3950 Sprichwörter, Redewendungen, Idiome, geflügelte Worte



Gehe zu: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


(Mouseover für Erläuterungen)

H

Haare auf den Zähnen...haben im Volksmund Frauen, die verbal um sich schlagen, streitlustig und rechthaberisch sind. Starke Behaarung steht allgemein für Männlichkeit, Kraft und Courage. Haare da, wo für gewöhnlich keine wachsen, signalisieren besondere Ausprägung dieser Eigenschaften - wer gar »Haare auf den Zähnen« hat, muß wohl besonders tapfer sein. So stand der »Poilu« (Behaarte) umgangssprachlich für die französischen Frontkämpfer des 1. Weltkrieges.
Früher gab es auch die Redensart »Haare auf der Zunge haben«, für die sich schon 1534 ein Beleg in Sebastian Francks (1499-1542) »Weltbuch« findet: »Es ist kein pfaff frumb, er hab dann haar auf der zungen«. Auch in Friedrich von Schillers (1759-1805) »Die Räuber« (II, 1) redet Franz den Bastard Hermann an: »Du bist ein entschlossener Kerl - Soldatenherz - Haar auf der Zunge!«

Haarig...wird es in einer gefährlichen, unangenehmen oder streitsüchtigen Atmosphäre: Hintergrund sind kleine, stark behaarte Beutetiere, die schwer (ganz) zu schlucken und deshalb bei manchen Jägern eher unbeliebt sind.

Haarklein...schildern, analysieren oder unterscheiden wir etwas recht umständlich bis in jedes Detail, in allen Einzelheiten. Das »Deutsche Wörterbuch« von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm meint dazu: »es musz ursprünglich vom spinnen gegolten haben, bei welchem der Faden zu der höchst möglichen Feinheit, zu der eines Haares, gebracht werden sollte, da die begriffe fein, klar und klein als rechte Spinnerausdrücke erscheinen; es findet sich indes nur in übertragener Bedeutung verwendet, namentlich in Verbindung mit Verben des Sehens, Wissens, Erforschens und Anzeigens«.
Ein normales menschliches Kopfhaar hat einen Durchmesser von 0,05 bis 0,07 mm, ist dabei aber überaus reißfest: Es kann bis zu 100 g Gewicht tragen. Schon der römische Dichter Publilius Syrus (1. Jh. a.C.) fand das Haar klein, aber bedeutend, als er schrieb: »Jedes Haar hat seinen Schatten«.

Haarspalterei...betreibt einer, der so unnötig detailversessen in einer Sache ist, eine übertriebene Genauigkeit, aber auch sinnlose Spitzfindigkeit, Wortklauberei, Sophismus oder Pedanterie an den Tag legt, daß er bildlich sogar etwas so dünnes wie Haare spalten würde.

Haarsträubend...empfinden wir eine entsetzliche oder unglaubliche Situation. Tatsächlich können uns - besonders die feinen Nackenhaare - bei Ablehnung und Widerwillen, Angst, Entsetzen oder Erschrecken im wahrsten Sinne des Wortes »zu Berge stehen«. Auch von vielen Tieren ist das Phänomen bekannt. Belegt ist diese Redewendung bereits im Alten Testament: »Et cum spiritus me præsente transiret inhorruerunt pili carnis meæ« - »Vnd da der geist fur mir vbergieng stunden mir die har zu berge an meinem Leibe« (Hiob 4.15). In Publius Vergilius Maros (70-19 a.C.) »Æneis« heißt es: »Ich erstarrte, die Haare standen mir zu Berge und die Stimme stockte in der Kehle« (2. Buch, Vs. 774).

Haarwurzelkatarrh...hält so mancher nächtliche Zecher wirklich für eine Krankheit: Die »Veisalgia«, wie der Grieche die Folgen eines üppigen Rausches nennt, haben ihren Ursprung wohl in einer Rückbildung der typischen »Kater«-Kopfschmerzen, die ihrerseits tatsächlich frappant der Schleimhautentzündung »Katarrh« ähneln.

Hab Sonne im Herzen und Zwiebeln im Bauch...dann kannst du gut furzen und Luft hast du auch.
Eine Parodie eines alten Volksliedes von Cäsar Otto Hugo Flaischlen (1864-1920) auf die Melodie »Der Mai ist gekommen«:

  Hab Sonne im Herzen, ob's stürmt oder schneit,
  Ob Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit.
  Hab Sonne im Herzen, dann komme, was mag,
  Das leuchtet voll Licht Dir den dunkelsten Tag!

Hackenporsche...heißen im Volksmund diese meist beige-braun schottenkarierten rollenden Einkaufstaschen, mit denen unseren Omis wieselflink ihre Beute vom Wochenmarkt nach Hause schleppen. Die enorme Geschwindigkeit, die sie damit - wenigstens im Vergleich zur Plastiktüte - entwickeln, erklärt den Bezug zu dem schwäbischen Sportwagen - wem so ein Gefährt jemals in die Hacken gefahren ist, der weiß, woher der Spitzname kommt. Das Symbol der neuen Kaufkraft der Wirtschaftwunder-Zeit geht auf Günter Andersen aus Satrup fast an der dänischen Grenze zurück, der am 16. März 1959 die erste Bestellung über 25 »Marktroller Modell № 50« auslieferte.

Hackepeter...sagt vor allem in der Berliner und der Norddeutsche zu dem durch den Fleischwolf gedrehten Schweinefleisch, welches vorzugsweise gewürzt und mit Zwiebeln roh gegessen wird.
Manche sagen, der Name käme von »Gehacktes mit Petersilie«, weil Gewürze im Mittelalter sehr teuer und Petersilie das einzige (außer Salz) war, was sich die Menschen leisten konnten.
Andere glauben, weil im 19. Jahrhundert der Name »Peter« sehr beliebt war, mußte er in der Berliner Gegend für vieles herhalten, was man scherzhaft umschreiben wollte. So soll dort auch der »Wackelpeter« für Götterspeise, der »Miesepeter« für schlechtgelaunte Nörgler, der »schwarze Peter« für die denkbar ungünstigste Spielkarte oder der »Ziegenpeter« für die Kinderkrankheit »Mumps« erfunden worden sein.

Haderlump...nennt man in Süddeutschland und Österreich einen Nichtsnutz, Gauner, Strolch - ursprünglich waren dies die Lumpensammler aus dem wenig beliebten »fahrenden Volk«, die nicht nur schäbig aussahen, sondern auch als unehrlich galten. Eigentlich »doppelt gemoppelt« bedeutet »Hader« (vom althochdeutschen »hadara« - Schafspelz) ebenfalls »Lumpen, Lappen« und stand für zerkleinerte Textilfasern, aus denen man einst, als man noch keinen Zellstoff kannte, Papier herstellte. Im Mittelalter wurden nur Lumpen verwendet, die wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen waren: Frauen zerkleinerten diese, indem sie an einem senkrecht montierten Messer den Stoff zerschnitten, bevor er gereinigt wurde; Männer schöpften das Papier ständig mit den Armen in eiskaltem Wasser. Schnittwunden, Gicht und allerlei andere Krankheiten waren die unvermeidliche Folge dieser unangenehmen Produktionsweise.

Händeringend...bemühen wir uns sehr dringend, eine Lösung oder einen Ausweg aus einem bestimmten Problem zu finden, wir bitten jemand händeringend, verzweifelt, jammervoll, um etwas: Das »Händeringen« war im alten Volksrecht eine anerkannte Geste der Klage vor Gericht, auch ein Mittel, um Trauer angemessen nach außen zu zeigen. Die über den Kopf erhobenen Hände führen einen verzweifelten Ringkampf, während wir herzzerreißend unter Tränen unsere Klage anstimmen.

Hänfling...nennt der Volksmund Männer von eher schwachem, zartem Körperbau: Der mittelhochdeutsche »henfelinc« war im 14. Jahrhundert zunächst der Hanffink (fringilla cannabina), der sich vom Samen der Hanfpflanze ernährt und damals gern in Käfigen und Volieren gehalten wurde. Möglich wäre aber auch die Herleitung, daß ein Knabe dünn wie ein Hanfstengel ist.

Hängepartie...nennen wir eine vertagte Entscheidung, eine ungewisse, ungeklärte Situation, in der es keinen Fortschritt gibt - beispielsweise, wenn in Diskussionen oder Verhandlungen zwischen zwei Parteien kein Kompromiß erzielt werden kann und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt fortgeführt werden. Ursprünglich war es ein Schachspiel, das aus Zeitmangel abgebrochen wurde: Die Spieler notierten den nächsten Zug auf einem Partieformular, ohne daß der jeweilige Gegner ihn sehen konnte, bei Wiederaufnahme mußte genau dieser Zug ausgeführt werden. Früher unehrenhaft, wurde es Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts allgemein üblich, Hängepartien zu analysieren. Das Aufkommen von Datenbanken und Schachprogrammen, die nahezu perfekte Einschätzungen ermöglichten, führte jedoch dazu, daß sie im Turnierschach in den 90er Jahren abgeschafft wurden.

Hängolin...nennt der Landserjargon ein Anti-Aphrodisiakum, das angeblich der Verpflegung von Soldaten und Gefängnisinsassen zur Minderung des sexuellen Leidensdruckes beigemischt wird. Der Begriff geht wohl auf den Ersten Weltkrieg zurück und lehnt durch die Endung »-olin« an ölig gelöste Medikamente an, die Silbe »Häng-« erklärt sich hier von selbst. Neben »echten« Medikamenten, die Erektionsstörungen als zufällige Nebenwirkungen haben, ist für »Antibocktrin« oder »Schlapposan« zwar keine geeignete Substanz bekannt, die eine solche Wirkung erreichen und diesen Mythos stützen könnte - nichtsdestotrotz hält sich das Gerücht hartnäckig bis heute.

Hänseln»Hans« war seit dem 14. Jahrhundert ein beliebter und weitverbreiteter deutscher Vorname. Engelbert Humperdincks (1854-1921) Märchenoper »Hänsel & Gretel« (»Ach Hänselein, Du willst mich hänseln noch«?) erinnert ebenso daran, wie auch viele Redewendungen (»Hans im Glück«, »Der blanke Hans«, »Hanswurst«, »Prahlhans«). Nicht nur Kinder »hänseln« (necken) sich: Einst wurde jeder, der neu in eine Gemeinschaft kam, »gehanst«. 1259 erscheint das Wort in Köln als »hansin«, wohl im Zusammenhang mit der Aufnahme eines neuen Mitgliedes in die »Hanse«. Das althochdeutsche »hansa« bedeutet »(Krieger-)Schar«. Die Initiation war mit allerhand Bräuchen, bis hin zum »Kielholen« verbunden. Ob das seit dem 15. Jahrhundert bekannte nassausche »hohnseln« (von Hohn) und das oberdeutsche »hanzeln« - tätscheln, streicheln (von »Hand«) eine Rolle spielte, ist ungeklärt. In St. Goar im Hunsrück war laut »Borßbandts Ortung« von 1627 das »Verhansen« Vorbedingung für den Warenverkauf auf dem Markt; wurde aber auch an durchreisenden Fremden ausgeübt. Studentenvereinigungen entwickelten Bräuche, die oft kirchliche Riten persiflierten. Meist ging es darum, dem Gehänselten Geld für die nächste Wirtshausrunde abzupressen. Und so ergibt sich der Zusammenhang: Nur wer die Probe des Hänselns schadlos bestand, wurde in die Gemeinschaft aufgenommen. Ein Relikt aus diesem mittelalterlichen Usus war die Äquatortaufe von Matrosen - heute auch schon ein Stück Vergangenheit.

Häßlich wie die Nacht...ist umgangssprachlich jemand oder etwas, das besonders unattraktiv daherkommt. Das mag vielleicht damit zu tun haben, daß nur die Dunkelheit der Nacht diese Häßlichkeit verbergen oder erträglich machen kann. Im Dunkel der Nacht wirkt alles irgendwie grau und unpersönlich, weil man, anders als bei Tageslicht, kaum etwas richtig erkennen kann. »Häßlich« ist ursprünglich nicht das Gegenteil von »schön«, sondern kommt vom »Haß« - wie eben die feindselige und beklemmende Dunkelheit der Nacht, vor der so viele Menschen Angst haben.

Hätt' der Hund nicht geschissen, hätt' er den Hasen gefangen...ist nicht etwa Jägerlatein, sondern eine oft und gern gebrauchte Rechtfertigung, wenn wir etwas nicht so hinkriegen, wie wir es eigentlich gewollt hatten. Manches hätte man lieber anders gemacht - im Nachhinein weiß man es immer besser - aber oft genug muß man sich auch damit abfinden, daß nicht immer alles klappt, man nicht alles (gleichzeitig) kann.

HagestolzHeute ein Eigenbrödler und unverbesserlicher Junggeselle, war ursprünglich die Ehelosigkeit für den »Hagestalt« nicht so ganz freiwillig: Ein »Hag« oder »Hagestolle« war ein kleines umfriedetes Stück Land, das nach altdeutschem Erbrecht dem Zweitgeborenen zustand. Vom Ertrag dieses »Hagens« konnte keine Familie ernährt, oft nichtmal der Brautpreis bezahlt werden. Dem ältesten Sohn stand hingegen der Herrenhof mit entsprechend mehr Land zu, sodaß es dem Jüngeren, über den der Ältere vielfach die Vormundschaft hatte, kaum möglich war, einen eigenen Hausstand zu gründen - er mußte also oftmals unverheiratet bleiben.

Hahn im Korb seinDavon träumen wohl viele: Als einziger Mann Mittelpunkt des weiblichen Interesses zu sein... Die Wendung bezieht sich wohl darauf, daß der Hahn auf dem Hühnerhof höher eingeschätzt wird, als die ihn umgebenden Hennen. Immerhin ist er das einzige männliche geschlechtsreife Tier unter der ganzen Hühnerschar. Mit »Korb« ist ziemlich sicher der »Koben« (Stall) gemeint, einige meinen aber auch, es könnte sich um das Behältnis handeln, in dem die Tiere »zu Markte getragen« werden. Schon Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-76) wußte anno 1668 in seinem Schelmenroman »Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch«, Continuatio, Kapitel 4 zu berichten: »Wer den Menschen am schädlichsten zu sein befunden wird, soll nach unserem alten Gebrauch und Herkommen auch der vornehmste Hahn im Korb sein«.

Hahnrei...nannte man seit dem Hochmittelalter einen betrogenen Ehemann. Das Wort geht auf das mhdt. »hanerei, hanreyge« zurück, das wiederum vom friesischen »rûne«, dem Wallach abstammt. Vom »hânrûne« - Kapaun, kastrierter Hahn - ist demzufolge der ursprünglich impotente und später (natürlich allein deshalb) betrogene Ehemann, dem man »Hörner aufgesetzt« hat, abgeleitet.

Halb zog sie ihn, halb sank er hin...sagen wir, wenn jemand sich nur sehr zögerlich entschließen kann, eine Beziehung zu einem Anderen einzugehen und dabei weniger aus eigener Initiative oder innerem Drang handelt, als vielmehr äußerem Druck oder der Verlockung nachzugeben. In Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Ballade »Der Fischer« (1779) lockt eine Nixe den Protagonisten mit den vielzitierten Worten in ihr nasses Reich - es bleibt allerdings offen, ob ihre reizvollen Versprechungen zutreffen:

 »Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
  Ein Fischer saß daran,
  Sah nach der Angel ruhevoll,
  Kühl bis ans Herz hinan.
  Und wie er sitzt und wie er lauscht,
  Teilt sich die Flut empor:
  Aus dem bewegten Wasser rauscht
  Ein feuchtes Weib hervor.

  Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
  »Was lockst Du meine Brut
  Mit Menschenwitz und Menschenlist
  Hinauf in Todesglut?
  Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
  So wohlig auf dem Grund,
  Du stiegst herunter, wie Du bist,
  Und würdest erst gesund.

  Labt sich die liebe Sonne nicht,
  Der Mond sich nicht im Meer?
  Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
  Nicht doppelt schöner her?
  Lockt Dich der tiefe Himmel nicht.
  Das feuchtverklärte Blau?
  Lockt Dich dein eigen Angesicht
  Nicht her in ew'gen Tau?«

  Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
  Netzt' ihm den nackten Fuß;
  Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll
  Wie bei der Liebsten Gruß.
  Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
  Da war's um ihn geschehn;
  Halb zog sie ihn, halb sank er hin
  Und ward nicht mehr gesehn«.

Halbe Portion...sagen wir manchmal recht uncharmant zu einem unscheinbaren, schwächlichen, etwas klein geratenen Zeitgenossen - bildlich, als ob wir nur einen halbvollen Teller vor uns hätten.

