkt. Die Wendung stammt aus Heinrich Heines (1797-1856) Gedichtzyklus »Deutschland. Ein Wintermärchen«:
»Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn' auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser«.
Ich könnte Bäume ausreißen...ruft jemand aus, um damit auszudrücken, daß er nur so vor Kraft strotzt, also sehr viel Energie hat. Allerdings sollten diese Bäume doch sehr, sehr klein sein - oder frisch gepflanzt...
Ich lach mir 'nen Ast»Gibt dir das Leben mal 'nen Puff, so weine keine Träne, lach dir 'nen Ast und setz dich druff und baumle mit die Beene« reimt der Berliner seine Lebensweisheit: Wer sich ausschüttet vor Lachen zieht dabei seine Schultern hoch, er biegt sich, »lacht sich krumm«, man kann ihm einen »Ast« - früher gleichbedeutend mit einem Buckel - förmlich ansehen.
Nach einer anderen Erklärung existierte im Mittelalter ein sehr egozentrischer Landesfürst, der es bei Todesstrafe verbot, in seiner Anwesenheit zu lachen. Die übliche Hinrichtungsmethode war das Erhängen am Ast eines Baumes.
Ich liebe DichIn meiner psychologischen Konstitution manifestiert sich eine absolute Dominanz positiver Effekte für eine labile existente Individualität Deiner Person.
Ich schau Dir in die Augen, Kleines...sagte - das weiß natürlich jeder - Humphrey Bogart (1899-1957) alias Rick Blaine anno 1942 in der Schmonzette »Casablanca«, während er das Champagnerglas auf Augenhöhe der schönen Ilsa Lund (Ingrid Bergman) tief in die Augen schauend zuprostet.
Sagte er? Weit gefehlt!
Humphrey Bogart sagte diesen seinen vielleicht legendärsten Satz niemals - dieses Zitat gibt es nur in der deutschen Synchronfassung. Im Original sagt er: »Here's looking at you, kid«. Zweimal in Szenen in Paris und dann nochmal in der berühmten Abschiedsszene. Ein simpler Trinkspruch, schlicht und ergreifend ein plattes »Zum Wohl«. Die wörtliche Übersetzung wäre wohl niemals so berühmt geworden...
Ich verstehe nur Bahnhof...heißt, ich mißbillige, was Du sagst, ich will nichts mehr davon hören: Die kriegsmüden deutschen Soldaten des ersten Weltkrieges beendeten mit dieser Redensart oft jegliches Gespräch, um jedes andere Thema als die langersehnte Heimreise abzuwürgen. Der Bahnhof stand bei ihnen metonymisch für die Rückkehr aus dem Krieg in die Heimat. Hans Fallada (1893-1947) bezeichnet die Wendung in seinem Roman »Wolf unter Wölfen« (1937) als die gängigste in der Inflationszeit.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten...zitieren wir kopfschüttelnd, wenn wir nicht verstehen, welch Sinn und Zweck eine Entscheidung oder ein Verhalten hat, oder was dahintersteckt, den Beginn des zweiten Gedichts aus Heinrich Heines (1797-1856) Sammlung »Die Heimkehr«, das in Friedrich Silchers (1789-1860) Vertonung zu einem bekannten Volkslied wurde:
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Heine greift das Märchen von der Loreley auf, die als Phantasiegestalt erstmals in einer Ballade von Clemens von Brentano (1778-1842) im Jahre 1799 beschrieben wird.
Ich weiß, daß ich nichts weiß...kokettieren wir gelegentlich mit Bescheidenheit und Unverständnis der großen weiten Welt gegenüber. Platons (um 428-347 a.C.) Zitat aus der Verteidigungsrede des wegen Gotteslästerei und Verderbens der Jugend angeklagten Sokrates (469-399 a.C.) beschreibt die geistige Entwicklung vom Scheinwissen über das bewußte Nichtwissen bis hin zur Weisheit. In der genauen Übersetzung bezeichnet er sich als Nicht-Wissender, der nur etwas zu wissen glaubt, hinterfragt, was man zu wissen meint, was sich bei näherer Betrachtung aber als unbewiesenes Scheinwissen entpuppt. Wirklich sicheres Wissen gibt es grundsätzlich nicht, man kann von seinen Ansichten nur vorläufig überzeugt sein. Der wohl bekannteste Satz der Philosophiegeschichte birgt vordergründig das Paradoxon, daß auch das Wissen über das Nichtwissen ein Wissen ist, von dem man nicht sicher wissen kann.
Ich wittr'e Morgenluft...geht zurück auf einen Ausspruch des Geistes von Hamlets Vater: »But soft! Me thinks I scent the morning air« (Doch still, mich dünkt, ich wittre Morgenluft). Bei Shakespeare ist der Ausdruck wörtlich gemeint, da der Geist bei Tagesanbruch verschwinden muß. Heute verwenden wir ihn in übertragener Bedeutung und meinen, eine eigene Chance, für ein Vorhaben einen günstigen Verlauf voraussehen.
Ick bin doch keen Nurmi...sagt der Berliner, wenn er das Gefühl hat, jemand verlange zuviel in zu kurzer Zeit von ihm. Die Wendung bezieht sich auf den finnischen Leichtathleten Paavo Nurmi (1897-1973), den von 1920 bis zu seiner lebenslangen Sperre 1932 erfolgreichsten Läufer der Geschichte, der bei olympischen Spielen neun Goldmedaillen und insgesamt 24 Weltrekorde errang.
IdiotDas altgriechische »idiôs« bedeutet »eigen, privat, eigentümlich«. Mit »idiótes« bezeichnete man ursprünglich den einfachen Bürger, der nicht am politischen Leben teilhatte - der »Idiot« war also eigentlich der »Privatmann oder Laie«. Im 16. Jahrhundert war der Begriff zunächst wertneutral: Unter dem Begriff »Idiotismus« verstand man schlicht ein Idiom, eine Wortverbindung, die nicht wörtlich, sondern übertragen verstanden wird. Das »Idiotikon« ist ein Mundartwörterbuch. Im englischen Rechtswesen jener Zeit war der »Idiot« Terminus für »eigenartige« Personen mit einem Mangel an geistiger Auffassung und Verarbeitung, die entsprechend unmündig waren. Über die juristische Fachvokabel erhielt der »Idiot« sein Image als »Irrer« - ursprünglich auch nur ganz harmlos ein Mensch, der sich geirrt (von lateinisch »errare« - irren, verirren) hatte.
IdiotensicherIrgendetwas ist eigentlich ganz einfach zu verstehen oder zu bedienen, zum Beispiel ein Gerät, eine (Bedienungs)Anleitung, sodaß selbst ein Idiot es können müßte. Eigentlich...
Igitt!Manchmal auch in der Steigerung »Igittigitt!« ist eine Interjektion, die gesprochen, ausgerufen, verwendet wird, um auszudrücken, daß man sich vor irgendetwas mächtig ekelt.
Ihre Zahl ist LegionIm Neuen Testament wird von Lukas (8.30) und Markus (5.9) über die Heilung der Besessenen durch Jesu berichtet. Der »unsaubere Geist« antwortet Jesus auf die Frage nach seinem Namen: »Interrogavit autem illum Iesus dicens quod tibi nomen est at ille dixit Legio quia intraverunt dæmonia multa in eum« - »Vnd Jhesus fraget jn, vnd sprach, Wie heissestu? Er sprach, Legion, denn es waren viel Teufel in jn gefaren«. Mit dem Namen »Legion« soll in Anlehnung an die Stärke der römischen Legion von weit über 6.000 Mann eine sehr große Zahl, eine sehr große, kaum zu überblickende Menge ausgedrückt werden.
IkarusflugNach der griechischen Mythologie ist Ikarus der Sohn des Erfinders und Baumeisters Dædalus. Die beiden fliehen aus der Gefangenschaft des Königs Minos im kretischen Labyrinth mithilfe von Flügeln, die sie aus Federn und Wachs zusammengeklebt hatten, doch Ikarus flog zu hoch, kam der Sonne zu nahe und stürzte nahe der Insel Samos ins Meer. »Ikarusflug« bezeichnet danach jemanden, der viel zu hoch hinauswill und daran scheitern muß.
Im Auge behalten...wir etwas, das wir scharf und konzentriert beobachten, auf das wir genau aufpassen - wir haben ständig einen Blick darauf, übewachen genau dessen Verlauf.
Im Auge haben...wir einerseits etwas, das wir vorhaben, anstreben, dessen Planung wir uns genauer ansehen, andererseits auch etwas, auf das wir genau aufpassen, das wir beobachten oder überwachen.
Im Brustton der Überzeugung...behaupten wir etwas, von dessen Richtigkeit wir nicht einfach nur überzeugt, sondern absolut sicher sind, worüber wir auch nicht ansatzweise nur den kleinsten Zweifel zulassen - auch und gerade, wenn wir uns damit in einer früheren Behauptung oder Meinung selber widersprechen. Wir reden demonstrativ mutig und entschlossen, atmen dazu tief ein und nutzen beim Sprechen so unser volles Stimmvolumen und allen zur Verfügung stehenden Resonanzraum, die Stimme wird fester, klarer und tiefer. Diese sprichwörtliche Redwendung läßt sich sogar noch zum »Brustton tiefster Überzeugung« steigern, um inständig völlige, totale Sicherheit, Autorität oder Entrüstung auszudrücken. Der Historiker Heinrich von Treitschke (1834-96), publizistischer Mitarbeiter Otto von Bismarcks, prägte diesen Ausdruck 1870 in seinem Aufsatz »Fichte und die nationale Idee«. Die Redewendung wurde fortan im Sinne von »mit voller Überzeugung« zum geflügelten Wort.
Im Clinch liegen...wir mit jemandem, mit dem wir einen Zwist partout nicht beenden können. Ursprünglich bezeichnet das Wort eine regelwidrige Umklammerung des Gegners im Boxsport, der sich solange festhält, bis beide vom Ringrichter getrennt werden. Ohne diese Hilfe wäre der Boxer sofort den gegnerischen Schlägen ausgesetzt, ohne eine eigene Deckung aufbauen zu können.
Im Dreieck springen...wir, wenn wir uns aufregen oder wütend sind. Ursprung dieser Wendung ist das »Preußische Mustergefängnis Moabit« gegenüber dem Lehrter Bahnhof in Berlin: Als man im 19. Jahrhundert Kriminalität als »ansteckend« erkannte, kam man von den bis dato üblichen Gemeinschaftszellen ab und wollte durch völlige Isolation selbst beim Hofspaziergang im 1842/49 von Carl Ferdinand Busse als Kopie des Londoner »Pentonville« erbauten Zellengefängnis die gegenseitige Beeinflussung der Häftlinge verhindern. Hinter hohen Gefängnismauern fanden sich drei kreisrunde Spazierhöfe, jeweils in 20 um einen Beobachtungsturm sternförmig wie Tortenstücke gruppierte Dreiecke unterteilt, die wie in einem Panoptikum von einem einzigen Wärter in der Mitte eingesehen werden konnten. Da viele Gefangene diese Haft nicht ertrugen und dort im wahrsten Sinne »im Dreieck sprangen«, stiegen die Selbstmordrate und die Zahl psychisch Kranker so drastisch an, daß 1886 ein Nebengebäude zum Irrenhaus umgebaut werden mußte. In den Jahren 1957/58 wurde das Gefängnis abgerissen.
Lageplan 1896 Bild: wikimedia.org
Im Dunkeln ist gut munkeln ...wußten schon unsere Altvorderen - munkelt man:
Sie tuschelten und tratschten, flüsterten, vermuteten
und erzählten 1000 Dinge über andere Leute, ohne
wirklich etwas zu wissen, oft ging's um allerhand
Liebschaften - und das kann man natürlich am
allerbesten in dunklen Ecken oder in tiefster Nacht...
Diese Redewendung geht auf den Staatsmann, Satiriker
und Pädagogen des Barock Johann Michael Moscherosch
(1601-69) zurück, der anno 1643 in seiner Satire
»Wunderliche und wahrhafftige Gesichtes
Philanders von Sittewald; In welchen aller Weltwesen,
aller Mänschen Händel, mit ihren natürlichen Farben der
Eitelkeit, Gewalts, Heucheley, Thorheit bekleidet,
offentlich auff die Schau geführet, als in einem Spiegel
dargestellet und gesehen werden« im Ersten Theil,
dritten Gesicht »Venus-Narren« schrieb:
»Im duncklen ist gut muncklen«.
Im Dunkeln tappen...wir schon seit der Bibel, wenn wir einen Sachverhalt nicht aufklären können, keine Ahnung haben, keine Lösung finden: Nach der Überreichung des Gesetzeskodex folgt im Deuteronomium eine Reihe von Segenssprüchen und Verfluchungen von Moses, so unter anderem unter 28.28f: »Percutiat te Dominus amentia et cæcitate ac furore mentis et palpes in meridie sicut palpare solet cæcus in tenebris et non dirigas vias tuas omnique tempore calumniam sustineas et opprimaris violentia nec habeas qui liberet te«. - »Der Herr wird dich schlahen mit Wahnsin, Blindheit vnd Rasen des hertzen vnd wirst tappen im Mittag wie ein Blinder tappet im tunckeln vnd wirst auff deinem wege kein glück haben. Vnd wirst gewalt vnd vnrecht leiden müssen dein leben lang vnd niemand wird dir helffen«.