Halbseiden...nennen wir gelegentlich Menschen von eher zweifelhaftem Ruf: Angeber, Emporkömmlinge, Betrüger, Schwule und andere verdächtige Gesellen, die uns unseriös, anrüchig oder zwielichtig erscheinen, kleiden sich gerne mal etwas zu aufdringlich, geschmacklos »schick«, vermeintlich »teuer« aufgemacht. Ursprünglich ist »Halbseide« ein Mischgewebe, das in einer Fadenrichtung aus Seidengarn, in der anderen aus weniger edlen Garnen wie Baumwolle oder Leinen gefertigt wird. Durch die einseitige Bindung erscheint die Schauseite des Gewebes mit dem edlen Glanz der Seide. Noch im Mittelalter galten solche Stoffe als minderwertig, was zu diesem Ruf führte.

Halkyonische TageDie glücklichen Tage voller Frieden und Ruhe entstammen einer Sage des schwäbischen Pfarrers und Schriftstellers Gustav Benjamin Schwab (1792-1850), in der sich Halkyone, die treue Gattin des Seefahrers Keyx, ins Meer stürzt, als sie erfährt, daß ihr Mann auf See umgekommen ist: »Er ist's!« schreit die Unglückliche, die Hände nach dem Leichnam des teuren Gatten ausstreckend: »So also kehrst Du mir zurück, Du Armer! Wohlan, empfange mich denn, ich komme zu dir!« In die Flut will sie sich stürzen, aber siehe, Flügel heben sie durch die Luft, wehmütig klagend flattert sie als Vogel dicht über die Gewässer hin und schwingt sich schluchzend an die Brust des toten Gemahls. Und ist es nicht, als ob er die Nähe des trauten Weibes fühlte? Ja, wahrlich, die mitleidigen Götter verwandeln auch seine Gestalt und leihen ihm neues Leben. Als Eisvögel halten die beiden Gatten noch immer treu die alte zärtliche Liebe, in nie getrenntem Ehebund leben sie fort. Mitten zur Winterszeit kehren alljährlich sieben ruhige, windstille Tage wieder, dann sitzt Halkyone brütend im schwimmenden Nest auf dem glatten Spiegel des Meeres, denn ihr Vater Æolos hält zu dieser Zeit die Winde daheim im Hause und schafft seinen Enkeln schützende Ruhe. Gerührt von diesem Liebesbeweis hatten die Götter das Paar in Eisvögel verwandelt, die ihre Brutzeit zur windstillen Zeit der Wintersonnenwende haben.

Hallo...begrüßen wir - längst nicht mehr nur am Telephon - einen guten Bekannten oder Freund. Der ungarische Erfinder Tivadar Puskás (1844-93) soll, als eine von ihm erfundene Telephonanlage im Test prächtig funktionierte, seinem Auftraggeber Thomas Alva Edison (1847-1931) ein begeistertes »hallom« (Ich höre es) zugerufen haben. Leicht verfremdet als »hallo« oder »hello« gehört der Ruf seither weltweit untrennbar dazu. Andere leiten das Wort vom althochdeutschen »halōn«, mhdt. »halen« (rufen, holen) her, auch der Ruf »holla«, verkürzt für »Hol über« an den Fährmann wäre möglich, ebenso wie »halal«, hebräisch für »preisen, verherrlichen, ausrufen«. Eine interessante Interpretation liefert uns das Französische: Einst, als Nachttöpfe noch durchs offene Fenster auf die Straße entleert wurden, warnte man Passanten mit »À l'eau« (Vorsicht, es kommt Wasser)...

Hallodri...sagt der Süddeutsche zu einem leichtfüßigen, lockeren, bisweilen etwas unsteten Zeitgenossen: Mit der Grußformel »Hallo« hat er wortgeschichtlich rein gar nichts zu tun - das Synonym für den Tunichtgut und Taugenichts, das wir gelegentlich auch fast wohlwollend für einen Lebenskünstler verwenden, ist wohl eine Verballhornung des zunächst in der humanistischen Gelehrtensprache des 17. Jahrhunderts aufgetauchten »Allotria«, was - abgeleitet vom Altgriechischen »allótria« - »etwas anderes«, sachfremde, andersartige Dinge bezeichnete.

HalloweenVon den Britischen Inseln über die USA schwappte dieses Fest nach Deutschland. Der Abend des 31. Oktober, der Allerheiligen vorangeht, heißt neuerdings »Halloween«, von »All Hallows Evening« und geht auf über 5000 Jahre alte Bräuche zurück. Die Druiden glaubten, daß Samhain, der Gott der Toten, Geister herbeirief, die sie mittels großer Feuer abzuwehren versuchten. Die Kelten meinten, daß die Geister der Toten an diesem Abend ihre irdischen Wohnstätten aufsuchten. Als die Römer Britannien erobert hatten, bereicherten sie Halloween mit Elementen ihres Erntefestes, das am 1. November zu Ehren von Pomona, der Göttin der Baumfrüchte, gefeiert wurde.

Hals über Kopf...hat sich schon manch Zeitgenosse plötzlich und ohne lang zu überlegen holterdiepolter in die »Falsche« verliebt, ohne erst lang den Kopf zu bemühen und über die Folgen nachzudenken. Der Volksmund meint mit dieser Redewendung, daß überstürzte und übereilte Entscheidungen schnell mal zum Fiasko werden können. Nur wer einen kühlen Kopf bewahrt, die Dinge sachlich beurteilt, Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch heraus trifft, hat am Ende Erfolg. Der Ursprung liegt wohl in der bildhaften Vorstellung, daß jemand überstürzt davoneilt und stolpert, sodaß der Hals plötzlich schneller als der Kopf vorankommt; auch die ältere Form »über Hals und Kopf« - mit Hals und Kopf zuerst, sich überschlagend - ist denkbar.

Hals- und Beinbruch ...ist nicht die Grußformel der Orthopäden - eigentlich meint dieser Wunsch sogar genau das Gegenteil dessen, was gesagt wird. Das geht auf die Angst der Menschen zurück, die glaubten, daß Dämonen und Hexen, die etwas Positives hören, dies unter allen Umständen zu verhindern suchten. Da man aber diese bösen Geister für eher töricht hielt, die sich leicht täuschen ließen, sagte man einfach das Gegenteil dessen, was man meinte.
Andere verorten diesen Spruch im hebräischen Original »hazlacha uwracha«. Dieses »Glück und Segen« wurde von den Juden nach erfolgreichen Geschäftsabschlüssen gewünscht. Im Jiddischen wurde daraus später dann »hazlache un brache« - möglicherweise hat man in Deutschland diesen Ausdruck falsch verstanden und daraus den »Hals- und Beinbruch« gedichtet. Und so wünscht man sich denn noch bis heute redensartlich Knochenbrüche, wo man doch eigentlich Glück meint.

Halsabschneider...sind als Beschimpfung etwas aus der Mode gekommen - wenn, dann trifft es heute meist Händler oder Handwerker mit besonders kreativen Preisvorstellungen. Im Mittelalter war der »Halsabschneider« noch ein volkstümliches Synonym für den Scharfrichter, der den Hals des verurteilten Delinquenten mit einem Schwert oder Beil durchtrennte - auch so eine Berufsgruppe, die schon damals einen denkbar schlechten Ruf hatte. Seit dem 18. Jahrhundert steht das »abschneiden« des Halses (eigentlich der Luft) übertragen für die Verursachung wirtschaftlicher Not, die einem ja auch schon mal die Luft zum Atmen nimmt.

Halt die Klappe...fordern wir heute jemanden auf, still zu sein, den Mund zu halten. Im frommen Mittelalter war es üblich, daß Mönche oft schon im Morgengrauen stundenlang im Stehen beteten. Da dies besonders für die meist älteren Herren mit der Zeit recht ermüdend war, lehnten sie sich gelegentlich an die im Chorgestühl der Kirchen - ähnlich wie in heutigen Kinos - angebrachten Klappsitze, die eigentlich für den Gottesdienst der Gemeinde gedacht waren. Wer aus Unachtsamkeit, oder weil er dennoch einschlief, die Sitzflächen fallenließ, störte durch den entstehenden Krach die Andacht und zog sich den Zorn der Würdenträger zu, die sie aufforderten, »die Klappe zu halten«.

Halt die Ohren steif...geben wir gern lieben Menschen mit auf den Weg und meinen, sie sollten aufmerksam sein, sich für alles interessieren und standhaft bleiben. Das Wort geht auf eine Beobachtung aus der Tierwelt zurück: Bei Hunden und Pferden kann man den Grad ihrer Aufmerksamkeit an der Stellung ihrer Ohren erkennen. Sind sie steil auf- und nach vorn gerichtet, sind die Tiere besonders aufmerksam und höchst interessiert. Hängen sie dagegen herab, sind die Tiere müde und unbeteiligt.

Halt mal die Luft an...raten wir gelegentlich jemandem, der einfach nicht mehr aufhört zu reden. Hintergrund ist, daß man zum Sprechen relativ viel Luft braucht - wer »die Luft anhält«, ist gezwungen, eine Pause zu machen und zu schweigen.

Halt's Maul...fordern wir jemanden unmißverständlich auf, still zu sein. Schon der Reformator Martin Luther (1483-1546) übersetzte aus der Bibel: »Doctrina oris doctrinam oris audite filii et qui custodierit illam non periet in labiis suis nec scandalizabitur in operibus nequissimis« - »Liben Kinder, lernet das maul halten, denn wer es helt der wird sich mit worten nicht vergreiffen« (Sirach 23:7).

Haltet den Dieb...hatte einst sicherlich die wörtliche Bedeutung, wenn es darum ging, einem ertappten Missetäter seine illegal erlangte Beute wieder streitig zu machen. Heute will die Methode »Haltet den Dieb« - gelegentlich ergänzt um »er hat mein Messer im Rücken« - eher von eigenen Fehlern ablenken und stattdessen die vergleichsweise geringe Schuld eines anderen aufbauschen.

Halunke...nennen wir Gauner, einen Spitzbuben oder Betrüger. Das Wort entstand wohl im 16. Jahrhundert im Slawischen: Das schlesische »holomken« ist vom alttschechischen »holomek« - ein junger Mann, ein Diener, aber auch ein Henkersknecht, Gauner und Betrüger - abgeleitet. Der ostmitteldeutsche »Holunke« war ein Stadtdiener, Bote und Heideläufer und leitet sich vom obersorbischen »holank« für einen Bewohner der Heide (hola - kahl, nackt, bloß) ab.

Hamburger...haben ihren Namen wirklich von der Hansestadt: Deutsche Auswanderer brachten die Boulette nach Amerika, wo sie 1906 auf der Weltausstellung in St. Louis erstmalig unter dem mittlerweile berühmten Namen verkauft wurde. Mit dem englischen »ham« (Schinken) haben die Klopse indes nix zu tun - der ist »schweinisch«, die »Hamburger« hingegen werden aus Rinderhack gemacht.

Hammelbeene langziehenScherzhaft drohend sagt man schonmal: »Dir werd' ich die Hammelbeene langziehen«. Man bezieht sich dabei ursprünglich auf die Kastration des Schafbockes: Um die Hoden erreichen zu können, zieht man dem Tier die Beine lang.

HammelsprungBei dieser Methode, die Größe einer Schafherde zu bestimmen, wurden die Tiere wurden durch ein Tor getrieben, das so schmal war, daß immer nur eins durchpaßte - so wurde jedes Schaf genau einmal gezählt. Heute verstehen wir darunter ein aufwendiges Abstimmungsverfahren, das nur in Zweifelsfällen im Bundestag angewendet wird. Dieses Verfahren, bei dem die Abgeordneten durch zwei Türen für »Ja«/»Nein« den Saal verlassen, wurde seinerzeit auf Anregung des Vizepräsidenten des Deutschen Reichstages, Hans Victor von Unruh (1806-86), eingeführt. Ein Intarsienbild über einer der Abstimmungstüren im Reichstagsgebäude verwies noch auf die Herkunft des Wortes: Es zeigte den durch Odysseus geblendeten Zyklopen Polyphem aus der griechischen Sage, der seine Hammel zählt, indem er sie einzeln durch seine Beine treibt.

Hammer oder Amboß seinWir sollten möglichst aktiv, nicht passiv, Schläger und nicht Geschlagener sein, so sah das schon Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seinem »Zweiten Kophtischen Lied«, op. 59 № 3 (1892):

  Geh! Gehorche meinen Winken,
  nutze Deine jungen Tage,
  lerne zeitig klüger sein;
  auf des Glückes großer Wage
  steht die Zunge selten ein;
  Du mußt steigen oder sinken,
  Du mußt herrschen und gewinnen,
  oder dienen und verlieren,
  leiden oder triumphieren,
  Ambos oder Hammer sein.

HampelmannDie Gliederpuppe, die durch Fädenziehen bewegt wird, steht für einen willensschwachen, leicht beeinflußbaren Menschen, der sich lächerlich macht, indem er auf die Vorschläge anderer eingeht: Fabian Sebastian Hampelmann, ein Baumwollhändler und Borger, der typische ehrenwerte, geschwätzige, renommierende, aber auch ängstliche, radikale und zugleich philiströse Citoyen der einstigen Republik Frankfurt, ist eine ursprünglich von dem deutschen Dichter, Architekten und Theaterdirektor Carl Balthasar Malß (1792-1848) geschaffene Gestalt des Volkstheaters. 1832 wurde die Frankfurter Lokal-Skizze »Herr Hampelmann oder die Landpartie nach Königstein« aufgeführt. Wegen des großen Erfolges ließ Malß 1833/34 die Stücke »Herr Hampelmann im Eilwagen« und »Herr Hampelmann sucht ein Logis« folgen. Danach bürgerte sich der Begriff ein und wurde auch im übrigen Deutschland heimisch.

Hand aufs HerzWenn einst Angeklagte vor Gericht standen, mußten sie schwören, daß sie die Wahrheit sagen. Dazu legte man die rechte Hand auf die linke Seite der Brust - dahin, wo das Herz ist. Daher kommt auch dieser Ausdruck für »Sag' die Wahrheit«.

Hand und Fuß haben...Sachen, die gut vorbereitet, durchdacht, vertrauenswürdig oder zumindest überhaupt brauchbar sind: Für mittelalterliche Ritter war besonders die rechte Hand (zum Führen des Schwertes) und der linke Fuß (zum Besteigen des Pferdes) wichtig. Der Verlust dieser Körperteile war eine schwere Strafe.

Handwerk hat goldenen Boden...sagten unsere Vorfahren oft und mit Recht: Einen guten Handwerker kann - anders als einen schlechten Bürokraten - niemand wirklich entbehren. Darüber hinaus war der Handwerker früher ganzjährig und lebenslang abgesichert: Er war weitestgehend witterungsunabhängig und konnte so immer seinem Tagwerk nachgehen, ohne daß ihm wie einem Bauern mal »die Ernte verhagelte«.
Allerdings sollte das - trotz vermeintlich exorbitant hoher Stundenlöhne - nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der Sinn dieses alten Sprichworts bei der heute gängigen Zahlungsmoral vieler Auftraggeber mehr und mehr auf den historischen Hintergrund beschränkt.
Die vollständige Version: »Handwerk hat goldenen Boden, sprach der Weber, als ihm die Sonne in den leeren Brotbeutel schien« zeigte schon im 19. Jahrhundert, wie besonders die Weber unter der gerade aufkommenden Industrialisierung leiden mußten. Der Dramatiker Gerhart Hauptmann (1862-1946) thematisierte die Not der Weber in seinem gleichnamigen Stück.

HandyWas sich so »englisch« anhören soll, wird wohl nur selten ein Brite oder Amerikaner mit einem Telephon assoziieren: Der multimediale Nervtöter heißt nur im Deutschen »Handy«. Deutsche Amateurfunker nannten einst ihre Handmikrofone so, in den 80ern übernahm die Firma Philips den Begriff. Der wohl einzig »englische« Bezug waren die »Handie Talkies«, tragbare Funkgeräte der amerikanischen Firma Motorola in den 40ern. Der Engländer nennt sein Mobiltelephon »Mobile (Phone)«, der Ami sagt »Celly« (Cellular Phone).

Hanebüchen...heißt im ursprünglichen Sprachgebrauch »aus Hainbuchenholz«, ein knorriges, besonders hartes und schwer zu bearbeitendes Holz. Behauptete jemand, aus diesem Holz etwas herstellen zu können, hielt das jeder für ziemlichen Unfug.
Im 18. Jahrhundert erfuhr der Begriff eine Bedeutungswandlung in die heute gebräuchliche Form. In gängigen Redewendungen ist stets von »hanebüchenem« Unsinn, Lügen oder Fehlern die Rede, womit ausgedrückt wird, daß der Betreffende eine grobe, unerhörte Verfehlung begangen hat. In Hessen gab es gar »hanebüchene Gulden«, die von geringerem Wert als normale waren.