Im eigenen Saft schmoren...lassen wir umgangssprachlich jemanden, den wir im Ungewissen lassen, dem wir nicht helfen: Die Wendung ist angelehnt an einen Braten, der stundenlang ohne viel zusätzliches Fett nur in der eigenen Flüssigkeit vor sich hin brutzelt.
Im Geld schwimmen...Leute, die sprichwörtlich »Geld wie Heu« haben, im Überfluß leben: Diese Redewendung zeichnet ein Bild von ungeheuren Mengen Geld, das förmlich ganze Seen füllt, in denen wir baden könnten. Dagobert Duck macht's regelmäßig in seinem Geldspeicher - im wahren Leben funktioniert das so allerdings nicht: Da die Dichte von Münzen um ein Vielfaches höher ist als die eines Menschen, gibt es keine Möglichkeit, allzu tief einzusinken. Darüber hinaus bildet das »Kleingeld« eine sehr stabile, kaum verformbare Masse, da es sich verkantet und kaum mehr gegeneinander bewegen läßt. Darin einzutauchen und herumzuplanschen bleibt also ein schöner, aber unerfüllbarer Traum - und eine uralte Metapher für ungeheuren Reichtum.
Im gleichen Schritt und Tritt...findet sich erstmals in einem Gedicht, das der schwäbische Schriftsteller und Germanist Johann Ludwig Uhland (1787-1862) im Jahre 1815 verfaßte:
»Der gute Kamerad«
Ich hatt einen Kameraden,
Einen bessern findst Du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.
Eine Kugel kam geflogen,
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.
Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad.
Kann Dir die Hand nicht geben,
Bleib Du im ewgen Leben
Mein guter Kamerad!
Im Grabe herumdrehen...müßte sich vermeintlich manch Verstorbener, der machtlos zusehen muß, was die Nachkommen mit seinem Erbe treiben - zum Glück sieht er es aber nicht mehr. Tatsächlich fand man schon oft Tote in absonderlichen Positionen - vermutlich Scheintote, die sich vergeblich zu befreien versucht hatten. Im 18. Jahrhundert schrieb Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805) in seinem Drama »Wallenstein« (1799): »Der edle Wein! Wenn meine alte Herrschaft, die Frau Mama, das wilde Leben säh, in ihrem Grabe kehrte sie sich um!«
Im Hamsterrad gefangen...fühlen wir uns oft durch die pausenlose Anstrengung und ewiggleiche Routine, die der Arbeitsalltag mit sich bringt. Was uns sinnloses Rennen im Kreis bis zum »Bournout« erscheint, kompensiert nur notdürftig den enormen Bewegungsdrang des nachtaktiv kleinen Nagers, der in freier Wildbahn gut und gerne 20 bis 30 Kilometer auf Futtersuche unterwegs ist. Als Haus- und Kuscheltier im Käfig ist der Hamster daher ziemlich ungeeignet.
Im Handumdrehen...erledigt man etwas, das augenblicklich, sehr schnell, umgehend geschieht. Die Redensart kommt daher, daß das Handgelenk als eines der agilsten Teile des menschlichen Körpers blitzschnell in alle Richtungen zu drehen und zu bewegen ist. Eben »im Handumdrehen«.
Im Himmel ist Jahrmarkt...sagt man scherzhaft, wenn jemand völligen Unsinn erzählt und fragt vielleicht auch noch, wo denn die Leitern stehen: Der Himmel wird in vielen Religionen als Wohnsitz der verschiedenen Götter angesehen, die sich mit so etwas profanem wie einem Jahrmarkt natürlich niemals befassen würden. Die Vorstellung ist also recht unwahrscheinlich, der Ausdruck von Unglauben soll das zuvor Geäußerte als ebenfalls unglaubhaft kennzeichnen.
Im Kielwasser fahren...kommt - wie könnt' es anders sein - aus der Seemannssprache: Größere Schiffe bahnen kleineren einen Weg, beispielsweise durch das Eis. Übertragen meint man, daß jemand von einem anderen profitiert, sich an ihn dranhängt.
Im NuWir erledigen eine Aufgabe so schnell wie möglich, unverzüglich, in »Nullkommanix«: Das Wörtchen »Nu« für eine sehr kurze Zeitspanne, einen Augenblick, ist eine Kurzform von »nun« und geht auf das lateinische »num« - »ob, jetzt« - zurück. Wir treffen es vor allem im mundartlichen Gebrauch (»Nu mach mal hin«) öfters an.
Im richtigen Fahrwasser...kommt man - wie sollte es anders sein - in der Binnenschiffahrt gut vorwärts. Fährt ein Schiff in der Fahrrinne in der Mitte des Flusses, befindet es sich im »richtigen Fahrwasser«. Wir müssen nicht auf Untiefen oder andere Hindernisse achten und kommen flott voran.
Im Sande verlaufen...viele Sachen, die ergebnislos ausgehen. Das Bild eines Wasserlaufes, der nutzlos im Wüstensand versickert, beschreiibt metaphorisch das Mißlingen oder Scheitern einer Maßnahme, die nicht mehr weiterverfolgt und irgendwann vergessen wird.
Im Schilde führenBeschreibt ein hinterhältiges Verhalten: Jemand tut so, als würde er sein Vorhaben (hinter einem Schilde) verbergen. Eine ursprünglich gegenteilige Bedeutung hatte diese Wendung im Mittelalter: Jeder konnte sehen, welche Farben (welches Wappen) ein Ritter auf seinem Schild führte. So konnte man schon von weitem erkennen, mit wem man es zu tun hatte.
Im Schlepptau habenJemand hat sich an uns angehängt, wir führen ihn - mit oder ohne unseren Willen - irgendwohin. Der Begriff kommt aus der Seefahrt: War ein Schiff antriebslos, mußte es von einem anderen mit einem »Schlepptau« abgeschleppt werden.
Im Schweinsgalopp...erledigen wir oftmals recht unzulänglich eine Arbeit, wenn es mehr auf das Tempo als auf die Qualität ankommt. So schnell und grob, daß das Ergebnis oft aussieht, als wäre eine Rotte Wildschweine durch's Gehölz galoppiert.
Im Schweiße seines Angesichts...tut jemand etwas, bei dem er sich mächtig anstrengen muß, um das gewollte Ziel zu erreichen. Eine der wohl am tiefsten verwurzelten Weltanschauungen - Menschsein bedeutet, bis zum Tode hart zu arbeiten - bezieht sich auf die Bibel. In Genesis 3:19 bestraft Gott Adam für den Sündenfall und sagt: »In sudore vultus tui vesceris pane donec revertaris in terram de qua sumptus es quia pulvis es et in pulverem reverteris«. - »Jm schweis deines Angesichts soltu dein Brot essen, Bis das du wider zu Erden werdest da von du genomen bist. Denn du bist Erden vnd solt zu Erden werden«. Ein hartes Schicksal für unser aller Urvater - war er doch gewohnt, ohne eigenes Zutun versorgt zu werden.
Im siebten HimmelIm Altertum kannte man 7 Himmelssphären - jede wurde durch einen Planeten (auch Mond und Sonne galten als solche) und dessen Bahn repräsentiert. Der letzte damals bekannte Planet war Saturn, der Hüter der Schwelle: Dort endete die materielle und es begann die unsichtbare geistige Welt, eine Welt der Phantasie, Wünsche, Träume und Ideen. Auch in den apokryphen Schriften des Frühchristentums findet sich die Vorstellung, der siebte und oberste Himmel, in dem Gott und die Engel wohnen, sei die Ebene des höchsten Glücks. Und genau da schweben Verliebte ja bis heute...
Im Stich lassen...wir umgangssprachlich jemanden, dem wir in einer Notsituation nicht zur Seite stehen, ihm nicht helfen, wenn er uns braucht. Diese Redensart geht wohl auf das mittelalterliche Turnierwesen zurück: Wurde ein Ritter beim Lanzenstechen vorn Pferd gestoßen, konnte er wegen seiner schweren Rüstung nicht allein wieder aufstehen. So war es Aufgabe seines Knappen, ihn aus der Gefahrenzone zu ziehen - tat der das nicht rechtzeitig, blieb sein Herr hilflos für einen weiteren Stich liegen. Eine andere Erklärung bezeichnete mit dem »Stich« den Kampf an sich - man ließ also jemanden im Kampf allein.
Im Tran seinWar die Nacht mal wieder besonders kurz und die geistigen Getränke reichlich, fühlt man sich schläfrig und benommen - wie im Tran. Das Wort geht auf den Vergleich mit einer Lampe zurück: Tran, ein fettiges Öl, das aus Walen gewonnen wird, brennt im Gegensatz zu Petroleum eher trübe. Ein reduziertes Leuchten, vergleichbar mit dem reduzierten Lebensgefühl...
Im Trüben fischen...hin und wieder Zeitgenossen, die unklare Verhältnisse ausnutzen, sich mit unlauteren Mitteln einen Vorteil verschaffen. Schon in einer Geschichte des altgriechischen Fabeldichters Æsop (um 600 a.C.) wirbelt ein Fischer das schlammige Flußbett auf, damit ihm die Fische im trüben Wasser leichter ins Netz gehen.
In jüngerer Zeit hat sich auch noch eine andere Verwendung im Sinne von »in unbekannter Umgebung suchen« eingebürgert: Die Redensart wird dabei wörtlich verstanden - man kann im trüben Wasser nicht sehen, was man tut oder was dort vor sich geht. Jemand, der so »im Trüben fischt«, hat keine Ahnung, kennt sich nicht aus, handelt also nur auf gut Glück und völlig planlos.
Im Weichbild der StadtDer Begriff hat weder mit »weich« noch »Bild« zu tun, sondern geht auf die altdeutschen Worte »wich« (Ansiedlung) und »billede« (Gesetz) zurück und heißt nichts weiter als Stadtrecht. Erst im 19. Jahrhundert nahm das »Weichbild« die Bedeutung »Stadtgebiet« an.
Im Zaum halten...wir jemanden, den wir zu bändigen, zu zügeln oder zu kontrollieren versuchen. Diese bildliche Redewendung geht natürlich auf das Zaumzeug zurück, mit dem Reit- und Zugtiere geführt und gelenkt werden.
ImbißIm Althochdeutschen hieß »imbizan« essen, wörtlich »entbeißen«. Der »imbiz« war also schon vor 1000 Jahren eine kleine Zwischenmahlzeit. Später bezeichnete man in besseren Kreisen das zweite Frühstück als Imbiß. Eine besonders hübsche Beschreibung hiervon hat uns Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seiner »Italienischen Reise« überliefert: Er unternahm am Donnerstag, dem 19. April 1787 eine Wanderung von dem Bergstädtchen Alcamo nach Monreale auf Sizilien. Von einer Rast zwischendurch erzählt er: »...Unter dem Obdach einer luftigen, an der schlechten Herberge vorgebauten Halle erquickten wir uns an einem mäßigen Imbiß. Hunde verzehrten begierig die weggeworfenen Schalen unserer Würste, ein Betteljunge vertrieb sie und verspeiste mit Appetit die Schalen der Äpfel, die wir verzehrten, dieser ward aber gleichfalls von einem alten Bettler verjagt. Handwerksneid ist überall zuhause...«
Immer auf die Füße fallen...manche Menschen, denen die schlimmsten Dinge widerfahren können - sie stellen sich auf alles sofort ein und finden sich immer zurecht. Die Redewendung geht natürlich auf unsere Stubentiger zurück: Die können sich im Fallen reflexartig in die Bauchlage drehen, indem sie den Schwanz als Ruder benutzen, und landen so immer auf den Füßen.
Immer der Nase nachFragten mittelalterliche Händler und Gaukler nach dem Weg zur nächsten Burg, war dieser Spruch wortwörtlich zu verstehen: Üblicherweise wurden die Abwässer damals direkt in den Burggraben geschüttet. Ein bestialischer Gestank umwehte die Burgen und das fahrende Volk konnte sich getrost auf den Geruchssinn verlassen, um ans Ziel zu finden...
Immer langsam voran...geht es traditionell in Deutschlands Amtsstuben. Der Beamte an sich hat es halt nicht so eilig. Aber auch wenn andere dringliche Taten anstehen, läßt sich manch Mitbürger enorm viel Zeit. Die Wendung geht auf einen unbekannten Verfasser zurück, der anläßlich der Befreiungskriege gegen die Truppen Napoléons anno 1813 dichtete:
»Immer langsam voran! Immer langsam voran!
Daß der Krähwinkler Landsturm nachkommen kann...«
Das Soldatenlied aus dem »Allgemeinen Deutschen Kommersbuch« veränderte Adolf Glassbrenner (1810-76) im Jahre 1844 für »Verbotene Lieder« ab in:
»Immer langsam voran! Immer langsam voran!
Daß der deutsche Michel nachkommen kann...«
und der Volksmund reimte weitere 100 Jahre später:
»Immer langsam voran! Immer langsam voran!