Hannemann, geh Du voran!Aus dem Schwank von den sieben Schwaben wissen wir seit Anfang des 16. Jahrhunderts, daß angesichts eines furchterregenden unbekannten Tieres (in Wirklichkeit ein gewöhnlicher Hase...) Johannes - einer von ihnen - aufgefordert ist: »Hannemann geh Du voran! Du hast die größten Stiefel an, daß Dich das Tier nicht beißen kann«. Die Quintessenz: Ein anderer wird aufgefordert, eine unangenehme Sache zu erledigen, der man selbst ausweichen will.

Hans Guck-in-die-LuftDieses mahnende Beispiel, das uns der deutsche Psychiater, Lyriker und Kinderbuchautor Heinrich Hoffmann (1809-94) hinterließ, hat sicherlich Millionen Eltern animiert, diese Verse vorzulesen oder zu erzählen - Großmütter kannten alle relevanten Stellen aus Hoffmanns Werken und haben sie punktgenau eingesetzt, wenn wir mal wieder erzogen werden sollten:

  Wenn der Hans zur Schule ging,
  Stets sein Blick am Himmel hing.
  Nach den Dächern, Wolken, Schwalben
  Schaut er aufwärts allenthalben:
  Vor die eignen Füße dicht,
  Ja, da sah der Bursche nicht,
  Also daß ein jeder ruft:
  »Seht den Hans Guck-in-die-Luft!«

In der Geschichte ist Hans Guck-in-die-Luft mit seinen Gedanken ständig woanders, weshalb er erst einen Hund über den Haufen rennt, um dann zur Erheiterung der Fische samt Schulmappe ins Wasser zu fallen...

Hans HuckebeinDer Unglücksrabe aus der Bildergeschichte von Wilhelm Busch (1832-1908) wurde zum Symbol für alle Pechvögel:

  Hier sieht man Fritz, den muntren Knaben,
  Nebst Huckebein, dem jungen Raben.
  Und dieser Fritz, wie alle Knaben,
  Will einen Raben gerne haben.
 ...
  Die Bosheit war sein Hauptpläsier,
  Drum, spricht die Tante, hängt er hier!

Hans im Glück...nennen wir einen unbekümmerten, sorglosen Menschen, einen wahren Glückspilz. Die Wendung geht auf eines der bekanntesten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm zurück.

Hansdampf in allen Gassen...nennen wir umgangssprachlich einen ungestümen, aktiven, vielseitigen Mitmenschen, oft auch abwertend einen Unruhestifter und Tunichtgut. Der Name Hans/Johannes war im 16. Jahrhundert sprichwörtlich »in jeder Gasse« zu finden. In der Liedersammlung »Des Knaben Wunderhorn« findet sich ein Gedicht mit dem Titel »Hans in allen Gassen«, schon in dem 1667 erschienenen Schelmenroman »Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch« von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622-76) taucht der Ausdruck im 2. Buch, 7. Kapitel auf. »In allen Gassen nährte er eine kleine Liebschaft« heißt es auch in einer weithin bekannten Erzählung des schweizerischen Schriftstellers Johann Heinrich Daniel Zschokke (1771-1848) aus dem Jahre 1814, in der der recht flatterhafte Protagonist Hans, Sohn des Bürgermeisters Peter Dampf, die vorgenannten Eigenschaften in sich vereinigt und viel Unruhe in dem fiktiven Ort Lalenburg stiftet.

HanswurstSeit dem 16. Jahrhundert trat diese einstmals populäre Figur - damals (anders als heute) beileibe kein Schimpfwort - als Narr oder Spaßmacher in Jahrmarktstheatern und Wanderbühnen auf: »Hanswurst« war ein Bauer, hatte bunte Kleider an, einen spitzen grünen Hut auf, sprach Dialekt, machte dauernd Unsinn und interessierte sich vor allem für Gefräßigkeit, Trinken und Frauen. Bei den einfachen Leuten war »Hans Wurst« schnell beliebt, war er doch »einer von ihnen« und tat, was viele gerne täten: Er sagte, was er über aktuelle Ereignisse dachte und machte Witze darüber. Mit der Theaterreform des 18. Jahrhunderts kam der »Hanswurst« aus der Mode und wurde nurmehr im Puppentheater eingesetzt.
Der Name erscheint erstmals im Jahre 1519 in einer mittelniederdeutschen Version von Sebastian Brants »Narrenschiff«, während in der Originalversion noch der Name »hans myst« verwendet wurde. Martin Luther verwendete den »Hanswurst« anno 1530 in einer Vermahnung an die Geistlichen auf dem Reichstag zu Augsburg und schrieb im Jahre 1541 in Wittenberg die gegen den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel gerichtete Streitschrift »Wider Hanns Worst«. Überdies finden wir »Hanswurst« auch in dem Dramenfragment »Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt«, zu Papier gebracht 1774 von keinem Geringerem als Johann Wolfgang Goethe (1749-1832).

Harry, hol schon mal den Wagen...sagte der Überlieferung nach stets und ständig der berühmte Münchner Fernsehpolizist Stephan Derrick (Horst Tappert) in der gleichnamigen Krimiserie zu seinem Assistenten Harry Klein (Fritz Wepper). Lange Zeit hieß es, der millionenfach kopierte Satz stamme aus einem frühen Sketch von Harald Schmidt und Herbert Feuerstein und sei nie in der Serie gefallen. Was die beiden Spaßvögel in einer Parodie dem Serien-Oberinspektor einst in den Mund legten, hat sich längst zum Kultstatus verselbständigt - tatsächlich sagte der klassische Gentleman unter den Fernsehpolizisten bereits in Folge 2 (»Johanna«) zu seinem ewigen Begleiter: »Harry, wir brauchen den Wagen, sofort!« und in Folge 235 (»Eine Endstation«) zu einem Kollegen: »Holen Sie schon mal den Wagen!«

Hart auf hart...kommt es, wenn sich eine Lage verschlechtert, ein Konflikt verschärft. Es geht um das Letzte, eine Entscheidung in einer Extremsituation: Normalerweise wird man mit einem härteren Material ein weicheres relativ gut bearbeiten können - Beispiel sei hier das Messer, mit dem man die Wurst problemlos schneidet. Treffen aber zwei »harte« Stoffe oder - übertragen - Charaktere aufeinander, führt dies zwangsläufig zu Komplikationen, es ist äußerst schwer, auf Kosten der einen oder der anderen Seite eine zufriedenstellende Lösung zu finden.

Hart im Nehmen...ist jemand, der viel aushalten kann, der sehr robust und belastbar, streng zu sich selbst ist, sich nicht schont. Die Wendung kommt wohl aus dem Boxsport: Manche Kämpfer können viel einstecken, viele Treffer kassieren, ohne daß sie darüber ihre Kampfkraft verlieren.

Hart wie Kruppstahl...ist umgangssprachlich etwas Dauerhaftes, das einfach nicht kaputtzukriegen ist: Die Wendung geht ursprünglich auf den ehemaligen Reichskanzler Adolf Hitler (1889-1945) zurück, der in seiner Nürnberger Rede vom 14. September 1935 vor 54.000 Hitlerjungen sein - schon in seinem Buch »Mein Kampf« (1927, S. 392) erwähntes - vielzitiertes Erziehungsideal verkündete: »In unseren Augen, da muß der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Wir müssen einen neuen Menschen erziehen, auf daß unser Volk nicht an den Degenerationserscheinungen der Zeit zugrunde geht«.

Hartgesotten...sind umgangssprachlich diese markanten Typen, die eiskalt und erbarmungslos für Gefühle nicht empfänglich zu sein scheinen, sich abgebrüht und berechnend geben und offenbar so schnell durch nichts zu erschüttern sind.
»Gesotten« ist eine alte Form von »sieden«, mit relativ niedriger Temperatur am Kochen halten. Kocht man etwas bei (zu) hoher Temperatur, wird manches recht schnell hart; wir kennen das - in diesem Falle durchaus erwünscht - beispielsweise von Eiern.
In seiner »Verschwörung des Fiesco zu Genua« läßt Friedrich von Schiller (1759-1805) den Protagonisten zum Mohren sagen: »Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte ich längst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten« (1. Akt, 9. Auftritt).

HasardspielIm Arabischen war »az-zahr«" ein Spielwürfel, »yasara« lautete übersetzt »mit Würfeln spielen«. Daraus wurde das spanische »azar« für einen schlechten Wurf beim Spiel. In diesem Sinn kam der Begriff ins Französische, wo der »hazard« bald nicht mehr nur ein Spiel, sondern ein Wagnis, ein Risiko oder Zufall, ein risikoreiches Unternehmen wurde.

Hasch mich, ich bin der Frühling...rufen wir gelegentlich wenig ehrfürchtig älteren Menschen zu, die sich wie frischverliebte Teenager aufführen und ihre Frühlingsgefühle exzessiv ausleben. Das »haschen« (fangen, verfolgen) wird mit der Zeit immer schwerer, da man längst nicht mehr so agil wie früher ist und auch nicht mehr so schnell Kontakt zum anderen Geschlecht findet - dennoch bleibt aber ewig das Streben nach Liebe bzw. einer Beziehung. Ein Teufelskreis...

Hasenbrot...nannte man einst die übriggebliebenen angetrockneten Butterstullen, die Vater den lieben langen Tag in der Blechdose herumgetragen hatte und die niemals weggeworfen wurden.
Irgendwie erinnerten sie schon ein bißchen an das alte, harte Brot, das gewöhnlich an Hasen verfüttert wird - der Name soll denn auch daher kommen, daß Bauern, die die Brote wieder mitgebracht hatten, ihren Frauen erzählt haben sollen, daß die Hasen daran geknabbert hätten.
Der Verfasser des »Deutschlandliedes« August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) hat dem »Hasenbrot« anno 1845 gar ein Gedicht gewidmet:

 »Und wenn mein Vater geht zur Stadt,
  So bringt er mir was mit,
  Bald Mandeln und Rosinen,
  Bald Obst und Kuchenschnitt.

  Und geht er auch nur über Feld,
  So denkt er dann auch mein:
  Er bringt mir immer etwas,
  Sollt's trocken Brot auch sein.

  Das trockne Brot, das schmeckt gar gut,
  Denn wie mein Vater sagt,
  So hat er's auf dem Felde
  Dem Hasen abgejagt«.
  Aus »Kinderlieder«

Hasenpanier ergreifen...stand früher für eine überstürzte Flucht: Der ironisierende Ausdruck »Panier« entstand im 15. Jahrhundert und ist an das französische »banniere« (Heerfahne, Banner, Feldzeichen) angelehnt, das vor der Truppe hergetragen wurde. Auf der Flucht waren Banner und Soldaten nur noch von hinten zu sehen - wie das in der Jägersprache als »Blume« bezeichnete Stummelschwänzchen des scheuen Hopplers.

Haßkappe...hat jemand auf, der sehr wütend ist, sich mal so richtig austobt: Diese den ganzen Kopf mit Ausnahme der Augen bedeckende Wollmütze der Motorrad- und Skifahrer wird auch von Bankräubern und anderen Übeltätern gern getragen, um die eigene Identität zu verschleiern und so eine mögliche Strafverfolgung zu erschweren.

Haste was, biste wasDurch ehrliche Arbeit ist noch nie jemand reich geworden. Das ist hinlänglich bekannt. Aber egal, ob einer eine Bank überfällt oder - schlimmer noch - eine Bank gründet: Einzig das Resultat, der Besitz zählt. Wer neben (oder eher durch) seinen Kontostand auch noch gute Beziehungen hat, genießt allgemein höchste Anerkennung. Wer hingegen Tag für Tag im Schweiße seines Angesichts seinen kargen Lohn verdienen muß, hat in unserer ach so sozialen Gesellschaft praktisch keine Chance - im Gegenteil: Wer nicht skrupellos genug war, ist vielmehr gezwungen, sich den selbsternannten »Leistungsträgern« einer zynischen Diskussion um eine angebliche »Neidgesellschaft« zu stellen.
Diese Redensart findet sich ganz ähnlich schon in der Erzählung »Das Gastmahl des Trimalchio« aus dem fragmentarisch überlieferten Roman »Satyricon« von Titus Petronius (ca. 14 - 66). Trimalchio beschreibt hier seinen Aufstieg vom Sklaven zum reichen römischen Bürger und meint unter anderem: »Credite mihi: assem habeas, assem valeas! Habes, habeberis«. - »Glaubet mir auf mein Wort: So viel ihr Geld habt, für so viel Geld hält man euch wert! Hast du Geld, so wirst du auch geschützt« (77.6).
In dem Gedicht »Das Werthe und das Würdige« erinnert auch Friedrich Schiller (1759-1805) uns im Jahre 1831 mit den Worten: »Hast du etwas, so theile mir's mit, und ich zahle, was recht ist; Bist du etwas, dann tauschen die Seelen wir aus« daran, daß es neben materiellen Reichtümern auch ideelle wie Reife, Bildung und Charakter gibt.

Hat Jehova gesagt...hat nichts mit den »Zeugen Jehovas« zu tun - zu biblischen Zeiten war es in Israel verboten, den Namen Gottes auszusprechen. In dem Kult(ur)film »Das Leben des Brian« von Monty Python gibt es eine Szene, in welcher der Oberpriester gesteinigt wird, weil er das versehentlich tat...

Haubenbandgerechtigkeit...nannte sich ein besonderes Witwenrecht im holsteinischen Adelsrecht: So konnte eine Frau über ein »Sächsisches Jahr« nach dem Tode ihres Mannes den Besitz und die Nutznießung seines Vermögens weiterbeanspruchen. Außerdem ging die Hälfte vieler beweglicher Sachen (Hausrat, Haustiere, Woll- und Leinenzeug) in ihr Eigentum über.

Haudegen...sind furchtlose Kämpfer gegen das Böse. Ursprünglich war dies im 16. Jahrhundert in Spanien und Italien eine an der Spitze zweischneidige Fechtwaffe. Die lange Klinge war zum Hauen und Schlagen geeignet und wurde bald zur Standardausrüstung der berittenen Truppen. Im Gegensatz dazu stand der französische Stoßdegen, mit dem man dem Gegner einen tödlichen Stich versetzte.

Hausen wie die VandalenDieses Synonym für »mutwillig Schaden anrichten, etwas blindwütig zerstören oder verwüsten, sich unzivilisiert benehmen« bezieht sich auf den germanischen Volksstamm, der anno 455 unter König Geiserich (um 389-477) Rom 14 Tage lang plünderte und brandschatzte. Die römischen Chroniken waren voll von grausamen Beschreibungen dieses Überfalls, obwohl der tatsächlich kaum über das damals übliche Maß hinausging. Der Bischof von Blois Henri-Baptiste Grégoire (1750-1831) nahm sich in seiner 1794 veröffentlichten Schrift »Rapport sur les destructions opérées par le vandalisme« dieses Themas an, indem er die sinnlosen Morde und die Zerstörung von Kunstwerken durch die Französische Revolution anprangerte und kurz danach nahm die Académie française den »Vandalismus« in ihr Wörterbuch auf, wodurch der Begriff sich in der Folge schnell weltweit verbreitete.

Hausfrauenrallye...nennt der Börsianer volkstümlich den letzten Aufwärtsschub einer Spekulationsblase.
Ursprünglich als »Milchmädchenhausse« bezeichnet, steht die »Hausfrau« als Synonym für unerfahrene Kleinanleger, die eigentlich niemals an der Börse spekulieren würden - sich aber durch einen vermeintlich andauernden Boom verleiten lassen, als letzte auf den längst abgefahrenen Zug aufzuspringen.

Hecht im Karpfenteich...nennt der Volksmund einen rücksichtslosen Unruhestifter, der eine besondere, führende Rolle in seiner Umgebung einnimmt, der ein leichtes Spiel mit seinen Gegnern hat und als sicherer Sieger gilt: Der Hecht ist ein gefährlicher Raubfisch, gegen den der träge Karpfen als seine Beute keine wirkliche Chance hat. Die Redensart geht auf den deutschen Historiker Heinrich Leo (1799-1878) zurück, der in einem Aufsatz den französischen Kaiser Napoléon III. (1808-73) als Störenfried im europäischen Gleichgewicht der Mächte so nannte. Auch Otto von Bismarck (1815-98) sagte in einer Rede von 1888: »Die Rechte im europäischen Karpfenteich hindern uns, Karpfen zu werden«.

Heckgroschen...waren Geldstücke, die nach dem Aberglauben immer wieder zum Besitzer zurückkehrten oder die sich vermehrten.

Heckmeck...ist eine unnötige Aufregung, Hektik, ein Durcheinander, viele unnötige Umstände. »Hackemack« war im 17. Jahrhundert ein Reimwort für Gehacktes, Gerede oder auch Gesindel, »Hackmack« rotwelsch für Lumpenpack, »Mickmack« für Durcheinander und »Hickhack« eine Streiterei. Manche meinen, das Wort verballhornt das arabische »haqi milki« - »Mein Recht, mein Eigentum« -, womit arabische Juden im Mittelalter Kredite zurückforderten. Diese Ableitung gilt unter Sprachforschern jedoch als strittig. Andere sehen im »Heckmeck« lediglich eine Reduplikation von »meckern«.

Heerpauke...war eine ausgestopfte Männerhose des 16. Jahrhunderts mit einer kugelartigen Form, die vor allem die Oberschenkel bedeckte.

Hegen und pflegen...müssen wir etwas, das uns wertvoll und wichtig ist. Wir beschützen es, tun ihm Gutes, behandeln es pfleglich und bauen bildlich einen »Hag« - einen Zaun oder eine Hecke - drumherum, um es vor allen Gefahren und Mißlichkeiten zu schützen.

HeidenarbeitIm Mittelalter durften »Ungläubige« - jeder, der nicht christlich war - keinen Grundbesitz erwerben. Sie mußten sich in Städten ansiedeln, wo die Handwerker in Zünften organisiert waren, welche wiederum ihrerseits nur Christen aufnahmen. Dank dieses Berufsverbotes für Handwerk und Landwirtschaft blieb den »Heiden« nur, schwerste, schlecht bezahlte und sonst unbeliebte und verachtete Tätigkeiten, wie beispielsweise Geldhändler, Brunnenputzer, Scherenschleifer, Kesselflicker - eben »Heidenarbeit« - zu verrichten. Viele dieser Bezeichnungen findet man heute noch in anderen Redewendungen.

HeidenlärmDas Wort spielt auf das Alte Testament an. Darin werden die benachbarten Könige gewarnt, sich nicht gegen den Herrscher Jerusalems aufzulehnen, und es heißt in Psalm 2.1: »Quare fremuerunt gentes,et populi meditati sunt inania«? - »Warumb toben die Heiden, Vnd die Leute reden so vergeblich«? Heiden waren im alten Rom vor allem Bauern auf dem Lande, bis zu denen der christliche Glaube noch nicht vorgedrungen war. Später wurde »Heiden-« zur bloßen Vorsilbe und Verstärkung erweitert und es kam in Anlehnung an den »Heidenlärm« auch zur »Heidenangst«, einer großen Angst, die die Christen vor den Ungläubigen hatten. Im Laufe der Zeit entstanden weiterhin auch »Heidenarbeit«, die mühsame, umfangreiche Arbeit, »Heidengeld« für sehr große Summen und vieles andere mehr, was mit den Heiden als Solches aber nicht mehr viel zu tun hat.

Heiermann...nannte der Norddeutsche einst das beliebte Fünfmarkstück, das längst dem Euro geopfert wurde. Über den Ursprung des Begriffes gibt es mehrere Vermutungen: Einige meinen, daß das Wort auf den hebräischen Buchstaben ה (jiddisch »Hei« - fünf) zurückginge, eine andere Herleitung kommt von der »Heuer«: Um 1900 waren fünf Goldmark ein gängiges Handgeld für Seeleute.

Heilig's BlechleDer schwäbische Ausruf der Überraschung, des Erstaunens wird heutzutage oft auf das nicht eben billige und daher gern als »Heiligtum« betrachtete blecherne Automobil umgemünzt. Ursprünglich stammt das Wort aber aus dem Mittelalter, da zur Zeit der Hungersnöte unschuldig in Not geratene Bürger gelegentlich ein »Blechle« - eine kleine, fast wertlose Münze - erhielten, um an öffentlichen Armenspeisungen teilnehmen zu können. Die zumeist ebenfalls notleidenden Gemeinden konnten unmöglich all die umherziehenden Bettlerscharen ernähren und prägten das »Blechle«, das zum »heiligen« wurde, weil Kirchen und Klöster die Verteilung wahrnahmen.

Heiliger BimbamNoch so ein Ausdruck des Erstaunens, der Verblüffung und Überraschung: Anstatt einen der unzähligen »echten« Heiligen zu benennen, imitiert der Volksmund hier das Glockengeläut, was dadurch pauschal für irgendeinen der vielen Protagonisten des überbordenden katholischen Personenkults steht. Fun Fact: Allein Papst Johannes II. sprach während seiner Amtszeit 482 Personen heilig - in den 400 Jahren vor ihm gab es insgesamt nur etwa 300 Heiligsprechungen...

Heiliger Strohsack...rufen wir manchmal erstaunt oder verwundert, überrascht oder verärgert aus. Über viele Jahrhunderte wurden unzählige mehr oder weniger wichtige Menschen heiliggesprochen und bei all der Heiligenverehrung wurden nicht nur Haare und Knöchelchen verehrt, sondern quasi alles, womit der Heilige jemals in Berührung gekommen war. Später machte man sich einfach darüber lustig, wenn jemand erzählte, daß es sich bei dieser Devotionalie um das Stroh, auf welchem das Jesuskind gelegen hat, gehandelt haben solle.

Heiliges Kanonenrohr...riefen unsere Altvorderen noch vor um die hundert Jahren als Ausdruck der Überraschung aus: Damals war man von soldatischen Werten und Ausdrücken begeistert, auch in der Operette »Der Bettelstudent« (1802) von Karl Millöcker (1842-99) stößt Oberst Ollendorf, seines Zeichens Gouverneur von Krakau, diesen Überraschungsruf aus, als er seiner Angebeteten Laura einen Kuß auf die Schulter gedrückt und dafür von ihr einen Schlag mit dem Fächer ins Gesicht bekommen hatte: »Alle Himmelmillionendonnerwetter, heiliges Kanonenrohr. Mir ist manches schon passiert, Aber so etwas noch nicht.«

HeimatschußSeit dem Zweiten Weltkrieg Landserjargon für eine Verletzung, die ungefährlich war, aber dennoch ausreichte, um in ein Lazarett in der Heimat verlegt zu werden.

Heimchen am HerdDas Heimchen (Acheta domesticus), eine Grille, die einst häufig in den warmen Küchen anzutreffen war, galt schon den alten Römern als Zeichen häuslichen Glücks. In der Novelle »The Cricket on the Hearth« (Das Heimchen am Herde), die Charles Dickens (1812-70) zu Weihnachten 1845 schrieb, dient die kleine Grille einer Familie als Schutzengel: Im Mittelpunkt steht die Liebe und Einfalt eines blinden Mädchens und seines Vaters, der für sie alles aufopfert. Charles Dickens hält hier ein eindrucksvolles Plädoyer für die Liebe, Barmherzigkeit und Menschlichkeit. Der Komponist Karl Goldmark (1830-1915) veröffentlichte 1896 eine Oper gleichen Namens. Unter der feministischen Ideologie wurde der Ausdruck meist abwertend für verantwortungsbewußte Frauen, die sich ihren Kindern und Pflichten widmen, mißbraucht.

Heimlich, still und leise...machen wir umgangssprachlich manchmal etwas, das nicht jeder gleich mitbekommen soll.
Diese Drillingsformel stammt aus der Operette »Im Reich des Indra« (1699) vom »Vater der Berliner Operette« Paul Lincke (1866-1946). Hier heißt es in dem gleichnamigen Lied, zu dem Alfred Schönfeld den Text schrieb:

 »Heimlich, still und leise kommt die Liebe,
  wie ein kecker Dieb in dunkler Nacht,
  fordert als Tribut des Herzens Triebe:
  Zaub'risch süße Liebesmacht«.

Heimsuchung...nennen wir eine Häufung von Katastrophen wie Erdbeben und Hochwasser, Vulkanausbrüche, Brand und Verwüstung, die sich mehr oder weniger aneinanderreihen.
Schon an zahlreichen Stellen der Bibel steht die »Heimsuchung« für das Strafgericht Gottes an den Ungläubigen und Unfolgsamen. Im Grunde in einem durchaus guten Sinne einfach ein Besuch, bezeichnete dieses Wort im Mittelalter einen gewaltsamen Hausfriedensbruch. Heute wird es kaum noch in seiner dramatischen Bedeutung gebraucht, sondern eher als ironische Übertreibung, wenn Gäste kommen.

Heinrich, mir graut's vor Dir...heißt es in Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) berühmtem »Faust. Der Tragödie erster Teil«: Faust dringt in den Kerker ein und das verwirrte, von Schuldgefühlen gequälte Gretchen hält ihn zunächst für ihren Henker. Schwankend zwischen dem Wunsch nach Liebe und Abscheu vor dem Mörder ihres Bruders weigert sie sich, als Faust sie zur Flucht überreden will. Beim Anblick Mephistopheles, welcher zur Eile mahnt, kehrt Gretchens Verstand zurück:

 »Dein bin ich, Vater! Rette mich!
  Ihr Engel! Ihr heiligen Schaaren,
  Lagert euch umher, mich zu bewahren!
  Heinrich! Mir graut's vor dir«

Mephisto reißt Faust zu sich und verschwindet mit ihm, Gretchen widersteht der Versuchung, zu entfliehen und damit ihrer Hinrichtung zu entgehen - sie will ihre Schuld büßen und wendet sich von Faust ab.

Heinzelmännchen...nennen wir die sagenhaften zipfelmützigen Kölner Hausgeister, die nachts, wenn alles schläft, all unsere Arbeit verrichten und die für immer verschwinden, wenn sie dabei beobachtet werden. Der Name könnte eine Bezeichnung für die Alraune, die als Hausgeist verwendet wurde, gewesen sein, zum anderen waren »Heinz« oder »Heinzenkunst« im Bergbau Maschinen zur Entwässerung der Stollen, deren Bediener also die »Heinzelmänner«. Die Sage erscheint erstmals 1826 bei Ernst Weyden (1805-69): »Es mag noch nicht über fünfzig Jahre seyn, daß in Cöln die sogenannten Heinzelmännchen ihr abentheuerliches Wesen trieben. Kleine nackende Männchen waren es, die allerhand thaten, Brodbacken, waschen und dergleichen Hausarbeiten mehrere; so wurde erzählt; doch hatte sie Niemand gesehen...« Populär wurde sie 10 Jahre später in der Gedichtfassung von August Kopisch (1799-1853), die ursprünglich als preußische Kritik an den in den Tag hinein lebenden kölschen Frohnaturen entstand:

 »Wie war zu Cölln es doch vordem,
  Mit Heinzelmännchen so bequem!
  Denn, war man faul:... man legte sich
  Hin auf die Bank und pflegte sich:
  Da kamen bei Nacht,
  Ehe man's gedacht,
  Die Männlein und schwärmten
  Und klappten und lärmten
  Und rupften
  Und zupften
  Und hüpften und trabten
  Und putzten und schabten...
  Und eh ein Faulpelz noch erwacht,..
  War all sein Tagewerk.... bereits gemacht!«

Heiße Luft...nennt der Volksmund etwas, das ganz groß angepriesen wird, tatsächlich aber nichts Besonderes ist. Man macht viel Wind, aber es hat keine erkennbare Wirkung, es passiert einfach nichts - solch großspurige Versprechungen ohne Substanz und Folgen erinnern an die Luft, die ja auch nicht zu sehen ist.

Heißsporn...ist ein hitzig-ungestümer Draufgänger, ein Haudegen, der unüberlegt drauf losstürmt und nur mit Mühe zu besänftigen ist. Die Lehnübersetzung vom englischen »Hotspur« ist der Beiname einer Gestalt aus William Shakespeares (1564-1616) Königsdrama »The History of Henrie the Fourth: with the Battell at Shrewsburrie, between the King and Lord Henry Percy, surnamed Henrie Hotspur of the North. With the humorous conseits of Sir John Fallstaffe« von 1597: Sir Henry »Harry Hotspur« Percy (1364-1403), ein heißblütiger, ritterlicher englischer Adeliger, der zunächst Freund und Parteigänger, später erbitterter Feind von König Heinrich IV. (1366-1413) war, erwarb sich seinen Ruf in Schlachten gegen Franzosen und Schotten. Der kampferprobte Ritter soll seine Hähne mit Sporen ausgerüstet haben - daher wohl der Spitzname.

Helau & AlaafVolkskundler meinen, daß das »Helau« als Verballhornung des kirchlichen Jubelrufes »Halleluja« zu deuten ist. In manchen rheinländischen Regionen sagt man noch heute »Ajuja«. Bis 1934 erscholl in Mainz üblicherweise ein »Hoch« oder »Hurra«. Erstmals 1935 wurde das »Helau« angestimmt, das eine Mainzer Fastnachtsdelegation aus Düsseldorf mitgebracht hatte. Das Kölsche »Alaaf« geht wohl auf den mittelalterlichen Trinkspruch »all af« zurück, was etwa »alles austrinken« bedeutet.

Henkersmahlzeit...nennen wir heute allgemein ein letztes Mahl, ein Abschiedsessen, bevor eine wichtige Prüfung oder Veränderung in unserem Leben ansteht. Ursprünglich war der Begriff als allerletzte Mahlzeit eines zum Tode Verurteilten kurz vor der Hinrichtung wörtlich zu nehmen. In der Regel wurde zu diesem außergewöhnlichen, nur auserwählten Gästen kredenzten Mahl auf besondere Wünsche des Übeltäters Rücksicht genommen. Mittelalterliche Henkersmahlzeiten sollten - ähnlich wie die Fütterung von Opfertieren - das Opfer im Voraus gnädig stimmen. Der älteste überlieferte Bericht in Deutschland stammt aus dem Jahre 1435, bis ins 18. Jahrhundert hinein waren diese Essen für die oft bitterarmen Delinquenten wahre Festgelage inclusive reichlich Alkohol, sodaß sicherlich mancher zur Hinrichtungsstätte getragen werden mußte. Dennoch ist dieser Brauch keine Geste des Wohlwollens oder Erbarmens gegenüber dem Hinzurichtenden, sondern vielmehr das Erkaufen der eigenen Gewissensruhe für den Henker, die Richter und das gaffende Volk.

Herausklamüsern...müssen wir manchmal etwas, wenn wir eine schwierige Aufgabe lösen, etwas herausfinden, von anderem trennen, entwirren oder einfach an einer Sache herumbasteln ohne den rechten Weg zur Problemlösung. Das Wort geht wohl vom lateinischen »calamus« (antikes Schreibrohr aus Schilf, auch Federkiel) aus und entwickelte sich zum norddeutschen »Kalmäuser«, dem Schreibkundigen, der dem Einsiedler ähnlich zurückgezogen lebt, um nachzudenken, einem gelehrten Stubenhocker und Grübler.

Herdgeld...war eine im Altenburgischen zu leistende Zusatzbezahlung beim Kauf eines Hauses. Der Betrag war an die Gattin oder die Töchter des Verkäufers zu zahlen.

Herein, wenn's kein Schneider istEigentlich heißt es ja: »Herin, wans nit der Schnitter (Sensenmann, Tod) is!« Aber wie so oft, gibt es auch hier diverse Deutungen: Studenten des 18./19. Jahrhunderts kleideten sich gern extravagant, ließen sich den feinen Zwirn auf den Leib schneidern und empörten sich dann mit diesen Worten, wenn der Schneider anklopfte, ihre Rechnungen einzutreiben. Nach anderer Deutung handelte es sich um eine Floskel bei Zunfttreffen der Schneider: Da die Sitzungen der Schneidergesellen bei »offener Zunftlade«, einer Truhe, in der alle geheimen Unterlagen aufbewahrt wurden, stattfanden, achtete diese geschlossene Gesellschaft streng darauf, keine Zunftfremden hereinzulassen. Abgewandelt wurde die Redensart, weil den Schneidern von altersher der denkbar schlechte Ruf als faules, nachlässiges und darüber hinaus diebisches und lügnerisches Lumpenpack vorauseilte...

Herkules am ScheidewegeIn einer von Xenophons »Erinnerungen an Sokrates« läßt dieser eine Geschichte des Sophisten Prodikos von Keos (um 430 a.C.) erzählen: Herkules begegnete als Jüngling in der Einöde an einem Scheideweg zwei Frauen - der Lust und der Tugend. Beide schilderten die eigenen Vorzüge und die Fehler der anderen. Lange schwankt Herkules, welchen Weg er einschlagen soll. Er entscheidet sich für den mühevollen Weg der Tugend, der ihn zur Unsterblichkeit führt und widersteht dem verlockenden, leichten Weg der Lust. Heute meinen wir, daß jemand eine schwere Entscheidung zu treffen hat.

HerostratUm in die Geschichte einzugehen und Unsterblichkeit zu erlangen, zündete der Grieche Herostratos am 21. Juli 356 a.C. den Artemis-Tempel in Ephesos an. Das Artemision (etwa 140 m lang, 80 m breit, um 35 m hoch), seit dem 5. Jahrhundert a.C. zu den Sieben Weltwundern gezählt, brannte völlig aus, doch die Epheser bauten ihren Tempel wieder auf. Der griechische Geograph und Historiker Strabon (63 a.C.-23) berichtet über die Untat: »In der Nacht, in der Alexander der Große geboren wurde, zündete Herostrat das Weltwunder an«. Immerhin hat der erste Brandstifter der Weltgeschichte sein Ziel, berühmt zu werden, erreicht: In der Apostelgeschichte des Lukas 19.28 heißt es; »His auditis repleti sunt ira et exclamaverunt dicentes magna Diana Ephesiorum« - »Als sie das hoereten, Wurden sie vol zorns, schrien vnd sprachen, Gros ist die Diana der Epheser«..