Daß der olle Volkssturm auch noch folgen kann...«
Danach geriet das Lied mehr und mehr in Vergessenheit, die Redewendung indes blieb erhalten.
Immer sachte mit den jungen Pferden...raten wir gelegentlich dem jugendlichen Heißsporn: Geht das Temperament mit einem Menschen durch, muß man ihn bremsen - ebenso wie ein Fohlen, das sich (wie fast jedes Jungtier) oft noch recht wild und ungestüm gebärdet, nicht weiß, wohin mit all seiner Energie.
Immer wieder auf die Füße fallen...kann einer, der sich immer und in jeder Lage zu helfen weiß, auch schwere Schicksalsschläge recht einfach wegstecken kann. Die Wendung spielt auf die Fähigkeit der Katzen an, sich im Fallen blitzschnell so zu drehen, daß sie immer weich auf den Pfoten landen.
Belegt ist dieses Idiom schon seit dem Jahre 1575 in der »Affentheuerlich Naupengeheurlichen Geschichtsklitterung« des protestantischen Satirikers der Reformationszeit Johann Fischart (1546-90), einer recht freien Eindeutschung von François Rabelais' (um 1494-1553) »Gargantua & Pantagruel«.
In Acht und Bann...warf man in germanischer Vorzeit Verbrecher, die man aus der Gemeinschaft ausschloß, weil sie sich dem Gericht entzogen. Sie galten damit als »vogelfrei«, durften erschlagen werden und verloren Haus, Hof und Familie. Stellte sich der Täter dem Gericht, konnte die Acht aufgehoben werden. Noch im Mittelalter ächteten Kaiser und Könige Personen, die den Frieden im Reich störten. Den Schutz der Kirche konnte ein Geächteter noch suchen, solange kein Kirchenbann über ihn verhängt war. Der Bann schloß ihn dann auch aus der kirchlichen Gemeinschaft aus (Exkommunikation). Im 13. bis 16. Jahrhundert hatte der Kirchenbann Vorrang, die Reichsacht folgte automatisch. War jemand »in Acht und Bann« geworfen, durfte ihm niemand helfen. Wer es dennoch tat, machte sich selbst strafbar.
In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken...lautete einer der tiefsinnigsten Sprüche, mit dem sich das selbsternannte Volk der Dichter und Denker in den Eselsohren der Poesiealben kleiner Mädchen verewigte. Glücklicherweise ist das wieder aus der Mode gekommen...
In aller Munde...ist jemand oder etwas, das aktuell der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Jeder spricht darüber, man kommt ins Gerede, ist allgemeines Gesprächsthema - »in aller Munde« eben.
In Amt und Würden...waren früher Leute, die nicht nur einfach einen Posten bekleideten, ein Amt innehatten, sondern darüber hinaus auch eine »Würde« - eine der sozialen Vorrangstellung innewohnende Verpflichtung - zu erfüllen hatten.
Heute steht der Begriff quasi nur noch ironisch für eine gesicherte berufliche Stellung.
In Bausch und Bogen...wurde früher etwas uneingeschränkt, vollständig getan: Die Wendung kommt ursprünglich aus der Flurvermessung, der Sprachwissenschaftler Jacob Ludwig Karl Grimm (1785-1863) erklärt dazu in seinem 33-bändigen »Deutschen Wörterbuch«, daß bei gekrümmten Grenzziehungen »Bausch« (vom neulat. »pauschalis«) die nach außen, »Bogen« die nach innen gehende Fläche bezeichnen. Wer ein Stück Land kaufe, achte nicht auf den genauen Grenzverlauf, was bei überschlägiger Schätzung an einer Stelle zuviel war, würde an anderer Stelle wieder abgezogen. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wird der Begriff auch für den Warenhandel gebraucht - beim Kauf und Verkauf unterschiedlicher Sachen wird für alles zusammen eine gewisse Summe bezahlt, ohne einen besonderen Einzelpreis auf jedes Stück zu berechnen. Allzu genau war diese Berechnung freilich nicht, heute stößt sie allgemein auch auf wenig Gegenliebe und man wirft solchen Händlern oft mangelnde Kompromißbereitschaft und ein überhebliches und besserwisserisches Festhalten an starren Positionen vor.
In China ist ein Sack Reis umgefallen...sagen wir mit einem unbekümmerten Achselzucken, wenn uns jemand mit bedeutungslosen Nachrichten beglückt. Ein so irrelevantes Ereignis mag ob der Größe des Landes und der enormen Bevölkerungszahl alltäglich millionenfach passieren - allein es interessiert uns nicht die Bohne.
In Deiner Haut möchte ich nicht stecken...bedauern wir einen Menschen, trösten ihn vielleicht, vergleichen uns mit dem Unglücksraben und denken: Zum Glück geht's mir besser - ich muß nicht erleben, was dem anderen zugestoßen ist oder bald zustoßen wird. »In Deiner Haut« steht hier ganz einfach bildlich dafür, daß man sich in die andere Person hineinversetzt.
In den Arm fallen...wir jemandem, um ihn in letzter Sekunde an seinem Tun zu hindern, ihn zurückzuhalten und vor einem möglichen schweren Fehler zu bewahren: Die Wendung hat vermutlich damit zu tun, daß man einst jemanden von einem Schwerthieb abhalten wollte, indem man seinen schon erhobenen Schlagarm festhielt. Etwas völlig anderes und tunlichst nicht zu verwechseln ist es aber, wenn zwei Verliebte sich in »die Arme« fallen.
In den besten Jahren...beschreibt eigentlich einen Mann in dem Lebensabschnitt, da er seine höchste körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erreicht hat. Nur zu oft bezieht man sich dabei allerdings schalkhaft auf jemanden, der diese Phase längst überschritten hat. Der Ausdruck wurde populär durch Heinrich Heines (1797-1856) Gedichtsammlung »Die Heimkehr«, wo es im 35. Gedicht heißt:
»Ich rief den Teufel, und er kam,
Und ich sah ihn mit Verwund'rung an.
Er ist nicht häßlich und ist nicht lahm,
Er ist ein lieber, scharmanter Mann,
Ein Mann in seinen besten Jahren,
Verbindlich und höflich und welterfahren«.
In den falschen Hals kriegen...wir gelegentlich etwas, das wir falsch verstehen, das eigentlich gar nicht so böse gemeint war: Normalerweise verschließt beim Essen und Trinken der Kehldeckel die Luftröhre - manchmal gelangt jedoch trotzdem etwas Flüssigkeit oder Speisereste statt in die Speiseröhre dort hinein. Den unangenehmen Hustenreiz, um den Fremdkörper im »falschen Hals« wieder loszuwerden, kennt jeder...
In den Grundfesten erschüttert...sind wir, wenn uns etwas durch und durch geht oder aufwühlt, wir etwas grundsätzlich infrage stellen und verändern wollen. Die »Grundfesten« sind ursprünglich das Fundament, die tragende Unterlage eines Hauses, die bei einer extremen Einwirkung wie beispielsweise einer Detonation oder einem Erdbeben schonmal recht kräftig wackeln und das Ganze zum Einsturz bringen können. Übertragen werden oft auch unsere persönlichen Grundfesten erschüttert, wenn einschneidende Veränderungen an unserem Weltbild, unseren Ansichten, der alten Gesellschaftsordnung oder dem Staat anstehen.
In den höchsten Tönen...lobpreisen wir manchmal jemanden oder etwas ganz besonders überschwenglich. Unsere Begeisterung kennt kein Halten, wir können uns kaum mehr beruhigen und tun dies meist mit einer ziemlich hohen Stimme kund - ganz anders, als wenn uns etwas nicht gefällt und wir dies nur mit einem grimmigen Brummen oder Knurren honorieren.
In den Miesen seinJedesmal ist am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig: Die Redensart für das überzogene Konto kommt aus dem Jiddischen: »Mis« bedeutet dort »schlecht« und geht wohl auf das lateinische »miserabilis« (beklagenswert, elend) zurück.
In den Ohren liegen...wir manchmal jemandem, den wir permanent immer und immer wieder darauf hinweisen, daß er nun endlich irgendwas Bestimmtes für uns machen soll, dem wir durch unablässiges bitten, jammern oder ähnliches derart zusetzen, daß er sich kaum noch auf etwas anderes konzentrieren kann, weil er ständig nur noch unsere Worte hört.
In den Ring steigen...eigentlich Boxer für ihren Kampf. Die Redewendung wird oft auch übertragenen gebraucht, wenn sich jemand an einer öffentlichen verbalen Auseinandersetzung beteiligt.
In den Rücken fallen...wir jemandem, der sich auf uns verläßt und den wir heimtückisch und unerwartet angreifen, den wir verraten oder hintergehen, dem wir Schaden zufügen: Diese bildhafte Redewendung geht wohl darauf zurück, daß schon mancher Krieg dadurch entschieden wurde, daß gegnerische oder eigene und verbündete Kämpfer, die sich mit dem Gegner gemein gemacht hatten, zu dessen Gunsten von hinten, vom weitestgehend ungedeckten Rücken her angegriffen haben - ein Kampf an zwei (oder mehr) Fronten, der fast nicht zu gewinnen ist.
In den Sack (die Tasche) stecken...wir - heutzutage natürlich nur noch bildlich - hin und wieder jemanden, dem wir überlegen sind, ihn übertreffen. Glaubt man verschiedenen alten Volkserzählungen, geht die Wendung wohl auf eine frühe Art von Wettkampf zurück, bei der der Sieger dem Besiegten tatsächlich einen Sack überstülpte. Im alten Volksglauben steckte man böse Geister in Säcke, um sie unschädlich zu machen und das Ersäufen in einem Sack war nicht nur ein gängiges Verfahren, um überzählige junge Katzen zu entsorgen, sondern auch eine übliche Strafe für Verwandtenmörder.
In den Sack hauenDer gestandene Seemann reiste einst grundsätzlich mit seinem Seesack. Gefiel es ihm irgendwo nicht (mehr), haute er im nächsten Hafen seine Siebensachen in denselben und suchte sich ein neues Schiff. Heute hauen wir allgemein »in den Sack«, wenn wir von irgendwo verschwinden.
In den Sand gesetzt...haben wir etwas, das wir durch eigenes Verschulden verlieren oder womit wir einfach keinen Erfolg haben. Hintergrund sind mittelalterliche Turniere, bei denen es das Ziel war, den Gegner aus dem Sattel »in den Sand« der Wettkampfarena zu setzen. Eine andere Deutung meint ein Schiff, das - auf eine Sandbank aufgelaufen - nun nicht mehr weiterfahren kann.
In den sauren Apfel beißen...heißt, etwas Unangenehmes aber Notwendiges tun, sich überwinden, etwas zu akzeptieren: Die Redensart geht auf das Sprichwort »Not lehrt in saure Äpfel beißen« zurück und ist eigentlich nicht weiter erklärungsbedürftig: Saure Äpfel ißt niemand gern, sie können ob ihrer gesundheitlichen Wirkung aber ein notwendiges Übel darstellen. Die Wendung ist schon in einem Brief des Theologen und Reformators Martin Luther (1483-1546) an Kurfürst Johann von Sachsen (1468-1532) belegt, dem er anläßlich einer Krankheit schreibt: »...obgleich E.k.f.g. (Eure kurfürstliche Gnaden) ein wenig hat müssen wermuth essen und in einen sauren apfel beißen...« (De Wette, Briefe, Bd. 4, S. 347). Auch im Tagebuch des schlesischen Ritters und Schriftstellers Hans von Schweinichen (1552-1616) heißt es: »Habe ich doch in einen sauren Apfel beißen müssen«.
In den Schatten stellen...wir jemanden, den wir in seinen Leistungen oder Qualitäten bei weitem übertreffen. Das Bild, das einst zu dieser Wendung führte, ist einfach: Nur Sieger stehen im Licht - Verlierer sieht man nicht.
In den Seilen hängenWir sind völlig fertig, haben keine Kraft mehr, fallen fast um: Diese Redensart kommt aus dem Boxsport. Ein Boxring wird mit Gummiseilen begrenzt, die verhindern sollen, daß ein Boxer nach einem harten Schlag aus dem Ring fällt - seine Schwäche ist offensichtlich. Der angeschlagene Kämpfer hängt oft in diesen Seilen, um sich abzustützen und das Hinfallen - und damit den K.O. - zu vermeiden oder wenigstens hinauszuzögern.
Eine andere Erklärung könnte aber auch aus der Seefahrt kommen: Mußten bei Sturm die Segel eingeholt werden, seilten sich die Matrosen in der Takelage an. War ihre gefährliche Arbeit beendet, ließen sie sich einen Moment erschöpft in den Seilen hängen.
In den Senkel stellen...wir jemanden, den wir scharf zurechtweisen. Er ist von der rechten Bahn abgewichen und wird eben wieder zurechtgerückt. Die Wendung kommt vom Senkblei, einem Metallstück, das an einer dünnen Schnur befestigt ist und das der Maurer benutzt, um eine Wand »ins rechte Lot« zu bringen, genau gerade und senkrecht zu mauern.
In den Wind reden...heißt, vergeblich zu versuchen, jemanden zu überzeugen - man redet, ohne Gehör zu finden. Diese alte poetisch-rhetorische Formel für die Sinn- und Nutzlosigkeit einer Sache, die schon bei Publius Ovidius Naso (43 a.C.-18) und Titus Lucretius Carus (97 a.C.-55) zu finden ist, hat Martin Luther (1483-1546) wiederentdeckt und verwendet, um eine Stelle aus dem ersten Brief an die Korinther zu übersetzen. Dort warnt der Apostel Paulus die Gläubigen vor dem Beten in Ekstase: »Ita et vos per linguam nisi manifestum sermonem dederitis quomodo scietur id quod dicitur eritis enim in æra loquentes« - »Also auch jr, wenn jr mit Zungen redet, so jr nicht eine deutliche rede gebet, wie kan man wissen, was geredt ist? Denn jr werdet in den wind reden« (1 Korinther 14:9). Worte, die man nicht versteht, werden bedeutungslos.
In den Wind schießen...wir umgangssprachlich jemanden, den wir ver- oder entlassen, davonjagen, aufgeben, zu dem wir jedwede Beziehung beenden. Der Begriff kommt von Segelschiffen: Wird der Bug des Seglers in den Wind gedreht, macht das Boot keine Fahrt mehr und läuft gegen den Wind aus. Das ist quasi eine Art »Notbremse«, die die Segler »Aufschießen« oder eben »in den Wind schießen« nennen, was irgendwann in den allgemeinen Sprachgebrauch überging.
In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot...sagt ein weiser Volksmund-Vers, den wir gerne benutzen, wenn sich jemand Wurst, Schinken oder ähnliches fingerdick im Mehrschichtverfahren auf die Stulle legt. Manch lecker Belag ist für's billige Brot einfach viel zu schade. Ein dingfest zu machender Urheber für diesen Reim ist nicht bekannt - eins aber ist sicher: Vegetarier war er keiner...
In der Kreide stehenIm Mittelalter war die Kreidetafel eine Art Notizbuch für säumige Zecher. Wer nicht zahlen konnte, wurde vom Wirt mit Kreide auf einer Tafel verewigt. Bis man seine Schulden getilgt hatte, stand man somit »in der Kreide«.
In der Kürze liegt die WürzeOft ist eine knappe und präzise Darstellung wesentlich treffender als weitschweifige Ausführungen. Prinz Hamlet von Dänemark ist Titel und Hauptfigur eines Trauerspiels von William Shakespeare (1564-1616). Der Ausspruch von Polonius, Ober-Kämmerer von König Claudius zu Hamlets Mutter:
»So wäre dies Geschäft nun wohl vollbracht.
Mein Fürst und gnädge Frau, hier zu erörtern,
Was Majestät ist, was Ergebenheit,
Warum Tag Tag; Nacht Nacht; die Zeit die Zeit:
Das hieße, Nacht und Tag und Zeit verschwenden.
Weil Kürze denn des Witzes Seele ist,
Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat:
Faß ich mich kurz. Eur edler Sohn ist toll,
Toll nenn ichs: denn worin besteht die Tollheit,
Als daß man gar nichts anders ist als toll?
Doch das mag sein«.
(Zweiter Aufzug, zweite Szene, 426)
ist der eigentliche Ursprung dieses alten Sprichwortes. Der »Witz« ist hier eigentlich im Sinne von Verstand und Klugheit - Gewitztheit - zu verstehen.
In der Not frißt der Teufel Fliegen...behauptet jemand, der in der Not mit Wenigem zufrieden ist, das Schlimmste in Kauf nimmt und Dinge tut, die man sonst nicht tun würde: In der Bibel wird der Teufel nach dem hebräischen »Baʿal« (Herr) »Zəvûv« (Fliegen) auch als Beelzebub - Herr der Fliegen - bezeichnet, ein Herrscher der Dämonen, eine besondere Gottheit, Ekron der Fliegenabwehrer, der nach diesem Sprichwort in der Not die eigenen Untertanen verzehrt, wenn der Nachschub an menschlichen Seelen ausgeht.
In der Ruhe liegt die Kraft...heißt, nicht nur die Dinge mit Ruhe anzugehen, sondern sich auch von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Ruhe ist fundamental wichtig, um sich auf ein Vorhaben wirklich konzentrieren zu können. So mancher lebt bis heute nach dem Dogma, seine knappe Zeit mit Aufgabenlisten und Terminplanern »managen« zu müssen - doch bei vielen setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis dieses alten Sprichworts durch: Das selbst auferlegte Chaos bekämpft man nicht mit noch mehr Hektik und Hetzerei, sondern indem man seine Karriere und Erwartungen auf ein gesundes Maß reduziert und sich auf das Wesentliche und Wichtige konzentriert.
Diese Wendung scheint auf den ersten Blick von Laotse oder Konfuzius oder ähnlichen fernöstlichen Philosophen zu stammen - belegt ist sie dort nicht, aber in der Bibel gibt es ein solches Lob der Stille: »Si revertamini et quiescatis salvi eritis in silentio et in spe erit fortitudo« - »Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein«. (Jesaja 30:15)
In der Schwebe...ist etwas, das noch nicht entschieden ist: Im Reichskammergericht von Wetzlar soll einst die »Lange Bank«, auf die man gerne etwas schob, nicht mehr ausgereicht haben - also hängte man die Akten kurzerhand an einem Seil unter der Decke auf. Dort schwebten sie dann und mit ihnen eben auch das Verfahren.
In der Tinte sitzen...umgangssprachlich Leute, die Trouble, (oft finanzielle) Schwierigkeiten haben, in Bedrängnis sind: Wer in die schwer entfernbare, früher sogar noch ätzende schwarze Brühe hineingerät, steckt in einer mißlichen Lage. Das mußten schon Ludwig, Kaspar und Wilhelm aus Heinrich Hoffmanns »Struwwelpeter« erfahren, die einen Mann wegen seiner schwarzen Hautfarbe verspottet hatten. Zur Strafe setzte sie der Nikolas in sein großes Tintenfaß. Da wurden sie selbst rabenschwarz. Die Redewendung ist aber viel älter als der Struwwelpeter. Sie ist schon seit dem 16. Jahrhundert bekannt.
In der Versenkung verschwinden...manchmal Leute und man hört und sieht nichts mehr von ihnen. Die Wendung entstammt der Theaterwelt und bezieht sich ebenso wie »aus der Versenkung auftauchen« auf die Maschinerie der Theaterbühnen. So können beispielsweise Engel über den Köpfen der Darsteller schweben oder die Mimen »verschwinden in der Versenkung«, eine im Bühnenboden eingelassene Plattform, die - häufig mit optischen und akustischen Effekten wie Blitz, Donner und Rauch garniert - hoch- und heruntergefahren werden kann.
In der Wolle gefärbt...sind natürlich nicht etwa Punk-Schafe, sondern vielmehr Zeitgenossen, die durch und durch von einer Sache, einer Ideologie oder einfach nur von sich selbst überzeugt sind und daran auch keinen Zweifel aufkommen lassen.
Wird Wolle schon vor ihrer Verarbeitung gefärbt, behält sie allzeit ihre Farbe - jedenfalls wesentlich länger, als wenn erst das fertige Gewebe eingefärbt wird.
Schon der Prediger Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510) aus Schaffhausen sagte: »So seind menschen, heiszent lasterliche menschen, und sein die, die in der wollen geferbet seind«.
In der Zwickmühle stecken...wir manchmal, wenn wir in einer Zwangslage sind, uns zwei verschiedenen Gefahren ausgesetzt sehen, die sich gegenseitig bedingen - ein Dilemma bei dem wir die »Qual der Wahl« zwischen zwei ausweglosen Situationen haben: Die Wendung geht auf eine äußerst unangenehme Konstellation im Brettspiel »Mühle« zurück, bei der (mindestens) fünf Spielsteine so angeordnet sind, daß die Bewegung eines bestimmten Steins immer gleichzeitig eine Mühle öffnet und eine andere schließt. Wer erstmal »in der Zwickmühle steckt«, verliert so zwangsläufig Stein um Stein und kann (fast) nur verlieren.
In die Binsen gehen...Sachen, die uns verlorengehen, mißglücken oder zunichte gemacht werden. Ursprünglich geht dieser Begriff aus dem 19. Jahrhundert auf die Jägersprache zurück: Wildenten retten sich mitunter ins Wasser und verschwinden dort zwischen den Binsensträuchern, grasartigen Pflanzen, die an Teich- und Seeufern ein undurchdringliches Dickicht bilden. Dort sind sie vor Jäger und Hund sicher. Eine andere Herleitung kommt vom Fischfang: Aus Binsen wurden früher Reusen hergestellt - ein Fisch oder Krebs, der so »in die Binsen« ging, landete in Pfanne oder Topf.
In die Bredouille kommenDieses Idiom für »in Verlegenheit, Schwierigkeiten kommen« (eigentl. »im Matsch feststecken«), zog zu Beginn des 19. Jahrhunderts während der französischen Besatzung in die deutsche Sprache ein. Der dem Tricktrackspiel - einem Vorläufer des heutigen Backgammon - entlehnte Ausdruck bezeichnet einen Spielvorteil, bei dem der Gegner nicht mehr ziehen konnte. Für ihn bedeutet dies einen schmählichen Verlust - er saß »in der Bredouille«.
In die Bresche springenDie Bresche (vom französischen »brèche«, Lücke, Riß) ist eine vom Belagerer in die hohe und somit schwer zu überwindende Festungsmauer geschlagene Öffnung, die von den Belagerten gehalten und verteidigt werden mußte. War einer der Verteidiger gefallen, mußte ein anderer seinen Platz einnehmen, »in die Bresche springen«. Die Wendung geht vermutlich auf die Sage um die Schlacht bei Sempach im Kanton Luzern am 9. Juli 1386 zurück, in der Arnold Winkelried den Eidgenossen den Sieg über ein habsburgisches Heer unter der Führung Herzog Leopolds III. von Tirol brachte, indem er mit den Worten »Der Freiheit eine Gasse!« mehrere feindliche Spieße auf sich gezogen und so eine Bresche für seine Mitstreiter geschaffen haben soll. Dieser Sieg leitete den Niedergang der habsburgischen Herrschaft in der Schweiz ein.
In die Brüche gehen...Beziehungen oder Dinge, die mißlingen, kaputtgehen, zerbrechen. Eine mögliche Erklärung für die Herkunft ist der Bezug zur Bruchrechnung: Wenn Zahlen sich nicht glatt teilen lassen, muß man für bestimmte Berechnungen Brüche heranziehen. Möglicherweise war aber auch ein Sumpfgebiet wie das »Oderbruch« gemeint - »in die Sümpfe« ging vielleicht einst jemand, der dort umkam. Eine weitere Möglichkeit: Bruch, vom mittelhochdeutschen »Bruoch«, nannte man auch die kurzen Hosen des Mittelalters, an denen die eigentlichen »Beinlinge« festgemacht wurden. Denkbar ist auch die Verbindung zu den englischen »breeches«.
In die ewigen Jagdgründe eingehenDiese pathetische Umschreibung für »sterben« wurde typischerweise den Indianern in zahllosen Westernfilmen der 60er Jahre in den Mund gelegt: Fast alle Indianerstämme glaubten an ein Leben nach dem Tode und jeder, der tapfer und ehrlich gelebt hatte, hatte das Recht, in die »Ewigen Jagdgründe« einzugehen - ein fruchtbares Tal, in dem es schier unerschöpfliche Büffelherden für die Jagd gab, und niemand je Hunger leiden mußte. Der Begriff stammt allerdings wie so vieles von den Weißen - die amerikanischen Ureinwohner selbst sprachen von »glücklichen Jagdgründen«.
In die Haare kriegen...sich gerne mal insbesondere Frauen, die einen handgreiflichen Streit miteinander anfangen und sich gegenseitig an den Haaren ziehen. Aber auch kleine Jungs kennen in dieser Hinsicht kaum Hemmungen...
In die Haare schmieren...können wir uns umgangssprachlich etwas, worauf wir eigentlich getrost verzichten könnten: Kaum etwas ist so existentiell wichtig für manchen von uns wie volles Haar, eine möglichst perfekt sitzende Frisur, und die allgegenwärtige Werbung verheißt allerlei Wunder, wenn wir denn nur das »richtige« Produkt verwenden. Allein der Erfolg bleibt regelmäßig aus: Es ist bislang kein einziger Fall überliefert, da - sei es die sündhaft teure Chemie oder »Omas Hausmittelchen« - auch nur ansatzweise geholfen hätten, die rasant schwindende Lockenpracht zurückzuholen. Egal, was auch immer wir uns »in die Haare schmieren« - die Sache kann man vergessen, ist aussichtslos. Finden wir uns also damit ab - ein schönes Gesicht braucht nunmal Platz...
In die Hände spucken...wird als bildhafter Ausdruck für orgiastischen Fleiß und Arbeitseifer gebraucht. Ein Arbeiter spuckt in die Hände, wenn er hart anpacken will, bereit ist, eine große Anstrengung zu unternehmen, viel zu schaffen. Der Ursprung ist simpel: Wenn man einen Werkzeugstiel mit trockenen Händen greift, kann man leicht abrutschen. Werden die Hände leicht angefeuchtet, hat man sichereren Halt und vermeidet (wenigstens für eine gewisse Zeit), Blasen zu bekommen. Eine fröhliche NDW-Popgruppe namens »Geier Sturzflug« steigerte anno 1983 unter diesem Motto das »Bruttosozialprodukt« und stürmte wochenlang die deutsche Hitparade.