Herr - herrlich; Dame - dämlichEin interessantes Wortspiel - haben die beiden Adjektive doch so völlig gegensätzliche Bedeutungen, sowohl zueinander, als auch zu den vermeintlich zugehörigen Anreden. Die Worte »Herr« und »herrlich« gehen beide gleichermaßen auf das althochdeutsche »hēr« - »erhaben, vornehm, heilig«, ursprünglich eigentlich »grau(haarig), ehrwürdig« zurück. Ganz anders kommt die »Dame« von der lateinischen »domina« - der »Hausherrin«; »dämlich« hingegen leitet sich vom ebenfalls lateinischen »temulentus« - »betrunken« und dem niederdeutschen »damelen« - »nicht ganz bei Sinnen sein« ab.

Herr im Hause...sollte immer derjenige sein, der die Macht ausübt, das Sagen hat. Die Wendung kommt aus einer Zeit, da der »Herr« - übrigens genauso wie die »Herrin« - noch über Personal, Knechte und Mägde verfügen konnte. In der Bibel heißt es dazu: »Sicut homo qui peregre profectus reliquit domum suam et dedit servis suis potestatem cuiusque operis et ianitori præcipiat ut vigilet vigilate ergo nescitis enim quando dominus domus veniat sero an media nocte an galli cantu an mane ne cum venerit repente inveniat vos dormientes« - »Gleich als ein Mensch der vber Land zoch vnd lies sein Haus vnd gab seinen Knechten macht, einem jglichen sein werck vnd gebot dem Thurhüter, er solt wachen. So wachet nu. Denn jr wisset nicht wenn der Herr des hauses kompt. Ob er kompt am Abend oder zu Mitternacht oder vmb den Hanenschrey oder des Morgens. Auff das er nicht schnelle kome vnd finde euch schlaffend«. (Markus 13:34ff) Eine dann und wann versuchte Übertragung dieser Phrase auf das Eheleben scheitert in der Regel daran, daß der Haushalt - auch schon lange vor den Feministinnen - prinzipiell von der Herrin geführt wurde und die Selbstverwirklichung des »Herrn im Hause« sich also zumeist in äußerst engen Grenzen hielt.

Herr, laß es Abend werden, Morgen wird's von selber...bitten wir inständig an einem arbeitsreichen Tag, der nicht zuendegeht. Um den nächsten Tag macht man sich keine Gedanken.

Herrenhandtasche...nennt manch trinkfreudiger Zeitgenosse scherzhaft einen Sechserpack Bierdosen oder -flaschen, der von einer gut tragbaren Papphülle zusammengehalten wird.

HerumbosselnWir wollen etwas reparieren, haben aber eigentlich keine Ahnung, wie. Dennoch schrauben wir - mal hier, mal dort - daran herum: Das Wort aus dem Mittelalter geht zurück auf die »Bosselarbeit«, niedere Tätigkeiten, mit denen man jemand anderem zuarbeitete, wie z.B. ein Laufbursche.

Herumdoktern...hat der Volksmund einst als Synonym für eher zielloses Herumprobieren oder dilettantische Reparaturversuche geprägt. Hat man irgendein Wehwehchen, versucht man zunächst oft, sich mit Hausmitteln oder harmlosen Pillen selbst zu kurieren, bevor man den Arzt aufsucht. Auch Instandsetzungen an technischen Geräten trauen wir uns immer mal wieder zu. Erst wenn wir lange genug ohne das gewünschte Resultat an etwas »herumgedoktert« haben, holen wir endlich doch den Fachmann - allerdings können auch mehrere Ärzte mit verschiedenen Diagnosen am Bett eines Kranken stehen.

Herumfuhrwerken...tun oft Laien, die einer handwerklichen Herausforderung nicht gewachsen sind und in ihrer Not versuchen, ein Problem recht dilettantisch zu lösen. Der Ausdruck geht natürlich auf den von Ochsen, Eseln oder Pferden gezogenen Wagen zurück, der aufgrund seiner primitiven Bauweise recht schwierig zu lenken war. Um ihn um eine enge Straßenecke herumzuzirkeln, mußte man oft mehrere Versuche machen.

HerumkrebsenDer Krebs, der uns heutzutage als teure Delikatesse serviert wird, war noch im 19. Jahrhundert etwas Alltägliches, ja Minderwertiges, was man überall finden konnte. Ein »Krebser« war gar ein Schimpfwort, »Krebsen« Ausdruck für etwas Wertloses, Minderwertiges und Rückwärtsgerichtetes. Heute verwenden wir das Wort als Synonym für »mit dem, was man tut, viel Mühe haben, am Minimum dahinvegetieren, mühevoll etwas tun, in schlechten Verhältnissen leben«.

HerumlavierenJemand will sich nicht festlegen, äußert mal kurz eine Meinung, mal eine andere, spielt auf Zeit - was gerade bei Politikern so beliebt ist, stammt eigentlich aus dem Schachspiel: »Lavieren« ist eine Taktik, um eine starke Verteidigung unter Druck zu setzen. Man greift mal hier, mal dort an, um den Verteidiger zu schwächen und zu ermüden.

HerumscharwenzelnDie Herkunft dieses Synonyms für »einschmeicheln, schöntun, sich lieb Kind machen« ist unklar. Das Deutsche Wörterbuch hält es für die volksetymologische Umdeutung von ital. »servente« (der Dienende) oder die Zusammensetzung aus »Schar« (Fronarbeit, Pflugschar, Menschenmenge) und dem Namen »Wenzel« für böhmische Landarbeiter. Martin Luther (1483-1546) verwendet öfters mit dem »Scharrhans« den geläufigsten deutschen Vornamen: »Das fechtet mich nicht an, dass ein Rültz oder Tölpel lästert oder ein unadliger Scharrhans poltert und scharret« (Werke VI, 225) und: »Denn eben dieselben Scharrhansen waren zur selben Zeit solche verzagte Schelmen, als ich mein Tage gesehen habe« (V, 40b).
Andere Deutungen sehen ein tschechisches Kartenspiel aus dem 17. Jahrhundert: Im »Trischak« gibt es den »cervenec« (der Rote, der rote Unter, Herzbube), im Österreichischen erfolgte eine Umbildung von Wenzel zu Scharwenzel (Bube). Im 18. Jahrhundert kannte man den »Kratzfuß« als besondere Höflichkeitsbezeigung von ital. »servente« (Diener) und deutsch »scharren«. Um jemanden »herumscharwenzeln« hieße also »dienstbeflissen herumlaufen, sich kratzfüßig drehen, durch Schmeicheln zu gewinnen suchen, lakaienhaft ergeben zeigen«. Goethe, Schiller und Heine gebrauchen die Form »scherwenzen«, Joh. Wolfgang von Goethe (1749-1832) schreibt z.B.: »...da hielt dich das unglückliche Hofleben, und das Schlenzen und Scherwenzen mit den Weibern« (Werke VIII, 29) mit der heutigen Hauptbedeutung »sich besonders intensiv und auffallend um die Gunst der Frauen bemühen«.

Herumstromern...hat ursprünglich nichts mit Elektrizität zu tun, sondern ist eine Lieblingsbeschäftigung vieler Katzen und Kinder, die ihre Umwelt durchstreifen und zu entdecken versuchen. Die Rumtreiber gehen wohl auf das mittelhochdeutsche »strümen, strömen« zurück, im Sinne von »hin- und herfahren, umherziehen, herumstrolchen, streunen« - so, wie es das fahrende Volk von einem Jahrmarkt zum nächsten zog.

Herz, was willst Du mehr?...fragt, wer in seiner Situation alles erreicht hat, sich derzeit nichts Besseres wünschen kann. Das Herz steht oft bildlich für Liebe, Seele und Güte - wer das Leben genießt, glücklich und zufrieden ist, hat kaum noch Wünsche offen.

Heulen und Zähneklappern...gibt es, wenn wir eine schwere Niederlage hinnehmen müssen und aus Verzweiflung und Angst vor den Folgen zittern. Die Übersetzung »Zähneklappern« für »Furcht« verwendete Martin Luther (1483-1546) in seiner Bibelübersetzung: »Filii autem regni eicientur in tenebras exteriores ibi erit fletus et stridor dentium«. - »Aber die Kinder des reichs werden ausgestossen in das finsternis hinaus, Da wird sein heulen vnd zeen klappen« (Matthäus 8.12).

Heulen wie ein SchloßhundJemand heult langanhaltend und herzzerreißend und kann sich gar nicht mehr beruhigen: Gemeint waren ursprünglich tatsächlich die Hunde in einem Schloß, völlig überzüchtete Zwergspaniels, die bei Hofe heiß und innig geliebt wurden. Die empfindlichen Winzlinge verloren schnell mal die Nerven, dann ging das Heulen und Zittern los... Eine andere Deutung führt zum (Wach)Hund an einer Kette, der eben auch ausdauernd und oft heulte.

Heureka...rief der griechische Mathematiker und Physiker Archimedes (287-212 a.C.): Er soll das Prinzip des Auftriebes beim Baden entdeckt, anschließend nackt durch Syrakus zum König gelaufen und immerfort »Heureka« - Ich hab's (gefunden) - gerufen haben.

HexeEntstanden aus dem mittelhochdeutschen »Haag« (Zaun) und sitzen/reiten, also Zaunreiterin - daraus wurde später der Besen. Der heute wenig gebräuchliche »Haag« wird im Badischen benutzt als Bezeichnung für Leute, die nachts betrunken aus der Wirtschaft heimtorkeln (Haagsaicher - Zaunpinkler). Es ist dort im weiteren Sinne auch als Schimpfwort gebräuchlich, wenn jemand »Mist baut«. Im Englischen hingegen entstand die Hexenbezeichnung »witch« aus dem germanischen Wort »wicca« (weise Frau). Wiccas waren gewissermaßen weibliche Druiden, Frauen mit Wissen über Heilkräuter.

HexeneinmaleinsDas Wort stammt aus Johann Wolfgang von Goethes »Faust I«: Mephisto führt Faust in eine Hexenküche wo die Hexe einen Trank braut, der Faust um 30 Jahre verjüngen soll. Dabei sagt sie folgenden Zauberspruch auf:

 »Du mußt versteh'n!
  Aus Eins mach Zehn,
  Und Zwei laß geh'n,
  Und Drei mach gleich,
  So bist Du reich.
  Verlier die Vier!
  Aus Fünf und Sechs,
  So sagt die Hex',
  Mach Sieben und Acht,
  So ist's vollbracht:
  Und Neun ist Eins,
  Und Zehn ist keins.
  Das ist das Hexen-Einmaleins!«

Faust sagt ob der für ihn seltsam klingenden Worte: »Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber...«
und Mephisto antwortet: »Das ist noch lange nicht vorüber«.

Goethe beschreibt hier wohl ein sogenanntes »Magisches Quadrat« mit neun Feldern in drei Reihen und der Quersumme 15.

Hieb- und stichfestWir recherchieren etwas, die Fakten müssen stimmig und unangreifbar, »hieb- uns stichfest« sein: Bevor mittelalterliche Ritter einst in den Kampf zogen, wurden sie durch einen Zauberer in einer aufwendigen Zeremonie unverwundbar - »hieb- uns stichfest«, später gar »schußfest« gemacht. Mit dem - durch die eiserne Rüstung sicher nicht unerheblich unterstützten - festen Glauben an die eigene Unverwundbarkeit ließ es sich seinerzeit sicher trefflich kämpfen - funktionierte der Zauber indes nicht, waren Reklamationen wohl kaum zu befürchten...

Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein...läßt Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) den zwischen Leben und Wissenschaft innerlich zerrissenen Doktor Faust schwärmerisch am Ende des Osterspaziergangs ausrufen, der sich mit Wagner in der vom Frühling bestimmten Natur unter das promenierende Volk mischt:

 ...
»Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
  Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
  Zufrieden jauchzet groß und klein:
  Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!«

Faust, Der Tragödie erster Teil, Vers 940

Hier fliegen die Fetzen...es wird besonders heftig gestritten - ohne Rücksicht auf Verluste: Der »Fetzen« ist in einigen oberdeutschen Mundarten ein grob abgeschnittenes oder abgerissenes Stück eines Ganzen. Wenn bei einem handfesten Streit »die Fetzen fliegen«, kann es gut passieren, daß Mobiliar und Hausrat »in Fetzen« gehauen wird oder danach die Kleidung »zerfetzt« herunterhängt.

Hier irrte Goethe...kritisieren wir jemanden, der sich mit einer falschen Behauptung durchsetzen will: Das geflügelte Wort geht wohl auf eine legendäre Fußnote des Altphilologen Heinrich Düntzer (1813-1901) zurück, der in der Gesamtausgabe der Werke Goethes dessen Feststellung, seine wirklich große Liebe sei Lili Schönemann gewesen, mit den Worten: »Hier irrt Goethe. Das trifft vielmehr auf Friederike Brion zu« kommentierte. Kein anderer Mensch kann beurteilen, wie sehr jemand verliebt ist. Hätte Düntzer geschrieben: »Hier lügt Goethe«, hätte man noch darüber diskutieren können - es einfach besser wissen zu wollen, gilt als Zeichen purer Arroganz.

Hier ist der Bär los...sagt der Berliner in Anlehnung an sein pelziges Wappentier und meint damit diese ausgelassene und lebhafte Stimmung auf einer Party, die oft an den Trubel um eine ungewöhnliche Attraktion - wie etwa eines freilaufenden Bären - erinnert.

Hier ist der Hund verfroren...war früher eine gängige Wendung für: »Hier ist nichts los«. In einer Gegend, wo sich »Fuchs und Hase Gute Nacht sagen« findet nicht mal der Hund - mit seinem dicken Fell ja nun wahrlich nicht besonders kälteempfindlich - ein halbwegs warmes Eckchen, in das er sich zurückziehen könnte.

Hier ist der Teufel los...behaupten wir, wenn gerade mal wieder Zank und Streit herrscht, aber auch wenn das Chaos ausbricht, weil (oder wenn) ausgelassen gefeiert wird. Dieser Ausruf erklärt sich aus der alten biblisch-apokalyptischen Vorstellung, daß der Teufel gebunden in der Hölle liege und nach tausend Jahren des Friedens noch einmal die Menschen verführe, bevor er für immer vernichtet wird. In der Offenbarung des Johannes (20:7) heißt es dazu in der Weissagung vorn tausendjährigen Reich: »Et cum consummati fuerint mille anni solvetur Satanas de carcere suo« - »Vnd wenn tausent jar volendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefengnis«.

Hier ist die Welt mit Brettern vernagelt...glauben manchmal Städter, die »Urlaub auf dem Bauernhof« machen. Sie fühlen sich alsbald von der Zivilisation abgeschnitten, vermissen Kinos und Shopping-Center, Cafes und Boutiquen - all die »Segnungen« urbanen Lebens.
In der Annahme, daß die Welt eine Scheibe sei, schrieb anno 1609 der Zwickauer Satiriker Johannes Olorinus Variscus (eigentlich Johann Sommer, 1559-1622) in seiner »Ethographia Mundi« Lügengeschichten, in denen es unter anderem heißt, daß jemand: »...vom Ende der Welt komme gelaufen und habe gesehen, daß es mit Brettern daselbst sei unterschlagen«.

Hier scheiden sich die Geister...sagen wir, wenn wir unterschiedlicher Meinung über eine bestimmte Sache sind oder einfach andere Vorlieben haben: Die hier gemeinten »Geister« beziehen sich nicht etwa auf »Gespenster«, sondern vielmehr auf die geistigen Eigenschaften des Menschen.

Hier schweigt des Sängers Höflichkeit...sagt, wer sich über ein bestimmtes heikles Thema nicht weiter äußern möchte. Jeder von uns hat seine Schattenseiten, die aber nicht an die große Glocke gehören, die Öffentlichkeit schlicht nichts angehen. Für diese Redensart gibt es verschiedene Quellen: Das 1812 von August Friedrich Langbein (1757-1835) geschriebene Gedicht »Die Weissagung« beginnt mit den Zeilen: »In einem Städtlein, dessen Namen des Dichters Höflichkeit verschweigt...«, in einem um 1800 in Berlin erschienenen Studentenlied heißt es:

 »Als der Liebe Gott die Welt erschaffen,
  Schuf er Tiere, Menschen, Affen,
  Und inmitten dieser weiten Welt
  Hat er auch den Adam hingestellt.
  Als nun dieser ganz alleine ist geblieben,
  Folglich keinen Handel hat getrieben,
  Sagt: Womit vertrieb er sich die Zeit?
  Das verschweigt des Sängers Höflichkeit,
  Das verschweigt des Sängers Höflichkeit«.