In die Hosen gehen...uns bildlich manchmal Sachen, die uns völlig mißglücken, die scheitern, danebengehen oder fehlschlagen. Was bei Säuglingen noch ganz normal ist, wäre uns als Erwachsenen wohl doch äußerst peinlich...
In die Mangel nehmen...wir gelegentlich jemanden, den wir unter Druck setzen, schlecht behandeln, heftig kritisieren. Auch unsere »Freunde und Helfer« setzen einem beim Verhör oft ordentlich zu, wenn von allen Seiten Fragen auf ihn einprasseln.
Der Ursprung dieser Redensart ist eigentlich ein völlig anderer - das Wäschewaschen: Bis vor einigen Jahrzehnten noch kochte man die Wäsche in einem großen Kessel und rührte sie dabei mit der Hand um. Auch die Schleuder aus unseren heutigen Waschmaschinen war noch unbekannt, also wurde die Wäsche nach dem Waschgang durch die Wäschemangel - zwei übereinanderliegende Walzen - gedreht, um sie auszuwringen.
In die Nesseln setzen...wir uns, wenn etwas völlig schiefläuft. Wir bringen uns mit einer Handlung oder Äußerung selbst in eine peinliche, unangenehme, mißliche Lage: Gemeint sind natürlich die Brennnesseln (Urtica) - bei aller Naturverbundenheit wohl eines der lästigsten und unangenehmsten Unkräuter in unseren Gärten, das mit seinen Brennhaaren schmerzhafte Quaddeln auf der Haut verursacht.
In die Parade fahrenDen Plan eines Kontrahenten von vornherein verhindern, indem man ihm besonders schlagfertig gegenübertritt: Beim Fechten ist die »Parade« eine Abwehrhaltung, man pariert einen Schlag oder Stich und durchbricht damit seine Deckung.
In die Pfanne hauen...wir sprichwörtlich jemanden, den wir durch Kritik vernichten, ihm schaden, ihn ungerechtfertigt niedermachen. Dem Ausdruck liegt wohl die Idee zugrunde, daß nichts, was normalerweise in der Bratpfanne landet, noch lebendig und somit wehrlos ist. Auch der kühne Schwung, mit dem ein Ei in die Pfanne geschlagen und verrührt wird, mag eine Rolle gespielt haben.
Schon im 17. Jahrhundert heißt es in einem Lied über die Schlacht von Patras (1687) zwischen Ungarn und Türken: »Also er zweimal stürmet an, Uns in die Pfann zu hauen«.
In die Pflicht nehmen...heißt, dafür zu sorgen, daß jemand gewisse Aufgaben übernimmt und die Verantwortung dafür trägt. In Friedrich von Schillers (1759-1805) Drama »Wallensteins Tod« heißt es: »Nun ja, du nahmst uns ja für ihn in Pflicht«. Anders der Bergdirektor Zwack aus der Operette »Der Obersteiger« von Carl Zeller (1842-98), der im 2. Akt singt: »Der Bureaukrat tut seine Pflicht, von neun bis eins! Mehr tut er nicht!«
In die Puschen kommen...Leute, die endlich mit etwas anfangen, vorankommen, sich aufraffen, aktiv werden, ihre Faulheit überwinden. Die »Puschen«, norddeutsch für einen hinten geschlossenen weichen Hausschuh ursprünglich aus dem arabischen Raum, gehen wohl auf die ostmitteldeutschen »Babuschen«, entlehnt dem französischen »babouche«, vom persischen »pāpūsch« (Fußbekleidung, »pā« Fuß, »pūschīdan« anziehen) oder dem polnischen »papuć« zurück.
In die Röhre kucken...wir nicht nur beim allabendlichen Fernsehprogramm, sondern vor allem, wenn wir leer ausgehen, benachteiligt werden, nichts abbekommen, das Nachsehen haben. Diese alte Redewendung kommt vermutlich aus der Jägersprache, in der die »Röhre« einen unterirdischen Dachsbau bezeichnet. War »Meister Grimbart« ausgeflogen, kuckte der Waidmann vergeblich »in die Röhre«. Denkbar wäre aber auch, daß einst ein Hungriger in die leere Ofenröhre oder ein Schütze ins Kanonenrohr geschaut hat.
In die Sackgasse geratenWir merken, daß es bei einer Problemlösung so wie bisher nicht weitergeht, und müssen an einer anderen Stelle von vorn beginnen: Die Redewendung geht auf eine Straße oder einen Weg zurück, die an einem Hindernis endet und nur über den Eingang wieder verlassen werden kann.
In die Schranken weisenBeim mittelalterlichen Turnier wurden die Bahnen, in denen die Ritter beim Lanzengestech zu reiten hatten, durch eine Absperrung, die »Schranke« voneinander getrennt, um einen Zusammenstoß der Pferde zu verhindern. Man forderte den Gegner »in die Schranken« und wies ihn mit der Waffe zurecht. Recht hatte immer der Gewinner. Wenn ein Ritter »in die Schranken« gewiesen wurde, hat man ihm also lediglich seine Kampfbahn zugeteilt, die er unter keinen Umständen verlassen durfte.
In die Schuhe schieben...wir jemandem etwas, um von uns selbst abzulenken, wenn wir Fehler gemacht haben. Die Wendung wird auf fahrende Gesellen zurückgeführt, die in den Herbergen oft zu vielen in einem Raum schliefen: Hatten sie etwas gestohlen und drohte daraufhin eine Razzia, legten sie das Diebesgut im gemeinsamen Quartier einfach einem anderen Gesellen in die Schuhe, um so den Verdacht von sich abzulenken. Niemand konnte ihnen etwas beweisen, sie hatten die Tat jemand anderem »in die Schuhe geschoben«, hinterher holten sie sich ihre Beute wieder heimlich zurück.
In die Schußlinie geraten...bedeutet, sich heftiger Kritik auszusetzen, jemandem über den Weg zu laufen, der nur auf diese Gelegenheit gewartet hat, mit ihm abzurechnen. Ursprünglich ging es um den Jäger, der sein Wild belauert, um es sicher abschießen zu können.
In die Suppe spucken...wir - hoffentlich nur bildlich - jemandem, dem wir etwas verderben, madig machen, dessen Pläne wir durchkreuzen wollen: Suppen und Eintöpfe hatten zur Entstehungszeit dieser Wendung als eigenständige Mahlzeit noch eine ungleich größere Bedeutung als heute, Fleisch kam bestenfalls zu besonderen Anlässen auf den Tisch. Spuckte nun jemand in die ohnehin karge Mahlzeit, war diese natürlich ungenießbar, das vielleicht einzige Essen des Tages mußte ausfallen.
In die Vollen gehen...wir, wenn wir mit großem Einsatz unser Bestes geben. Der Begriff kommt aus dem Kegelsport und meint ursprünglich, daß der Kegler auf die »vollen« neun Kegel im diagonal angeordneten Quadrat wirft und so mit »Alle Neune« mehr Punkte auf einmal erzielen kann, als beim Abräumen der einzeln stehengebliebenen Kegel. Man kann aber auch bestimmte »Bilder« werfen, wie den »Kranz« (alle Kegel bis auf den mittleren fallen) oder das »Pastörchen« (nach zwei Würfen bleibt nur der vordere Kegel stehen).
In die Wiege gelegt...werden einem Menschen sprichwörtlich besonders positive Verhaltensweisen oder besondere Fähigkeiten, über die er von klein auf verfügen kann, ohne daß dem erst aufwendige Erziehungs- oder Lernprozesse vorangegangen sein müssen.
In die Wolle kriegen...sich keinesfalls Schäfchen beim Liebesspiel, sondern umgangssprachlich vielmehr Zeitgenossen, die mit jemandem Streit anfangen. »Wolle« meint hier die Haare auf dem Kopf, an denen sich die Kontrahenten ziehen.
In die Wüste schicken...bezieht sich laut Altem Testament auf einen jüdischen Brauch: Am großen Versöhnungstage wurde ein Bock für den Herrn geopfert, einem anderen wurden die Sünden Israels aufgebürdet, indem der Hohepriester ihm symbolisch die Hände auflegte. Anschließend wurde er in die Wüste geschickt und seinem Schicksal überlassen, stellvertretend die Sünden der Menschen zu büßen: »Et posita utraque manu super caput eius confiteatur omnes iniquitates filiorum Israhel et universa delicta atque peccata eorum quæ inprecans capiti eius emittet illum per hominem paratum in desertum cumque portaverit hircus omnes iniquitates eorum in terram solitariam et dimissus fuerit in deserto« - »Da sol denn Aaron seine beide hende auff sein heubt legen vnd bekennen auff jn alle missethat der kinder Jsrael vnd alle jre vbertrettung in alle jren sunden vnd sol sie dem Bock auff das Heubt legen vnd jn durch einen Man der furhanden ist in die wüsten lauffen lassen. Das also der Bock alle jre missethat auff jm in eine wildnis trage vnd lasse jn in die wüste«. (Levitikus 16.21f) An anderer Stelle heißt es: »Et statim Spiritus expellit eum in desertum et erat in deserto quadraginta diebus et quadraginta noctibus et temptabatur a Satana eratque cum bestiis et angeli ministrabant illi« - »Vnd bald treib jn der Geist in die Wüsten vnd war alda in der Wüsten vierzig tage Vnd ward versucht von dem Satan vnd war bey den Thieren Vnd die Engel dieneten jm«. (Markus 1.12f)
In einem Abwasch/Aufwasch...erledigen wir mehrere Dinge gleichzeitig - so, wie wir Gläser, Teller, Töpfe hintereinanderweg spülen.
In einem anderen Licht sehen...wir eine Sache, die wir nun anders beurteilen, von der wir einen anderen Eindruck bekommen - so, als ob sie tatsächlich anders beleuchtet würde, sodaß wir nun Details erkennen können, die uns vorher verborgen geblieben sind.
In einen Topf werfen...wir umgangssprachlich alles, wenn wir nicht differenzieren, alles gleichbehandeln. Der Ursprung dieser Metapher liegt - wie könnte es anders sein - natürlich in der Küche: Wenn wir einen lecker Eintopf kochen, werfen wir Fleisch, verschiedenste Gemüse, Nudeln, Reis oder Kartoffeln und alles, was sonst noch so rumliegt oder wegmuß »in einen Topf«. Eine andere wohlschmeckende Variante ist der Rumtopf, bei dem unterschiedlichste Früchte in Alkohol eingelegt werden.
In flagranti erwischen...wir - heute zumeist im zwischenmenschlichen Bereich - jemanden, der »auf frischer Tat« ertappt wird. Die ursprünglich juristische Formel - eigentlich »in flagrante delicto« (in den Flammen des Verbrechens) - geht auf den von Flavius Tribonianus (um 500) herausgegebenen »Codex Iustinianus« zurück, wo es im lateinischen Original heißt: »In ipsa rapina et adhuc flagrante crimine comprehensi« (Sie sind direkt bei der Ausführung des Raubes und der Verübung des Verbrechens ertappt worden).
In Geberlaune...zeigt jemand eine ausgeprägte Bereitschaft, anderen etwas abzugeben: Er hat gerade im Moment einfach gute Laune und will sein Glück großzügig mit jemandem teilen. Leider kommt sowas längst nicht so häufig vor, wie man es sich wünschen würde, aber schon König Richard III. aus William Shakespeares (1564-1616) berühmter gleichnamiger Tragödie (IV.2) entgegnete dem Herzog von Buckingham, als dieser ihn an sein Versprechen erinnert, ihm die Grafschaft Hereford dafür zu geben, daß er ihm auf den Thron geholfen hat: »I am not in the giving vein today« (Ich bin nicht in der Gebelaune heut).
In Gold aufwiegen...heißt heutzutage, daß wir uns unsere Leistungen übermäßig teuer bezahlen lassen. Im mittelalterlichen Gewürzhandel konnten sich nur die Reichsten so exotische Sachen wie Pfeffer, Zimt oder Safran leisten - die Preise dafür waren so enorm hoch, daß man ihr Gewicht buchstäblich »in Gold aufwiegen« konnte.
In großen Wässern fängt man große Fische...wer viel erreichen will, muß viel Einsatz bringen. Schon Martin Luther (1483-1546) wußte allerdings auch: »In grossen Wassern fehet man grosse Fische, aber in kleinen Wassern fehet man gute Fischlin« (Werke IV, 238, 19). Die Größe allein macht es also auch nicht - oft ist es richtiger, sich für eine bessere Qualität etwas zurückzuhalten.
In Harnisch bringenWir machen jemanden - meist, ohne es zu wollen - so richtig wütend: Im Mittelalter war ein Kampf unvermeidlich, wenn ein Ritter von jemandem gereizt wurde. Er zog seine Rüstung an, war nun also »in Harnisch« und zum Kampf bereit. Ursprünglich meinte der »Harnasch« nicht nur den eigentlichen Körperpanzer des Ritters, sondern seine komplette Ausrüstung.
In Hülle und Fülle...zu haben bedeutet, daß von einer Sache jede Menge da ist - heute oft gar viel zuviel, sodaß man gar nicht alles verbrauchen oder benutzen kann. Im 16. Jahrhundert war »Hülle« noch ein Wort für Kleidung, »Fülle« stand für Nahrung, die Füllung des Magens. Waren diese wohl wichtigsten Dinge des Lebens reichlich vorhanden, konnten die Menschen gut überleben. Martin Luther (1483-1546) sagte aber auch: »Da er keinen Lohn verdient hatte, denn Hülle und Fülle«, was bedeutete, daß jemand kein Geld für seine Arbeit bekam, sondern - nur mit Kleidung und Nahrung entlohnt - einen eher niedrigen Lebensstandard hatte. Später hat sich die Bedeutung gewandelt - bereits in dem 1691 erschienenen Wörterbuch von Kaspar von Stieler (1632-1707) wurde »Hülle und Fülle« zum Ausdruck des Überflusses.
In jemandes Fußstapfen treten...heißt, ihn sich zum Vorbild nehmen, seine Nachfolge antreten. In der Bibel fand der Übersetzer Martin Luther (1483-1546) einen bildlichen Vergleich für die geistige Nachfolge: »In hoc enim vocati estis quia et Christus passus est pro vobis vobis relinquens exemplum ut sequamini vestigia eius« - »Denn dazu seid jr beruffen, Sintemal auch Christus gelidden hat fur vns, vnd vns ein Furbilde gelassen, das jr solt nachfolgen seinen fusstapffen«. (1 Petrus 2.21)
In Kalamitäten geraten...gelegentlich Leute, denen ein peinliches Mißgeschick passiert, die in (leichte) Schwierigkeiten geraten. Diese ungünstige Situation kommt aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich einen Mißwuchs des Getreides (von »calamus« - Halm). Seit dem 30jährigen Krieg wurde daraus ganz allgemein ein Unglück oder eine Notlage.
In Kauf nehmen...müssen wir manchmal etwas Unangenehmes, das wir ertragen, weil wir auf einen vermutlich daraus entstehenden Vorteil hoffen. Ursprünglich geht die Wendung auf einen alten Verkäufertrick zurück, bei dem man zu einer guten Ware, die man gekauft hat, eine weitere schlechte, die der Händler loswerden wollte, mitkaufen mußte. Diese gab es aber nicht etwa als Dreingabe, sondern sie muß »in Kauf genommen« und natürlich bezahlt werden.
In Luft auflösen...können sich manchmal Pläne, die nicht verwirklicht werden oder Dinge, die wir krampfhaft suchen und die einfach spurlos verschwunden, partout nicht mehr auffindbar sind. Sie sind unsichtbar geworden, haben sich anscheinend tatsächlich in Luft (manchmal auch in Rauch) aufgelöst.
In Morpheus' Arme sinken...wir, wenn wir sanft einschlafen - werden wir morgens »aus Morpheus' Armen gerissen«, weckt man uns aus einem ruhigen Schlaf. Auch können wir »in Morpheus' Armen ruhen« oder uns »nach Morpheus' Armen sehnen«, wenn wir ins Bett gehen (wollen). All diese Redewendungen gehen auf den griechischen Traumgott Morpheus zurück, den Sohn von Hypnos, dem Gott des Schlafes, der den Träumenden auch in menschlicher Gestalt erscheint und ihnen die Nachrichten der Götter überbringt. Sein Bett besteht aus Elfenbein und ist in einer dunklen Höhle gelegen; sein Symbol ist die Kapsel des Schlafmohns mit den Samen, aus denen man Opium herstellt. Der deutsche Apotheker Friedrich Wilhelm Adam Sertürner (1783-1841) isolierte daraus 1804 einen Stoff, den er »Morphium« nannte.
In Panik geratenObwohl wir es eigentlich besser wüßten, werden wir bei Gefahr schnell kopflos: Namensgebend für diesen Ausdruck war Pan, Sohn des Götterboten Hermes, in der griechischen Mythologie Gott der Wälder, Felder, Hirten und Ziegenherden und der Fruchtbarkeit, ein mit Hörnern und Bocksbeinen ausgestattetes Mischwesen. Pan begleitete auf seiner Syrinx den Tanz der Waldnymphen. Er erfand diese Flöte, als er der Nymphe Syrinx nachsetzte, die sich darauf in ein Schilfbeet verwandelte und ihm so entkommen konnte. Pan setzte ungleich lange Schilfrohre zusammen und spielte auf ihnen. Er suchte dadurch eine der Nymphen zu gewinnen, wurde er jedoch ob seiner Häßlichkeit stets abgewiesen. Das Wort »Panik« für die unkontrollierte Massenflucht soll von der Angst Reisender kommen, die den Klang seiner Flöten nachts in der Wildnis vernahmen.
In PettoWir haben etwas in der Rückhand, wovon unser Gegner nichts weiß, was wir für uns einsetzen. Der italienische Ausdruck »in der Brust« meint, unser Geheimnis ist in der Brust verschlossen. Früher meinte man, der menschliche Rumpf als Sitz des Herzens - beileibe nicht der Kopf - sei das eigentliche Zentrum des Menschen, in dem ein Geheimnis vewahrt wird.
In Rage bringenJemandem gelingt es immer und immer wieder, uns wütend zu machen: »La rage« bedeutet im Französischen nichts Anderes als »Die Wut«. Da der deutsche Adel etwa vom 12. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts hauptsächlich französisch sprach, gingen auch immermal wieder französische Worte in die Sprache des einfachen Volkes ein.
In Rauch auflösen...können sich praktisch alle - nicht nur materiellen - Dinge, die plötzlich spurlos verschwinden, mit einem Mal unauffindbar sind, zunichte gemacht werden. Grundlage dieser Redensart ist natürlich das Feuer, das von (fast) jeder Substanz am Ende nur Rauch und Asche übrigläßt.
In Sack und Asche gehen...wir heute zuweilen, wenn wir Buße tun oder trauern. In Situationen von Trauer, Leid und Klagen oder zu Beginn der Fastenzeit trug man ein Gewand aus grobem Stoff und bestreute sich mit Asche zum Zeichen des Abschieds vom gewohnten Leben in eine Zeit innerer Einkehr. Ursprünglich wohl ein orientalisches Ritual, galt die Asche als Zeichen der Vergänglichkeit.
Im Alten Testament der Bibel hat der erste Träger dieser frommen Mode eigentlich nichts zu bereuen: »Quæ cum audisset Mardocheus scidit vestimenta sua et indutus est sacco spargens cinerem capiti et in platea mediæ civitatis voce magna clamabat ostendens amaritudinem animi sui« - »Da Mardachai erfur alles was geschehen war zureis er seine Kleider vnd legt einen Sack an vnd asschen vnd gieng hin aus mitten in die Stad vnd schrey laut vnd kleglich« heißt es in Kapitel 4.1 des Buches Ester. Der gläubige Jude Mordechai drückt mit der Asche seine Trauer über einen in Persien geplanten Judenmord aus - ein seit der Antike bis zum heutigen Aschermittwoch gültiges Symbol der Vergänglichkeit. Zwar wird das Motiv für das Verbrechen nur ansatzweise deutlich, die Untat unterbleibt jedoch, da Ester, die Frau des Perserkönigs, das Mordkomplott stoppt.
In Samt und Seide gehen...bildlich Leute, die stets protzen, ein prunkvolles Leben führen. Die Redensart stammt aus dem Mittelalter, als nur der Adel sich solch kostbare Stoffe leisten konnte.
In Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) »Faust« singt Mephisto in Auerbachs Keller zu Leipzig das »Lied vom Floh des Königs«:
»Es war einmal ein König,
Der hatt' einen großen Floh,
Den liebt er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
Da, miß dem Junker Kleider
Und miß ihm Hosen an!
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt' auch ein Kreuz daran«...
In Saus und Braus...lebt mancher, dem es wirklich an nichts fehlt, der alles im Überfluß hat und verschwenderisch ist. Sausen und brausen kennt man von Wellen und Wind am Meer. Das wird auf die laute Fröhlichkeit einer Party mit lachenden und feiernden Gästen, denen es an nichts mangelt, übertragen.
In Schach haltenBietet man im Schachspiel dem König des Gegners Schach, ist das immer nur eine Drohung, niemals eine Vollstreckung: Der König, der zunächst fliehen kann, wird mit einer nach der anderen Androhung »in Schach gehalten«. Eine Gegenoffensive ist so unmöglich und das »Schachmatt« nicht weit.
In Schuß bringen/halten...heißt, daß wir eine Sache vorantreiben oder etwas ordnungsgemäß herrichten bzw. reparieren: Ursprung der Redewendung ist die Einrichtung eines Geschützes auf sein Ziel. Nach anderer Deutung könnte hier auch der Webstuhl Pate gestanden haben, dessen Querfäden im Gewebe auch »Schuß« genannt werden.
In Schwulitäten kommen...wir, wenn wir in eine schwierige oder peinliche Situation geraten, in der uns »ganz heiß« wird. Das niederdeutsche Wort ist eine scherzhafte Ableitung aus »schwül« bzw. »schwul« für »drückend heiß«, die im 18. Jahrhundert von Studenten gebildet wurde. Der Hallenser Magister Christian Wilhelm Kindleben (1748-85) - ihm verdanken wir u. a. das Studentenlied »Gaudeamus igitur« - schreibt in seinem Studenten-Lexicon von 1781: »Schwulitäten, Verlegenheiten, unangenehme, ängstliche Dinge, von schwul, drückend heiß, wobey es einem gemeiniglich sehr bange und ängstlich zu Muthe ist«.
In See stechen...umgangssprachlich Schiffe, die zu einer Fahrt aufbrechen. Segelschiffe wurden anno dazumal von Matrosen mit langen Stangen vom Ufer ins offene Fahrwasser gestakt - ähnlich wie noch heute die Spreewaldkähne oder die Gondeln in Venedig.
In seiner Haut nicht wohlfühlen...kann sich jemand, der gerade eine Situation erlebt, die ihm nicht gefällt. Angst, Nervosität, Unzufriedenheit mit seinen Lebensumständen führen manchmal dazu, daß es einem insgesamt nicht gutgeht, man »in seiner Haut«, im ganzen Körper Probleme hat.
In Stein gemeißelt...ist bildlich etwas, das unveränderlich feststeht, auf alle Zeiten unverrückbar sein soll. Schon vor vielen Jahrtausenden schrieb man besonders wichtige Texte, Erinnerungen und Gesetze auf steinerne Tafeln. Berühmt wurden insbesondere die ägyptischen Hieroglyphen oder die Zehn Gebote. Da solche Steintafeln - anders als Papier oder unsere »modernen« Speichermedien - kaum verrotten und nicht brennbar sind, bleiben diese Aufzeichnungen quasi für alle Ewigkeit lesbar.
In Teufels Küche kommenIm Mittelalter gab es den Volksglauben, daß der Teufel (griechisch »diabolos« - »Verwirrer«) eine Küche habe. In jener brauten Zauberer und Hexen (deswegen »Hexenküche«) ihre Zaubertränke. Ein wahrlich ungastlicher Ort...
In trockenen TüchernGesetze oder Verträge - alles soll schnellstmöglich »in trockene Tücher« gebracht, Verhandlungen sollen abgeschlossen und Ergebnisse präsentiert werden. Dabei hatte man wohl im Hinterkopf, daß Verhandlungen gelegentlich eine »schwere Geburt« sind: Das Neugeborene wird, nachdem es gesäubert wurde, in warme, trockene Tücher gehüllt, »frisch gewickelt«.
Eine andere Erklärung kommt aus der Seefahrt: Schiffbrüchige gehören nach ihrer Rettung schnell in trockene Tücher, damit sie sich nicht erkälten. Und eine dritte Deutung hat mit Käse zu tun, der oft mit Tüchern aus der Molke geschöpft wird. Läuft diese nicht mehr aus, ist er zur Lagerung in »trockenen Tüchern«.
In vollem Wichs...ist jemand besonders aufwendig festlich oder formell gekleidet. In der Studentensprache des 18. Jahrhunderts, im Verbindungswesen der Burschenschaften wurde mit »Wichs« (Putz, Staat) die Festkleidung von Korporationsstudenten bezeichnet. Ähnlich sind auch die Paradeuniformen von Soldaten zu sehen.
Inbrünstig...machen wir etwas, für das wir ein besonders starkes Gefühl entwickeln, wie für eine Person oder Sache, die wir leidenschaftlich lieben und von der wir fest überzeugt sind. Diese häufig auch religiös gefärbte starke Hingegebenheit an ein Gefühl oder an ein Vorhaben geht auf das altdeutsche Wort für »entbrennen« zurück, ein inneres Feuer, die glühende Wärme und besondere Innigkeit einer Empfindung. Die inwendige »Brunst«, die Hitze, ist im Hochdeutschen kaum noch gebräuchlich und hat sich nur noch in der »Feuersbrunst« bis heute erhalten.