Hier steppt der Bär...freuen wir uns, wenn ausgelassen gefeiert wird, eine gute Stimmung herrscht, so richtig was los ist. Im Mittelalter war ein Wanderzirkus oder Jahrmarkt in der Stadt eine große Attraktion. Oft hatten die Schausteller auch einen dressierten Bären dabei, der allerlei Kunststücke vorführte oder zu einfachen Melodien »tanzte«.

Hier wendet sich der Gast mit Grausen...sagen wir scherzhaft, wenn wir etwas unerträglich finden und nicht länger mit ansehen wollen:
Das Zitat stammt aus Friedrich von Schillers (1759-1805) Ballade »Der Ring des Polykrates« (1797), die auf einer Erzählung Herodots beruht:
Der König von Ägypten Pharao Amasis als Gast des Polykrates, des erfolgreichen Tyrannen von Samos, wird von Grausen gepackt, als der Ring, den sein Gastgeber als Tribut für den Neid der Götter in die Flut geworfen hat, in einem gefangenen Fisch wieder auftaucht und nimmt dies als untrügliches Zeichen, daß die Götter Polykrates vernichten wollen:

 »Hier wendet sich der Gast mit Grausen:
  ›So kann ich hier nicht ferner hausen,
  Mein Freund kannst du nicht weiter seyn.
  Die Götter wollen dein Verderben,
  Fort eil ich, nicht mit dir zu sterben.‹
  Und sprach's und schiffte schnell sich ein«.

Was nicht im Gedicht steht: Polykrates wird schließlich von dem persischen Satrapen Oroites nach Magnesia gelockt und hingerichtet.

Hier werden abends die Bürgersteige hochgeklappt...sagt der Volksmund von Orten, in denen einfach nichts los, kein Mensch unterwegs ist. Man könnte selbst wenn man wollte nirgends hingehen, der Ort ist menschenleer und ohne jeden Anreiz, das Haus zu verlassen - also kann man die Bürgersteige auch ordentlich hochklappen, wo sie doch sowieso niemand braucht.

Hilf Dir selbst, so hilft Dir GottDiese mittelalterliche Weisheit taucht im 16. Jahrhundert bei dem Schriftsteller Justus Georg Schottel in der Form »Mensch, hilf Dir selbst, so helfet Gott mit«. auf. Ähnliches schrieb auch schon Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.): »Fortes fortuna adiuvat« (Den Mutigen hilft das Glück). In Friedrich von Schillers (1759-1805) »Wilhelm Tell« fordert die Bäuerin Gertrud Stauffacher ihren Mann Werner zum Widerstand gegen die Reichsvögte auf: »Dem Mutigen hilft Gott«.

Himmel und Hölle in Bewegung setzenWer »Himmel und Hölle« in Bewegung setzt, versucht alles Erdenkliche, um etwas zu erreichen. Die Redensart geht auf das Epos »Æneis« des römischen Dichters Vergil (70-19 a.C.) zurück: Juno droht den anderen Göttern, die Troja unterstützen: »Wenn ich die Himmlischen nicht beugen kann, werde ich das Acherontische bewegen«. Der Acheron-Fluß steht für die Unterwelt, die Hölle. Sie will also Himmel oder Hölle bewegen.
Auch im Brief an die Hebräer heißt es: »Adhuc semel ego movebo non solum terram sed et cælum« - »Noch ein mal wil ich bewegen, nicht alleine die Erden, sondern auch den Himel« (Hebräer 12.26). Analog zu »Himmel und Erde« setzte sich im Sprachgebrauch die stabreimende Form »Himmel und Hölle« durch. Beide werden im Sinne von »alles« gebraucht.

Himmel und MenschenWenn sich wahre Menschenmassen an einem Ort versammeln oder auf den Weg machen, so verstärkt man das, indem man sagt, daß »Himmel und Menschen« unterwegs sind. Man sieht halt nur noch den Himmel und die Menschen.

Himmel, Arsch und Zwirn...rufen wir wütend aus, wenn mal wieder etwas nicht so geklappt hat, wie es sollte. Unsere Vorväter glaubten viel stärker als wir heutzutage an magische Kräfte. Wenn sie sich über etwas ärgerten, dann fluchten sie und baten gern auch mal übernatürliche Mächte um Hilfe. Der Himmel als Sitz der Götter verhieß vollkommenes Glück. Der Arsch - heute eher deftiger Ausdruck der Demütigung - diente einst der Abwehr des »Bösen«, der Zwirn sollte diese beiden Mächte wohl zusammenhalten. Möglich auch, daß Arsch und Zwirn symbolich für »A bis Z« standen.
Die ganz ähnliche Wendung »Himmel, Arsch und Wolkenbruch« kommt wohl von unglücklichen Bauern, die über langanhaltende Regenperioden oder Überschwemmungen fluchten. Der deutsche Lyriker Hans Erich Blaich (1873-1945) verewigte sie in einem witzigen Vers:

 »Himmel, Arsch und Wolkenbruch,
  Hier klafft ein inn'rer Widerspruch!
  Wie läßt sich selbiger beheben?
  Geduld, wir werden's schon erleben«.

Himmelangst und Bange...wird heutzutage so manchem, der über seine Zukunft nachdenkt. Schon die alten Germanen fühlten sich ›eingezwängt‹: »Angst«, vom indogermanischen »anghosti« über lat. »angor«, ahdt. »angust« und mhdt. »angest«, bedeutet »eng, bedrängend«. Auch das andere Wort aus dieser Zwillingsformel, bei der sich die Worte gegenseitig verstärken, »Bange«, hat denselben Stamm und dieselbe Bedeutung. Es entstand wahrscheinlich im 13. Jahrhundert aus »ango« (ängstlich) über spätmhdt. »beange« (beengt) und wurde durch Luthers Bibelübersetzung verbreitet: »...timorem et metum et adprobationem inducet super illum et cruciabit illum in tribulatione doctrinæ suæ donec temptet illum in cogitationibus illius et credat animæ illius«. - »...vnd macht jm angst vnd bange vnd prüfet jn mit jrer Ruten vnd versucht jn mit jrer Züchtigung, bis sie befindet, das er on falsch sey«. (Sirach 4.19) Auch in 1. Makkabæer 13.2 heißt es: »...videns quia in tremore populus est et timore ascendit Hierusalem et congregavit populum«. - »...vnd sahe das dem Volck seer bang vnd angst war, Kam er gen Jerusalem vnd tröstet das Volck«.

Himmelfahrtskommando...nennt der Landserjargon - abgeleitet von der »Himmelfahrt«, der in vielen Religionen und Mythen verbreiteten Art und Weise, ins Jenseits zu gelangen - einen besonders riskanten Auftrag, der mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Tode der Ausführenden endet. Umgangssprachlich geht es eher allgemein um unangenehme, aussichtslose Aufgaben, die - obwohl deren Scheitern von vornherein absehbar ist - dennoch erledigt werden müssen.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt...zitieren wir in Zeiten heftiger Gefühlsschwankungen zwischen flammender Begeisterung und tiefer Verzweiflung gelegentlich Geheimrat Goethe. In seinem Drama »Egmont« stellt sich der Titelheld anno 1566 den spanischen Besatzern von Brüssel entgegen.
Im dritten Aufzug heißt es denn in »Klärchens Lied«:

 »Freudvoll
  und leidvoll,
  gedankenvoll sein;
  Hangen
  und bangen
  in schwebender Pein;
  Himmelhoch jauchzend,
  zum Tode betrübt;
  Glücklich allein
  ist die Seele, die liebt«.

...worauf ihre Mutter antwortet: »Laß das Heiopopeio«.

Hinaus ins feindliche Leben...muß jemand, der eine Aufgabe zu erfüllen hat, eine schwierige Leistung vollbringen muß, um seinen Unterhalt zu verdienen. Friedrich von Schiller (1759-1805) beschreibt anno 1799 in seinem »Lied von der Glocke« deren Bedeutung für die einzelnen Lebensabschnitte des Menschen. Als die Hochzeitsglocke besungen ist, geht es um die Rollenverteilung der Geschlechter:

 »Der Mann muß hinaus
  Ins feindliche Leben,
  Muß wirken und streben
  Und pflanzen und schaffen,
  Erlisten, erraffen,
  Muß wetten und wagen,
  Das Glück zu erjagen«...

Hinten kackt die EnteAm Ende kommt die große Entscheidung, der Sieger steht erst zum Schluß fest, man soll sich nicht zu früh freuen. Diese umgangssprachlich-saloppe Feststellung geht wohl auf Sportreporter Frank Buschmann zurück - der Prediger Salomo wußte dieselbe Weisheit im Alten Testament durchaus eloquenter zu formulieren: »Melior est finis negotii quam principium, melior est patiens arrogante« - »Besser ist der Ausgang einer Sache als ihr Anfang, besser ein Langmütiger als ein Hochmütiger« (Kohelet 7:8).

Hinter dem Berge halten...wir uns manchmal mit einer Sache, einer Äußerung, verheimlichen etwas Wichtiges: Etwa seit dem dreißigjährigen Krieg 1618-48 kennt man die Taktik, Geschütze hinter natürlichen Deckungen wie Büschen, Hügeln oder Bergen aufzustellen, wo sie der Feind nicht sehen kann, um ihn so in einem günstigen Moment zu überraschen. Auch Diebe haben sich gerne versteckt und aus dem Hinterhalt die Vorbeikommenden beklaut.

Hinter dem Mond leben...umgangssprachlich Leute, die nach althergebrachten Ritualen leben, sich nicht mit moderner Technik auseinandersetzen, ziemlich wirklichkeitsfremd sind. Die Rückseite des Mondes ist niemals von der Erde aus zu sehen - wer dort lebte, wäre sehr weit vom Weltgeschehen entfernt, könnte es nicht einmal beobachten.

Hinter den Spiegel stecken...sollen wir uns gelegentlich einen Tadel oder eine Kritik, die wir uns gut merken sollten. Ursprünglich steckte man sich früher hübsche Postkarten aus fernen Ländern mit einer Ecke hinter den Spiegel, wo man sie immer sehen und sich daran erfreuen konnte.

Hinter die Fichte führenDieses eher in Nord- und Ostdeutschland bekannte Synonym für »hinters Licht führen, täuschen, betrügen« geht auf den Prediger Johannes Mathesius (1504-65), einen Schüler Martin Luthers zurück, der in seiner Predigtsammlung »Ehestand und Hauswesen« (1563) schreibt, daß Delilah den Helden Samson »umb die Fichte füret«. Sie verführt und betrügt ihn, wobei die Fichte den dunklen Wald symbolisiert, in dessen Schatten der Betrug geschieht.

Hinter die Ohren schreiben...geht auf einen Rechtsbrauch aus dem 17. Jahrhundert zurück: Bei vielen wichtigen Regelungen, insbesondere der Festlegung von Grenzen, nahm man die Söhne der Verhandlungspartner dazu, sich den Standort der Grenzsteine genau einzuprägen, um in der nächsten Generation als lebende Zeugen aussagen zu können. Damit ihnen die Bedeutung der Sache bewußt werde, wurden sie an jedem Grenzstein geohrfeigt und an den Ohren gezogen - man »schrieb« ihnen also die Position der Grenzpunkte hinter die Ohren.

Hinter jemandem stehen...heißt, ihn zu unterstützen, wenn er kritisiert wird, ihm somit Rückendeckung zu geben. Wenn sich mittelalterliche Schlachtreihen aufgelöst hatten und man im unübersichtlichen Getümmel Mann gegen Mann kämpfte, war es sehr nützlich, wenn ein guter Freund hinter einem stand, mit dem man Rücken an Rücken die Angreifer abwehren konnte.

Hinter schwedischen Gardinen...sitzt man nicht etwa, weil man seine neue Fensterdekoration in einem bekannten nordischen Einrichtungshaus gekauft hat, sondern ist vielmehr eine im Deutschen geläufige Umschreibung aus der Ganovensprache für »im Gefängnis sitzen«: Schwedischer Stahl galt früher als besonders haltbar und wurde deshalb bei der Herstellung von Gefängnisgittern - die ja fast ein bißchen an »Gardinen« erinnern - besonders gerne eingesetzt. Möglicherweise hat die Redensart aber auch etwas mit den Gewalttätigkeiten der Schweden im 30jährigen Krieg zu tun.

HinterfotzigReziprokvaginal

Hinters Licht führen ...so, daß die Lichtquelle nicht das beleuchten kann, was man gern sehen möchte.

Hintersitzer...war um 1900 ein Kossäte, ein Kleinbauer, der hinter einem größeren Bauern angesiedelt war und nur ein kleines Haus (eine Kate, einen Kotten) und wenig Land besaß.

Hinterwäldler...bezeichnet einen rückständigen Menschen, der vom Weltgeschehen wenig Ahnung hat: Der Ausdruck, der um 1830 in die deutsche Sprache fand, ist eine Übersetzung des amerikanischen »backwoodsman« - die englischen Siedler, die sich auf dem Land jenseits der Alleghany-Berge in den Appalachen niederließen. Diese Gebirgskette zwischen Pennsylvania und Virginia bildete seinerzeit eine Barriere bei der Expansion der Siedler nach Westen. Wer dort lebte, war von der Welt weitestgehend abgeschnitten.

Hinz und KunzRedewendungen mit »Hinz und Kunz«, schon seit dem 13. Jahrhundert belegt, wurden ab dem 15. Jahrhundert zum Spott genutzt: Heinrich (Hinz) und Konrad (Kunz) hieß im Mittelalter eine große Anzahl von Herrschern. Weil auch viele einfache Leute ihre Kinder mit solch »wichtigen« Namen geschmückt sehen wollten, wurden durch die »Namens-Inflation« diese Vornamen beliebig.

HiobsbotschaftIn einer Wette mit Gott wettet der Höllenfürst, daß der fromme Hiob Gott verfluchen würde, wenn er nur genug Leid erfahre: »Dixit ergo Dominus ad Satan ecce universa quæ habet in manu tua sunt tantum in eum ne extendas manum tuam egressusque est Satan a facie Domini« - »Der Herr sprach zu Satan Sihe alles was er hat sey in deiner hand on alleine an jn selbs lege deine hand nicht. Da gieng Satan aus von dem Herrn«. (Hiob 1.12) Für den frommen und gottesfürchtigen Mann reiht sich daraufhin Unglück an Unglück: Nachdem seine Knechte erschlagen und seine Eselinnen geraubt wurden, fällt Feuer vom Himmel und verzehrt seine Schafe. Dann verliert er seine Kamele und am Ende zerstört ein Sturm sein Haus, dessen Trümmer seine Söhne und Töchter begraben. »Nudus egressus sum de utero matris meæ et nudus revertar illuc Dominus dedit Dominus abstulit sit nomen Domini benedictum«. - »Jch bin nacket von meiner Mutterleibe komen nacket werde ich wider da hin faren. Der Herr hats gegeben der Herr hats genomen. Der name des Herrn sey gelobt« kann Hiob noch lakonisch sagen (Hiob 1.21), dann wird er auch noch mit Geschwüren geschlagen. Ergreifend beschreibt die Bibel die Solidarität von Hiobs Freunden: »Et sederunt cum eo in terram septem diebus et septem noctibus et nemo loquebatur ei verbum videbant enim dolorem esse vehementem«. - »Vnd sassen mit jm auff der Erden sieben tage vnd sieben nacht vnd redeten nichts mit jm. Denn sie sahen das der schmertze seer gros war« (Hiob 2.13). Am Ende offenbart sich ihm Gott selbst in seiner Allmacht und gewährt einen Neuanfang. Mit mehr Vieh und mehr Kindern als zuvor beschließt der Dulder sein Leben: »Et mortuus est senex et plenus dierum« - »Vnd Hiob starb alt vnd lebens sat« (Hiob 42.17).
Die schlechten Nachrichten, die Hiob über die 43 Kapitel des Buches erfährt, sind der Ursprung für die Redewendung.

HitzläuferBezeichnung für Bernsteinsammler auf den Nordfriesischen Inseln, die auf einer »Hitzbank« (Sandbank) suchen.

Hochmut kommt vor dem FallIn den Sprüchen Salomo 16.18 erfährt der geneigte Leser: »Contritionem præcedit superbia et ante ruinam exaltatur spiritus« - »Wer zu grund gehen sol Der wird zuuor Stoltz Hoffertig vnd stoltzer mut kompt fur dem fall«. Im biblischen Sinne war Hochmut die Überheblichkeit Gott gegenüber, die den Untergang nach sich zog. Heute meint man eher Überheblichkeit anderen gegenüber.

Hochstapler Im heutigen Sprachgebrauch ist das jemand, der sehr übertreibt. Im 18. Jahrhundert verstand man unter einem »Hochstapler« noch einen Gauner, der unter falschem Namen oder Adelstitel als Angehöriger der oberen Klasse auftrat und gewinnreiche Betrügereien verübte, einen vornehm auftretenden Bettler. »Stapeln« ist ein Begriff aus der Gaunersprache, der »betteln« bedeutet. Die Silbe »hoch« bezieht sich auf einen, der »vornehm« auftritt.

HochzeitssitzDas ist kein spezieller Thron für Jungvermählte, sondern eine besondere Tanzfigur beim Rock 'n' Roll: Dabei springt die Tänzerin dem Partner so in den Schoß, daß es aussieht, als würde der Bräutigam die Braut über die Schwelle tragen.

Höchste ZeitDie Wendung verwendet ein Extrem, um damit eine »Anhäufung« bereits verstrichener Zeit zu versinnbildlichen. Da das Adjektiv »hoch« auch eine Wertung ausdrückt, unterschied man im Mittelalter vier »hohe Zeiten« im Jahr: Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Allerheiligen. Erst im 15. Jahrhundert ist der Begriff »Hochzeit/Hohe Zeit« im Sinne von Vermählung entstanden.

Höhle des LöwenDieser Ort, an dem wir uns in Gefahr wähnen, geht auf die Fabel »Der Fuchs und der alte Löwe« des griechischen Dichters Æsop (um 600 a.C.) zurück: Dort stellt ein alter Löwe sich krank und lädt den Fuchs zu sich ein. Auf die Frage, warum er nicht in die Höhle komme, um ihn zu besuchen, antwortet Reinecke: »Weil ich viele Spuren hineinführen, aber wenige herauskommen sehe«.

Höker...geht zurück auf die Hucke (Trage) der Hausierer, die ihre Ware von Haus zu Haus »verhökerten«. Heute kennen wir den Begriff nur noch als allgemeine Bezeichnung für das Verkaufen.

Hölle heißmachenIn der Bibel finden sich nicht weniger als 73 Verweise auf die Hölle, einen äußerst üblen Ort, der in der Offenbarung des Johannes ausführlich als feuriger Pfuhl und Schwefel beschrieben wird - das ultimative Grauen für einen jeden Sünder. Machen wir jemandem die »Hölle heiß«, wünschen wir ihn (bildlich) genau dorthin und hoffen, der Teufel möge ihm noch zusätzlich einheitzen.

Hölzern...benimmt sich umgangssprachlich eine Person, die sich ungelenk, ungeschickt wie ein Holzklotz bewegt oder steif wie ein Stück Holz dasitzt. Das Wort spielt darauf an, daß Holz sich kaum biegen und formen läßt, eher bricht, als dauerhaft eine andere Form als die ursprüngliche anzunehmen.

Hörige...wurden auch als Halbfreie bezeichnet. Sie waren zwischen Freien und Leibeigenen eingeordnet und konnten z.B. bewegliches Eigentum erwerben, aber keinen freien Grundbesitz. Außerdem hatte der Hörige »Schollenpflicht«, war also an einen Bauernhof gebunden.

Hoffen und harren macht manchen zum NarrenDiese alte Volksweisheit warnt uns davor, Dingen nachzuhängen, die aller Wahrscheinlichkeit nach niemals in Erfüllung gehen werden. Eine verflossene Liebe kommt nunmal nicht zurück, die Chance auf einen Lottogewinn ist und bleibt äußerst gering, nicht für jede Krankheit gibt es ein Heilmittel. Es lohnt sich ganz einfach nicht, all seine Kraft in unnütze Sachen hineinzustecken, sich unnötig das Leben schwerzumachen, Träumen und Illusionen nachzuhängen. Diese Erkenntnis hatte auch schon vor 2000 Jahren der römische Epiker Publius Ovidius Naso (43 a.C.-17): »Hoffen und Harren macht Menschen zum Narren« (Heroiden 16, 234), bereits Titus Maccius Plautus (um 254-184 a.C.), einer der ersten und produktivsten Komödiendichter meinte: »Qui speraverunt, spes decepit multos« - »Wer hofft, täuscht viele Hoffnungen« (Rudens 401).

Hohes TierSolche Menschen mit viel Einfluß gehen auf die oft stark hierarchischen Strukturen früherer Gesellschaftsordnungen zurück: Der größte Teil der Bevölkerung, der sich auf dem Land als Tagelöhner oder Kleinbauern durchschlagen mußte, hatte über sich eine lange Rangliste von Bessergestellten - Großbauern, Gutsbesitzer, Geistliche und Adlige. Dieser Oberschicht zollte man Respekt; gleichzeitig gab es viele Vergleiche aus der Tierwelt, sodaß man einen hohen Herrn als hohes Tier bezeichnete.

HokuspokusManch Zauberer würzt seine Tricks zuweilen mit einem »Hokuspokus«. Das Wort geht auf die mittelalterlichen Gottesdienste zurück und ist eine Veralberung der Einsetzungsworte Christi beim Abendmahl. Der Pfarrer stand weiland mit dem Rücken zu den Gläubigen und sprach die Worte: »Hoc est (enim) corpus (meum)« (Dies ist mein Leib). Vollständig heißt es eigentlich: »Et accepto pane gratias egit et fregit et dedit eis dicens hoc est corpus meum quod pro vobis datur hoc facite in meam commemorationem«. - »Vnd er nam das Brot, dancket vnd brachs, vnd gabs jnen, vnd sprach, Das ist mein Leib, der fur euch gegeben wird, Das thut zu meinem Gedechtnis«. und ist im Neuen Testament, Lukas 22.19 nachzulesen. Da kaum einer der Gläubigen der lateinischen Sprache mächtig war, verstanden sie so etwas wie »Hokuspokus«, die Verwandlung der Hostie in den Leib Christi mußte einfachen Leuten dabei wie Zauberei vorkommen. Nach einer anderen Deutung könnte es sich möglicherweise auch um eine pseudolateinische Zauberformel des 16. Jahrhunderts: »hax, pax, max, deus adimax« handeln, die mit ihre Magie aus dem x-Gleichklang schon in einem Blutsegen des 14. Jahrhunderts vorkommt. Mit dieser Beschwörungsformel kann ein Magier den Zuschauer ablenken. Anno 1634 erschien in London das Lehrbuch für Taschenspieler »Hocus Pocus junior the Anatomie of legerdemain« (1667 auch auf Deutsch).

Hol mich der Teufel!Dieser Ausdruck grenzenloser Überraschung geht auf einen mittelalterlichen Wahrheitsschwur zurück: Da der Volksglauben annahm, daß man den Teufel schon durch die bloße Nennung seines Namens herbeizitieren konnte, bekräftigte man so, daß eine Aussage der Wahrheit entsprach. Falls nicht, wäre der Leibhaftige auf der Stelle erschienen und hätte den Lügner mit sich gerissen. Der Zeuge oder Angeklagte mußte sich also schon sehr sicher sein, wenn er hinzufügte: »Sonst soll mich der Teufel holen!«

Hol's der Kuckuck/GeierDer Brutparasit (Cuculus canorus) und sein spottender Ruf sind bei uns so beliebt, weil er den Winter auslacht und den Sommer ankündigt und weil er uns sagt, wie alt wir noch werden sollen... Der graue Geselle, den man immer hörte und nie sah, wurde seit dem 16. Jahrhundert aber auch schnell mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Da er seine Eier in fremde Nester legt und stets nur den eigenen Namen ruft, bedachte man Personen mit dem Schimpfwort »Kuckuck«, um sie als undankbar und eitel zu kennzeichnen. Schon bei dem deutschen Sprachwissenschaftler Kaspar von Stieler (1632-1707), der vor allem für das von ihm verfaßte Wörterbuch bekannt wurde, heißt es beispielsweise im »Stammbaum« anno 1691: »Daß dich der Geyer hole ut te Dii perdant«.

Hol's der Teufel...drücken wir unsere Verwunderung oder Verärgerung aus, wenn wir künftig auf etwas (oder jemanden) verzichten wollen. Die alte Vorstellung, daß der Teufel die Sünder in die Hölle führt, dürfte Grundlage dieser Wendung sein.

Holden...waren meist gute Kobolde (Kobenholden), im altdeutschen Aberglauben aber auch böse Geister, die »in Gestalt von Ungeziefer per Hexenschuß in den Körper von Menschen gezaubert werden können«. Holden sind auch die Seelen Verstorbener. Sie sollen in Scharen, besonders während der 12 Reif- oder Rauhnächte (25. Dezember - 6. Januar), durch die Luft geistern. Als ihre Anführerin wird auch Frau Holle genannt.

Holla, die Waldfee...rufen wir hin und wieder unsere Überraschung heraus: Neben der Umformung von »Hallo« könnte hier der »Holler« (süddeutsch für Holunder) ebenso eine Rolle gespielt haben wie das Märchen von »Frau Holle«. Beiden sagte man magische Kräfte nach, ebenso wie all den guten oder bösen Feen, die oft überraschend in diversen Märchen und Sagen auftreten.

Holland in Not...heißt, es gibt große Probleme, man ist arg in Bedrängnis, wird mit einer Situation nicht fertig, da ist guter Rat teuer. Wer jetzt einen Zusammenhang mit den »Oranje elftal« aus dem Fußball vermutet, liegt völlig falsch - diese Redewendung stammt aus einer Zeit, als der noch gar nicht erfunden war. Vielmehr geht es hier um Sturmfluten, die Holland aufgrund seiner geringen Höhe über dem Meeresspiegel hin und wieder überspülten. Die Deiche waren kaputt, das Land stand knapp zu Hälfte unter Wasser, Hungersnöte und der erneute Kampf mit der See um Acker- und Weideland folgte, es gab keine Hilfe gegen die Naturgewalten - Holland war sprichwörtlich in Not...

Holz in den Wald tragenAn (Brenn)Holz wird es ausgerechnet im Wald wohl nie mangeln. Das erkannte schon vor gut zwei Jahrtausenden der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus, (65-8 a.C.), als er in seinen »Satiræ« (I.10.34) schrieb: »In silvam ne ligna feras«. (Trage nicht Holz in den Wald). Eine völlig sinnlose Tätigkeit also.

Holz vor der Hütte...bringt scherzhaft zum Ausdruck, daß sich ein üppiger Busen auftürmt wie die vor Bauernhäusern oder an Hauswänden aufgestapelten Holzvorräte.

Holzauge sei wachsamFür diese Redewendung, die insbesondere seit dem 2. Weltkrieg zur Aufmerksamkeit aufruft, gibt es wie so oft sehr unterschiedliche Deutungen: Nach weitverbreiteter Meinung ist schlicht der Blick durch ein Astloch im Bretterzaun gemeint - man sieht, ohne gesehen zu werden. Eine durchaus plausible Version findet sich im Landserdeutsch der 30er Jahre, wo das »Holzauge« als künstliches Auge - angelehnt ans Holzbein - auf prothesentragende Soldaten anspielt. Andere sehen Hinweise auf die Schießscharten mittelalterlicher Burgen, die mit Holzkugeln verschlossen werden konnten. Diese in alle Richtungen drehbaren Kugeln waren durchbohrt, sodaß Verteidiger nach außen sehen und feuern konnten - drehte man sie, waren die Öffnungen versperrt. Weitere Lesarten meinen die Herkunft in einem besonders geschulten Blick für die Feuerholzsuche zu erkennen, bei Jagdfliegern wurde mit »Holzauge« der hinten nachfliegende und Deckung gebende Pilot betitelt, auch das runde Hoheitsabzeichen an der Tragfläche britischer Flugzeuge oder »vom Mitschüler abschreiben« wird genannt. Laut dem »Deutschen Wörterbuch« der Brüder Grimm (Bd 4.2, 1877) war es »ein nicht fruchtbringendes auge vom alten holz der reben oder anderer zweige« - eine direkte Verbindung zum Sprichwort läßt sich hier also kaum feststellen. An anderer Stelle (Bd 1, 1854, Sp. 99) heißt es dort: »umgekehrt tritt auge, wie ohr, über in die noch sinnlichere Vorstellung der öfnung, des lochs. für fenster bediente sich die ahd. sprache des ausdrucks augatora [...], gleichsam schaut das haus durch ein fenster wie der mensch durch sein auge. [...] noch heute nennen wir eine art von dachfenstern ochsenaugen, weil sie sich krümmen, gleich dem auge des rindes. auge heiszt das loch in der thür zum durchschauen, oder das astloch im bret. [...] im käse, im brot sind augen, das nadelloch wird bald nadelöhr, bald nadelauge genannt«. Das Auge im Sinne von ›Loch‹ käme also durchaus in Betracht, aber: »Holzauge sei wachsam«...

Holzhammermethode...nennen wir es umgangssprachlich, jemandem seine eigene Ansicht auf eine etwas grobe, plumpe Weise beizubringen. Mit dem sprichwörtlichen Holzhammer läßt sich oft noch einiges regeln, wenn scheinbar sonst alles nichts mehr nützt - auch wenn dieser Inbegriff gewaltsamer Einbleuung bei aller Effektivität nicht unbedingt das pädagogische Nonplusultra sein mag.

Homerisches GelächterIn den beiden Epen »Ilias« und »Odyssee« beschreibt Homer (um 800 a.C.), der wohl älteste abendländische Dichter, das unauslöschliche schallende Gelächter der Götter. Der Ausdruck entstand im Frankreich des 18. Jahrhunderts und kam von dort aus in die deutsche Sprache.

Honig ums Maul schmieren...bedeutet, daß man jemandem schmeichelt, ihm Komplimente macht in der Absicht, ihn für sich zu gewinnen, um eigene Interessen durchzusetzen. Bereits im Mittelalter - einer Zeit also, in der Zucker und Süßigkeiten noch kaum bekannt und Honig das einzige Naschwerk war - soll diese Wendung nachgewiesen sein: So soll man den Heiligen Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153) als »pater mellifluus« - »Vater Honigfließend« - tituliert haben, weil er so wunderbar süße Worte predigte. In Martin Luthers (1483-1546) »Tischreden« (1577, Bl. 362a) lesen wir: »Einem das Maul schmieren, ohne ihm etwas zu geben« und anno 1529 bei Johann Agricola (1496-1570) heißt es: »Er schmirbt yhm das Maul, und gibt yhm ein dreck drein. Das ist, er betrügt yhn« (№. 692).

Honk...nennt die Jugendsprache - nicht immer wirklich bierernst gemeint - einen Trottel, einen Dummkopf oder Versager. Ursprung könnte das amerikanische Slangwort »honky« (Weißer) sein - in Deutschland gibt es aber auch mehrere Varianten von Abkürzungen wie »Hauptschüler ohne nennenswerte Kenntnisse« oder »Hirn ohne nennenswerte Kapazität«.

Hopfen und Malz verloren...ist, wenn es schlecht um die Sache oder Person steht - man glaubt nicht mehr daran, alle Mühe ist vergeblich: Früher war die Bierbrauerei kein selbstständiges Gewerbe und so braute jeder für den eigenen Bedarf selbst. Noch im Mittelalter wurden neben allerlei Kräutern auch Sumpfporst oder Bilsenkraut mit recht schädlichen Wirkstoffen verwendet, die wohl auch für die sprichwörtliche »Berserkerwut« der Wikinger verantwortlich sein sollen. Die beruhigende Wirkung des mit der Cannabispflanze verwandten Hopfens ist daher wohl ein Grund dafür, daß anno 1516 in Bayern das berühmte »Reinheitsgebot« erlassen wurde, nach dem man zum Brauen nur Wasser, Hopfen und Malz verwenden durfte - außerdem braucht es aber unbedingt noch Hefe. Der Pilz war meist durch Verunreinigungen im Braukessel noch vorhanden - wenn nicht, warf man einfach ein Stück Brot in den Sud. Wenn jemand um dieses Geheimnis nicht wußte und der Trank trotz aller Mühe nicht gelang, war wirklich »Hopfen und Malz verloren«.

HopfenbrüderschaftEin flandrisch-burgundischer, von »Johann ohne Furcht« um 1406 gegründeter kurzlebiger Schweigeorden. Das Schildwappen enthielt u.a. einen Hopfenkranz.

HoppelpoppelEiergrog aus Eidotter, Zucker, Rum, heißem Wasser.

Horch & KuckStasi, Ministerium für Staatssicherheit der DDR

Hornochse...titulieren wir gelegentlich äußerst uncharmant einen besonders einfältigen Zeitgenossen: Zum einen gilt der kastrierte Bulle als besonders träges Exemplar einer Gattung, die sich ohnehin schon nicht durch überbordende kognitive Fähigkeiten auszeichnet. Zudem steht die Redewendung »jemandem Hörner aufsetzen« für einen ahnungslosen Mann, der einen Ehebruch nicht wahrnimmt und »gehörnt« zurückbleibt.