Innerer SchweinehundDieses Synonym für mangelnde Motivation oder Willensschwäche, das uns so oft daran hindert, unangenehme Tätigkeiten auszuführen oder an geplanten Vorhaben festzuhalten, ist schon in der Studentensprache des 19. Jahrhunderts bekannt. Es geht auf den seit rund 500 Jahren bei der Wildschweinjagd eingesetzten »Sauhund« zurück, speziell abgerichtete Jagdhunde, die die Wildsau bis zur Erschöpfung jagten und dann packten. Dieser Charakter wurde auf zänkische Menschen übertragen, denn genau dasselbe macht der »innere Schweinehund« mit uns: Er ermattet uns bis zur Bewegungsunfähigkeit, hält uns fest. Wir sind nicht »Herrchen« über unseren Schweinehund, sondern seine Beute. Später war das Wort gängiges Landserdeutsch und auch bei Turnlehrern oft in Gebrauch. Bleibt die Frage, ob wir Deutschen besonders faul sind, oder nur besonders schnell ein schlechtes Gewissen deswegen bekommen. Heute wird der »innere Schweinehund« gern mal als Illustration von Motivationsbüchern verwendet. Schön, wenn man immer einen »Schuldigen« hat...
Innerer Vorbeimarsch...beschreibt den besonderen Triumph, das Gefühl genußvoller Schadenfreude, die Genugtuung, es allen gezeigt zu haben. Die Wendung, die - auch in der Form »innerer Reichsparteitag« - schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts bekannt ist, geht auf den Hohn und Spott über den Volksfestcharakter und die ausgelassene Stimmung während der üblichen Paraden zurück, mit denen sich seinerzeit die politischen Eliten so extrem übertrieben mit all dem bombastischen Pomp und Gloria feiern ließen.
Ins Bockshorn jagenDer alte Lateiner sagte: »Arctum annulum ne gestato« - Laß Dich nicht ins Bockshorn jagen (einschüchtern, in die Enge treiben, verunsichern). Zu kaum einer Redensart gibt es derart viele widersprüchliche Deutungsversuche: Mal davon abgesehen, daß der Bock mit seinen Hörnern natürlich jedermann erschreckt, könnte sie darauf anspielen, daß das sich verjüngende Bockshorn zum Ende hin immer enger und schließlich zum Gefängnis für etwas Kleines, das hineinfällt, wird. Ebenso könnte vielleicht auch eine Art Musikinstrument gemeint sein. Andere meinen, dieses Idiom könne nur von den recht penetrant stinkenden Früchten des Bockshornklees (Trigonella foenum græcum) kommen: Jemand, der »ins Bockshorn gejagt« wird, ist wohl in einer eher unangenehmen Lage. Wieder andere glauben, es handele sich um eine Umschreibung für den Zorn Gottes: Weil sein Name nicht ohne Grund genannt werden durfte, wurde er oft durch »Box« oder »Potz«, wie in »Potz Blitz«, ersetzt. In einer Festschrift der Sterzinger Fastnachtsspiele hieß es dereinst: »in ain Pochs horen treiben«, in Sebastian Brant's (1457-1521) »Narrenschiff«: »Teutschen seindt unverträglich narren/Thun ehe frydienst den ehrengenosz/Dann das man sie in bockshorn stosz«, in den »Sprichwörtern« von Sebastian Franck (1499-1542): »drumb solt man nit alle köpf in ein bockshorn begern und zwingen« (wobei das »bockesharmo«, das Bocksfell, woraus später »Bockshorn« wurde, einfach volksetymologisch umgedeutet sein könnte), bei Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510): »ich red us keine Bockshorn«, Michael Lindener (1520-62) schrieb in »Katzipori«: »boxhorn soll dich schänden, du dicke quadratische, viereckete Wampe!« und nicht zuletzt wußte Martin Luther (1483-1546): »Alle Welt ist erschreckt und überpoltert, bis sie endlich in ein Bockshorn gejagt«. Im schwäbischen Raum gab es angeblich einst für besonders unartige Schüler den »Bocksstall«, eine Art Karzer, ein Gelehrter namens Markus Zubrius Boxhorn soll mit seinem schier unglaublichen Wissen viele anmaßende, sehr gelehrt sein wollende Burschen argumentatorisch oft gehörig in die Enge getrieben haben, im Harz gab es das »Bockshornbrennen« als Bezeichnung für das Osterfeuer (wer ließe sich gern da hineinjagen?) und, und, und... Zur Popularisierung dieses Fluches trug sicher der Bezug Teufel/Bock entscheidend bei.
Ins eigene Fleisch schneiden...sich Leute, die sich selbst Schaden zufügen, gegen das eigene Interesse handeln: Wohl jeder hat sich irgendwann schon einmal »ins eigene Fleisch geschnitten«, ist versehentlich mit dem Messer abgerutscht und hat sich eine schmerzhafte Schnittwunde zugezogen. Im übertragenen Sinn steht diese Wendung für viele Einschnitte im Leben, die - wenngleich meist unbeabsichtigt - doch sehr tiefgreifende Wirkungen auslösen können.
Ins Fäustchen lachenDie nur wenig verborgene Schadenfreude, dieses heimliche Gelächter hinter vorgehaltener Hand ist bereits lange aus frühneuhochdeutschen Fastnachtsspielen bekannt. Für allgemeine Verbreitung sorgte Martin Luther, der die Wendung im alttestamentarischen Buch Jesus Sirach 12.19 verwendete: »Caput suum movebit et plaudebit manu et multa susurrans commutabit vultum suum«. - »Seinen Kopff wird er schütteln vnd in die faust lachen, dein spotten vnd das Maul auffwerffen«. Auch in einer Predigt sagt Luther über Menschen, die es sich im Glauben allzu leicht machten: »Unterdessen lacht sich der Teufel ins Fäustchen und ruft nach hinten: Schmück dich, liebes Kätzchen, wir werden Gäste haben.«
Ins Fettnäpfchen treten...entstammt der mittelniederdeutschen Bauernsprache: An der Haustür pflegte die Bäuerin an feuchten Tagen einen Topf mit Fett aufzustellen, um Eintretenden die Gelegenheit zu geben, nasses Schuhwerk wieder einzufetten. Wer das nicht gefühlvoll tat oder gar den Topf umwarf, der konnte sich bei der Bauersfrau recht unbeliebt machen - er war also »ins Fettnäpfchen getreten«. Eine andere Deutung geht darauf zurück, daß im offenen Kamin mittelalterlich-bäuerlicher Küchen Schinken und Würste zum räuchern hingen. Fett, das aus dem Fleisch im Rauchfang tropfte, wurde in untergestellten Näpfen aufgefangen.
Ins Gebet nehmen...wir jemanden, den wir zur Rechenschaft ziehen. Im frühen Mittelalter bedeutete das, daß man sich um jemanden sorgte, ihn deswegen in sein Gebet mit einschloß oder ihm durch gemeinsames Beten ins Gewissen redete. Über die Jahrhunderte bekam die Redensart einen negativen Beigeschmack - man wollte nun jemanden zwingen, sein Verhalten zu ändern.
Einer anderen Deutung nach könnte diese Redewendung möglicherweise aber auch vom »gebett« - dem Gebiß - kommen.
Ins Gehege kommen...wir uns schon seit dem 16. Jahrhundert. Das alte Wort »Hag« (Hecke, Waldstück) meinte ursprünglich ein umzäuntes Grundstück, Grund und Boden, insbesondere einen königlichen Forst. Ob mit der Wendung ein Jäger gemeint war, der in ein fremdes Revier eindrang, oder ein einzelner Hirsch, der dem Platzhirschen Konkurrenz machte, ist nicht überliefert. Erst im 18. Jahrhundert erfolgte eine Wandlung zum heutigen Bezug auf Beziehungsangelegenheiten.
Ins gelobte Land ziehen...manchmal Menschen, die hoffen, in der Fremde ihr großes Glück machen zu können. Das Land ihrer Träume geht auf eine Stelle im Brief des Paulus an die Hebräer zurück, in dem er berichtet, wie Abraham in das Land zieht, das ihm von Gott als Erbe versprochen war: »Fide qui vocatur Abraham oboedivit in locum exire quem accepturus erat in hereditatem et exiit nesciens quo iret. Fide moratus est in terra repromissionis tamquam in aliena in casulis habitando cum Isaac et Iacob coheredibus repromissionis eiusdem, expectabat enim fundamenta habentem civitatem cuius artifex et conditor Deus« - »Dvrch den glauben ward gehorsam Abraham, da er beruffen ward, aus zugehen in das Land, das er ererben solte, vnd gieng aus, vnd wuste nicht wo er hin keme. Durch den glauben ist er ein Frembdling gewesen in dem verheissen Lande, als in einem frembden, vnd wonet in Huetten mit Jsaac vnd Jacob, den Miterben derselbigen Verheissunge, denn er wartet auff eine Stad, die einen grund hat, welcher Bawmeister vnd Schepffer Gott ist« (Hebräer 11:8ff). Aus dem »verheißenen« Landes wurde später bald das »gelobte«.
Ins gemachte Nest setzen...sich Leute, die weitestgehend ohne eigenes Zutun in eine geordnete, gut vorbereitete Situation kommen, in eine begüterte Familie einheiraten oder in ein fertig eingerichtetes Haus einziehen. Auch ein tüchtiger Handwerksgeselle, der die Witwe oder Tochter des Meisters heiratet und so über kurz oder lang den eingeführten Betrieb übernehmen kann, setzt sich »ins gemachte Nest«. Ursprünglich stammt die Redensart natürlich von Vögeln, bei denen oft die Hähne allein die Nester für die Aufzucht der Küken bauen, während die Hennen sich erst zum Eierlegen einfinden und so um nichts mehr kümmern müssen.
Ins Gras beißen ...mußten einst Krieger, die verwundet auf dem Schlachtfeld lagen. Schon die alten Griechen haben laut Homers Beschreibung in der Ilias auf dem Schlachtfeld »mit Geknirsch in die Erde gebissen«. Man stellte nach der Schlacht oft fest, daß Sterbende zur scheinbaren Linderung ihrer Schmerzen in den Untergrund gebissen hatten. Der Engländer sagt dazu »to bite the dust«. Der Brauch, an der Schwindsucht Gestorbenen die eingefallenen Wangen mit Gras »aufzupolstern«, um sie dadurch zur Beerdigung optisch etwas zu verschönern, hat damit wohl nichts zu tun - allerdings soll man zuweilen bei katholischen Notkommunionen im Mittelalter dem Sterbenden anstelle der üblichen Hostie notfalls auch etwas Gras oder Erde in den Mund gesteckt haben.
Ins Handwerk pfuschen...uns hin und wieder Leute, die sich unbefugt in unseren Zuständigkeitsbereich einmischen, inkompetent eine Arbeit ausführen, die jemand anders eigentlich besser machen sollte und könnte. Im Mittelalter organisierten sich die Handwerker in Zünften, wo sie sich einem umfassenden Regelwerk unterwarfen. Betrieb jemand sein Handwerk außerhalb dieser Zünfte, konnte er als »Pfuscher«, »Bönhase« oder »Stümper« schwer bestraft werden.
Ins kalte Wasser springen...wir bildlich, wenn wir furchtlos etwas völlig Neues wagen, ohne jede Vorbereitung eine uns nicht vertraute Aufgabe bewältigen müssen. Man braucht viel Überwindung - sowohl wörtlich als übertragen -, ins kalte Wasser zu springen. Eine Belastung ist dieser Kälteschock schon - andererseits sollte uns das nichts ausmachen und der Abhärtung dient es allemal.
Ins Kraut schießen...hat natürlich nichts mit vegetarisch lebenden Jägern zu tun, sondern meint umgangssprachlich, daß etwas ungezügelt, irrational, unkoordiniert abläuft, innerhalb kürzester Zeit überhandnimmt, was so nicht unbedingt gewollt ist. Nicht nur der Salat kann sprichwörtlich »ins Kraut schießen«, sondern ebenso Gerüchte und Spekulationen. Die Wendung stammt natürlich aus der Botanik: Manchmal verwenden Pflanzen ihre ganze Energie auf Wachstum und die Produktion von Blättern, obwohl Blüten und später Früchte doch wesentlich willkommener gewesen wären.
Ins Netz gehen...bedeutet heute ja oft, im Internet zu surfen. Die eigentliche, ursprüngliche Bedeutung »auf eine List hereinfallen, gefangen werden« geht allerdings wohl eher auf Fische zurück, die in Netzen ihr jähes Ende fanden. Auch der Spinne ist schon die eine oder andere Beute »ins Netz gegangen«.
Ins offene Messer laufenDer Gegner läßt einen solange über seine Absichten im Unklaren, bis man verloren ist: Auch Ganoven umarmen sich zur Begrüßung. Hat einer der beiden böse Absichten, zieht er im Verborgenen seinen Dolch und läßt sein Gegenüber in die Umarmung und das Messer laufen.