Hot DogDieses Brötchen mit Sauerkraut, Ketchup, Mayonnaise und Würstchen bekam seinen Namen von seinem wichtigsten Bestandteil: die Frankfurter Würstchen in ihrer dünnen, gekrümmten Form erinnerten den Erfinder an den krummen Rücken des Metzgerdackels. Der Name »Hot Dog« entstand im 1. Weltkrieg in den USA - die deutsche »Frankfurter« war wegen der Kriegsfeindschaft verkaufshemmend geworden. In Anlehnung an den Erfinder pries man das Würstchen zunächst als »Dachshund Sausages« an, später wurde daraus der »Hot Dog«.

HubertusschlüsselEin dem heiligen Hubertus geweihter Schlüssel, der benutzt wurde, um Hunde vor der Tollwut zu schützen. Dazu wurde er erhitzt und damit die Hundestirn gebrannt.

Hübsch(l)erinAnderer Name für eine Prostituierte im Mittelalter.

Humbug...wird gern verwendet, wenn wir etwas für völligen Blödsinn halten. Zur möglichen Herkunft gibt es verschiedene Deutungsversuche: Sicher scheint, daß der Begriff Mitte des 19. Jahrhunderts der englischen Sprache entlehnt ist. Bekannt wurde er als Lieblingswort des alten grantigen Geizhalses Ebenezer Scrooge, Hauptfigur aus der »Weihnachtsgeschichte« von Charles Dickens (1812-70), der - von seinem Neffen Fred zum Weihnachtsessen eingeladen und mit »Merry Christmas« bedacht - nur ein wütendes »Humbug« entgegnet.
Eine andere Geschichte: Am 16. Oktober 1846 narkotisierte der amerikanische Zahnarzt William Thomas Green Morton (1819-68) den zwanzigjährigen Buchdrucker Gilbert Abbott mithilfe einer von ihm erfundenen »Ätherkugel«. Nach der geglückten OP war der Operateur von den neuen Möglichkeiten total begeistert und sagte angeblich: »Gentlemen, this is no humbug«. Dieses Ereignis gilt als die Geburtsstunde der wissenschaftlichen Narkose.
Und die dritte Version: Ein amerikanischer Wissenschaftler Anfang des 20. Jahrhunderts kannte alle möglichen Tierarten. Als sich seine Studenten einen Spaß mit ihm erlaubten, bastelten sie aus verschiedenen Insektenteilen eine »neue Art« zusammen - auf die Frage, um was für ein Insekt es sich da handeln könnte, antwortete er, dies sei ein »Humbug«, abgeleitet vom englischen »bug« für Käfer. Ob diese Erklärungen »Humbug« sind, kann allerdings nicht endgültig geklärt werden...

Hummel-Hummel - Mors-Mors...soll tatsächlich auf eine historische Figur, den Wasserträger Johann Wilhelm Benz (1786-1854) zurückgehen: Der zog einst in die Wohnung des Hamburger Originals Hans Hummel (1787-1854) in der Großen Drehbahn №. 36 ein und übernahm nebst dem Domizil auch dessen Spitznamen. Benz, der durch seine Erscheinung und sein Gewerbe allerlei Spott ausgesetzt war, riefen fortan die Straßenjungen seinen »ererbten« Spitznamen »Hummel Hummel« nach, wann immer sie ihn sahen. Da er ihnen mit seinen schweren Wassereimern kaum nachlaufen konnte, blieb ihm nur sein Mundwerk und das hamburgische Wort für den »Allerwertesten« - und das nutzte der reizbare Mann dann auch ausgiebig...

Hummeln im Hintern...haben sprichwörtlich Menschen, die keine Minute stillsitzen können, ständig irgendwas zu tun und zu machen haben, vor lauter Energie und Tatendrang auf dem Stuhl hin- und herrutschen: Diese tierische Alliteration, die schon Martin Luther (1483-1546) in seiner Sprichwörtersammlung mit dem Satz »er hat humeln ym arse« beschrieb, bezieht sich natürlich auf die grummelnden Frühlingsboten, die auf der Suche nach Nektar immer in Bewegung sind und die wohl jeder noch so ruhelose Zappelphilipp so schnell wie möglich wieder loswerden wollte.

Humor ist, wenn man trotzdem lachtDiese Behauptung stammt aus dem Buch »Yankeedoodle-Fahrt und andere Reisegeschichten« des deutschen Schriftstellers Otto Julius Bierbaum (1865-1910) aus dem Jahre 1909, über das er sagt, es bestünde in seinen Hauptteilen aus Humor und Resignation. Im XV. Kapitel berichtet Bierbaum vom dilettantischen und vom richtigen Reisen, von einer Amerikanerin, der ich auf dem Schoß saß, von der Libanonfahrt, von einer hammlischen Station, von armen Pferden, von großen Dingen, von kleinen Mädchen: »...Aber ich wiederhole es nochmals: das gilt nur für uns Schiefgewickelte, meine Freunde! Und, da wir ja wohl alle etwas Humor haben, dürfen wir uns nicht beschweren. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Der Mensch fängt beim Nein an, hat der alte Björnson gesagt. Aber dieses Nein muß auf ein großes Ja zielen. Wir lachen nein und meinen ja«.

Hunde, die bellen, beißen nicht...jedenfalls solange sie bellen - beides gleichzeitig geht nun mal nicht. Der Hund signalisiert durch sein Gebell meist Freude oder eine Aufforderung zum Spiel, bisweilen auch eine gewisse Drohung - ist aber in Wirklichkeit völlig ungefährlich. Vor ernsthaften Angriffen hingegen zeigen Caniden kaum warnende Anzeichen. Auch Menschen, die sehr gereizt und aggressiv wirken, sind in ihrem Inneren oft sehr verletzlich und schüchtern und können - wie bellende Hunde, die anschließend zubeißen - irgendwann ihre Drohung wahrmachen.
Schon in der Sprichwortsammlung »Der Teutschen Weisheit« sagt der Theologe Friedrich Peters (1549-1617): »Es schadet nicht, daß die Hunde bellen, wenn sie nur nicht beißen«. Die ursprüngliche Bedeutung dieses Sprichwortes kommt aber wohl von Kirchenglocken: Die Klöppel, die gegen die Glocke schlagen, nannte man früher auch »Hunte« - und wenn diese »bellen« (ital. für »klingen, läuten«, auch engl. »Bell« - Glocke), beißen sie halt nicht.

Hunde, wollt ihr ewig leben?Während des Siebenjährigen Krieges kam es am 18. Juni 1757 zwischen dem preußischen Heer von Friedrich II. (1712-86), und den österreichischen Truppen unter Graf Daun zur Schlacht von Kolin. Die zahlenmäßig unterlegenen Preußen wurden zurückgedrängt, worauf der »Alte Fritz« den fliehenden Grenadieren zugerufen haben soll: »Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?« Aus diesem Zitat schuf der Schriftsteller Fritz Wöss (1920-2004) den Titel seines weltberühmten Kriegsdramas »Hunde, wollt ihr ewig leben?«.

Hundeelend...geht es umgangssprachlich jemandem, dem schlecht ist, der unter Übelkeit leidet: Ursprünglich war das »Hundeelend« eine andere Bezeichnung für die »Staupe« (canine distemper), eine früher häufige, durch ein Virus verursachte Infektionskrankheit bei Hunden, Mardern, Stinktieren, Robben und Kleinbären, die u.a. zu Fieber, Durchfall, Erbrechen und Krämpfen führt und oft tödlich verläuft.

Hundemüde...ist jemand, der wirklich sehr müde, erschöpft, groggy, geschafft ist und am liebsten auf der Stelle umfallen und schlafen möchte - wie ein Hund, der sich einfach in die nächste Ecke legt und pennt: Unser wohl ältestes Haustier gilt einerseits als treuer Begleiter und Diener, andererseits aber auch als niedere, geprügelte Kreatur, die wegen ihrer sprichwörtlichen Unterwürfigkeit verachtet wird. In diesen Zusammenhang steht der Hund oft verstärkend für etwas Schlechtes, hier wird der ohnehin unangenehme Zustand der Müdigkeit noch einmal negativ gesteigert.

Hundsfott...ist ein uraltes, heute kaum noch gebräuchliches Schimpfwort besonders für einen Feigling, der sein Wort nicht hält. Zur Herkunft gibt es viele recht verschiedene Theorien: Einige leiten ihn aus »Hundes-fuot«, der »vulva canis«, vom mundartlichen »Fud, Fut« (Votze) ab, andere sehen den Halunken im »Hundsvogt«, auch die »Hundepfote« muß gelegentlich herhalten, ebenso, wie man einst die Einwohner eines hinterpommerschen Städtchens deshalb »Hundsfütter« genannt haben soll, weil sie verpflichtet gewesen seien, die fürstlichen Jagdhunde in die Fütterung zu nehmen. In der »Oeconomischen Encyclopädie« von J. G. Krünitz lesen wir: »...die vielen zum Theil seltsamen Ableitungen, welche man von diesem niedrigen Worte versucht hat, kann man bey dem Wachter finden. Ihre glaubt, daß es aus Hundhufwud, Hundshaupt, zusammen gezogen worden, welches im Schwed. ein figürlicher Ausdruck für Schande ist, u. von der ehemahligen Strafe des Hundetragens hergeleitet wird. Auf ähnl. Art bedeutet Hundskopf 2 Sam. 3.8 einen verächtlichen, nichtswürdigen Menschen. Die Meisten leiten das Wort von den Hunnen her, welche in Deutschland einfielen, und mit Rauben und Brennen großen Schaden thaten, niemahls aber Stand halten oder fechten wollten, daß, wenn gefragt wurde: ›Wer hat dieses oder jenes Dorf angesteckt und ausgeplündert?‹ die gemeine Antwort gewesen: Hunnus fuit, zus. gez. Hunsfut. Allein die hohe Empfindung, welche man mit diesem Worte verknüpft, beweiset schon, daß es etwas überaus schändliches bedeuten müsse, und da bleibt Eckards und Frischens Muthmaßung immer noch die wahrscheinlichste, welche die letzte Hälfte dieses Ausdruckes von einem niedrigen schmutzigen Worte ableiten, welches mit dem Franz. Foutteur, und Lat. Futuator, überein kommt, so daß Hundsfott eigentlich eine Uebersetzung des Griech. und Lat. Cynaedus seyn und einen Sodomiten bedeuten würde, welches in dem salischen Gesetze in Cenitus verderbt worden ist: Si quis alterum Cenitum clamauerit, 600 denar. - mulctetur; woraus zugleich das hohe Alter dieses Schimpfwortes erhellet. Bey den ältern Franzosen war statt dessen Chienfoutre üblich, woraus in den neuern Zeiten Jean foutre gemacht worden ist«.

HundstageDie »Dies caniculares« in der Zeit zwischen dem 23. Juli und 23. August haben nichts mit unseren kläffenden Haustieren zu tun: Zur Sommersonnenwende geht Sirius, der auffällig leuchtende Hauptstern im Sternbild »Canis maior« (Großer Hund) südöstlich des Orion im Morgengrauen auf. Diese Konstellation brachten dereinst die alten Griechen und Römer mit der größten Sommerhitze und Trockenheit in Verbindung.

Hunger ist der beste Koch ...der ie wart oder wirdet noch« formulierte der mittelhochdeutsche Spruchdichter Freidank bereits im 13. Jahrhundert in seiner Verssammlung »Bescheidenheit«. Der zugrundeliegende Gedanke, daß dem knurrenden Magen auch Dinge schmecken, die den Gaumen sonst weniger ergötzen würden, ist jedoch wesentlich älter und bereits bei antiken Autoren wie Marcus Tullius Cicero (106-43 a.C.) in dessen Spätwerk »De officiis« (Von den Pflichten) zu finden: »Cibi condimentum fames est«. - »Der Speise Würze ist der Hunger«.
Auch in der Oper »Hänsel und Gretel« von Engelbert Humperdinck (1854-1921) singt der Besenbinder, der mit einem Korb voller Lebensmittel vom Markt zurückkommt:

 »Trallalala, trallalala,
  Heißa, Mutter, ich bin da!
  Trallalala, trallalala,
  Bringe Glück und Gloria!
  Ach, wir armen, armen Leute
  Alle Tage so wie heute,
  In dem Beutel ein großes Loch,
  Und im Magen ein größeres noch
  Trallalala, Trallalala,
  Hunger ist der beste Koch«.

Hungerhaken...nennt der Volksmund spöttisch auffällig dünne Menschen, bei denen einige Knochen so deutlich sichtbar hervortreten, daß sie an Haken erinnern. Andere Interpretationen stellen darauf ab, daß bei Unterernährung häufig auch die Wirbelsäule angegriffen ist, sodaß der Betreffende krumm geht. Wieder andere meinen, es handele sich um den letzten Haken, in den man den Gürtel noch ganz eng schnallen kann, wenn es lange nichts zu essen gab; mancher vermutet gelegentlich auch eine scherzhafte Bezeichnung für eine Angel, mit der man wohl nicht allzuviel gefangen hat.

Hungerharke...nannte man einst einen Heurechen zum Nachharken eines abgeernteten Getreidefeldes, später ein zweirädriges landwirtschaftliches Gerät, das halbrund gebogene Zinken hatte, um hinter ein Pferd oder einen Traktor gespannt, auf Wiesen das geerntete Heu zusammenzuharken. Sie diente dazu, nach der Ernte die letzten, lose abgefallenen Ähren vom Feld zu sammeln, wie halt ein Hungriger die Brotkrumen aufsammelt. Die berühmte »Berliner Schnauze« machte später daraus eine volkstümliche Bezeichnung für das Luftbrückendenkmal in Tempelhof.
Die »Hungerharke« kann möglicherweise aber auch aus dem Jiddischen kommen: »Hargenen« heißt dort soviel wie »töten, ermorden«; könnte also auch bedeuten, daß jemand derart dünn ist, daß er dem Tode nahe ist.

Hupfdohle...nannte man bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts eher uncharmant die jungen Damen vom Revue-Ballett. Das gibt's heute kaum noch, den Tänzerinnen kommt allenfalls noch der Anglizismus »girlie« halbwegs nahe.

Hurenkinder...sagt man, wenn in einem Buch die letzte Zeile eines Absatzes alleine auf die folgende Seite gesetzt werden muß. Steht die erste Zeile eines Absatzes alleine am Ende einer Seite und der Rest folgt auf der nächsten, spricht man von »Schusterjungen«. Die Begriffe kamen wohl auf, weil man die alleinstehenden Zeilen mit den vernachlässigten Kindern von Huren und Schustern verglich. Aus typographischer Sicht sind beides schwere handwerkliche Fehler, da sie die Konturen des Satzspiegels besonders stark beeinträchtigen. Das graphische Gewerbe kennt noch andere Begriffe dieser Art: »Leichen« sind beispielsweise im Text fehlende Wörter, »Fische« Typen, die ins falsche Fach gerutscht waren, »Zwiebelfische« waren im falschen Schrifttyp gesetzt, ein »Durchschuß« steht für einen größeren Zeilenabstand, doppelt gesetzte Wörter nannte man »Hochzeit« und der Supergau war ein »Eierkuchen«, wenn ein mühsam zusammengebauter Schriftsatz zur Erde fiel und sich in seine Bestandteile auflöste.

HurenwebelBezeichnung für einen erfahrenen, meist älteren Soldaten eines Landknechtsheeres, der die Aufsicht über die Weiber (auch die Huren), Troßbuben und Kinder hatte.

Hut ab...sagen wir als Zeichen der Anerkennung, der Bewunderung und des Respekts gegenüber Dritten. Das kommt von dem mittelalterlichen Brauch, daß Untergebene den Hut vor ihrem Herrn zogen, um so ihre Ergebenheit auszudrücken. Später nahm man die Kopfbedeckung als respektvolle Geste oder einfach zum Gruß vom Kopf. Auch wenn man heute nur noch selten einen Hut trägt, sagt man noch immer: »Ich ziehe den Hut« oder seltener die französische Form: »Chapeau«.

HydraEin wucherndes Übel, das kaum auszurotten ist: Die »Hydra«, ein Sproß des Typhon und der Echidna aus der griechischen Mythologie, ist eine neunköpfige Wasserschlange aus dem Sumpf von Lerna, die mit ihrem Giftatem alles vernichtete. Wurde einer ihrer Köpfe abgeschlagen, wuchsen zwei neue nach, während der mittlere unsterblich war. Herkules hatte als zweite seiner zwölf Arbeiten für König Eurystheus die Aufgabe, sie zu töten. Das gelang ihm, indem er die Stümpfe der acht sterblichen Köpfe ausbrannte und den unsterblichen neunten unter einem Felsen begrub. Mit dem Gift der Schlange tränkte er seine Pfeile, die fortan unheilbare Wunden verursachten.



© tantalosz webdesign 2007 - 2024