Ins Ohr gehen...uns gelegentlich eingängige Melodien, die gefällig klingen, sich uns leicht einprägen und dann lange nicht mehr aus dem Kopf gehen, sodaß wir unwillkürlich mitsummen oder -tanzen müssen. Solche »Ohrwürmer« haben eigentlich eine recht einfache neurologische Grundlage: Je weniger Nervenzellen benötigt werden, um einen Akkord zu erkennen, desto eingängiger ist die Melodie.
Ins rechte Licht rücken...wir etwas, das wir besonders vorteilhaft erscheinen lassen, genau richtig darzustellen versuchen. Was »im Dunklen liegt«, läßt sich kaum günstig präsentieren - schließlich will jeder vorher sehen, was er kauft. Erst wenn wir die Stärken (und Schwächen) jeweils »im rechten Licht« erscheinen lassen, können wir eine Person oder Sache möglichst positiv darstellen. Eine Binsenweisheit, die sich nicht zuletzt die Werbebranche mehr denn je zunutze macht: Gerade Frischware wie Fleisch, Obst oder Gemüse wäre ohne eine ganz spezielle Beleuchtung im Supermarkt quasi unverkäuflich.
Ins Schleudern kommen...wir, wenn wir durcheinander sind oder in einer unbekannten Situation unsicher werden - genau wie ein Auto, das auf glatter Straße kaum noch sicher zu beherrschen ist.
Ins Schwarze treffen...wir, wenn wir größten Erfolg haben, genau ins Ziel treffen oder ein Ziel erreichen. Die Wendung kommt aus dem Schützensport: Während die Ringe einer Zielscheibe in der Regel hell dargestellt werden, ist das Zentrum mit der höchsten Punktzahl normalerweise schwarz.
Ins Schwimmen kommen...können wir, wenn wir unsicher werden, eine Situation mehr oder weniger außer Kontrolle gerät: Da man beim Schwimmen nicht den vertrauten Bodenkontakt hat und lediglich den Auftrieb des Wassers nutzt, kann durchaus ein Gefühl der Unsicherheit aufkommen. Ganz ähnlich verhält es sich manchmal, wenn wir einer anderen ungewohnten Aufgabe nachgehen müssen.
Ins selbe Horn stoßen...Menschen, die sich der Meinung eines anderen, meist Ranghöheren, bedingungslos anschließen, sich in ganz ähnlicher Weise äußern: Schon in grauer Vorzeit dienten Tierhörner dazu, unter Jägern wichtige Informationen auszutauschen. Über die Jahrhunderte hinweg längst durch Metallhörner verdrängt, die - bedingt durch die Bauform - nur eine sehr eng begrenzte Zahl verschiedener Töne hervorbrachten, nutzten später auch mittelalterliche Ausrufer und Herolde die ebenso simple wie effektive Möglichkeit, mit einem Hornsignal auf sich aufmerksam zu machen und Mitteilungen ihres Herrn anzukündigen.
Ins Stammbuch schreiben ...wir jemandem redensartlich etwas - zumeist Tadelnswertes -, auf das wir ihn mit Nachdruck hinweisen, eindringlich Änderungen einfordern. Ursprünglich war das »Album amicorum« (Album der Freunde) ein Büchlein, in welches Angehörige einer Familie oder eines Geschlechts in Form eines Baumstamms (Vater) mit seinen Zweigen (Kinder) eingetragen wurden. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurde es Brauch, Gäste und Freunde darin Denksprüche, kleine Zeichnungen und Widmungen eintragen zu lassen; ab dem 18. Jahrhundert sammelten Studenten im Stammbuch Empfehlungsschreiben ihrer Professoren als Legitimation für andere Universitäten. Da das Stammbuch von Freunden und Fremden gelesen wurde, waren negative Bemerkungen natürlich unerwünscht. Heute wird die Wendung meist ironisch gebraucht für negative Eigenschaften, die der Eigner sicherlich lieber nicht in seinem Stammbuch verewigt wissen würde.
Ins Visier nehmen...wir manchmal Leute, auf die wir es aus irgendeinem Grunde »abgesehen« haben, die wir ständig mißtrauisch genauestens beobachten, weil sie einen Verdacht bei uns erregen:
Das Visier ist eigentlich eine Zielvorrichtung bei verschiedensten Schußwaffen, angefangen von eher simplen Techniken wie Kimme und Korn über das Zielfernrohr bis hin zu hochkomplexen elektronischen Steuerungen, die die Waffe möglichst optimal auf das Ziel ausrichten sollen.
Ins Wasser fallen...manchmal Sachen, die einfach ausfallen, nicht stattfinden oder uns mißlingen. Der Ursprung ist einfach: Was uns ins - mehr oder weniger tiefe - Wasser fällt, ist ein für allemal weg oder zumindest unbrauchbar.
Ins Wespennest stechen...wir bildlich, wenn wir Aufruhr und Unruhe verursachen, ein heikles Thema anrühren: Was es heißt, von einem Schwarm aggressiver Wespen angegriffen zu werden, daß es nahezu unmöglich ist, ohne zumindest ein paar Stiche davonzukommen, kann man sich ausmalen. Ganz ähnlich werden auch die Betroffenen reagieren und versuchen »zuzustechen«, wenn wir auf etwas Brisantes oder Besonderes stoßen und es beim Namen nennen. Wer »ins Wespennest stechen« will, sollte sich die Konsequenzen also vorher gut überlegen. Manchmal aber lohnt sich der Einsatz, Fronten werden geklärt und Meinungen ausgesprochen, Konflikte gelöst.
Die Brüder Grimm schreiben in ihrem »Deutschen Wörterbuch« über dieses alte Sprichwort: »...so dasz die tiere zornig über den angreifer herfallen, die dem lat. irritare crabrones entsprechende redewendung scheint DASYPODIUS und FRISIUS noch unbekannt: irritare crabrones die erzürnen, die schaden mögen DASYPODIUS dict. lat.-germ. (1536) ... unserer redewendung nahe kommt schon: in ein hurnussen näst stächen, das ist, ein vnrüwigen menschen reitzen crabrones irritare MAALER teutsch spraach (1561), bis sie dann bei MATHESIUS und HEERBRAND in der heutigen form erscheint. zunächst ›eine nicht zu duldende, aber von vielen geübte und vertretene sache tatkräftig angreifen‹: es ist ein miszliches unternehmen in das wespennest der marktschreyer zu stöhren. man bekehret weder diese herren, noch die legion ihrer schwachköpfigen anhänger und ziehet sich feintschaft und verfolgung zu allg. dt. bibl. 97 (1790) 400; ich ... fühle mut, ja rechte, innige lust, in dies wespennest zu stechen, und wenn ich unterginge ALEXIS d. falsche Woldemar (1842) 2, 436. dann, auch schon in den frühen belegen, ›sich durch eine (kritische) äuszerung etc. heftige feinde zuziehen‹, ›eine sache aufrühren, die unangenehme folgen hat‹«...
Ins Zeug legen...wir uns umgangssprachlich, wenn wir etwas besonders intensiv betreiben, uns sehr anstrengen: Das »Zeug« als Sammelbegriff für alles Mögliche geht auf das althochdeutsche »giziug«, später »ziug« für »Gerät, Ausrüstung, Material« zurück und ist verwandt mit »ziohan«, »tiuhan« für »ziehen, führen«, sodaß auch das Geschirr von Zugtieren »Zeug« genannt wird. War eine große Kutsche oder ein Pflug auf steinigem Grund besonders schwer zu ziehen, mußten sich die Zugtiere mit ihrer ganzen Kraft »ins Zeug legen«.
Irren ist menschlich...jeder kann sich mal irren, Fehler machen: Die berühmte Redewendung, ursprünglich lateinisch: »Errare humanum est«, wird dem Kirchenvater Sophronius Eusebius Hieronymus (347-419) in der Form: »Errare (Errasse) humanum est, sed in errare (errore) perseverare diabolicum« - Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch (Epistulæ morales VI,57,12.) oft ebenso zugeschrieben, wie dem römischen Rhetoriker Marcus Lucius Annæus Seneca (54 a.C.-39): »Per humanos errores« - Durch das Menschliche entstehen Fehler (Controversiæ 4, 3) oder Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.): »Cuiusvis hominis est errare« - Jeder Mensch kann irren (Orationes Philippicæ 12,2).
Die gelegentlich vorgebrachte Behauptung, daß sich aus »Errare humanum est« das Akronym »EHE« ableiten soll, kann indes nicht hinreichend belegt werden...
Irrtum vom Amt...entschuldigt sich noch mancher mit einer inzwischen recht veralteten Floskel, wenn er einen Fehler korrigieren will: Als Telefongespräche einst noch durch Telefonistinnen im Fernsprechamt vermittelt wurden, stellten diese die Verbindung zwischen zwei Teilnehmern manuell an einem »Klappenschrank« her. Wenngleich sich das »Fräulein vom Amt« selten irrte - bisweilen kam es doch mal vor und wurde dem Anrufer dann mit dieser Wendung mitgeteilt. Die letzte derartige Vermittlungsstelle wurde im Jahre 1987 in Falkenrehde (Havelland) außer Betrieb genommen, als die Direktwahl endlich überall in Deutschland möglich war.
IrrwischDieser Begriff für ein Irrlicht oder Trugbild kommt wohl aus dem Aberglauben, daß das bläuliche Leuchten, das gelegentlich nachts in Sümpfen und Mooren beobachtet werden kann, von Geistern erzeugt werde, um Menschen in die Irre zu locken und so in den Tod zu ziehen. Dazu sollen sich die Irrwische geheimnisvoll flackernd vor dem verirrten Wanderer bewegen und ihm so eine Laterne in der Nähe vorgaukeln. Jener wähnt sich dem Ziel ganz nahe und erkennt die Gefahr zu spät. Eine andere Deutung könnte von den anscheinend ziellos umherirrenden Bewegungen der Irrwische kommen. Lange Zeit als Aberglaube abgetan, geht man heute davon aus, daß es sich um Biolumineszenzen handelt. Eine andere Möglichkeit sind spontan entzündete Faulgase. Aufgrund ihrer spukhaften Erscheinung ranken sich um Irrlichter viele Sagen und Legenden, z.B. erwähnt sie Goethe in der Walpurgisnachtszene seines »Faust«.
Ist das Handwerk noch so klein, bringt's doch mehr als Arbeit ein...sagt ein uraltes Sprichwort. Jahrtausendelang hatten fleißige Handwerker kaum Sorgen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Egal ob Brot, Kleider oder Häuser - irgendwer brauchte immer die Waren, die sie herstellten und das Geschäftsrisiko hielt sich - im Gegensatz zum Bauern, dessen Jahreseinkommen aus der Ernte schonmal schnell einem Unwetter zum Opfer fallen konnte - in überschaubaren Grenzen. Heute ist das leider nicht mehr so: Wer wirkliche Qualitätsarbeit sucht, geht zwar noch immer zum Handwerker, allerdings muß man sich das schon leisten können. In Massenproduktion maschinell hergestellte Billigwaren sind im Vergleich natürlich erheblich billiger - dem »goldenen Boden« des Geschäfts ist das nicht gerade förderlich.
Ist das Kunst oder kann das weg?...spotten wir manchmal, wenn wir etwas am liebsten wegwerfen wollen, ein anderer sich aber partout nicht davon trennen kann: Die Wendung geht auf die berühmte »Fettecke« von Joseph Beuys (1921-86) zurück, die 1986 vom Hausmeister der Kunstakademie Düsseldorf in einem Abfalleimer entsorgt wurde. Ähnlich unwissend wischte 2011 eine Dortmunder Reinigungskraft den absichtlich erzeugten Kalkfleck in einer Gummiwanne unter dem Kunstwerk »Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen« von Martin Kippenberger (1953-97) einfach weg.
Ist der Ruf erst ruiniert...lebt sich's völlig ungeniert. Dieser Spruch wird sowohl Wilhelm Busch (1832-1908) als auch Bertolt Brecht (1898-1956) zugeschrieben. Der Schauspieler, Kabarettist und Parodist Werner Kroll (1914-82) hat diese Einschätzung der Lage der Deutschen nach dem verlorenen Krieg wohl 1945 (erstmals?) öffentlich vorgetragen.
Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch...sagt der Volksmund. Sobald kein Aufpasser da ist, entsteht Unruhe, ist der Herrscher weg, bricht bald das Chaos aus. Das Sprichwort bezieht sich auf jemanden, der gewohnt ist, beaufsichtigt zu werden: Auf einen Bauernhof gehören fast zwangsläufig auch Katzen, um die Mäuse in Schach zu halten. Sind keine da, nutzen die Nager das sofort aus und halten sich an den Vorräten schadlos. Auch Kinder sind - erstmals alleingelassen - problemlos in der Lage, die »sturmfreie Bude« in einen renovierungsreifen Zustand zu katapultieren.
Ist die Suppe versalzen, ist der Koch verliebt...kommentiert der Volksmund scherzhaft, wenn das Essen ungenießbar ist. Das hat aber nicht ausschließlich damit zu tun, daß er in Gedanken nur bei der Liebsten ist und deshalb die Dosierung des »weißen Goldes« verhunzt - tatsächlich spielen bei Frischverliebten die Hormone verrückt, wodurch sie salzigen und sauren, bittren und süßen Geschmack oft erst in viel höherer Konzentration als andere erkennen.
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